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MsdmfferTageblail Fernsprecher Wilsdruff N.. 6 Wochenblatt fÜs Wllsdmff UNd ^lMgegLNd Postscheckkonto Dresden 2640 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrat« zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. *«rl<«er m» Drm«er: Arthur Asch«»»« in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Her«««» Lässig, für de» Inseratenteil: «rth»r Zschunke, Heide i» Wtlsdr»«. Nr. 149 Donnerstag de« 29. Juni 1922. 81. Jahrgang Kleine Zeitung für eklige Leser. * Der Reichspräsident hat den Reichskanzler Dr. Wirth bis auf weiteres mit der Wahrnehmung der Amtsgeschäfte als Reichsminister des Auswärtigen beauftragt. * Am Dienstag mittag sand im Reichstage eine Trauer« feier für den ermordeten Minister Dr. Rathenau statt, an die sich die Beisetzung im engsten Familienkreise anschloß. * Der Reichstag nahm in einer besonderen Abendsttzung das deutsch-polnische Rechtsabkommen an. * Der preußische Kultusminister hat in den preußischen Schulen Trauerfeiern aus Anlaß der Ermordung Rathenaus angeordnet. * Die Nachforschungen nach den Mördern Rathenaus haben zu mehreren neuen Verhaftungen geführt. Rathenaus Beisetzung. Die Trauerfeierlichkeiten im Deutschen Reichstage. s. Berlin, 27. Juni. Das Innere des Reichstages ist für die Trauerseier mit einer überwältigenden Pracht ausgestattet, die zugleich in hohem Maße Zeichen des Ernstes und der Weihe der Stunde trägt. Im großen Sitzungssaale ist der erhöhte Platz des Präsidenten mit einem Podium überbaut wor den, aus welchem der geschlossene - Sarg des Ermordeten aufgestellt ist, bedeckt mit einer großen schwärz-rot-golde- nen Reichsslagge. Zu beiden Seiten liegen große kostbare Kränze. Das Blumengewinde umfaßt auch die vor dem Präsidentenplatze befindliche Rednertribüne. Rechts und links von dem Katafalk erheben sich längs der Regierungs- bärcke riesige Palmen, während um die ganzen Tribünen herum ein dichter Flor von Blumen sich entlang zieht. Von den zahlreichen Beleuchtungskörpern des großen Saales hängen lange schwarze Trauerflore tief in den Saal herab. Die Fülle der Blumen und Trauerfahnen setzt sich vor dem Saal in dem Mittelteil der großen Wandelhalle fort. Hier liegt an Stelle des sonst vorhandenen roten Teppichs ein schwarzesTuch über die ganze Halle ausgebreitet. Der große Raum ist an den Wänden entlang und in allen Ecken mit einer unübersehbaren Fülle der kostbarsten Kränze, Pal men und sonstigen Blumengewinde ausgefüllt. Bereits lange vor Beginn der Trauersitzung waren zahlreiche Ab geordnete in Trauerkleidern im Saale und in der Wandel halle versammelt. Das Neichstagsgebäude war in weitem Maßstabe abgesperrt, über dem Sarge erhob sich ein schwarzer Baldachin. Vor dem Sarge nahmen zwölf Attaches des Auswärtigen Amtes als Ehrenwache Auf stellung, die den Sarg hinaustragen sollten. Die greise Mutter Rathenaus wurde vom Reichskanzler Dr. Wirth auf den Mittelplatz der ehemaligen Kaiserloge begleitet. In der Diplomatenloge hatten Gesandte der auswärtigen Mächte in großer Galauniform Platz genommen, und in der Wandelhalle bildeten die Chargierten einer Anzahl studentischer Korporationen Spalier. Die Feier begann mit Orchesterspiel, nachdem Reichspräsident Ebert, Reichstagspräsident Loebe und Reichskanzler Dr. Wirth den Saal betreten hatten. Reichspräsident Eberts Gedächtnisrede. Der Reichspräsident nahm zuerst das Wort und führte u. a. mit bewegter Stimme aus: Mit den Verwandten trauert in tiefem Schmerz die ganze Nation um diesen Mann, der im Dienste des Vater landes Großes für die Zukunft des Deutschen Reiches zu schaffen sich bemühte. Walther Rathenau ragte mit der Fülle seiner guten Eigenschaften weit hinaus über den Durchschnitt. Als mein Ruf an ihn erging, opferte er vieles, um in den Dienst des Reiches zu treten. Rathenau war ein wirklicher Staatsmann. Ihm war vor allem die Aufgabe gestellt, das deutsche Volk in engere Verbindung mit der Welt zn bringen. Die Kugeln seiger Mörder haben ihn aus seiner Arbeit herausgerissen. Diese Kugeln haben aber nicht nur den Staatsmann und Demokraten Rathenau getroffen, sie haben die deutsche Republik getrof fen. Wir stehen vor einem Ausmaß des Frevels, vor einem Anschlag auf die Nation, der sie des besten Patrioten be raubt hat, vor einem Verbrechen, das uns mit Entsetzen und Abscheu erfüllt. Möge die so jäh unterbrochene Arbeit Rathenaus für unser Volk und Vaterland Frucht tragen. Hier sind die Vertreter des ganzen Volkes versammelt, um den Abscheu zu bekunden vor der Tat der feigen Mörder, die außerhalb der deutschen Volksgemeinschaft stehen und die uns einen der Besten geraubt haben. So bringen wir dem treuen Freund und Mitarbeiter unseren Dank und den letzten Gruß des deutschen Vaterlandes dar. Die Trauerversammlung hörte den Worten des Reichs präsidenten in stummer Rührung zu, von den Sitzen der Damen vernahm man unterdrücktes Schluchzen. Der Vizepräsident des Reichstages Dr. Bell als zweiter Redner betonte, man müsse weit in die Ge schichte zurückgreisen, um ein gleich unerhörtes Verbrechen zu finden wie die Ermordung Rathenaus. Gerade dieser Mord ist auch nach dem Urteil des Auslandes eine der un begreiflichsten und verruchtesten Freveltaten der Weltgc- icknchte. Mit elementarer Gewalt durchdrang die Ent rüstung und Trauer das ganze deutsche Volk. Wte Mucoe Empörung ringt nach Luft bei dem Gedanken, daß unseres Vaterlandes Rettung und Heil von feigen Mvrdbuben zum Vorwande gebraucht wird, um einen Staatsmann ums Leben zu bringen, der mit ganzer Seele dem Wohl unseres Vaterlandes und der Völkerversöhnung diente. Im Namen der demokratischen Fraktion sprach der Abgeordnete Korell, der dem ermordeten Minister einen warmherzigen Nachruf widmete und vor allem daraus hinwies, daß Rathenau kein Illusionist ge wesen sei, sondern genau gewußt habe, daß seine Arbeit in bestem Falle nur eine kleine Erleichterung für Deutschland bringen konnte. Der Redner sprach davon, wie Minister Rathenau noch in seiner letzten Rede über die Not des Rheinlandes so warme Vaterlandsliebe gezeigt, dankte ihm im Namen der demokratischen Fraktion und des gesamten Parlaments und schloß mit der Mahnung, am Sarge Walther Rathenaus das Gelöbnis abzulegen, daß man sich nun über die Parteigrenzen hinaus zusammenschließen Und für das Vaterland arbeiten wolle. Die Abfahrt des Leichenzuges. Orchesterspiel beschloß die Feier im Neichstagssaale. L>er Sarg wurde dann aufgehoben und durch die Wandel halle über die Freitreppe des Reichstages zu dem warten den Bestattungskraftwagen getragen. In der Halle ertönte Harmoniumspiel, bei Hinaustreten auf die Freitreppe wurde der Trauerzug von einer Kompagnie Reichswehr mit einem Trauermarsch empfangen. Der Zug bewegte sich dann, gefolgt von den Automobilen der Ungehörigen zur Begräbnisstätte in Oberschöneweide, wo der Sarg in der Familiengruft beigesetzt -wurde. Nachdem der Leichenzug unter Begleitung einiger Automobile der Schutzpolizei abgefahren war, verließen die Mitglieder der Regierung ebenfalls das Haus. Bei der Abfahrt des Reichspräsidenten Ebert wurde ihm von der riesigen Menschenmenge, die im weiten Umkreise sich um das Reichstagsgebäude versammelt hatte, stürmisch« Ovationen dargebracht. * * * Oie Suche nach den Mördern. Drohbriefe und Geheimorganisationen. w. Berlin, 27. Juni. Die Berliner Kriminalpolizei setzt die Nachforschungen nach den Mördern des Ministers Rathenau mit allen Kräf ten fort. Diese Arbeit umfaßt die verschiedensten Unter« suchungsmethoden. Einerseits handelt es sich um die Durch sicht der zahllosen Drohbriefe, die Dr. Rathenau in den letzten Wochen erhalten hatte. In diesen Briefen ist durchweg von Attentatsplänen auf Rathenau die Rede. Rathenau hat niemals auf Grund dieser Schriftstücke um Polizeilichen Schutz gebeten. Trotzdem waren seit vielen Wochen zwei besonders tüchtige Kriminalbeamte mit der Boschützung des Ministers betraut worden, und einer von ihnen begleitete den Minister fast ständig auf seinen Fahr ten, obwohl Dr. Rathenau dies immer wieder ablehnte. Gerade an dem Mord tage fuhr der Minister unglückseliger weise ohne Begleitung. Weiterhin werden die politischen Gcheimorganisatio- nen streng überwacht- Bei mehreren rechtsstehenden Ver bänden wurden Haussuchungen abgehalten, aller dings ohne irgendwelches belastendes Material zu ent decken. Nur beim Verband nationalgesinnter Soldaten sollen angeblich wichtige Schriftstücke beschlagnahmt wor den sein. Neue Verhaftungen. In Berlin wurden zwei neue Verhaftungen vorge nommen. Es handelt sich um den Vorsitzenden des „Bundes gegen Überhebung des Judentums", Müller- Haufen, und um den Studenten Werner Flesch, der am Sonnabend versuchte, dem Abg. Helfferich eineu Blumenstrauß zu überreichen. Es sollen jetzt belastende Feststellungen über das Vorleben Fleschs getroffen worden sein. Zur Verhaftung Karl Tillessens wird be kannt, daß verschiedene Zeugen ihn am Mordtage in Ber lin gesehen haben wollen. Er soll dem Oberförster gegen übergestellt werden, der die erste genaue Beschreibung der Täter gab. Sogar bis weit ins Ausland werden die Nachfor schungen fortgesetzt. So wurden auf Antrag der deutschen Gesandtschaft in Helsingfors auf dem eingelaufeneu Dampfer „Rügen" drei unter dem Verdacht der Beteili gung an dem Morde an Rathenau stehende Personen fcst- genommen. Hier lag aber ein Irrtum vor. Es bandelte sich nm englische Seeleute, die keine Pässe bei sich hatten. Sie sind bereits auf freien Fuß gesetzt worden. Eine Verhaftung in Hanrburg. Hamburg, 27. Juni. Der in der Angelegenheit der Ermordung Rosa Luxemburgs schon mehrfach genannte Leut nant Kroll wurde heute früh in seiner Wohnung in Wands- beck, wo er sich verborgen hielt, auf Ersuchen der Reichs behörden im Zusammenhänge mit dem Morde an Rathenau verhaftet. Leutnant Kroll behauptete bei seiner Vernehmung, das; er Wandsbeck und Hamburg in den letzten acht Tagen nicht verlassen habe und jein Alibi Nachweisen wolle. Die Wandsbecker Polizei fetzte die Berliner Behörden von der Festnahme telegraphisch in Kenntnis. Kürst Albert von Monaco 1*. Fürst Albert von Monaco, aus dem Geschlecht der Grimaldi, ist in einer Pariser Klinik, in der er seit längerer Zeit krank lag, gestorben. Der Fürst hat ein Alter von 73 Jahren erreicht. Er war am 18. November 1848 geboren und hatte die Herr schaft über sein Fürstentum im Jahre 1889 angeireten. Während seiner Negierung entwickelte sich das Ländchen zu höchster Blüte. Dem Fürsten verdankt die Wissenschaft reiche Anregung und tatkräftige Unterstützung. In seinem Spezialfach, der Tiefseeforschung, hat er Hervorragendes geleistet. In dem von ihm begründeten ozeanographischen Museum in Monao befinden sich die bedeutenden Samm lungen, die er von seinen wissenschaftlichen Kreuzfahrten mit seiner speziell für diese Zwecke gebauten Jacht aus dem Mittelländischen Meer und aus dem Nördlichen Eismeer heimgebracht hat. Der Fürst galt vor dem Kriege als Freund Wil helms II. Am Tage der Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand wo« Fürst Albert als Gast Wilhelms II. an Bord der Jacht „Meteor". Bei Ausbruch des Krieges stellte sich der Fürst auf Seiten der Gegner Deutschlands. Der Fürst war zweimal verheiratet. Seine erste Frau war eine geborene Gräfin Douglas-Hamilton. Die Ehe wurde aber geschieden. Nachdem sich Fürst Albert auch mit dem aus dieser Ehe hervorgegangenen Sohn ver feindet hatte, schloß er eine zweite Ehe mit einer geschie denen Fürstin Richelieu, einer Großnichte des deutschen Dichters Heinrich Heine. Auch diese Ehe wurde nach kurzer Dauer geschieden. In den letzten Jahren weilte Fürst Albert mit Vorliebe in Paris, wo er jetzt gestorben ist. politische Rundschau. Deutsches Reich Bayerisch-sächsische Beziehungen. Bei der Anwesenheit des sächsischen Ministerpräsiden ten Buck in München hatte der sächsische Gesandte an die führenden Persönlichkeiten der Politik, der Wissenschaft, der Industrie, des Handels und des Gewerbes Einladun gen zu einem Bierabend ergehen lassen. Es waren u. a. erschienen Ministerpräsident Graf Lerchenfeld, mehrere andere Staatsminister, der Vertreter der Reichsregierung Graf Zech, und der württembergische Gesandte. Buck be tonte in seiner Ansprache vor allem die Pflege eines freund nachbarlichen Verhältnisses zwischen Bayern und Sachsen. Franzosen über Deutschlands wirtschaftliche Lage. Der Sonderberichterstatter des „Oeuvre", der sich in Berlin aufhält, schreibt seinem Blatte, die Schwierig keiten, denen Deutschland ausgesetzt sei, kämen zum größten Teil von seiner wirtschaftlichen Lage, die den seltsamen Gegensatz einer prosperieren den Industrie und einer Bevölkerung, die verelende, austveise. Die politischen Schwierigkeiten seien zum großen Teil die äußerliche Erscheinung dieser wirtschaftlichen Lage. Mehr denn je müsse man sich in Frankreich bemühen, dies zu verstehen; denn je nach der Politik, die man gegen Deutschland anwende, werde man auf seine Entwicklung einen guten oder einen schlechten Einfluß ausüben. Arbeitsplan des Reichstage-. , Der Ältestenrat des Reichstags Hai beschlossen, daß ln dieser Woche noch Mittwoch, Freitag und Sonnabend Ple narsitzungen stattfiNden. Das Gesetz zum Schutz der Re publik und das Amnestiegesetz sollen erledigt werden. Danni wird eine Pause von etwa acht Tagen eintreten. Danach werden die drei Steuergesetze, Zwangsanleihe und Ände rung des Einkommensteuergesetzes und des Erbschaft^ steuergefetzes zur Beratung gelangen. Groyvmanmen. X Churchill über die Lage in Irland. Churchill er klärte im Unterhaus, von Seiten de Valeras sei alles ge schehen, um die irische vorläufige Regierung zu schwächen und um den Süden von Irland in Verwicklungen mit Ulster zu bringen. Die nordirische Regierung werde von der britischen Regierung um jeden Preis gegenüber allen Versuchen, sie zur Unterwerfung unter den Süden zu zwingen, unterstützt werden. Die Tatsache, daß es in Dublin in vier großen Vierteln eine Bande von Leuten gebe, die sich selbst den Vollzugsausschuß des republika nischen Hauptquartiers nenne, sei ein Bruch und eine Ver höhnung des Vertrags. Von diesem Nest der Anarchie aus würden die mörderischen Gewalttaten angestiftet und ermutigt, und nicht nur in Irland, sondern wahrscheinlich auch in England. Aus Zn- und Ausland. Paris. Der Präsident der Republik hat das politische französisch-polnische Abkommen genehmigt. Der Austausch der Ratifikationsurkunden wird am Dienstag am Quai d'Orsay erfolgen. London. Die Leiche des ermordeten Ma rschalls Wil son wurde in der St. Pauls-Kathedrale feierlich beigesetzt.