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letzungen davon. Die Geschäfte hatten vielfach geschlossen und die Läden herabgelassen. Trotzdem kam es zu wei teren Ausschreitungen, in deren Verlauf einige prunkvolle Privathäuser von der Menge gestürmt wurden, die das wertvolle Mobiliar vollständig demolierten. Frankreich. X Teilweise Aufhebung der „Retorsionen". Das Straß burger Generalkommissariat teilt mit: Da sich die Frage der Ausgleichszahlungen aus dem Wege zu einer gütlichen Regelung befindet, werden die Retorsionsmaß nahmen ausgehoben werden. Infolgedessen wird die den Banken mitgeteilte Verpflichtung, die deutschen Guthaben zurückzuhalten, aufgehoben werden. Die Maß nahmen gegen die Deutschen, die am 12. August ausgewiesen wurden, bleiben bestehen. Eine spätere Mitteilung wird den Termin bekanntgeben, an welchem der Beschluß über die deutschen Guthaben aufge hoben wird. Wenn die Tschechenkfone steigt.. . Unglück über Unglück. Wie Satirspiel im weltwirtschaftlichen Getriebe muten die Klagen an, die jetzt aus der Tschechoslowa kei kommen über die unheilvollen Wirkungen des Stei gens der tschechischen Krone. Während Österreich in folge des Zurückweichens seiner Währung in das leere Nichts vor dem Erliegen bangt, während in Deutsch land das erschreckende Sinken der Mark Bestürzung und Hoffnungslosigkeit in allen Kreisen auslöst, seufzt die Tschechoslowakei, weil ihre Krone zu schnell nach oben ge klettert ist. Sie bewegt sich einträchtig mit dem Dollar aufwärts. Heute muß man über 640lf deutsche Mark an legen, um 100 tschechische Kronen zu bekommen. Also eine ungeheure Aufwärtsbewegung in kurzer Zeit, wenn man bedenkt, daß nach dem Kriege die Tschechenkrone bedeutend geringer notierte als die deutsche Mark. Und die Folge? Eine f ch w ere Krise der tsche chischen Hauptindu st rie, Arbeits- und Ratlosig keit. Die gesamte Glasindustrie Nordböhmens steht vor dem Zusammenbruch. Mit Massenentlassungen von Ar beitern im Westen und Nordwesten Böhmens ist begonnen worden. Der gesamten Arbeiterschaft der Glasindustrie wurde gekündigt. 13 000 Arbeiter sind arbeitslos, über 20 000 arbeiten nur 2 bis 3 Tage in der Woche. Im Iser gebirge stehen Entlastungen für die nächste Woche bevor. Die Gewerkschaftsverbände verlangten angesichts dieser Lage von der Regierung die Aufhebung der Kohlenabgabe, Verminderung der FrachttarkMtze und der Postgebühren. Die Glasindustrie ist nur auf Ausfuhr eingestellt und findet keinen Absatz mehr. Die sächsische Regierung hat die böh mische Grenze sperren müssen, weil von drüben jeden Tag wahre Völkerwanderungen hereinströmten, um auf deut schem Boden billig einzukaufen, im Lands selbst ist nichts mehr zu haben. Das Geld ist außerordentlich knapp, zu mal die Auslandsforderungen nicht einzutreiben sind oder doch nur zu dem alten, beim Geschäftsabschluß gültigen Kurs eingehen. Die Zahl der Arbeitslosen nähert sich der halben Million. Die Regierung will in diesen Tagen eine Konferenz abhalten, in der über Tarifherabfetzungen, Er leichterungen für die Einfuhr von Rohmaterialien und für die Ausfuhr von Fertigfabrikaten, Aufhebung der Kohlen abgaben usw. zur Abhilfe beraten werden soll. Vor allen Dingen schreit man nach einer Stabilisierung, einer Fest legung der Krone auf einen bestimmten Kurs. Neben der Glasindustrie ist die Metallindustrie hart bedrängt. In den Mannesmann-Werken zu Komotau arbeiten von 922 Arbeitern nur noch 110 in vollen Tages schichten. Bestellungen zu den jetzigen Kronenpreisen laufen nicht mehr ein, es wird beabsichtigt, das Werk still- zulegen. Zn den Skodawerken in Pilsen sollten dieser Tage 2000 Arbeiter entlasten werden, doch gelang es nach längeren Verhandlungen durckzusetzen, daß vorläufig nur Ave Maria. Roman von Felix Neumann. „Mein Stiefsohn" — Sie betonte das „Stief", denn sie wollte noch als junge Frau gelten — „ist ein fanatischer Bilder- ; freund und -sammler. Und da ich dasselbe von Ihnen, Mon signore, hörte, so werden die Herren ja manchen Anknüpfungs punkt haben." Der geistliche Herr ergriff eine der Miniaturen, die ihm der Graf hinhielt. „Ich kann mich an Fachkenntnis nicht mit Ihrem Herrn Stiefsohne messen, Frau Gräfin. Trotz aller Heitzer Be mühungen, in die Materie restlos einzudringen, bin ich doch nur ein — sagen wir „begabter Laie^ auf diesem Gebiete geblieben. Auch habe ich nicht die Mittel, um meiner Leidenschaft erheb liche Opfer zu bringen." Die Dame lachte. „Ja — was mein Stiefsohn für seine Bilder ausgibt — direkt und indirekt — so zum Beispiel für Reisen — das grenzt schon an ein hübsches Vermögen." Sie legte Titus, der gerade durch ein Vergrötzerungsglas eine Miniatur bewunderte, die Hand auf die Schulter. „Es wird Zeit, mein Lieber, datz du ein wenig Ablenkung bekommst. Auch deiner Gesundheit wird es nicht schaden, wenn du einmal aus deinem Sammelleben herausgerissen wirst." Graf Titus blickte sinnend vor sich hin. „Ich bin ja bereit, Opfer in dieser Hinsicht zu bringen," dabei sah er seine Mutter bedeutungsvoll an und machte eine kleine spöttische Verbeugung, „aber ganz werde ich mich von keinem Menschen meiner Liebhaberei entfremden lassen!" Etwas eigensinnig setzte er nochmals hinzu: „Von keinem Menschen!" Man schwieg und bewunderte die Kostbarkeiten. „Aus welchem Jahrhundert sind die Bilder?" Monsignore griff nach der Lupe. „Ich habe es noch nicht mit Bestimmtheit feststellen können, doch vermute ich aus dem siebenzehnten. Ich fand sie in einem schmierigen Trödelladen in Verona!" Des Grafen Blick glitt liebevoll über die kleinen Kunst werke. „Aber man muß suchen, um das Schöne zu finden " „Und es festhalten, wenn es sich einem darbietet!" fiel die Gräfin ein, doch schien nur ihr Sohn die Bedeutung dieser Worte in richtigem Sinne zu verstehen, denn er lächelte ein bißchen malitiös. „Und nun. Monsignore, noch einen Genuß eigner Art." Der Graf hielt ein Bild hoch, so daß es in vollem Lichte zu sehen war. etwa 500 Arvettern gekündigt wird. Und ähnlich liegen die Dinge in den anderen Mittelpunkten der Metall industrie. Der Porzellau-, der Holz-, der Textilindustrie ergeht es nicht besser, die Industriellen denken an Aus wanderung, da sie nur noch unter Verlusten mühsam weiter können. Die Metallarbeiterschaft hat ein gemein- schakkliches Einschreiten sämtlicher Arbeiterorganisationen wegen des Steigens der tschechoslowakischen Krone bei der Negierung vorbereitet. Wegen des Steigens der Krone! Die Be zugnahme auf deutsche Verhältnisse, wo Gewerbe, Industrie und Beamienapparat nicht aus den Lohnverhandlungen wegen des Tiefstandes der Mark herauskom men, liegt zu nahe. Hohe Valuta bedeutet Massenelend im tschechischen, niedrige Valuta das gleiche im deutschen Falle. Nichts kann deutlicher die unmögliche und geradezu verheerende Situation kennzeichnen, in welche die kurz sichtige und wahnsinnige,Beutepolitik der Sieger im Welt kriege das alte Europa gestürzt hat. -oll. Die österreichische Mimsterreiss. Politische Fühlungnahme — keine „Bettelfahrt". Die ziemlich unvermittelt ins Werk gesetzte Reise des Bundeskanzlers Dr. Seipel und des Finanzministers Segur über Prag und Berlin nach Verona zur Aussprache mit Benesch, Wirth und Schanz er hat in der Öffentlichkeit viel Aufsehen erregt und ist als ein letzter Versuch der österreichischen Regierung ausgelegt worden, vor dem völligen Zusammenbruch bei den Nach barn noch eine letzte Hilfe zu holen. Daß diese Auf fassung falsch ist, darüber haben die beiden Wiener Mi nister die Berliner Presse eingehend aufgeklärt Bei einem Empfang in der österreichischen Gesaut* chast erklärte der Bundeskanzler Dr. Seipel gegenüber den Gerüchten, Österreich wolle sich an die kleine Entente an schließen: Unsere Reise dient überhaupt nur der Orientierung; ich brauche auch nicht zu sagen, daß ein Anschluß an die kleine Entente nicht in der Linie un serer Politik liegt. Wir mußten in unserer Notlage das Bedürfnis haben, uns über die Stimmung bei unseren ' wichtigsten Nachbarn Aufklärung zu verschaffen, also auch in der Tschechoslowakei, die ja die Führung in der kleinen Entente hat, und ebenso in Italien als der einzigen Ententegroßmacht, die unmittelbar an unsere Grenzen stößt. Nach dem Bundeskanzler ergriff Finanzminister Segur das Wort, um zunächst darzutun, daß es das Ziel seiner Finanzpolitik gewesen sei, zunächst durch Anspannung aller Kräfte der Selbsthilfe die Voraussetzung für die Hilfe von außen zu schaffen. Es sei ein erfreuliches Zeichen, daß die Reparationskom mission beschlossen habe, einen Teil der Pfänderfrei zugeben, nämlich das Erträgnis aus den Zöllen, Sa linen, Forsten und Domänen sowie aus dem Tabakmono pol. Im übrigen sei die Reife keine Bettelreise, sondern eine Informationsreise, und es handle sich nicht darum, für einen unmittelbar vor dem Zusammenbruch stehenden Staatshaushalt Hilfe zu er bitten. Die FortführungdesHaushaltssei viel mehr für die nächste Zeit g e s i ch e r t. — Die Besprechun gen der beiden Minister mit der R eich s r eg i er u n g trugen den Charakter einer herzlichen nachbarlichen Freundschaft. Der Bundeskanzler legte dar, datz Österreich nach Lage der Dinge selbstverständlich seine An gelegenheit beim Völkerbunde mit allem Nachdruck betreiben werde, daß aber eine Verschleppung von den größten Nachwirkungen nicht nur für Österreich, son dern auch für Zentraleuropa sein müßte. Auf deutscher Seite besteht die freudige Bereitwilligkeit, im Rahmen des eigenen Könnens dem bedrängten Brudervolke, wo irgend möglich, Hilfe zu leisten. Weitere Verhandlungen über die sich hierbei ergebenden konkreten Aufgaben schließen sich an vie Berliner Besprechungen an. Nach Wiener Korre spondenzmeldungen verlautet, daß Österreich eine Unter stützung auf wirtschaftlichem Gebiete durch Lieferung von Kohlen von Deutschland zugestanden worden sei.' Welt- rmh DMAMrischafL, Was kosten fremde Werts? Börsenplätze 24. 8. L3 8, Stand gesucht j anacS. gesucht j ang-b. 1.8. Lolland 100Guld. Dänemark 100 Kron. Schweden IWKron. Norwegen 100Kron. Schweiz lOOFranr Amerika 1 Dollar England 1 Pfd. Frankreich 100 Krank Belgien 100 Krank Italien 100 Lire D.-Osterr. 100Kron. Ungarn 100 Kron. Tschechien lOOKcon. 76903,75 42696,55 52534,25 33857,50 1S72M 8 538,90 1458ch7b 1.98 99,87 6441,9!) 77096,25 428'13,45 52665,75 34042,50 1977,47 8861,10 1468i',25 ll'OL 100,18 6458.19 56329,50 31260,85 3b3)2chü 25118,55 27565,50 1 WM 6466,90 11435,65 10-<86 35 6463 90 1.6L 50-8,65 56470,50 31889,15 38448,00 25181,45 27634,50 1441,80 6483,10 11484,35 10813,65 6483,16 1,7L 85,11 5081,35 170 M k. 112 , 112 . 112 , 72 , 4,40, 20^0, 80 . 80 „ 80 . 85 „ 85 , Berlin, 84. Auaust. Stand der Polenmark: 23,50 W. 4- Getreideüberfluß im Südosten Rußlands. Der bevollmäch tigte Vertreter des Ernährungsvolkskommissariats im Süd- osteu meldet, daß der Südosten nach Deckung des eigenen Be darfes 20 Millionen Pud Getreide, davon 15 Millionen Pud Weizen, aussühren kann. Die Staatsmühlen an den Eisenbahn linien können monatlich 1^4 Millionen Pud Mehl liefern. * Englische Kohlen für Amerika. Nach einer Meldung aus Newport teilt die Kriegsslottenkommissivn mit, datz zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien Verträge über die Lieferung von 600 000 Tonnen englischer Kohle innerhalb des nächsten Monats abgeschlossen worden sind. Neueste Meldungen. Der Verkaufspreis der Waren. Berlin. Der Reichsverband der deutschen Kolonialwaren^ Handler fordert in einer Eingabe an den Reichsernährungs- mlmster das Recht, als Verkaufspreis den am Tag des Ver kaufs nachweisbar geltenden Wiederbeschaffungspreis zugrunde- zulegen, zuzüglich eines allgemeinen Zuschlags für die allgemei nen Geichastsinteressen Polnisch-Obcrschlesien ohne Nahrungsmittel. Breslau. Polnisch-Oberschlesien steht heute ohne das Aller- notwendigste zmn Lebensunterhalt da, ausvrrkaust, ausge powert, ohne Nahrung und Kleidung. Die Beamten haben heute, im dritten Monat der polnischen Verwaltung, ihr Gehalt noch nicht bezogen, sondern müssen nach wie vor von Vor schüssen leben. Zwangsmaßnahmen gegen den Ausverkauf in Ratibor. IW Natibor. In Ratibor haben die Gewerkschaften, um den Ausverkauf an tschechische und polnische Reisende zu verhin dern, um Äbwehrmaßregeln ersucht und folgende Forderungen gestellt: 1. Anbringung von deutlich lesbaren Preisen an den Waren in Schaufenstern und Geschäften. 2. Einstellung der Warenverkäufe an die Ausländer. 3. Scharfe Überwachung der Ausländer am Bahnhof und an den Ausgängen der Stadt durch besonders zu ernennende Kommissionen. 4. Einhaltung angemessener Verkaufspreise für Lebensmittel und Gegen stände des'täglichen Bedarfs. Nitti über die schwarze Schmach. Nom. Der frühere italienische Ministerpräsident Nitti schreibt über die schwarze Schmach im Westen Deutschlands: „Im Interesse der menschlichen Würde halte er es für "richtig, nicht wiederzugeben, was in den von ihm in Deutschland, Eng land und Amerika gesammelten Akten über die schwarze Schmach erzählt wird. Der Schmerzensschrei der deutschen Frauen trifft unsere Seele. Er ist der furchtbarste Vorwurf, der christlichen Völkern gemacht wird, die angeblich mehrere Fahrs für den Triumph der „Zivilisation und Gerechtigkeit" ge kämpft haben." „Sehen Sie, das kaufte ich unlängst. Die Schönheit sie! mir sofort ans, aber je länger es in meinem Besitze ist, um so mehr komme ich zu der Erkenntnis, daß es sich um eine ganz prachtvolle Arbeit eines noch jungen Genies handeln mutz. Nur konnte ich bisher den Maler nicht seststellen, aber ich hoffe, datz mir das noch glücken wird." Graf Titus reichte das Bild, das einen Bettelknaben dar stellte, dem Geistlichen hinüber. Der drehte es von allen Seiten umher, besah es von hinten sogar und schüttelte den Kops. Dann fuhr er sich mit der Hand über die Stirn. „Na — gefällt es Ihnen nicht, Monsignore?" Der Gras blickte sein Gegenüber etwas erstaunt und ent täuscht an. „Nein — nein, das Bild ist wundervoll, ganz wundervoll, aber —" wieder legte sich die Denkerstirn des Herrn Umpfen- berg in Falten — „ich glaube mich bestimmt zu erinnern, datz ich das Bild schon gesehen habe, nur weitz ich nicht mehr, wo —" Graf Titus wurde unruhig. „War es etwa in einer Galerie oder in einem Museum? Das würde mich schmerzen, denn in diesem Falle hätte ich wohl nur die Kopie eines mir bisher unbekannten Kunstwerkes erworben." „Maria brachte es mir, als wir vor einigen Wochen bei Klara waren. Sie sagte, datz sie es von einer Freundin habe, es handle sich um eine gute Tat, einen notleidenden Künstler zu unterstützen. Der Kaufpreis, den sie nannte, war so gering, datz ich sofort zugriff." „Nun, dann wird doch auch Maria wohl in der Lage sein, durch Nachfrage in dem Kreise ihrer Freundinnen den Namen des Künstlers ausfindig zu machen." „Das hoffe ich auch, aber du weiht ja —" hier lächelte Titus ein wenig bedrückt und senkte die Stimme — „datz ich sie seit damals nicht mehr gesehen habe." Die Gräfin räusperte sich. „Ich denke, datz wir bald von Klara Näheres hören werden." Monsignore war während dieses Zwiegespräches ans Fenster getreten und betrachtete das Bild genau. Nun kehrte er mit einem befriedigten Lächeln zurück. „Ich kann Ihnen einen Dienst erweisen, Herr Graf. Ich glaubie zuerst, datz ich das Bild am Rhein irgendwo gesehen hätte, als ich es aber von der Rückseite betrachtete, war es mir klar, datz ich es sogar in der Hand gehalten hatte, und nun sand ich die Spur. Der Künstler, der dies Bild schuf, ist ein junger Maler aus München, und ich kenne ihn und seine Verhältnisse genau. Er heisst Grebenstein, wohnt draussen in Schwabing und molk zurzeit an einem Madonnenbild, das ich ihm für die Kapelle in Andernach in Auftrag gegeben habe." Graf Titus schlug mit der stachen Hand auf den Tisch. „Den Mann muss ich kennen lernen! — Das ist ja gross artig, daß er hier in München sitzt und ich nicht wieder durch die ganze Welt zu suchen brauche. Monsignore, ich danke Ihnen." Der geistliche Herr verneigte sich. „Ich hätte die Absicht, heute oder morgen den jungen Künstler aufzusuchen und das fertige Madonnenbild in Augen schein zu nehmen. Es würde mir eine große Beruhigung sein, wenn Sie, verehrter Graf, mit von der Partie wären und einen Teil der Verantwortung, das Schiedsrichteramt auszuüben, von meinen Schultern nehmen." Titus knipste mit den Fingern. „Famos!"- Er klingelte. „In einer halben Stunde steht mein Wagen bereit." Der Diener verneigte sich und verschwand. „Für die neue Kapelle in Andernach soll das Bild sein?" „Ja! — Ich bin im Vorstand jenes Ausschusses, der die Kostendeckung aus privaten Mitteln übernommen hat. Ich wurde in Andernach geboren und hänge mit großer Seele an meiner Heimat." „Ein lieblicher Ort," sagte die Gräfin, die das Bild des Bettelknaben interessiert betrachtete. „Ich verstehe nicht viel von Gemälden, mein sachverständiger Herr Stiefsohn lacht mich ost deswegen aus. Soviel ober sehe ich doch, daß es sich hier um etwas ganz Außergewöhnliches handelt!" „Es liegt Geist und Temperament in dem Werke. Nur wenige Künstler verfügen über beides." Monsignore sagte es und gedachte der Tage, da er Walter Grebenstein im Rauche der Sommeschlacht nähergetreten war. „Ich habe den jungen Maler in mein Herz geschlossen." Und dann erzählte er die Be gebnisse, die er aus Walters Leben kannte. Gras Titus starrte während der Erzählung vor sich hin. Er war nicht draußen im Gewühl der Schlacht gewesen, seine Kurzsichtigkeit, seine schwache Lunge schlossen jeden Heeres dienst aus. Und doch sühlie er sich jedesmal bedrückt, wenn er von anderen hörte, die im Kriege Leben und Gesundheit geopsert hatten. „Mir war es nicht vergönnt, etwas Großes sür mein Vaterland zu vollbringen, und groß ist die Tat, die mitten im Eisenhagel der letzte Mann tat!" Die Gräsin nickte. Zwei ihrer Neffen waren geblieben. „Du brauchst dich nicht anzuklagen, Titus," sagte sie weich. „Was du mit deinen Armen nicht vermochtest, das tatest du mit deinen Mitteln, die dir Gott als irdisches Gut schenkte." Monsignore schlug das Zeichen des Kreuzes. „Wohl dem, der Tränen trocknet und Gebreste heilt," Titus blickte auf. In seine Augen stieg ein warmer Glanz. Es waren nicht mehr die Gelehrtenaugen, sie blickten tiefer und spiegelten menschliches Empfinden einfachster Art.