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nicyr geyanen worden seien, dagegen o-rganisterter Wucher sich Lreitmache. Die Verwaltung der Woiwodschaft, in der völlige Unordnung herrsche, sei machtlos. Der Auf ruf schließt mit Der Forderung der sofortigen Einstellung der Feierschichten. — Die Ausschreitungen und Judenver folgungen in Kattowitz dauern an. Trotz starken Polizei aufgebots wurden Dienstag in verschiedenen Fällen Juden auf den Straßen zu Boden geworfen, mit Stöcken und Gummiknüppeln verprügelt und ihnen die Bärte abge schnitten. Auch zahlreiche Einbrüche wurden verübt. Vernunft und Gewalt. Das hoffnungslose Reparationsproblem. Wie schwer jeder Versuch, die internationale Schul denfrage und das deutsche Neparationsproblem durch vernünftige Vorschläge zu regeln, jedesmal durch die fran zösische Gewaltpolitik behindert wird, zeigt sich, wenn man zwei Äußerungen nebeneinander hält, die jetzt von ameri kanischer und französischer Seite vorliegen. Das Pariser Blatt „Information" veröffentlicht eine Unterredung mit Vanderlip über die Reparationsfrage, in der dieser u. a. sagte: Niemand bestreitet die Gerechtigkeit der französischen An- fprüche, aber es ist offensichtlich, daß Deutschland die Summen, die man von ihm verlangt, nicht zahlen kann. Der Niedergang der Mark wird industrielle De pression, Arbeitseinstellung, Preissteigerung im Innern und soziale Unruhe im Gefolge haben. Wenn Frankreich viel verlangt, läuft es Gefahr, wenig zu erhalten. Im Juni dieses Jahres waren die Aussichten für die Unter bringung einer besonderen internationalen Anleihe auf dem amerikanischen Markt verhältnismäßig günstig. Frankreich hätte einen Teil davon bekommen können. Aber es war unmöglich, Deutschland einen Kredit zu ge währen, so lange unter seinen finanziellen Lasten die Re parationen mit 132 Milliarden Mark stehen. Heute sind die Aussichten viel schlechter, denn der Niedergang der Mark hat die Lage Deutschlands erschwert. Die Erörte rung, die bezüglich der alliierten Schulden in Europa be gonnen hat, hat die öffentliche Meinung in den Vereinig ten Staaten beträchtlich abgekühlt. Es geht zu weit, wenn . die europäischen Nationen, mit Ausnahme von England, in ihren Budgets nichts über die Rückzahlung an Amerika vorgesehen haben. Ich sehe im Augenblick kein Heilmittel für Europa, und der Horizont ist weiter voller Wolken. — Die Hauptursache für diesen Pessimismus erkennt man leicht, wenn man die Rede Barthvus betrachtet, die dieser jetzt bei Eröffnung des Generalrates in Pau hielt, und in der er erklärte, der europäische Friede könne für Frankreich nur dann annehmbar sein, wenn man ihm gegenüber alle Verpflichtungen, die ihm garan tiert seien, erfülle, und wenn diejenigen, die den Krieg gewollt hätten, die Verantwortung dafür und seifte Fol gen auf sich nähmen. Wenn man Frankreich die Früchte seines Sieges verweigere, dann sei Frankreich groß und stark genug, um zu handeln und zu verlangen, daß Deutschland seine Verpflichtungen erfülle. Frankreich habe für Deutschland genug bezahlt, es sei notwendig, daß Deutschland für die Verbrechen, die es begangen habe (!), und für die es verantwortlich sei, bezahle. — Wie auf dieser geistigen Grundlage von Haß und Ver blendung ein wahrer Friede erwachsen soll, 'ist allerdings unverständlich. Diebstähle an Kunstwerken. Eine traurige Seuche der Jetztzeit. Daß bei dem Drunter und Drüber des Zusammen bruchs allerlei Wertvolles verlorengehen mußte, ist eigent lich selbstverständlich. Das königliche Schloß von Berlin Ave Maria. Roman von Felix Neumann. Wieder sprachen sie eine Weile kein Wort. Dann fuhr er fort: „Du hast recht! Es muß zu Ende sein! Was aus mir wird, ist ja gleichgültig." „Sprich nicht so, ich kann das nicht anhören!" „Mir ist, als ob alles zu Ende wäre und ich in bodenlosem Nichts versänke!" Er schwankte und hielt sich an der Staffelei fest. Dann warf er einen Blick auf das Bild. „Oh, hätte ich dich nie kennen gelernt, wäre das alles nicht gewesen." In tiefem Mitleide haschte sie nach seinen Händen. „Walter — mach mir das Scheiden nicht so entsetzlich schwer. Jedes deiner Worte ist eine bittere Anklage gegen mich. Habe ich das verdient?" — Wie ihre Stimme klang! Sie schnitt ihm wie ein Messer durch die Seele. Er blickte sie an. Sie hatte die Hände vor der zarten, knospenden Brust gekreuzt. In den großen Augen, die durch die bläulichen Schatten noch geheimnisvoller erschienen, standen die Tränen. Ganz langsam lösten sich die kristallklaren Tropfen von den seidigen Wimpern. Er sah dies erschütternde Bild. Er zog es in sich ein mit den Augen des Künstlers und des Liebenden, besten Brust bis zum Zerspringen voll Sehnsucht und Verlangen war. Da riß er sie an sich, nahm sie in feine Arme und bedeckte ihre Lippen und Augen mit glühenden Küssen. Sie ließ es willenlos geschehen. Wie ohne Leben ruhte sie in seinen Armen, und er spürte, wie ihr Mund sich gegen den seinen preßte. Endlich rang sie sich los. „Genug, Walter, genug! Es ist Tollheit, ich muß fort!" Wie ein gehetztes Reh kauerte sie in einer Ecke des Zim mers, die Hände vor das Gesicht gepreßt. Und Walter hörte, wie sie halblaut stöhnte: „Ich fürchte mich, ich fürchte mich!" Er trat näher und ein bitterer Zug glitt über fein vor Er regung bleiches Antlitz. „Du hast recht, ich bin von Sinnen!" Und er legte den Arm um sie und wollte sie aufrichten. Aber sie stieß ihn zurück. „Ich fürchte mich!" ächzte sie, „zum ersten Male in meinem Leben fürchte ich mich vor mir selbst." Sie ging mit schnellen Schritten zu dem Ruhebett und griff nach ihrem Hut. Malier stand in der Nähe des Fensters, durch das die z. B. Weitz ein Lied davon zu singen. Nicht immer war der Gedanke zum Allgemeingut geworden, daß es sich um Volksgut, um Nationalbesitz handele, den zu schützen Auf gabe eines jeden sei. Leider aber ist diese Idee noch immer nicht durchgedrungen. Man braucht bloß zu be obachten, wie vandalische Hände in den Eisenbahnwagen Hausen, die doch auch der Allgemeinheit gehören. Da sind Schrauben herausgezogen und gestohlen, Klinken ab gebrochen, weil der Messingwert reizte, die Inschriften und Aufschriften zerkratzt und entstellt, und an die Wiederher stellung der während des Krieges entfernten Gurte und Fenstervorhänge darf die Verwaltung selbstverständlich nicht denken. Wer die Zeitungen verfolgt, der liest fort während von Einbrüchen in Kirchen, sogar in Grab gewölbe, in Museen, die allgemeiner Belehrung dienen, in Privatsammlungen, in ehemals fürstliche Schlösser, die nicht genügend bewacht werde,:. Ist die Moral so ge sunken, daß alles vogelfrei erscheint, vor dem nicht ein Soldat mit geladener Flinte steht? Der Deutsche hat leider viel zu sehr das Bewußtsein, daß er arm und besitzlos ist, und daß andere ihm alles mögliche vorenchalten; er denkt ein Recht der Vergeltung auszuüben, wenn er sich Dinge aneignet, die ihm von an deren angeblich vorenthalten werden. Er weiß gar nicht, wie reich er ist, wenn er sich klar wird, daß alles, was dem Staate, der Gemeinde, der Allgemeinheit gehört, auch sein ist, und daß es sein eigenes wohlverstandenes Interesse ist, am Schutze dieser Gemeinschaftsgüter mitzuwirken. Wer in einem Eisenbahnwagen eine Zerstörung anrichtet, der sollte wissen, daß er selbst durch Steuern oder sonstige Zahlungen dafür wieder aufzukommen hat, und zwar in erhöhtem Maße, denn die Zerstörung vergrößert sich von selber, ehe die Wiederherstellung eingreifen kann. Wer Kunstschätze aus einem Museum stiehlt und verwertet, der mag daraus unter Schlichen und Sorgen eine ungenügende Bezahlung erschwindeln (denn den richtigen Wert bekommt er nie), aber er schädigt sich selbst und seine Kinder, denen er Bildungs-Mittel und Kulturwerte entzieht. Freilich ist dieser Gedanke für viele zu hoch. Der Spitzbube, der kürzlich gefaßt wurde, weil er Bücher der Berliner Staatsbibliothek von hohem Werte gestohlen hatte, fristete davon ein klägliches Leben, denn er bekam von den Antiquaren nur niedrige Preise, ob wohl der wahre Wert sehr hoch war. Kürzlich wurde von einem Christusbilde in München eine Krone mit Halb edelsteinen gestohlen; sie ist gewiß sehr wertvoll, aber in den Händen des Diebes, der sie zerstören muß, sinkt der Wert ganz bedeutend. Das Potsdamer Stadtschloß, die Residenz Friedrich Wilhelms I. und Friedrichs des Großen, hat in der letzten Zeit böse Zerstörungen erlitten. Van dalenhände beschädigten die berühmte Freitreppe des Schlosses, die Fahnentreppe, so genannt, weil üb.er sie von dem Fahnenzimmer aus die Fahnen der sridericiani- schen Regimenter zu den Paraden getragen wurden. Die vergoldeten Putten, die die Treppenbalustraden bekrönten, sind an vielen Stellen beschädigt worden, Nasen, Finger, Füßchen sind abgeschlagen. Das sind ganz sinnlose Hand lungen pöbelhafter Burschen. Noch schwerer und unersetz licher sind die Zerstörungen an dem Bronzegeländer der Treppe, dessen Materialwert die Diebe lockte.' Dies Ge länder war unter Aufsicht eines der berühmtesten Metall bildhauer der Zeit entstanden, des Zeichners Melchior Kambly, von dessen Hand auch der Schmuck des herrlichen Speisesaales Friedrichs des Großen im Schloßinnern, des sogenannten Äronzesaales und der des Muschelsaales im Neuen Palais stammt. Von diesem Meisterwerk der Bronzekunst haben nun die Diebe so große Teile heraus gebrochen, daß man, um wenigstens die Reste der filigran artig feinen Arbeit zu retten, auch den Rest entfernt bat. Unabsichtlich wird in solchen Gebäuden manchmal den Museumsdieben selbst ein Fingerzeig geboten, der dann weiterwirrt. In den ehemaligen Residenzschlössern usw. führen meist frühere Schloßbeamte und Angestellte der Hof haltung die Besucher in großen Gruppen undientledigen sich ihrer Aufgabe fast durchweg mit Geschick und Sach kenntnis. Ihre Erklärungen zu den einzelnen Kunstaeaen- - Sonnenstrahlen hereintanzien. Mit leeren Augen sah er, wie j § Maria die Nadel aus dem Hute zog, wie sie es immer tat, ehe s sie ihn aussetzte. Mit schlaffen Armen sah er das alles mit an. Er lauschte auf das rasende Pochen seines Herzens. Noch s hundert Schläge, dachte er, dann schließt sich die Tür hinter ihr, und du wirst sie niemals Wiedersehen. Er verfolgte jede ihrer Bewegungen und war wie gelähmt. Es war zu Ende, das stand nun unwiederbringlich fest. In seinen Ohren brauste es, er glaubte die Isar zu hören, die vorübersließt, und vor seinen geistigen Augen zog, wie bei einem Sterbenden, die ganze letzte Zeit, die er mit Maria ver lebte, blitzschnell vorüber. Endlos dehnten sich die Sekunden, sie schienen zu einer Ewigkeit zu werden. Ging sie denn noch immer nicht? Sollte diese Qual des Abschieds ewig dauern? Er beneidete Farnier, der in seinem Bette lag, wahrschein lich die Decke über die Ohren gezogen hatte, und niemanden empfangen wollte — niemanden! Oh — der Meister war durch das Leben klug geworden. Da zuckte er aus seinen Gedanken empor. Sie hielt den Hut noch immer in der Hand. Regungslos § verharrte sie so. Und plötzlich — der Atem stockte ihm, sah er, daß das zarte Strohgeflecht auf die Erde fiel und ihm klirrend die silbernen Nadeln folgten. Er wollte herbeispringen, in dem gleichen Augenblicke aber wendete sich Maria zu ihm und, ehe er noch recht zur Besinnung kam, breitete sie mit einem leisen Schrei die Arme aus und hing an seinem Halse. Durch das Fenster perlten die Klänge von Farmers Geige. Er spielte das Ave Maria, das er selbst geschrieben hatte, aber sie — an die es gerichtet war, — hörte es nicht mehr. 7. Kapitel. Im Salon der Gräfin Seckendorf saß Monsignore Umpfen- berg und schlürfte behaglich den goldgelben Tee. Es war wirklich echter chinesischer Tee allerbester Sorte, nicht das Zeug, das er in den Kriegsjahren so oft hatte aus v Höflichkeit hinuntergießen müssen. Auch die kleinen knusperigen Kuchen waren delikat, und mall munkelte, daß das Rezept direkt aus der erzbischöflichen Küche stamme. Dort wußte man, was trefflich mundete. Aber trotzdem es Monsignore zu schmecken schien, ging ein bekümmerter Zug über das runde, gepflegte und glatt rasierte Antlitz. Die Gräfin, eine sehr distinguirte Dame Mitte der Vier ziger, lehnte in der Sofaecke und hielt die Tasse in der Hand. „Sie müssen mir noch etwas von ihren Eindrücken er zählen, die Sie auf der Reife durch das Rheinland sammelten. standen pflegen aber in ztnn Teil höchst sonderbaren Wert angaben zu gipfeln: „Dies Gemälde dürfte heute unter so und soviel Millionen Mark nicht mehr zu haben sein." Oder: „Derartige Elfenbeinschnitzereien sind heutzutage von Händlern und Sammlern ungemein gesucht." Oder: „Für diesen Teppich sind dem Fürsten kürzlich von einem Ausländer so und soviele Millionen Mark geboten wor den." Trotz bester Absichten wird so die bisher noch vielen unbekannte Seite des Hohm materiellen Wertes der ge zeigten Kunstwerke drastisch klar gemacht. Eine Warnung und Mahnung an die in Betracht kommenden Stellen, auch die in kleineren Museen, Rathäusern und Kirchen müßte dem, meint die Zeitschrift „Kunftchronik", einen Riege! vorschieben. Besser wäre es aber, wenn man allgemein einsähe, daß ein Diebstahl solcher Dinge alle bestiehlt, um ein paar unsaubere Schieber mit Kunstgegenständen zu be reichern, die sie nicht einmal verstehen. A. 5«. AKU. un» Bolkswirtschaft. Was kosten fremde Werte? Börsenplätze S». 8. gesucht s an geb. LS. 8. gesucht! angeb. Stand Dollond lOOGukd. 56329.50 56170,50 50586,65 50713L5 170 M k. Dänemark 100 Kron. 31260,85 31339.15 28064,85 28135,16 112 , Schweden lOOKron. 383 2,00 38418,00 34406,90 3449.3,10 112 , Norwegen 100 Kron. 25118,55 25181,45 22571,75 22628,25 112 , Schweiz 100 Frank 27565,50 27634,50 24793,95 24856,05 72 . Amerika 1 Dollar 1133,20 1441,80 1298,85 1301,65 4,40, England 1 Pfd. 6466,90 6483.10 5817,70 5882.80 MIO, Frankreich 100 Frank 11435.65 11464,35 10362,80 10388,16 80' I Belgien lOOFrank 10-86 35 10913,65 9737,80 9762,20 80 , Italien 100 Lire 6166 90 6183,10 5817,70 5832,30 80 , D.-Osterr. lOOKron. 1.68 1,72 1,53 1,57 85 . Ungarn lOOKron. 84.89 85,11 76,90 77,10 85 Tschechien lOOKron. 50-8,65 5081,35 3995,30 4005,00 Berlin, 23. August. Stand der Polenmark: 16.25 Bst * Arbeit für die deutschen Waggonfabriken. Der jugosla wische Staat hat in Deutschland eine große Anzahl von Eisen bahnwagen bestellt. Der Waggonauftrag ist von den in Be tracht kommenden 50 Fabriken in Angriff genommen worden. Er lautet, wie jetzt bekannt wird, aus den bedeutenden Betrag von 51 Millionen Goldmark. Die Zahlungen werden geleistet zu einem Achtel sofort, zu einem Drittel zum 2. Januar 1923, zu einem Viertel bei Abnahmebereitschaft, zu einem Viertel bei Ablieferung. Diese kann im fünften Monat beginnen. * Erhöhte Ausfuhrabgabe vöm 1. September ab. Wie man in Berlin erführt, soll die erhöhte Aussuhrabgabe wahrschein lich schon am 1. September in Kraft treten. * Herabsetzung der Leipziger Beherbergungssteuer. Im Hin blick auf die bevorstehende Leipziger Herbstmesse ist die städ tische BeherbergunqSsteuer vom Rat der Stadt Leipzig durch Neuregelung der Berechnungspreise um mehr als die Hälfte herabgesetzt worden. * Die Arbeitslosigkeit in England. Die Zahl der Arbeits losen in England betrug am 14. August 1332100. Nah un- Fern. O Abschied 6 Telegraphisten. Die Teilnehmer de? internationalen Telegraphisten-Wettbewerbes sind vm ihrer Abreise vom Reichspräsidenten empfangen worden Der Reichspostminister hat zum Andenken an die Ver anstaltung eine Medaille für die Teilnehmer gestiftet, di< auch dem Reichspräsidenten als den Protektor des Wett bewerbes überreicht wurde. Staatssekretär Bredow und Reichspräsident Ebert hielten kurze Ansprachen. O Ein photographisches Atelier als Falschmünzerei Der Reichsbankfalschgeldstelle ist es nach langen Ermitt lungen jetzt gelungen, den Hersteller und die Vertreibe, gefälschter Tausendmarkscheine zu verhaften. Kriminal kommissar v. Liebermann in Berlin gewann aus Anhalts punkten die Überzeugung, daß die Fälscher ihren Sitz in Stettin oder Stargard haben müßten. Die Nachforschun- Freilich — viel Schönes wird es nicht gewesen fein, aber man darf den Kops nicht in den Bufch stecken wie der Vogel Strauß. Wenn wir die bessernde Hand anlegen wollen, kann nur ein offnes Aufdecken der Schäden Heilung bringen." Monsignore seufzte und schob den letzten Brocken eines Kuchens hinter die vollen Lippen. * Dann legte er die Fingerspitzen beider Hände ineinander und wiegte den Kovf. „Mir tut das Herz weh, wenn ich an alles denke, was ich sah. In meiner amtlichen Eigenschaft war es mir vergönnt, überall den Fuß hinzusetzen, aber Trauer erfüllte mich, als ich das vom Feinde besetzte Gebiet durchschritt. Wie ein böser Traum wirkte das ganze Leben und Treiben auf mich ein — verehrteste Frau Gräfin — erlassen Sie mir Einzelheiten. Nur etwas Gutes vermag ich zu berichten, nämlich, daß die An hänglichkeit an unsere heilige Kirche nicht gelitten hat!" „So mag hier der Anker ruhen, der unser Schifslein noch in der wogenden See hält. Halten wir am Glauben fest, das weitere überlassen wir Gott!" Durch die breite Glastür, die zum Flur führte, trat der Stiefsohn der Gräfin, Graf Titus Seckendorf. Er war ein hochaufgeschossener Mann von über vierzig Jahren und ging etwas vornübergeneigt. Vor den kurzsichtigen Gelehrtenaugen trug er eine runde Hornbrille. Sein Haar war kurz und dünn, aber das Gesicht hatte unzweifelhaft etwas Anziehendes, da es klug war. Man sah es Graf Titus an, daß er die größte Zeit seines Lebens in der Studierstube verbrachte, denn die Hautfarbe war grau und ohne Frische. Ueber der ganzen Erscheinung lag etwas Staubiges. Graf Titus trug einige Miniaturen in der Hand, die er leidenschaftlich sammelte, und noch ein größeres Bild. Monsignore erhob sich, und die Herren begrüßten sich als alte Bekannte. „Ich hörte, daß Sie hier seien, Monsignore, und da ich weiß, wie sehr Sie für Bilder und alte'Malereien schwärmen, habe ich Ihnen einige Kostbarkeiten mitgebracht. Bleiben Sie nun bei uns in München und treten in unsern Kreis ein oder geht es wieder auf die Wanderschaft?" Der Geistliche lächelte. „Meine Mission ist einstweilen be endet, ich war in der Tat in den letzten Jahren soviel unter wegs, daß ich säst die Fühlung mit dem lieben München verlor. Aber nun gedenke ich hier Wurzel zu schlagen — wenn Emi nenz es so gesällt!" Der Graf hatte sich gesetzt und kramte seine Schätze auf dem Tische aus. Die Gräfin hielt die Lorgnette vor das Auge. . (Tortsetzung solgt.)