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Die erhöhten posigeSühren. Ab 1. Oktober. Die vor einigen Tagen endgültig festgestellten' And von . cn zuständigen Stellen genehmigten erhöhten Gebühren für den Postverkehr treten am 1. Oktober d. I. in Kraft. Sie bringen durchweg eine Verdoppelung der jetzt gelten den Gebühren und berechnen sich in ihren wesentlichen Punkten wie folgt: Postkarten im Orts ¬ verkehr 1,50 M. Postkarten im Fern verkehr 3,— „ Briefe im Ortsverkehr Lis 20 Gramm 2,— „ über 20 bis 100 Gr. 4,— , über 100 bis 250 Gr. 10,— „ (Für nicht oder unzureichend freigemachte Postkarten und Briefe wird das Doppelte des Fehlbetrages, mindestens aber 50 Pfg. nacherhoben.) Drucksachen bis 20 Gr. 1,— M. über 20 bis 50 „ 1,50 „ „ 50 . 100 . 3,— , . 100 „ 250 , 6,— , „ 250 . 500 , 8,- „ „ 500 Gr. bis 1 Kilogramm 10,— , Ansichtskarten, auf de- renVorderseiteGrüße oder ähnliche Hof- lichkeitsformeln mit höchstens fünf Wor ten niedergeschrisben sind 1',- . Geschäftspapiere und Mischsendungen bis 250 Gramm 6,— „ über 250 bis 500 Gr. 8,— „ , 500Gr.bist Kg.l0,— , Warenproben bis 250 Gramm 6,— „ über 250 bis 500 Gr. 8,— „ (Nicht freigemachte Druck lachen, Geschäftspapiere und Warenproben werden nicht befördert. Für unzureichend freigemachte Sendungen die ser Arten wird das Doppelte des Fehlbetrags, mindestens aber 50 Pfg. nacherhoben.) Päckchen bis 1 Kilogr. 12,— M. Nah- Fern- Pakete zone zone bis 5 Kilo 30 80 M. über 5 bis 714 Kilo 40 120 „ „ 7-4 , 10 , 60 160 , , 10 , 15 , 100 280 . , 15 , 20 , 140 360 , Postanweisungen bis 100 Mark S,— , über 100 bis 500 M. 10,— , , 500 , 1000 , 12,— , „ 10O0 . 2000 „ 16,— . „ MM , 5000 , 20,— , (Meistbetrag ist von 2000 auf 5000 Marl erhöht.) Die «EiuschreibcgeLühr ist aus 4 Mark festgesetzt. Für die Eilbestellung sind bet Vor auszahlung zu entrichten für eine Briefsendung: nach dem Ortsbestellbezirk 6Mark, nach dem Landbestellbezirk 18 Mark; für ein Paket 12 M. und 24 Mark. Zahlkarten bis 100 Mark einschl. 3M. über 100 bis 500 M. „ 5, ff ff ff ff o E „ 2000 „ 5000 „ , 10 , , 5000 ,20000 „ „ 12 , firr jede weitere 10 000 Mark oder einen Teil dieser Summe mehr 6 , Für bargeldlos beglichene Zahlkarten dieselbe Gebühr, höchstens jedoch 30 Mark sür eine Zahlkarte. Gewöhnliche Telegramm für jedes Wort 5 , mindestens 50 , im Ortsverkehr für je des Wort 3 , mindestens 30 , Die Jnlandsgevühren für Briessendungen, Wertsendun gen, Postanweisungen und Pakete gelten auch nach dem Saargebiet sowie nach dem Gebiet der Freien Stadt Danzig und dein Memelgebiet. Die Jnlandsgebühren sür Briefe gelten ferner nach Luxemburg und Österreich. Die Auslandsgebühren betra gen vom 1. Oktober 1922 ab: Postkarten 12 M. Briefe bis 20 Gramm 20 , jede weiteren 20 Gr. 10 „ Ungarn und Tschechoslowakei: Postkarten 9 M., Briefe 15 Mark. Drucksachen für je50 Gr. 4 , Postanweisungsgebühr bis 500 Mark 5 , über 500 bis 1000 M. 10 , jede weiteren 1000 M. 5 „ jedoch nach Engländ, den britischen Kolo nien und den briti schen Postanstalten im Ausland sür jede wei teren 1000 Mark 10 , Die Erhöhung der Fernsprechgebühren soll gegen den Friedenspreis etwa 600 Prozent betragen, d. h. gegen die augenblicklichen Gebühren eine Steigerung von 250 Prozent. ' GoZias-emokraiischer Parteitag. Augsburg, 18. September. Der diesjährige Parteitag der Sozialdemokra tischen Partei Deutschlands wurde gestern in der Sängerhalle des Stadtparks mit einem BegrühnngSabend er öffnet. Die sozialdemokratischen Minister und Abgeordneten sind vollzählig orschitinen, dazu viele Gäste aus dem Auslande, so Es Dänemark, Schweden, Belgien, England und der Dubechoslowakoi. Zn der Mgrubungsansprache Mb R«chskagsabgeordiretrr Semon -Augsburg einen überblick über die Entwicklung des Sozialismus in Schwaben, worauf der Parteivorsttzende Hermann Müller, der ehemalige Reichskanzler, die Eröffnungsansprache hielt. Er st reiste die politischen Vorgänge der letzten Monate und sprach über die Folgen der Ermordung Rathenaus. Wenn Deutschland, so sagte er Welter, infolge der Ententepolitik zu sammenbreche, so werde das nicht so glatt vor sich gehen, wie es in Rußland und Österreich geschah, Europa werde dann viel mehr in die schwersten Erschütterungen gebracht werden. Der Parteitag wählte sodann zu Vorsitzenden die Abgeordneten Wels-Berlin und Simon-Augsburg. Nach dem Wels die zum erstenmal nach dem Kriege aus einem deut schen Parteitag erschienenen englischen Gäste begrüßt hatte, folgten Begrüßungsansprachen der ausländischen Dele gierten. Das Mitglied des englischen Unterhauses Davies sand mit seiner Erklärung gegen die französische Reparati o n spolitik und mit seinen Versicherung daß die englische Arbeiterpartei fest entschlossen sei, alles zu tun, damit niemals wieder Krieg werde, stürmischen Beifall. Gro ßen Beifall erweckte auch ein Bcgrüßungstelegramm des Reichspräsidenten, in dem die Einigung der beiden sozialistischen Parteien als eine Lebensfrage der Arbeiter und als ein dringendes, stark po litisches Gebot bezeichnet wird. Die sachlichen Beratungen des Parteitages begannen mit der Berichterstattung des Parteivorstandes über die von ihm im letzten Jahre geleistete Arbeit, Reichs- tagsabgeordneter Adolf Braun nahm in dem Bedicht scharf gegen die Kommunisten Stellung und besprach aus führlich auch die Not der Presse, indem er dem Wunsch Ausdruck gab, daß bald Maßnahmen ergriffen werden, die diese Not zu lindern imstande wären. WE- uns BoWMrischaft. Was kosten fremde Werte? Berlin, 1".September. Stand der Poienmark: 20,75 Bß Börfeuvläys 18. t>. gesucht f emaeb. 16. V. gesucht f angeb. Stand 1.H.11 Lolland 100 Guld. 57428,10 57571,90 57128,50 57271,50 170 Ml Dänemark 100 Kron. 3!O61,10 11138,90 31369,50 31439,25 112 . Schweden 100 Kron. 39051,10 39148,90 39051,1!) 39143,90 112 . Norwegen IVOKron. 2-218.40 25284,60 24818,90 24881.10 112 . Schweiz lOOFran? 27835,10 27914,90 27865,10 27934,80 72 „ Amerika 1 Dollar 1400,83 1494,37 1485,64 1489,38 4,40, England IMd. 6581.75 66)8,25 6546.90 6563,20 20,20» Frankreich 100 Frank HÄ0.90 11289,Ui 11285,80 11314,10 80 . Belgien 100Frant WM,65 10688,35 10661.60 10688,30 80 . Italien 100 Lire 6217,20 6212.80 6317 05 6332.95 80 . D.-Osterr. 100 Kron. 1,95 V- 1.99'/- 2,02 2,67 85 „ Ungarn 100 Kron. ' 58L2 59,08 59,92 60,08 85 . Tschechien 100Kron. 4843,85 4903,15 4744.05 4755,95 Neueste Meldungen. Vertreter Angoras in Berlin? Berlin. Wie ein englisches Blatt meldet, befinden sich zur zeit in Berlin inkognito Abgesandte Kemal Paschas. Sie haben der Berliner Sowjetvertretung erklärt, daß die Türkei zu keiner Friedenskonferenz gehen werde, die nicht auch Rußland als gleichberechtigte mitverhandelnde Macht zulasse. Emsnhr-Frcigabe von 298 090 Tonnen Chilesalpeter. Berlin. Ani Grund von Besprechungen mit den beteiligten Stellen ist die Einfuhr von 200 000 Donnen Chilesalpeter bis zum 31. Mai 1923 freigegeben worden. Einfuhrberechtigt ist der Verein der Salpeterimporteure in Hamburg. Dieser hat von den einzn führenden Mengen je 50 Prozent der deutschen Landwirtschaft, vertreten durch die BsMgsvereinigung der deut schen Landwirte in Berlin und 5L Prozent dem deutschen Lünaemittelbandel zu liefern. Wiederbeschassungspreis strafbar. München. Die bayerische Staatsregierung hak in einer Be kanntmachung über die Handhabung der Preistreibereivrrord- nung die Forderung des Wiederbeschaffungspreises als straf bar erklärt. Lediglich eine angemessene Berücksichtigung der Geldentwertung wird» zugestanden. 80 000 Mark Verbandsgelder gestohlen. Braunschweig. Aus dem Bureau des Fabrikarbeiterver- baudes wurden hier 80 000 Mark gestohlen. Unter dem Ver dacht der Täterschaft wurde der Gewerkschaftsangestellte Rohne verhaftet, der in der Zeit nach der Revolution Kommandant der Roten Volkswebr war. Verhandlungen zwischen der Türkei und Bulgarien. Wien. Meldungen aus Sofia bestätigen, daß der frühere Präsident des türkischen Parlaments, Achmed Riza Bey, dort angekommen ist, um Verhandlungen zwischen der Türkei und Bulgarien einzuleiten. Diese Tatsache hat in Belgard und Athen eine nicht geringe Beunruhigung hervorgerufen. Die Regierungen Griechenlands, Rumäniens und Jugoslawiens haben bei der bulgarischen Regierung sofort einen gemein samen Schritt unternommen und erklärt, daß sie in der Hal tung Bulgariens eine Bedrohung des politischen Gleichgewichts auf dem Balkan erblicken. Der drohende Orientkrieg. VL Paris. König Alexander von Serbien, der gegenwärtig in Pari/- weilt, führte in einer Unterredung, die er mit Poincars hatte, aus, er würde einen Vormarsch der Kemalisten auf euro päischem Boden als eine Gefahr sür Serbien betrachten. Un mittelbar nach Poincarü erschien der Vertreter der türkischen Regierung in Paris, Achmed Ferid Wey, bei dem König, um ihm die Haltung der kemalistischen Regierung darzulegen und erklärte feierlich, daß eine Rückkehr der Türken nach Thrazien keinerlei Bedrohung der Ententestaaten bedeuten würde. Schließung der Ford-Automobilwerke. * Newyork. Henry Ford was Maßnähmen Mr Schließung Ser Tttttomobilfabrik tu Detroit. Ford erklärte, es bestehe kein Mangel nn Kohlen, aber Sie Händler verlangten Wncherprei.se. Die Zähl der dadurch brotlos werdenden AdböiSer wird auf 100 000 geschätzt. Ans Stadl und Land. »«Maik nMüaaa». Wilsdruff, am 19. September 192h, — -Landtagskandidaturen in Sachsen. Wie die Tei- Union Sachsendienst erfährt, werden die demokratischen Spitzen kandidaten sür die Landtagswahl in Sachsen dieselben sein wie 1920, also für Ostsachsen Dr. Dehne, für Westsachsen Dr. Seyfert. Auch die Abgg. Clauß und Jähnig werden wieder aufgestellt. Der Listensührer der Deutschnationalen Abg. Hof mann kandidiert wieder. Die Kommunisten werden in Ost sachsen voraussichtlich Lehrer Schrapel an erster Stelle bringen, ferner den Vertrauensmann der Moskauer Abg..Renner. Da gegen dürften Siewert und Ebert nicht wieder aufgestellt werden. In Westsachsen werden sie Böttger als Listensührer aufstellen. Die Landesleitungen der SPD. und der USP. haben beschlossen, den Wahlkampf gemeinsam zu führen und dementsprechend gemeinsame Kandidatenlisten auszustellen. Die Bezirksleitungen beider Parteien in Ostsachsen fordern ihre Mitglieder zur Abführung eines Stundenlohn-Beitrages als einmalige Spende für die Wahlen aus. — Die Prüfung der abgehenden Musikschüler der Stadt kapelle findet morgen Mittwoch nachm. '/-5 Uhr im „Adler" statt. Freunde und Gönner haben Zutritt. — In den Lindenschlvtzchen-Lichtspielen kommt morgen das große Filmwerk „Eva, die Sünde" zur Vorführung. Es ist das ergreifende Lebensschicksal eines Mädchens, das im Kloster ihr Leben beschließt. (Vgl. Ins.) Der Tierschutzverein sür den amtshauptmannschaft- Uchen Bezirk Meißen hält Sonntag den 24. d. M., nachmittags st-5 Uhr in der Frischauf-Turnhalle in Meißen seine Jahres hauptversammlung und daran anschließend Stiftungsfest ab, das in althergebrachter Weise mit musikalischen und anderen Vorträgen gefeiert wird. Zeitgemäß wird ersucht, daß jeder Teilnehmer sein Abendbrot mitbringt. — Für die Beförderung von frischem Stein- und Kernobst, ausgenommen Südfrüchte und Weintrauben, werden vom 16. September ab folgende Vergünstigungen in den Tarifsätzen von der Reichsbahn gewährt: Bei Wagenladungen, die ins Inland gerichtet sind, erfolgt die Beförderung als Eilgut und die Berechnung zu den Sätzen der Wagenladungsklasse B, Edith Bürkners Liebe. 3) Roman von Fr. Lehne. Beim Abschied bekam Lucian einen Händedruck, der von einem so feurigen Blick begleitet war, daß er d-r Davongehenden erstaunt nachblickte. „Also das ist deine Kusine, Ditele?" fragte er dann. „Ja. Du kennst sie wohl schon?" „Nur so vom Ansehen. Sie ist nämlich in säst jedem Konzert und sitzt stets in der ersten Reihe. Den ganzen vorigen Winter ist sie mir schon ausgefallen, und ich hab' so meine eigenen Gedanken über sie." Er faßte dabei in seine innere Rocktasche und entnahm ihr ein Kuvert. „Sag mal, Schatzele, kennst du vielleicht diese Handschrift?" „Das ist ja Marthas Handschrift!" rief Edith in höchstem Erstaunen aus. „Wie kommst du dazu? Was hat sie an dich zu schreiben?" Er pfiff leise vor sich hin. „Dacht' ich's doch! O, nix Besonderes! Brauchst halt nit eifersüchtig zu werden! Steht auch nix weiter drin, als in all' den anderen Brieferln, die ich doch so oft und viel bekomme! Weißt ja, Schatzele, was ich drauf gebe! Ich wollt' uur wissen, wer M. H- ist, von der ich schon sechs Briese — diesen hier erst ge stern — sowie einen großen Blumenkorb bekommen habe — weißt, den mit den vielen Rosen — also nun uü ich es und bin seh: beruhigt! Sag' mal, sie ist 'vs.4 reich?" „Ja, sie hat viel Geld —" „Und viel Gold im Munde — mehr, als wir viel leicht zu Hause haben! Die Glückliche! Na, mir ist aber mein Mädele mit seinen kleinen weißen Mause zähnchen so lieber," neckte er. „Also eine so reiche Ku sine hast du. Wie doch die Glücksgüter halt so ver schieden verteilt sind! Besonders schön ist ja Fräulein .Hildebrandt nicht, aber zu kleiden versteht sie sich — Donnerwetter, das muß man ihr lassen! Und gui gewachsen ist sie auch! Ich wundere mich, daß sie noch M haben ist —" „Ich eigentlich auch, aber ihr ist eben keiner gui genug! Sie wählt und wählt so lange, bis sie schließ lich noch sitzen bleibt. Sie wird schon sechsundzwan zig Jahre." „Wie seid ihr denn eigentlich miteinander ver wandt?" „Ganz einfach: meine Mutter ist eine geborene Hildebrandt. Ihr Bruder, Marthas Vater, hat sehr viel Glück in seinem Leben gehabt; alles, was er an- faßte, gelang ihm. Und bei meinen Eltern war es umgekehrt — sie hatten eben kein Glück. So kommt es. daß wir beinahe darben müssen, während jene schwelgen und sich nichts zu versagen brauchen. Sie sit- s zen an dem gedeckten Tisch des Lebens, sie sind immer so satt —" Eine tiefe Bitterkeit klang aus der Stimme des jungen Mädchens und etwas, das dem leichtlebigen Künstler nahe ging. Er drückte mitfühlend ihre Hand und sah sie zart- lich an. „Aber Mädele! Hast denn du schon mal gehun gert? Wie bist du tragisch! Satt zu essen gibt's doch zu Hause!" „Ja, das Wohl, natürlich! Aber du verstehst mich eben nicht, Lucian! Ich bin doch jung und möchte auch genießen, so recht aus dem Vollen genießen! Und ich kann es nicht; ich muß zusehcn und beiseite ste hen, wenn andere schwelgen. Um ein paar Mark zu verdienen, muß ich den ganzen Nachmittag lausen und meine Ohren und Nerven von unmusikalischen Kindern zermartern lassen. Und Martha Hildebrandt gibt manchmal für eine Toilette mehr aus, als ich im gan zen Jahr verdiene! Sie ist so verwöhnt, picht ein Wunsch wird ihr versagt. Ach, Lucian, ich will nicht neidisch sein, aber doch tut es Weh und unter Ver wandten doppelt weh. Zehnmal mag ich mir sagen, du bist schlecht, wenn du so denkst, du versündigst dich an deinen Eltern, aber doch kann ich manchmal nichi dagegen ankämpfen —" Der junge Künstler sah Edith von der Seite an. Sie schien ihm verändert im Aussehen, während sie das sagte — älter, reiser, mit dem finsteren Zug zwi schen den Brauen. Ihre Stimme bebte in mühsam uu- rerdrOaker Erregung Solche rebellischen Geb^tteu hatte er gar nicht hinter ihrer weißen Stirn vermutet. „Sei gut, Schatzele," redete er ihr zu, „sei gut, anderen geht's auch so. Oder denkst du, du allein müßtest entbehren? Blicke unter dich und nit über dich! Und du hast am wenigsten Grund zur Klage, wenn du dich anschaust. Du hast etwas in die Wagschale zu legen, was deine Kusine nit hat! Sagt's dir dein Spiegel nit? Nun, dann sag ich es dir: du bist halt das reizendste, entzückendste Geschöpf, das ich bis jetzt gesehen! Und da willst du klaaen?" Er hatte wohl nicht unrecht mit dieser Behaup tung. Denn Edith Bürkner war ein auffallend schönes Mädchen, mit allen Reizen der Jugend geschmückt. Zu oem wunderbarsten Goldblond ihres Haares standen die großen dunklen Augen mit den langen Wimpern in wirkungsvollem Gegensatz. Die Gesichtsfarbe war sehr zart und rosig, säst durchsichtig, Nase und Mund rein und schön geschnitten. Ihre Gestalt war schlank und biegsam wie eine Weidengerte und von einer eigenen stolzen Haltung, die unwillkürlick aussiel. Bei Lucians Worten errötete Edith ein wenig. „Meinst du?" fragte sie etwas zögernd. Er lachte sein gutes, herzliches Lachen. „Willst's noch mal hören, du kleine Eitelkeit? Geh, du bist eine garstige Person! Ich weiß nimmer, wo ich eigentlich meine Augen gehabt habe!" Da sah er ihr verblüfftes Gesicht. „Schatzele, glaubst wohl gar, was ich eben gesagt hab'? Nein, ich scherze ja nur! Meinst, deine Kusine weiß nit, daß du viel hübscher bist, als sie?" „Ach, sie ist so eingenommen von sich, daß ihr nie mals jener Gedanke kommen könnte! Wir sind uns so fremd geblieben; denn ich habe das Gefühl, daß sie mich nicht leiden mag. Wir haben uns zwar nie ge zankt, aber dennoch liegt etwas zwischen uns. Manch mal hatte ich ja das Gefühl, daß sie mißgünstig sei, aber das ist ja lächerlich — woraus denn? — sie hat ja alles besser und viel mehr als ich —" „Aber eben deine Schönheit, deine Klugheit hat sie nit und die gönnt sie dir nit! Ich hab' halt nur einen Blick gesehen, mit dem sie dich betrachtete, und der sagte mir genug. Ich kenne euch Mädels doch! Sei also guten Mutes, du hast nit Ursach', sie zu benei den!" „Nein, mein' Lucian, du hast recht! Ich hab' ja dich — du bist mein Glück, weiter will ich nichts, als dich! Aber wenn Martha merkt, daß du mich liebst, wird sie mir das nicht gönnen, besonders, weil sie sich für dich interessiert. Sie will alles haben, was ihr gefällt. Und du gssällst ihr doch — würde sie sonst <m dich schreiben?" „Nur keine Angst, mein goldenes Schatzele! Da hab' ich halt auch ein Wörtchen mitzureden! Und Fräulein Hildebrandt hat mir gar nit imponiert! Warte, wenn du erst meine kleine Frau Kapellmeisterin bist — ja, ja, anders tun wir's nit — dann sollst du dich ordent lich satt essen, dann brauchst du nimmer zu hungern!" sagte er lächelnd. „Nun machst du dich gar noch lustig über mich, Lucian," entgegnete Edith mit einem leichten Schmol len. „Du hast mich eben nicht verstanden; es war auch dumm von mir, daß ich so gesprochen habe!" „Ich hab' dich wohl verstanden, Kind, ruck war erstaunt, zu hören, daß so rebellische Gebauten in dei nem blonden Köpschm spuken! Laß das Grübeln und Nachdenken, du kannst es dadurch auch nit anders ma chen; es hat gar keinen 'Zweck und nimm dir nur deine gute Laune. Nimm halt 's Leben, wie es ist! Du weißt doch, wie Aennchen im „Freischütz"' singt: Grillen sind mir böseGäste — immer mit leichtem Sinn tanzen durchs Leben hin " „Ja, du bist eben anders als ich, Lucian; ich mutz manchmal soviel denken. Ich wollte, ich wäre nicht so schwerfällia."