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Wilsdruffer Tageblatt : 11.07.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-07-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192207110
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220711
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220711
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-07
- Tag 1922-07-11
-
Monat
1922-07
-
Jahr
1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 11.07.1922
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Oer Geefischverbrauch -er Welt. Die gewaltigen Gründe der Ozeane bergen unermetz- kickse Schätze an Nahrungsmitteln für den Menschen in Ge stalt von Fischen aller Art. Während in früheren Zeiten meist nur die Küstengewässer ihren Reichtum hergeben mußten, werden seit der Einführung der Fischdampfer die entlegensten Gegenden des MeereS aufgesucht, wofern sie nur reich an Fischen sind. Infolge dieses Großbetriebes der Hochseefischerei ist die Menge der in den verschiedenen Ländern verbrauchten Fische ganz ungeheuer gestiegen, sie betrug im Jahre 1913 den ungeheuren Wert von 2,5 Milliarden Mark. An dieser Summe war Nord amerika bei weitem am meisten beteiligt, denn es lieferte nicht weniger als für 700 Millionen Mark Seefische, ihm folgt in weitem Abstand England mit 276 Millionen Mark, dann Rußland mit 200 Millionen, Japan mit der selben Summe, Frankreich mit 140Millionen, Skandinavien mit 100 Millionen und Deutschland mit 51 Millionen Mark. In unserem Vaterlande steht die Hochseefischerei als Großbetrieb erst in ihren Anfängen, aber sie hatte schon einen gewaltigen Aufschwung genommen, denn nur sechs Jahre früher betrug sie nur die Hälfte dieser Summe. Wenn Deutschland den bisherigen eigenen Ver brauch an Seefischen selbst decken wollte, müßte es unge fähr viermal so viel Seefische fangen als bisher. Wenn wir annehmen, daß vor dem Kriege durchschnittlich für eine Mark vier Pfund Seefische zu kaufen waren, waS ziemlich stimmen dürste, dann betrüge der jährliche Konsum der ganzen Welt an Seefischen 10 Milliarden Pfund oder 100 Millionen Zentner, eine ganz gewaltige Menge, die in jedem Jahr den Gründen der See entnommen wird, ohne daß der unermeßliche Segen des Meeres dadurch eine merkbare Einbuße erleidet. Lehrerprüfung vor 2vv Zayren Es ist bekannt, daß noch bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts in vielen deutschen Staaten die Volks- jschullehrer neben ihrem Lehrerberuf ein Handwerk be trieben. Einen Einblick in die Kenntnisse derjenigen Per sonen, welche sich um ein Schulamt bewarben, gewährt »ms ein Prüfungsprotokoll über eine Lehrerwahl in einem Hommerschen Dorfe im Jahre 1729. Aus dem Protokoll chber die Wahl ist hervorzuheben: „Nachdem auf ge schehenes tödtliches Ableben des bisherigen Schulmeisters Aich nur fünf Liebhaber gemeldet, fo wurde zunächst vom Ortspfarrer in der Kirche vor Augen und Ohren der ganzen Gemeinde die Singprobe mit drei Bewerbern für- genommen und nach deren Beendigung dieselben im Pfarrhaus noch weiter auf folgende Art und Weise ge prüft: Johann Schütt, ein Kesselflicker von allhier, hat 50 Jahre des Lebens aus Erden gewandelt und hat drei geistliche Lieder gesungen mit ziemlichem Beifall. Nach idem Diktat drei Reihen geschrieben — ging an. Was Duchstabiren betrifft, doch zehn Fehler! Des Rechnens nur im Addiren erfahren. Martin Ott, Schuster allhier, SO Jahre des Lebens alt, hat in der Kirche drei Lieder igesungen. Hat aber noch viel Melodie zu lernen, auch könnte seine Stimme besser fein. Das Lesen war an- igehend, im Buchstabiren machte er zwei Fehler. Des Mechnens ist er durchaus unerfahren. Friedrich Loth, ein ^Unteroffizier in Schl., 45 Jahre des Lebens alt, hat zwei geistliche Lieder gesungen. Dreierlei Handschriften fertig gelesen. Gelesen und buchstabiret ging ziemlich. Kate chismus — wohl inne. Vier Fragen aus dem Verstand — ziemlich. Nach dem Diktat drei Reihen, doch mit acht Fehlern. Rechnen — Addiren und ein bischen Sub- -trkpiren imie!" Da man, wie es in dem Protokoll wener heißt, dem Kesselflicker, sintemalen er viel durch das Land streichen würde, nicht trauen zu können glaubte, der Kriegsknecht sdagegen wohl die Fuchtel gegen die armen Kindlein zu stark gebrauchen würde, so wurde seines guten Rufes weaen Martin Ott einstimmig zum Schullehrer gewählt. Richtige« Essen. Wir leben nicht, um zu essen, sondern kvir essen, um zu leben. Dieser Satz wird zwar in allen Schulen und in allen Sprachen der Heranwachsenden Jugend als eines der Leitmotive auf den Lebensweg mitgegeben, doch handeln die Jungen ebensowenig danach, als es die Alten taten. Die meisten Menschen kranken an drei Ernährungssünden: sie essen zu viel, zu oft und genießen eine mehr oder weni ger einseitige Kost. Wer denkt daran, daß die Nahrung einzig und allein den Bestand unseres Körpers soll erhalten helfen, ohne daß ein Organ mehr als nötig zu leisten brauchte? Nur die Zett des Wachstums bedarf größere Nahrungsmengen, als der augenblickliche Körperbestand beanspruchen würde. Gewohnheitsmäßig bürden wir dem Verdauungsapparat erhebliche Mehrleistungen auf. Dieser Umstand bedingt zunächst sehr häufig eine Einschränkung des Kauaktes. Gut zerkaut ist halb verdaut, das sollte mehr beherzigt werden. Man läßt den Magen ohne Gnade und Barmherzigkeit der Unmäßigkeit fronen, und nicht, weil er der Klügere ist, sondern der Gewalt weichend, gibt er nach. Das Sättigungsgefühl tritt erst nach dem „Zu viel" ein, während Magen und Darm eine Mehrarbeit zu leisten haben, die dem Körper höchstens Fett, keine Kraft zuführt. Der Schaden wird noch dadurch verdoppelt, daß die Mahlzeiten zu oft und in zu kurzen Zwischenräumen genommen werden. Statt der völlig ausreichenden drei Tagesmahlzeiten werden meist deren fünf genossen, so daß die Verdauungsmaschine tatsächlich keine Minute tagüber stillsteht. — Die bei solcher Lebensweise schwindende Spannkraft suchen wir dann durch „geeignete" Auswahl der Speisen zu erhöhen. Fleisch und Eier werden wegen ihres bohen Eiweißgehaltes stark bevorzugt. Was aber die kräftige Nahrung noch nickt leistet, besorgt der Alkohol, der wieder beistehen soll, Lie Hergabe von reichlichem Ver dauungssaft anzuregen, damit Las „Zuviel" und „Zu kräftig" verdaut werden könne. — Mäßige Mengen Ei weiß, viel Gemüse — das ist die einzige, bekömmliche Er nährungsweise; einseitige Ernährung bewirkt Krankheit und Siechtum. Kommißbrot. Im Frieden und Krieg galt das Kommißbrot bei der Zivilbevölkerung vielfach als ein Leckerbissen, als eine dem üblichen Bäckerbrot überlegene Qualität dieses unerläß lichsten aller Nahrungsmittel. Soldaten, die nur Kommiß brot zum Essen erhielten, waren anderer Meinung und gaben einen Teil ihrer Bezüge gern ab, um dafür Geld oder andere, ihnen wünschenswerte Lebensmittel zu er halten. War somit die Einschätzung des Kommißbrotes ziemlich klar, so wußten die meisten von denen, die Kommiß brot genossen, von dem Wie und Warum der Bezeichnung gar nichts. Das Wort stammt aus einer Zeit, da im Heerwesen noch baS Französische vorherrschte, als nämlich Frankreich noch der „militaristische" Staat in Europa war. Das französische Wort oommis, vom lateinischen vvmmissus, bedeutete das Beauftragte, das Anvertraute, im Heeresgebrauch: das zur regelmäßigen Lieferung an Soldaten Zugerichtete. Wohl zu unterscheiden von diesem Wort ist Is oommis, früher der Kommissar, seit 1813 der Geschäftsgehilfe. In dem Kriegsbuch von Fronsperger finden wir 1596 die Ausdrücke: in die vommiss greifen, aus der Lommiso geben; ferner kommt das WoÄ 1617 im Teutschen Michel und 1650 bei Moscherosch vor. In einer Zusammensetzung läßt es sich schon viel früher nachweisen, denn bereits 1555 heißt es in Wickrams Roll wagenbüchlein OommissmotLAsr für Landsknecht. Das Wort „Kommißbrot" für Soldatenbrot läßt sich zum ersten mal 1598 Nachweisen. Es scheint sich ziemlich schnell aus gebreitet zu haben und wurde sofort auch amtlich ge braucht. Unterm 21. Juni 1599 erklärte die Stadt Recklinghausen, daß sie für die spanische Besatzung 24 Matter Roggen zu „Oommissbroä" verbacken hätte. Gräfin Lahbergs Enkelin. 44) Roman von Fr. Lehne. (Nachdruck verboten.) Ihre Anwesenheit war schließlich der Großmutter unentbehrlich geworden. Nach Lutz' Tode war Wonne nicht wieder in das Steinhagensche Haus zurückgekehrt. Es war ihr un möglich, jetzt mit den beiden Damen zusammen zu sein, deren neugierige, taktlose Fragen nach dem Vetter zu hören. Deshalb hatte sie geschrieben, sie bitte, ihr Fernbleiben zu entschuldigen, da ihre Anwesenheit auf Burgau durchaus nötig sei. Konstanze antwortete in liebenswürdigster Weise. Sie sähen ein, daß die Komtesse recht habe, sprächen ihr Bedauern aus über das jähe Dahinscheiden Baron Brückens und teilten ihr mit, daß sie beabsichtigen den Februar an der Riviera zu verbringen. So, nun konnte Wonne auch unter diesen Abschnitt ihres Lebens einen Strich machen! Nach mehreren Wochen bekam sie von Justizrat Wendler die Nachricht, daß er Steinhagen für sie ge kauft habe. Am 1. April sei das Gut zu übernehmen. Herr von Steinhagen sei mit der erzielten Summe sehr zufrieden, und er beabsichtige, sich im Osten des Rei- ches, neu anzukaufen. Der Verzicht aus seinen Besitz sei ihm schwer geworden. Davon war sie überzeugt, auch ohne, daß es ihr geschrieben wurde. Wußte sie doch, wie er damit ver wachsen war! Der Gedanke an ihn hatte sie auch in diesen letz ten traurigen Wochen nicht verlassen. Nie würde sie ihn vergessen können, und ihre Augen wurden trübe und tränenvoll bei der Erinnerung an die glücklichen Stunden in seiner Gegenwart. Nun war auch das vor bei, sie würde ihn nicht mehr wiederfinden! Ach wie fühlte sie sich arm in ihrem Reichtum, wie gern gäbe sie den hin, wenn sie sich den Geliebten damit erkaufen könnte! Bis jetzt hatte sie der Großmutter nichts von ih rem Gutskauf gesagt; länger aber wollte sie es nicht verheimlichen, um so mehr, da der Justizrat nun in einem Schreiben ihre Anwesenheit in der Stadt zu einer persönlichen Besprechung für erforderlich hielt. Herr von Steinhagen sei verreist, hatte er mttgeteilt, so liege durchaus keine Gefahr vor, daß ihr Inkognito verraten würde. Diesen Brief gab sie der Großmutter zu lesen. Sie ertrug deren prüfenden Blick, aber ein heißes Rotstiea ihr in das Weiße Gesicht. „Weshalb hast du das getan?" „Weil ich Herrn von Steinhagen das Gut erhalten wollte. Ich weiß, Me er daran hängt." „Yvonne, so etwas Außergewöhnliches tut man nur um einen Mann, den man — liebt." Sie stürzte vor der Gräfin m-fder und verbarg ihr Gesicht in deren Schoß. „Nick! daran rühren, Groß mutter, bitte, nicht daran rühren." „Und so soll ick auch dick verlieren," murmelte die alte Frau mit schmerzlicher Stimme. Yvonne hatte es gehört und eine heilige Freude erfüllte sie. . Sie hob den Kopf, umfaßte die Groß mutter fester und fragte sie: „Großmama, würdest du darum trauern? Gelte ich dir etwas? Hast du mich denn ein bißchen lieb?" „Frage mich nicht danach, mein teures Kind," flü sterte sie bewegt, neigte sich über die Kniende und küßte sie auf die Stirn. Da legte Yvonne den Kopf an dis Brust der Groß mutter, schlang die Arme nm deren Hals und sagte leise: „O, wenn Papa das noch erlebt hätte! Ich danke dir, Großmama." Und für die stolze Fran war es ein fremdes, ei- aenes Gcfübl der Glückseligkeit, den weichen Mädchen- körper am Herzen zu halten. Sie legte ihre Lippen aus das dunkle Haar der Enkelin, und sie gab sich ganz der Freude bin, sich von der Tochter ihres Sohnes ge liebt zu wissen, die durch ihre Lieblichkeit und Rein heit ihren Stolz und ihren Groll besiegt hatte. „Ich werde immer bei dir bleiben, Großmama," sagte Vvonne ergriffen. Liebkosend streichelte die Gräfin die Weiche Wange des Mädchens. „Und Herr von Steinhagen?" „Du hast ja gelesen, daß er fort will, wett weg! An mich denkt er ja nicht, und ich kann ihn nie ver- gessen!" Acht Tage später reiste Yvonne ab. Es wollte Frühling werden. Allenthalben sproßte und grünte es, die Luft ging hell und klar. Bäume und Sträu cher hatten dicke Knospen angesetzt, und das geheimnis volle Werden in der Natur erfüllte alle Herzen mit neuem Mut und neuer Hoffnung. Der Justizrat war sehr zuvorkommend. Mit Ent zücken blickte er auf das reizvolle Mädchen, aus dessen Gesicht die Farbe kam und ging, während er es in den Stand von Steinhagen einweihte. Nun sei aber noch eine Fahrt dahin nötig. Yvonne protestierte. „Nein, Herr Justizrat, ich habe meine Gründe, daß ich nicht als Besitzerin bekannt sein will." „Weiß ich, verehrte Komtesse! Ich habe deshalb Herrn von Steinhagen gesagt, daß der Käuser ein hö herer Offizier ist, durch Krankheit seiner Frau augen blicklich verhindert, selbst zu komme- S- werden aus dem Gute ja niemand begegnen, da Herr von Steinha gen sowie auch die Damen verreist sind." „Aber die Mamsell, die mich kennt, überhaupt das Personal! Ich bin doch verschiedentlich draußen ge wesen." „Denen sagt man, daß Sie Ihren Besitz nach Auch bei Kemnitz (Schwedischer Krieg) kommt 1648 das Wort „Oommissbrock" vor. Man verstand von vornherein darunter das Brot, das den Soldaten als Teil der Löhnung von der Heeresverwaltung direkt geliefert wurde, das also eigens für sie angefertigt wurde, im Gegensatz zu dem Brote, das sie im Quartier etwa von dem Hauswirt oder auf Requisition erhielten. Wollte man das Wort ver deutschen, so könnte man dafür Löhnungsbrot oder Soldaten brot sagen. M Oer Die kostbarste Pfeifensammlung der Welt, die »««leich guck die schönste ist, besitzt ein Belgier namens Bragge. Sie enthält nicht weniger als 6000 Arten. Man findet da Ton pfeifen aus dem 16. Jahrhundert, Holzpfeifen aus der Schweiz, deutsche Pfeifen aus Fayence und Porzellan, uralte Pfeifen aus Frankreich, die aus einer jetzt ganz unbekannten Holzart geschnitzt sind; ferner schwedische Kupfer- und Steinpfeifen, russische Pfeifen aus Silber, Nickel und Malachit, türkische Pfeifen aus Glas, Metall und Ton, Nargilehs, Tschibuks und Hookas; mehrere Jahrhunderte alte italienische Pfeifen aus Terrakotta und Olivenholz, alte spanische Pfeifen, die einst von den Maurenfürsten geraucht wurden und aus verschiedenen Holzarten und einer Steinart gefertigt sind, welche dem Meer schaum gleicht, afrikanische Pfeifen, die aus dem dunklen Kon tinent von Forschern und Missionaren nach Europa gebracht wurden; echte chinesische Pfeifen von fast fabelhastem Alter, Pfeifen, deren sich die Hinduvölker in ihren Tempeln bedient haben; endlich amerikanische und besonders mexikanische Pfeifen aus Kieselstein und Carneol. Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß der Exschah von Persien die teuerste Tabaks pfeife der Welt besessen hat, es ist die große Staatspfeife, deren Wert auf 2 Millionen Frank geschätzt wird. Sie ist mit Brillanten, Rubinen, Smaragden und Topasen übersät. Hoffentlich steht der Genuß, den das Rauchen aus ihr ge währt, im Verhältnis zu ihrer Ausstattung. Advokatcnknisfe. Die italienischen Rechtsanwälte scheuen bei großen Sckwurgerichsprozessen keinerlei Mittel und Kniffe, um auf die Geschworenen Eindruck zu machen. Ein be kannter apulischer Rechtsanwalt fing sogar einmal, als er in einem Totschlagsprozeß eine Verteidigungsrede halten sollte, bitterlich zu weinen an; man suchte ihn, obwohl kein Mensch wußte, warum er weinte, zu trösten, bis er zu den Tröstern, die sich um ihn geschart hatten, unter Tränen sagte: „Ich weine, weil ich beim besten Willen keine Worte finden kann, um einen Unschuldigen zu verteidigen." Die Geschworenen waren so erschüttert, daß sie den Angeklagten freisprachen. Ein anderer Anwalt hatte einen Mann zu verteidigen, der, bei einem Diebst-ch. . --sicht, einen Mord begangen hatte. Bleich, abgemagert, v. mein Freunde gestützt, erhob sich der Verteidiger von seinem -b und sagte mit schwacher Stimme: „Seit drei Tagen esse ick icht; ich wollte den Hunger kennen lernen, um zu sehen, zu weichen Schandtaten er führen kann. Nun wohl, jetzt kann ich nur erklären, wie ein Mensch, der in Not geraten ist und Hunger leidet, zum Diebstahl und zum Mord gelangen kann!" Der Angeklagte kam mit einer ganz geringen Strafe davon. Und solcher Beispiele gibt es noch viel mehr: sie erreichen dort wenigstens immer ihr Ziel, ob sie In anderen Ländem mit gleichem Erfolg arbeiten könnten, sei dahingestellt. Ins eigene Fleisch geschnitten. Fürst Peter Michailo- witsch Wolkonsky stand während der ganzen Regierung des Laren Alexander l. in hoher Gunst bei diesem: er durfte sich Lem Zaren gegenüber manches erlauben, das einem anderen Fehr übel bekommen wäre. Einmal sagte Alexander zu ihm: l,Peter, ich möchte einem Freunde einen recht schönen Stock HUM Geschenk machen. Sch habe da einen köstlichen Brillanten von reinstem Wailer Md von seltener Grüber Lteleu Edel stein möchte ich oben in den Knopf des Stockes sehen lassen. Bestelle die Sache beim Juwelier." Wolkonsky widersprach. „Dieser Brillant", sagte er, „ist zu teuer und selten, als daß Eure Majestät ihn zu solch einem Geschenk verwenden konnten.) Wissen Eure Majestät, was dieser Edelstein wert ist? — -Wie , sollte ick es Nichtwissen!" erwiderte Alexander: „aber bedenke,^ Peter, ich will ibn einem meiner treuesten Freunde zum Geschenks machen; für einen solchen Freund ist mir nichts zu kostbar, link »II c-n-1- silsn lnk einen schönen Knopf, mit lauter guten! Blemyagenschem Muster einrichten wollen. Wie soll ten die darauf kommen, in Ihnen den Käufer zu se hen! So weit denken die gar nicht. Aber schon in meinem Interesse, Komtesse, mutz ich Sie bitten, nach Tisch mit mir nach Steinhagen zu fahren. Sie nehmen mir dadurch eine Menge Arbeit ab. In kürzester Frist ist ja alles erledigt." Schließlich gab sie nach. Eine uneingestandene Sehnsucht zog sie selbst dahin, wo der geliebte Mann so gern weilte. In ihren Gedanken versunken, bemerkte sie das listige Augenzwinkern des Justizrats nicht, der sich lä chelnd den grauen Bart strich, sroh, daß sein Plan aller Voraussicht nach gelingen würde. Denn auch er teilte die Ansicht der Gräsin. Das, was Yvonne getan, tut man nur für einen Mann, den man liebt. Und über Lothars Empfindungen hatte er auch seine eigenen Ansichten. Als er mit ihm über das fa belhafte Glück der früheren Gesellschafterin des Fräu lein Konstanze gesprochen und einige scherzhafte Worte und Hinweise gemacht, da war Lothar schroff gewor den. Man möge ihn in Ruhe lassen, er sei kein Mit- giftjäger, und wenn er vorher kein Interesse sür die Dame gehabt, dann jetzt erst recht nicht. Aber er war dabei rot geworden und unnötig er regt. Sein Blick war unsicher dem des väterlichen, äl teren Freundes ausgewichen, und der feine Menschen kenner wußte genug. Und war es nach diesem ein Unrecht, so zu han deln, wie er vorhatte? Er vermeinte ordentlich das Herzklopfen zu spü ren, das Yvonne befiel, als der Wagen im Hofe von Steinhagen einfuhr. Er war ihr beim Aussteigen be hilflich, und den Wortschwall der herbeigeeilten Mam sell schnitt er kurz durch einige geschickt gewählte Worte ab. Yvonne wurde in das Eßzimmer geführt. Mam- sell Nieke bestand darauf, sie müsse erst etwas Warmes genießen. Und sie fügte sich; sie setzte sich in den ho hen Lederstuhl, der am Fenster stand und blickte hin aus in den Garten. Ein wehes Gefühl beschlich sie, als sie des vergan genen Herbstes gedachte. Welche zage, süße Hoffnun gen da in ihr ausgekeimt waren, wie glücklich sie sich gefühlt! Und zum ersten Male kam ihr der Gedanke, ob sie recht gehandelt, Steinhagen zu kaufen, das mit so vielen Erinnerungen für sie verknüpft war. Die alte Wunde würde dadurch ewig brennen, denn sie würde Lothar ja nie vergessen können; zu tief war ihre Liebe. Unwillkürlich feuchteten sich ihre Augen. Doch sie mußte sich beherrschen, denn der Justizrat trat ein. Er hatte erst noch einmal ins Bureau televho«irp-»u wol- len,, wie er gesagt. (Fortsetzung folgt,)
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