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Wilsdruffer Tageblatt : 06.08.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-08-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192208064
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220806
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220806
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-08
- Tag 1922-08-06
-
Monat
1922-08
-
Jahr
1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 06.08.1922
- Autor
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sichtbaren, als amtlich gekennzeichneten Stellen (zum Bei spiel Wegetafeln, Meilensteinen, Grenzsteinen, Schildern) unverzüglich zu entfernen sind. Ausnahmen hiervon sind nur bei Bauwerken in solchen Fällen zulässig, in denen die Beseitigung der früheren Hoheitszeichen nicht ohne Zer störung ihres besonderen Kunstwertes möglich ist. Bilder, Büsten, Statuen oder andere Darstellungen des letzten preußischen Königs, seiner Ehefrau, seiner Geschwister und seiner Abkömmlinge sind von sämtlichen genannten Stellen zu entfernen. Für die Entfernung von Bildern usw. ande rer verstorbener Mitglieder des früheren königlichen Hauses verbleibt es bei den bisherigen Vorschriften. Rußland. X Rücktritt des Botschafters Krestinski? An die Mek- dura, daß Kruss in und der neue Botschafter in Berlin Krestinski von Berlin über Königs b-erG im Flugzeug die Weiterreise nach Moskau ängetreten haben, wird in Berlin die Ver- nrutung ^geknüpft, daß mit der Abberufung des Botschafters Krestinski in absehbarer Zeit zu rechnen sei. Krestinski dürfte sein altes Amt als Volkskommissar der Finanzen wieder übernehmen. Als sein Voraussichtlicher Nachfolger kommt Litwinow in Betracht. Griechenland. X Einstellung des griechischen Vormarschs. Die Grie chen haben ihren Vormarsch nach Konstantinopel eingestellt und verhalte« sich augenblicklich ruhig. An der Tscha- taldscha-Linie sind jetzt annähernd 10 000 Mann En- tentetrupven versammelt,nachdem noch LenglischeBa- taillone ans Kleinasien herübergobracht worden waren. In Konstantinopel beurteilt man die Lage jetzt wesentlich ruhi ger. Man glaubt nicht, daß die Griechen jetzt noch ein Vorgehen gegen die Entente wagen werden. Das tür kische AnßenMimsterinm hat den alliierten Kommissaren eine Note überrennt, in der es in aller Form gegen die Proklamation der Autonomie in Kleinasien protestiert und erklärt, daß die besagte Proklamation jeden Wertes ent behre. Neueste Meldungen. Die Einkommensteuer in Polnisch-O-erschlesten. VL. Kattowiü. Der Wojewodschaftsrat hat beschlossen, für das laufende Jahr eine vorläufige Einkommensteuer zu erheben, die das Sechsfache der Steuer des Jahres 1919 betragen soll. Verkehrsnot 1n Kattowitz. Breslau. In Polnisch-Oberschlesien verschärft sich die Not lage des Güterverkehrs. Eine Reihe der wichtigsten Strecken sind gegenwärtig mit Güterwagen so verstopft, daß .neue Ladungen auf manchen Bahnhöfen überhaupt Nicht mehr an genommen werden. Die Rückwirkung ist besonders für die Aufrechterhaltung des Bergbaus katastrophal, da die Halden- bestände sich immer mehr aufhäufen, ohne abgefahren zu wer den. Man befürchtet teilweise Einschränkung mehrerer grö ßerer Bergbaubetriebe. Neue Orientkonferenz in der Schweiz. VH. London. Am 1. August hat die englische Regierung eine Note über die Regelung des griechisch-türkischen Konflikts nach Paris gesandt. Durch diese Note sind die meisten Streit fragen aus der Welt geschafft, nur wenige «strittige Punkte sind noch übrig geblieben. Zur Regelung auch dieser Fragen schlag! die englische Regierung eine neue Orientkonserenz zwischen den alliierten Außenministern vor, die in der ersten Halste des Monats September in einem Orte der Schweiz stattsinden soll Luftverkehr zwischen Entente und den Mittelmächten. VH Kopenhagen. Die vor einigen Tagen in Kopenhagen er öffnete Lustverkehrskonserenz, zu der sich Delegierte aus Hol land, Belgien, Deutschland, Schweden, Dänemark, Norwegen und Danzig eingefunden haben, gewinnt dadurch besondere Be deutung, daß im Vordergrund ihrer Beratungen die Frage d-r Möglichkeit der Wiederanknüpfung der Beziehungen zwischen den Luftverkehrsgesellschaften- der Entente und Ler Mittel mächte stehen wird. Wiederaufbau Kiews durch deutsche Firmen. VH Kiew. Der Ausschuß für Gemeindewirtschaft der Stadt Kiew hat mit einer Reihe bekannter deutscher Firmen Ver- Handlungen wegen Beteiligung deutschen Kapitals an den städtischen Kiewer Unternehmungen ausgenommen. Eine be deutende deutsche Firma hat einen größeren Kredit zum An lauf von notwendigen Maschinen in Deutschland angeboten. Italien gegen Zwangsmaßnahmen. Paris. Der italienische Botschafter Graf Sforza hat Poiu- cars erklärt, in der Frage der Ausgleichszahlungen sei die italienische Regierung nicht direkt interessiert, da die Forde rungen Italiens an Deutschland durch die Forderungen Deutschlands an Italien ausgeglichen seien. Jedoch sei Italien jederart Zwangsmaßnahmen feindlich gesinnt, die einen neuen Marksturz herbeiführen könnten. Jeder auf eigene Faust. Paris. Die Pariser Blätter erklären die, französisch-eng lische Solidarität in der Neparationssrage als begraben. Eine Regelung des Reparationsproblems, die bei einer Verzichtbe- reitschaft Englands au? die Kriegsschulden Frankreichs in greifbare Nähe gerückt war, sei auf lange Zeit undenkbar ge worden. Jeder einzelne Gläubiger Deutschlands müsse oben nun selbst zusehen, wie er zu seinem Gelbe komme. BetrichM Br re« 8.LSMW MTMimis. Von Pf. Horn, Burkhardswalde. Röm. 8,9: Wer Christi Geist nicht hat, der ist nicht sein. Das ist für jeden Christen ein ernstes Wort zur Selbst prüfung, denn damit ist ja klar gesagt: Der Geist Christi macht den Christen erst zum rechten Christen. Alle äußere Christen gestalt, alles äußere Leben in christlichen Sitten und Ge bräuchen, alles gewohnheitsmäßiges Reden und Tun bringen nicht in des Herrn Gemeinschaft und erhallen nicht darin, wenn sie nicht aus dem inneren Geist, dem Geiste Christi, geboren uüd gewirkt sind. Christi Geist ist aber Gottes Geist, denn in Christo war der heilige Geist mit seiner ganzen Fülle. Ohne diese Kraft aus der Höhe im Innern bleibt der Christ dem Herrn fremd, abgesondert von seiner Gemeinde, seiner Liebe und Aufnahme unwert. Fehlt die innere Gemeinschaft, die des Geistes, so ist alle sonstige Gemeinschaft haltlos, fruchtlos, vergeblich. Mögen Christen noch so geistreich sein und erscheinen vor der Welt, vor dem Herrn sind sie doch geistlose Menschen. Liegt dir, lieber Christ, nun etwas oder viel oder gar schon alles daran, Christo anzugehören, so mußt du darnach ringen, seinen Geist zu erlangen, in dich aufzunehmen, ihm in deinem Herzen Raum zu geben. Du mußt bitten vor allem um seinen Geist. Und welche Bitte ist dem Vater angenehmer als die um seines Geistes Gabe? Er gibt seinen Geist denen, die ihn bitten. Den Aufrichtigen läßt er es gelingen. Darum: Dringe ein, dringe ein, Zion, Dringe ein in Gott, Stärke dich mit Geist und Leben, Sei nicht wie die andern tot, Sei du gleich den grünen Reben, Zion, in die Kraft für Heuchelschein Dringe ein, dringe ein. Ans Stadt und Land. .»««« »»«k- «Mimt» «ko-» »b- di»»« «MM»-«. Wilsdruff, am 5. August. — Heimatmuseum. Mitten in den Ferien öffnet die Heimat- ausstellung am Sonntag ihre Pforten. Sie will nicht nur die Heimatfreunde von Wilsdruff und Umgegend einladen, sondern ganz besonders die vielen Feriengäste von auswärts, die bei Onkels und Tanten ein liebes Unterkommen gefunden haben. Sie sollen sehen und daheim erzählen, was hier zusammen getragen worden ist, um einen Blick in die Natur und Geschichte unserer Heimat tun zu können. — Pilzvergiftungen. Was alles empfohlen wird, um sich vor dem Genuß giftiger Pilze zu schützen, das ist gar nicht wiederzugeben. Da sagt der eine, daß alle Pilze mit Milchsaft schädlich wirken. Der andere warnt vor allen Pilzen, deren Fleisch beim Druck oder Zerschneiden anläuft. Ein dritter er klärt alle Hutpilze mit klebriger, schmieriger oder glänzender Oberfläche für verdächtig. Ein vierter hält den Geruch und Geschmack für allein maßgebend. Alle diese und manche andere Regeln sind gänzlich falsch und würden nicht nur eine groß» Menge wertvoller Speisepilze vom Genuß ausschließen, son dern sie könnten auch andererseits geradezu gefährliche Giftpilze in die Nahrung einschmuggeln helfen. Nur auf eine Art lassen sich Pilzvergiftungen verhüten, nämlich durch die Kenntnis der einzelnen Arten und durch das genaue Beherrschen der Unter scheidungsmerkmale zwischen den einander ähnlichen Speise- und Giftpilzen. Als der gefährlichste Giftpilz Deutschlands ist der Knollenblätterpilz, auch Knollen-Wüstling und Gift-Champignon genannt, zu bezeichnen, auf den die meisten Erkrankungsfälle, manchmal mit tödlichem Ausgange, zurückzuführen sind. Wie schon der Name besagt, hat derselbe Aehnlichkeit mit dem Champignon, ist jedoch bei einiger Aufmerk samkeit unschwer von letzterem zu unterscheiden. Er ist von schlankerem Wuchs, Stiel und Hut zierlicher, Fleisch ebenso wie die Blätter weiß und weiß bleibend, Hutfarbe wechselnd, weiß, gelb, grünlich oder grünlich gelb, nicht selten mit vereinzelten unregelmäßig gestellten Tupfen. Stiel schlank, später oben Hoh! mit gelbweißlicher Manschette. Unten läuft der Stiel in einen dicken kugeligen Wulst (Knolle) aus, der in einer dicken grün weißen, häutigen Scheide steckt. Diese Knolle ist für diesen Gift pilz sehr charakteristisch. Geruch eigenartig, aber nicht gerade unangenehm, Geschmack mild und unauffällig. Die Giftwirkung stellt sich erst nach 8—10 Stunden ein, wobei die Aussicht auf Hilfe wegen der bereits erfolgten allgemeinen Vergiftung er heblich verringert Hst. Stellen sich Eifterscheinungen ein, so sorge man sofort für ärztliche Hilfe. Bis zu deren Eintreffen sorge man für Entfernung des Giftes aus Magen und.Darm. Falls Erbrechen nicht bereits eingetreten ist, rufe man es durch Verabreichen von warmem Wasser oder dadurch hervor, daß ein Finger tief in den Rachen gesteckt wird. Nötigenfalls gebe man ein Abführmittel, am besten 1—2 Löffel Rizinusöl. Ueber den Stand des Knollenblätterpilzes ist zu sagen, daß er überall da wächst, wo sich der Champignon findet, namentlich auch trupp weise in Wäldern, und Mar vom Sommer -bis zum späten Herbst. Um der Gefahr einer Verwechslung zwischen Cham pignon und Knollenblätterpilz sicher zu entgehen, achte man immer auf die rosafarbigen Lis schokoladebraunen Blätter, selbst wenn dabei ein ganz junger Champignon mit noch Hellen Blät tern mit verworfen werden sollte. Die öffentliche Ausstellung von Pilztafeln ist sehr Empfehlenswert, wie sie hier durch den Verein für Natur- und Heimatkunde erfolgte. — Marktmusik Sonntag, den 6. August, vormittags von 11 bis 12 Uhr: 1. Luna-Park-Marsch von Gilbert, 2. Ouvertüre zum Singspiel „Das Versprechen Hinterm Herd" von Baumann, 3. „Der Wanderer", Lied von Schubert, 1. „Musette", von Offenbach, 5. Wintermärchen-Walzer von Czibulka. — Die Verpachtung der Pfarrfelder ist durch Verordnung des Landeskonsistoriums für ganz Sachsen auf eine neue Grund lage gestellt worden. Pachtverträge find nur nach Naturalwert zulässig; namentlich aber hat jeder Neuverpachtung öffentliche Ausschreibung vorauszugehen, auch soll Bedacht genommen werden, daß durch Zerschlagen größerer Flurstücke Kleinpächter Feld erhalten können. Die bestehenden Verträge sollen nach Maßgabe des Pachtschutzgesetzes durch die Pachteinigungsämter baldigst ausgelassen oder umgeändert werden. — Auf zum Kamps gegen die Nonne! Wir meldeten be reits, daß die Nonne schon bis vor die Tore Dresdens ge drungen ist. Nun wird weiter bestätigt, daß auch auf Mers- dorfer Revier große Mengen von Nonnen bemerkt wurden. Da durch ist für die Dresdner Heide eine gar nicht ernst genug ein- zuschätzende Gefahr entstanden, denn wenn die Nonne sich ein mal einnisten kann, ist ihr rettungslos alles verfallen. Das Zittauer Gebirge, namentlich die Wälder um die Lausche und » Ave Maria. Roman von Felix Neumann. „Wer ißt, der hängt noch am Leben," sagte der Geiger, während ein merkwürdiger Zug seinen Mund verzerrte. „Wie ich aus deinem Briefe ersah, hattest du die Absicht, dich von mir und dieser verrückten Welt ein für allemal zu verabschieden, die Klinke jener Tür niederzudrücken, die nach drüben führt, und sie dann hinter dir zu verschließen! — Nicht wahr, so ist es doch?" Walter saß auf der Tischkante und nickte. „Ja — Meister, so ist es, und du wirst begreifen können, warum ich in die Isar gehen wollte." „Vor einer halben Stunde etwa kam ich hier herein, um dir Gesellschaft zu leisten. Da lag dein Brief auf dem Tisch. Ich öffnete ihn, las ihn und sah dann nach der Uhr. Und weißt du, was ich da sagte? — „Der Glückliche, nun hat er es über standen!" Es war eine Weile still im Zimmer. Walter Grebenstein hätte das Brot beiseite gelegt. Der letzte Bissen blieb ihm trocken im Halse stecken, und er mußte krampfhaft schlucken, um ihn hinunterzuzwingen. Wieder durchzuckte ihn gleich einem Schauer der Gedanke: Wenn sie nicht wieder kommt, wenn sie dich genarrt hat, was dann? Was dann? Verurteilt mich dann ein grausames Schicksal dazu, die Qualen des letzten Tages noch einmal zu durchleben? Der Geiger fuhr fort: „Du weißt, daß ich dich lieb habe. Was ich erlebte, ist dir bekannt. Im Vergleich zu mir hast du deine Jahre bisher im Paradiese verbracht. Man hat mich ge treten, geschlagen und ausgenutzt, beschimpft und für geistes krank erklärt, mir Demütigungen auferlegt, wie sie nur Menschen ersinnen können, ein Tiger würde es ablehnen, so zu handeln. Na — genug davon! Wenn ich also nach einem solchen Leben noch die Kraft fand, ein Wesen zu lieben, wie ich es bei dir tat, fo ist das etwas ganz Absonderliches. And weil ich weiß, daß diese Welt gemein und niederträchtig ist, weil ich an mir erfuhr, was es heißt, rechtlos dahinzuvegetieren, so durchzuckte mich neben Lem Schmerz, dich verloren zu haben, die Freude, daß du es gewagt hattest, deine Sklavenietten zu zersprengen. „Und gerade, als du eintratst, wollte ich meine Geige stimmen und dir ein Largo ins seuchte Grab nachsenden, einen Grabgesang, wie ihn inniger nie ein Freund dem Freunde widmete!" Langsam glitt Walter vom Tische herab, setzte sich auf den Stuhl und stützte das Haupt in die Hand. „Und wie du nun plötzlich wieder vor mir standest, da war ich enttäuscht. Mir schien für einen Augenblick, als ob ich dich überschätzt hätte. — Banal deuchte mir die halbe Stunde der Andacht, die ich dir weihte." Jean ging auf den Jüngling zu, ergriff ihn bei den Schultern, schüttelte ihn ein wenig und fuhr fort: „Du kennst mich und weißt, was für ein verrückter Kerl ich bin. Im Grunde freue ich mich ja, daß du wieder da bist, aber Glück wünschen kann ich dir zu deinem veränderten Entschlusse erst, wenn ich erfahre, was dich wieder hierher zurück getrieben hat!" Walter richtete sich auf. „Ich nehme dir gar nicht übel, was du La sagst. Ehe ich dir nicht das Erlebnis dieses Abends erzähle, mußt du mich für einen Menschen halten, der nicht weiß, was er will, Ler mit großen Gedanken um sich wirft, sie aber nicht zur Ausführung bringt, ein trauriger Narr, der höch stens Mitleid, aber nicht Hochachtung verdient. Also höre: Ich hatte heute vormittag noch einmal den Versuch gemacht, das Madonnenbild für Monsignore Umpfenberg zu beginnen. Es blieb eine gräßliche Qual! — Nichts wollte gelingen. Die schrecklichen Gesichte, die meine Nerven zermürbt haben, lassen kein reines Schaffen aufkommen. Das langweilige Kirchenbild, das er mir als Modell gegeben hat, ist der Gipfel der Ge schmacklosigkeit. Ich bin nun einmal kein Handwerker, der ohne Eingebung arbeiten und stumpfsinnig nachahmen kann." Walter lief erregt durchs Zimmer. „Es wurde Mittag, Nachmittag, nicht ein Pinselstrich glückte mir, dabei schmerzte mir der Kopf, die Fieberanfälle pochten wieder in meinen Schläfen, ich glaubte beinahe daran zu fein, den. Verstand zu verlieren, da setzte ich mich hin, schrieb dir den Abschiedsbrief, dir, dem Einzigen, der auf der Welt noch Anteil an mir nimmt, und lief hinaus, um ein Ende zu machen!" — Jean Farnier hatte die Knie übereinander geschlagen, stützte das Kinn in die Hand und blickte mit seinen grauen Augen regungslos den Freund an. Nichts in dem steinernen Gesicht verriet irgendeine Bewegung, nur hin und wieder zuckten die Mundwinkel und bekundeten/ daß der Hörer gespannt auf jedes Wort lauschte. Was er bisher vernahm, war ihm so ziemM) bekannt. War er doch in alle Leiden seines jungen Freundes eingeweiht, und mehr als einmal hatte Walter geäußert, daß er so nicht weiter leben könne. Was aber hatte den jungen Künstler im letzten Augenblick in dieses Sein zurückgerufen, dem er innerlich schon Lebewohl sagte und das ihm nichts mehr bieten konnte. Walter erzählte weiter. Wie er bereits am Rande des Flusses gestanden habe und plötzlich die Fremde ihm ent gegentrat. ",OH — Meister, du kennst meine Augen, die alle Schön heiten Ler Welt zu suchen sich bemühten, du kennst meine Sinne, die nach allem Edlen trachten und am liebsten das graue Sein in Purpur und Gold tauchen möchten! — Wollte ich dir das Mädchen schildern, das mich errettete, du würdest meinen, ich spräche im Fieberwahn! Glaube mir, ein so süßes Geschöpf sahst du noch nie, und wenn ich nicht wüßte, daß sie ein staub- § geborener Mensch ist, ich müßte meinen, Gott habe sie mir zum s Tröste gesandt!" „G o t t?" Der Geiger schlug sich mit der Hand aufs Knie. „Also du glaubst wieder an ihn, nachdem du ihn ver- k fluchtest? Du führst seinen Namen wieder im Munde!" Walter Grebenstein stand mitten im Zimmer, seine Wangen § glühten, seine Augen sprühten einen Glanz, der aus einer anderen Welt zu sein schien, und er breitete in seliger Ber- i zückung die Arme aus. „Ja — Meister, nachdem ich s i e gesehen, glaube ich ; wieder an ihn. Wer ein Wesen schuf wie meine Göttin, meine Retterin, der läßt die Welt nicht verkommen in Elend und Wahnsinn, der hat ein Vatereinsehen und wird alles zum Guten lenken." „Wie heißt sie?" Walter fuhr zusammen und blickte Jean an. „Das — dar weiß ich nicht. Das ist ja auch ganz gleichgültig. Ich werde sie s ja Wiedersehen, ich soll ihr meine Lebensgeschichte erzählen — ! oh — welche süße Stunde wird das fein!" Farmer stand auf, ging langsam an den- Tisch und zerriß den Brief in kleine Fetzen, die er dann in den eisernen Ofen warf. „Und was geschieht, wenn sie nicht kommt, wenn sie dich im Stiche läßt, wenn sie ihr Versprechen vergißt und vielleicht zu einem Tanzvergnügen läuft, während deine Seele nach ihrem Tröste schreit?. Heh — mein Junge, was ist dann?" Walter biß die Zähne zusammen und starrte zur Erde. Dann hob er das Haupt und blickte dem Geiger flammend in» Gesicht. H „Es ist zuweilen schwer, dich lieb zu haben, Meister! Mußt l du mir in jeden Trank Gift mischen?" Da schlang der Geiger die Arme um Walter. „Ich sehe, , daß du mich noch immer nicht verstehst, obgleich wir uns schon z so lange kennen und alle Sorgen miteinander teilten. Du hast ! ein zu weiches Herz, darum leidest du so furchtbar unter allem, was dir an Widerwärtigem begegnet. Heilen will ich dich von deiner unnützen Gefiihlsseligkeit, deinem Glauben an Reine und Treue, damit du endlich hart zum Lebenskämpfe wirst. Wenst sie morgen nicht kommt, dann pfeif auf sie, verlache die gemeine Menschheit und mache es so, wie ich es heut' mache. - Lebe weiter, aber zeige wle der Igel die Stacheln, spucke aus s vor dem niederträchtigen Gesindel, das sich auf den Gassen breit s macht, und nimm deinen Weg mitten hindurch durch Schlamm s und Moder! Sv mache ich es, und darum denke ich gar nicht i daran, zu den Molchen in die Isar zu gehen. Siehst du, mein H Junge, so zeige ich, daß ich vielleicht mehr Gottesglauben habe, s als du, obgleich ich täglich fluche, daß ein alter Landsknecht - erröten müßte, der es mit anhört!"
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