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MdmfferNMÄ Kernsprecher Wilsdruff N.. 6 Wochenbiakk fM WÜsömff UN- ^MgegM- poMcheckkont» Dresden 2640 Dieses Blatt enthält die amtliche« Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts -u Wilsdruff, der Stadtrat» zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. V«l««»r «,» »r,»«,- «ethmr 8sch««»e t« WU«dr»ff. Ve--»tw»rtttcher Schristletter: Her»«»» LSssi», für de« Inseratenteil: «rltzur Asch««»«, Seide i» SV««dr»A Nr. 22V Mittwoch den 20. September 1922. 81. Jahrgang Kleine Zeitung für eilige Leser. * RriichAbonlkprWdowt Harnstein ist aus London nach Berlin zurückgekohrt. Seine Verhandlungen sollen günstige Resultate erzwett Haden. * Der RÄchsEeudahn-rat stimmte einer Erhöhung der Tarife für Güter und Personen um 10Ü Prozent zu. * Bei der Reifs des englischen Kviagsministors nach Köln soll es sich um sine Verminderung der Besatzungskvsten handeln. — * Vertreter der deutschen Gewerkschaften sind nach Paris adgereist. um über Beteiligung an dem Wiederaufbau Frank reichs zu verhandeln. * In Doulzch-Qbenschlesten haben ine Bergarbeiter einem Merschichleuabkommon zugestimmt. * Die Völkeidundsverfammlung in Gens nahm einstinunig Ungarn in den Völkerbund ans. * Frankreich und Italien widersprechen der Forderung Eng lands, gegen die siegreichen Türken mit Waffengewalt vorzu- gohsn. Rußland stellt sich offen aus die Seite der Türken. Antriebe und Hemmungen. In London wird abermals, und zwar rein finanz technisch, über die Ersüllungskrise entschieden, die nur nominell zunächst eine Angelegenheit Deutschlands und Belgiens ist. Der Präsident der deutschen Reichsbank versucht, von Londoner oder Neutralen Banken eine Ga rantie für die Zahlungen zu erlangen, die Deutschland zu nächst an Belgien, dann an Frankreich zu leisten hat. Als Präsident einer nach dem Willen der Entente selbständigen, nicht staatlichen Bank führt er also die Verhandlungen nicht von Regierung zu Regierung, sondern von Privatfirma zu Privatfirma. Das Reparationsproblem wird also rein kaufmännisch aufgefaßt. Aber immerhin ist diese Auf fassung geteilter Natur. Für die Verhandlungen mit Eng land und Amerika sind finanztechnische Lösungen in Aus sicht genommen, für die mit Frankreich Lösungen vom Standpunkt der Ausgleichung und Verbindung der euro päischen Erzeugung. Entscheidend für den Ausgang der Londoner Mission Havensteins bleibt, ob England ein finanzielles Interesse an der Gesundung Europas hat. Unzweifelhaft hat sich die geschäftliche Lage Eng lands gebessert, und in dem Grade der Besserung nimmt das Interesse für Europa ab. Der Ruf der britischen Kon servativen nach einer Vernachlässigung der europäischen Interessen hat in England großen Widerhall gefunden. Die zielbewußte Art, in der die Kriegswirtschaft, die Löhne und Preise abgebaut wurden, ist von keiner anderen euro päischen Nation befolgt worden, aber das Ergebnis ist für England durchaus befriedigend. DieLöhnesindge- fallen, aber auch die Preise. England ist da durch wieder wettbewerbfähig auf dem Weltmärkte ge worden. So nimmt die Arbeitslosigkeit ab, die Beschäftigung zu. Man hat in Deutschland zu wenig auf diese Tatsache geachtet, die sich auch politisch auswirkt. Wenn, wie wir der neuesten britischen Handelsstatistik ent nehmen, die Ausfuhr im August 8 686 000 Pfund Merling mehr als im gleichen Monat des Vorjahres betrug, ob gleich der Kurs des Sterlings sich befestigte, und die Ein fuhr infolge Rückgang des Nahrungsmittelexports um 5 893 000 Pfund abnahm, dann liegt darin das Zeichen einer wirtschaftlichen Erstarkung Englands. Auch dk Herabsetzung der Tarife hat sich wirtschaftlich günstig aus gewirkt und vom April bis September bei der Post z. B. einen Überschuß von über 5 Millionen Pfund Sterling er geben. Jede Katastrophenpolitik auf dem europäischen Festland erschüttert die britische Wiedergenesung, aber mit der Sättigung Britanniens nimmt auch die Aktionsfähig keit gegen Frankreich ab, die ohnedies durch eine verfehlte Türkenpolitik Lloyd Georges geschwächt worden ist. England würde also durchaus für die deutschen Schul den eine Gewähr übernehmen, wenn es dadurch für sich selbst etwas herausholen könnte. Es ist heute nicht so sehr auf das deutsche Absatzgebiet als daraus angewiesen, den Deutschen Konkurrenten vom Weltmarkt zu verdrängen und daher versucht es immer wieder, durch finanztechnische Vor schläge die Mark zu stabilisieren. Steigt die derrtsche Mark, dann sinkt die Exportfähigkeit Deutschlands. Von dieser Plattforni aus hat England versucht. Havensteins Mission zu erleichtern und den belgischen und französischen nur in der Fenn starken Widerspruch zu bannen. Ob das gelingt, wird diese Woche beweisen. Frankreich dagegen hat ganz andere Interessen. Der Plan, Fndustriehcrr Europas zu werden, scheitert an der merkwürdig rückständigen technischen Vorbildung der Franzosen. Frankreich hat nicht genügend moderne Tech niker. Die französische Finanzpolitik hat genau so zur Ent wertung des Frankens geführt wie die deutsche für die Mark, denn wenn in Deutschland die Notenpresse arbeitet, so in Frankreich das System der inneren Anleihen, die zu einer außerordentlichen Verschuldung des Staats an die eigenen Volksgenossen geführt hat. Da der französische Staatshaushaltsplan deutsche Zahlungen als feste Posten eingesetzt hatte, diese Zahlungen aber unmöglich waren, konnte Frankreich feine wirtschaftlichen Schwierigkeiten nicht durch Drohungen Poincarös gegen Deutschland ds- heben. Frankreichs Reichtum ist seine Er-erzengung. Darin steht Frankreich hexte a» »»eiter «E. «et« L»e »er- mag es nicht zu verarbeiten, dagegen ist die deutsche Indu strie darauf eingerichtet. Dem Wiedevaufbauprogramm für die zerstörten Gebiete, das unter Billigung Poincarös auf der Heimburg abgeschlossen wurde, ist ein ähnliches mit süddeutschen Jndustrieführern gefolgt, und die deutschen und französischen Gewerkschaften sind in dem gleichen Sinne tätig. Es handelt sich hier also um Sach- lieserungen und Austausch der Produkte der Schlüssel industrien, worin eigentlich eine Garantie für den euro päischen Wiederaufbau von innen heraus und eine Siche rung gegen Arbeitslosigkeit liegt. Es ist ferner bemerkens wert, daß die Anregungen zu einer wirtschaftspolitischen deutsch-französischen Verständigung von französischer Seite ausgegangen sind. Allmählich kommt also die Vernunft zum Durchbruch, immerhin stehen ihr im Wege die gefühlsmäßigen macht politischen Versuche der Franzosen und das händlerische Interesse Englands. Poincaro hält seine Reden in der alten Form, und jeden Sonntag ist eine fällig. Aber der Schreier nach Gewalt kann auch anders, und der europa freundliche Brite ist in Wirklichkeit stets darauf bedacht ge wesen, entweder Europa als seine Kolonie anzusehen oder europäischen Wettbewerb zu vernichten. Die Lösung der Reparationsfragen kann heute nicht auf dem einen oder anderen, auf dem finanztechnischen oder wirtschaftlichen Wege erfolgen. Die Zusammenfassung ist notwendig. Und diese Woche entscheidet darüber, ob sie erfolgt, d. h. ob wir wirklich eine Atempause und Erleichterungen erhalten oder nur eine Galgenfrist. Ob die Keime der Vernunft wachsen oder die Selbstzerstörung wie Gift weiter frißt. 8. Süddeutsches Wirtschaftsabkommen mit Frankreich. Nachdem das Abkommen zwischen Stinnes und Luber- sac abgeschlossen worden ist, wurde auch in Württemberg ein Sachlieferungsabkommen zwischen einer süddeutschen und einer französischen Jnteressentengruppe getätigt, das für die süddeutsche Industrie von besonderer Bedeutung sein dürfte. Die Stuttgarter Commerz- und Privatbank hat ihre Mitwirkung zugesagt, und das Abkommen ist am 2. September von beiden Teilen unterzeichnet worden. * Tie deutschen Gewerkschaften und der Aufbau. Wie die amtliche französische »Agence Havas" erfährt, haben die deutschen Arbeiterverbände die Einladung des Ge neralsekretärs des Aktionskomitees für die zerstörten Gebiete, Bevollmächtigt« mit weitgehenden Vollmachten nach Paris zum Abschluß einer größeren Lieferung von Material für den Wie deraufbau der zerstörten Gebiete zu entsenden, angenommen. Eine Abordnung der deutschen Verbände wird Dienstag in Paris erwartet. Es sollen in Paris wichtige Entscheidungen über die Verwirklichung des Wiesbadener Abkommens, des Abkommens Bemelmans und des zwischen Stinnes und Luber- sac abgeschlossenen Abkommens getroffen werden. Ltneimgkeii in -er OrisnLfrage. Frankreich und Italien gegen England. Großbritannien, durch die Niederlage der Griechen in Kleinasien schwer betroffen, möchte mit Waffengewalt gegen die siegreichen Türken vorgehen. Aber es findet da bei keine Gegenliebe bei seinen Alliierten. Die französische Presse lehnt die englischen Vorschläge auf militärische Ope rationen gegen Kemal Pascha, dem Führer der Türken, einstimmig ab und erklärt, Frankreich würde sich auf keinen Fall in einen neuen Krieg einlassen. In gleicher Weise soll Italien entschlossen sein, England die Gefolgschaft in dieser Frage zu verweigern. Aber auch im eigenen Machtbezirk oer Briten regt sich Widerspruch. So wollen Australien und Neuseeland wohl Truppen zur Verteidigung Ler Dar danellen senden, jedoch besteht in Kanada und Südafrika keinerlei Geneigtheit, dem Mutterlands in einen neuen Krieg gegen die Türken zu folgen. Dagegen sollen die Vereinigten Staaten von Amerika, in jedem Versuch Kemal Paschas, nach Europa überzusetzen, eine große Gefahr erblicken und ein Eingreifen erwägen. Rußland an der Seite der Türken. Die Note des russischen Kommissars für auswärtige Angelegenheiten nach London erklärt das Auftreten grie chischer Kriegsschiffe im Schwarzen Meer für ungerecht fertigt. Solche Vertragsverletzungen könnten niemand überraschen bei der Art und Weise, wie die Westmächte sich andauernd Vertragsverletzungen zuschulden kommen ließen. Die Regelung der Meerengenfrage sei lediglich Sache der Küstenstaaten, als Rußlands, der Türkei, der Ukraine, Ge orgiens, Angoras und Rumäniens, nicht der Außenseiter. Aus London wird gemeldet, die Sowjets hätten eine außer ordentliche Konferenz des revolutionärm Militärrates ein berufen. Es werde versichert, daß die Konferenz beschlossen habe, unverzüglich alle Streitkräfte der kaukasischen Repu bliken, die russischen im Kaukasus befindlichen Streitkräfte und die Sowjetflotte im Schwarzen Meer zur Aktion Vor zuberriten. Ein Korps der Sowjetstreitkräfte sei bereits an der Grenze der asiatischen Türkei aufgestellt worden, be reit, Mustapha Kemal beim Vormarsch aus Lonstantivopek i» Hilse z« komme». ' Havenstein wieder in Berlin. Befriedigende Resultate. Die Verhandlungen des Präsidenten der deutschen Reichsbank, Havenstein, mit der Bank von England in Lon don, die am Sonnabend begonnen hatten, wurden den ganzen Sonntag über fortgesetzt. Abends reiste Haven stein nach Berlin ab. Reichsbankpräsident Havenstein ist Montag aus Lon don zurückgekehrt und hat sofort dem Reichskanzler über den Berlaus seiner Besprechungen Bericht erstattet. Mon tag abend sand eine Sitzung des Reichskabinetts statt, die sich mit der Reparationsfrage beschäftigte. Wie bekannt wird, haben die Besprechungen des Reichsbankpräsidentcn einen befriedigenden Berlaus genommen. Nach Abschluß der Beratungen des Reichskabinetts wird sogleich die Be- arttwortung der belgischen Note erfolgen, wahrscheinlich noch im Laufe dieser Woche. Die belgische Regierung hat bekairntlich dem deutschen Gesandten in Brüssel erklärt, daß sie damit zufrieden ist, wenn sie eine Antwort der deutschen Regierung nach der Rückkunft des Präsidenten Havenstein nach Berlin erhält. Die neuen Bahniarife. 100 Prozent mehr für Personen und Güter Der ständige Ausschuß des ReichseifenbahnrateL stimmte den Tariferhöhungsvorschlägen der Bahnverwal- tung einstimmig zu. Bei den Gütertarifen wurde mit sieben gegen sechs Stimmen ein Antrag angenommen wonach die Gütertariferhöhung zum 1. Oktober unter Ein rechnung der bereits beschlossenen Erhöhung von 33l-L Pro zent, insgesamt 100 P r o z e n t der Septembersätze be tragen soll. Der Minister stimmte zu, ist aber ent schlossen, unter ollen Umständen für Deckung der Aus gaben zu sorgen und kann nicht zulassen, daß die Rechnung der Reichsbahn wieder mit einem Fehlbetrag abschließt Deshalb wird binnen kurzem eine abermalige Erhöhung notwendig fein. Die Perfo nentarife werden zum 1. November abermals um 100 Prozent erhöht. Der Kamps um -en Broiprsis. Keine Einigung im Ausschuß. Am 6. September hatte der volkswirtschaftliche Ausschuß des Reichstages beschlossen, die Rcichsregierung zu ersuchen, nn- gesäumt den im Gesetz über die Regelung des Verkehrs mit Getreide aus der Ernte 1922 vorgesehenen Ausschuß zusammsn- zurusen, um mit ihm einen neuen Preis für das erste Drittel der Umlage sestzu-setzen. Der Ausschuß trat in Berlin zusanr- men, tonnte aber zn keinem einheitlichen Beschluß konrmen, da sich starke Widerstände gegen eine Erhöhung des Preises für das erste Drittel des Umlagegelreides erhoben. Die Preise sür das erste Drittel sind im Gesetz aus 6900 Mark für die Tonne Roggen und 7400 Mark sür die Tonne Weizen bestimmt. Ncichs- wirischastsminister Fehr führte aus, die Ablieferung stocke, er beabsichtige nach Einwilligung des Ausschusses die er höhten Beträge zu zahlen und die Zustimmung dcS Reichstages nachträglich einzuholen. Der Lächsische Wirtschastsminister protestierte gegen dieses Verfahren, das un gesetzlich sei, der Ausschuß habe kein Recht, über die Preise dcs ersten Drittels zu beschließen, da sie gesetzlich sestgclegt seien. Die anwesenden voltsparteilichen und deutschnationalen Abge ordneten traten sür die Erhöhung ein, die Vertreter der Mehr heitssozialdemokraten, Unabhängigen und Gewerkschaften schlossen sich dem Protest des Ministers Fellisch an. Vor der Abstimneung erklärte Minister Fellisch zugleich im Namen der sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen Vertre ter, daß sie sich an der Abstimmung nicht beteiligen werden, um sich nicht an einer gesetzwidrigen Handlung zu beteiligen. Sie leien auch gezwungen, jede Verantwortung für die Folgen eines bejahenden Beschlusses abzulehnen. Die Abstimmung ergab die Annahme eines Antrages Schiele auf Erhöhung mit 11 gegen 3 Stimmen, bei Enthaltung der sozialistischen Mrt- glieoer und des Deutschnattonalen v. Oppen, dem der Antrag Schiele nicht weit genug ging. Von dem Vertreter des Neichs- ministeriums sür Ernährung und Landwirtschaft wurden diese Beschlüsse zur Kenntnis genommen und erklärt, daß Vie er forderlichen Schritte für eine angemessene Erhöhung des Preises sür das erste Drittel in Vie Wege geleitet werden würden. MerschWenablommen in Sberfchlesien. Mehrförderung von 170 000 Tonnen Kohlen. Eine in Hindenburg tagende Revierkonferenz der Bergarbeiter Deutsch-Oberschlesiens sprach sich mit allen gegen zwei Stimmen sür ein überschichtenabkommen in Oberschlesien, wie es in Westfalen besteht, aus. An die Durchführung des Abkommens ist das Zustandekommen des Manteltarifs mit der im Ruhrrevier durchgefübrten Regelung geknüpft. Die Gewerkschaften wurden beauf tragt, über die Formulierung des überschichten abkommens zu verhandeln. Ein überschichtenabkommen im Umfange des westfälischen würde in Deutsch-Oberschlesien monatlich »iue Mehrkörderuna von 170 000 Tonnen ergebe».