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Wilsdruffer Tageblatt : 05.07.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-07-05
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192207052
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220705
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220705
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-07
- Tag 1922-07-05
-
Monat
1922-07
-
Jahr
1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 05.07.1922
- Autor
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Fhen. Da verdienen solche Mittel und Mittelchen zur Er sparnis von Kosten und Zeit doch noch Beachtung, beson-« Lers, wenn man sich, wie hier, auf das wirklich Bewährte beschränkt. Da sehen wir ein Plättbrett mit einem „Raster" für bas Bügeleisen auf jeder Seite; man braucht das Eisen nicht Lurch die Lust auf die rechte Seite zurückzusühren, wenn man gerade Len Plättstrich auf Ler linken Seite be endet. Der Gasapparat zur Erhitzung des Bügeleisens Hat einen kleinen Aufbau aus Ziegeln, auf dem man einen Topf mit Wasser aufstellt, um die emporschlagende Flamme noch auszunutzen. Asche, Ofenruß, Kerzenreste gelten als lästige Abfälle, aber nach Frau Ilse Arlts Ansicht sollte, wie in der Natur selbst, kein Abfall unverwendet bleiben. Asche dient als Putzpulver, aus Ofenruß läßt sich gute Schuhschwärze be reiten, und aus Lichtstümpfchen gießt man sich mit leichter Mühe ein Nachtlicht. Der aus dem Wischtuch genähte Sack, der über den Besen oder Schrubber zu streifen ist, erweist sich praktischer als Las übliche Wischtuch, Las so leicht abgleitet. Breite Fransen aus Stoffresten, über einen Drahtring genäht und so an einem alten Besenstiel befestigt, geben ein vorzüg liches Instrument, um unter Len Schränken oder hoch auf diesen Staub zu wischen. Aus Apfelsinenschalen, die man sonst achtlos fortwirft, läßt sich, wenn man sie trocken auf bewahrt hat, zu gegebener Zeit ein gelber, cremeartiger Farbstoff für unsere Gardinen gewinnen. Alte Handschuhe Lienen als Einsatz sür Lie so leicht reißenden Westentaschen und als Anhänger für Jacken und Röcke. Jedes alte Wolläppchen, ja sogar ein Fetzen Seidenpapier aus dem Innern eines Briefumschlags kann nützlich verwertet wer den, sei es auch nur zur Beschäftigung der Kinder. Nägel sind jetzt eine teure Ware, und beim Herausziehen aus der Kiste werden sie meist verbogen; schlägt man sie aber durch eine Lage von Papier, so wird das Herausztehen schon er- leicktert und der Naael aerettet. Es sind keine weltvewegenven Eeoanren, aver eine Fülle von nützlichen Kleinigkeiten, Lie in ihrer Masi schließlich etwas Großes leisten im Kampf gegen die Un bill der Zeiten. Neuartige Mottenbekämpfung. Eine wichtige Erfindung. Der Chemiker Dr. Meckbach aus Leverkusen hielt auf dem Chemikertage zu Hamburg soeben einen interessanten Portrag über „mottenechte Wolle". Er hat sich seit 1915 mit der Aufgabe beschäftigt, ein Mittel zu finden, um Wolle und wollene Stoffe gegen die Motten zu schützen. Die Wolle hat neuerdings für Deutschland wieder er höhte Bedeutung gewonnen; die Schafzucht, die schon stark /im Schwinden begriffen war, blüht wieder auf. Man hat berechnet, daß bei uns alle Jahre etwa eine Million Dop pelzentner neue Wolle zur Verarbeitung kommt. Der Stoff muh aber auch jahrelang, in manchen Verwendungen jahrzehntelang Vorhalten. Nimmt man an, daß im Lauf Ler Jahre nur 1 Prozent der Wolle den Motten anheim- fällt, so wäre Las schon ein jährlicher Verlust von 1 Million Kilogramm, was bei einem Durchschnittspreise von 600 Mark schon eine enorme Summe vorstellt. Aber in der Lat ist der Schaden viel größer, denn wenn in einem Anzug nur ein paar Löcher gefressen werden, verliert er erheblich an Wert. Die beste Stopfkunft vermag doch nicht den Schaden wieder restlos auszubessern. Vielfach hat sich im Volke der Glauben erhalten, daß grün gefärbte Wolle von den Motten verschont bleibe. Be sonders alte Leute hielten mit Hartnäckigkeit an dem Glauben fest und beriefen sich auf viele Erfahrungen. Allerdings gab es auch Leute, die das Gegenteil erlebt hatten. Nachforschungen ergaben nun, daß in der Tat an der Sache etwas dran war. Es stellte sich heraus, daß das sogenannte „Martiusgelb" in der Latein Schutzmittel Gräfin Latzbergs Enkelin. 3S) Roman von Fr. Lehne. (Nachdruck verboten.) „DU Lutz? Schon wieder? Was willst du? Du weißt doch, daß die Damen heut' ausfahren wollten! Hast du es vergessen?" „Nein, sie haben es mir ja deutlich genug gesagt, daß sie am Exerzierplatz vorüberauteln wollten, und weil ich dich allein wußte, deshalb komme ich." „Aber Lutz, das geht doch nicht; bedenke doch daß ich —" „Herrgott, ja, Yvonnchen! Mache mir es doch nicht so schwer!" Er warf sich in einen Stuhl und schlug ungeduldig in die Hände. Sie stand vor ihm und betrachtete ihn kopfschüttelnd. „Ich weiß, was dich drückt, Lutz. Das alte Lied. Schulden," sagte sie traurig. Er nickte wie verzweifelt. „Und nun kommst du zu mir — ist es dringend?" „Ja, sehr!" „Ich habe aber mein Geld noch gar nicht. Fünf zig Mark hab' ich gerade noch über, die kann ich dir gleich geben. Außer dem Reisegeld nach Burgau brauche ich ja nichts." Er machte eine abwehrende Handbewegung. „Ich kann mir ja denken, daß es viel mehr ist." Er stöhnte tief auf. „Ach, Yvonnchen, ich weiß ja nicht mehr ein noch aus! Am dreiundzwanzigsten ist einWechsel sällig, und ich habe keine Ahnung, wo das Geld hernehmen! Ich bin von Pontius zu Pilatus gelaufen. Diese Stunden, die ich durchgemacht, gönne ich meinem ärgsten Feinde nicht. Du, du nur bist meine einzige Hoffnung! Glaube, als ich Mamas Brief bekam, der mir von deinem Glück die Kunde brachte, da hab' ich unwillkürlich aufge jauchzt; wie eine Fügung des Himmels erschien es mir, denn ich! weiß ja, du hilfst mir. Höllenqualen halt' ich ausgestanden, und der Gedanke an Großmama" „Lutz, du armer, wie quälst du dich! Laß es dir eine Warnung sein." Sie legte ihre Weiße Hand auf seine Schulter und sah ihn mitleidig an. Schweißtropfen perlten auf sei- ner Stirn. „Yvonne, ich schwöre dir, ich werd' ein anderer Mensch! Diese letzten Tage — o, wenw nur die Sache, der Wechsel, erst aus der Welt geschafft ist!" „Das soll werden. Wieviel ist's denn?" Er sah beiseite und schwieg. „So viel, Lutz, daß du es mir nicht sagen kannst? Nun, mein Vermögen wird es ja nicht aleich KAM, Sag' mir die Summe." - „Fünfzigtausend Markl" gegen Mottenfraß ist. Das Martiusgelb, so genannt nacy einem vor fünfzig Jahren hochberühmten Botaniker und Forschungsreisenden, ist ein Teerfarbstoff, der wissenschaft lich als ein Natron- oder Kalksalz des Dinitro-Alpha- Naphthols bezeichnet wird. Es gab verschiedene Sorten davon, Lie auch unter anderem Namen austraten: Brillant- gelb, Naphthölgelb, Naphthalingelb, Naphthylamingelb usw. Wolle, die mit dieser Farbe getränkt wurde, erwies sich in der Tat als mottensicher oder mottenecht. Der Glaube, daß grüngefärbte Wolle von Len Motten nicht be fallen wurde, bezog sich also auf ein Grün, bei dessen Zu sammensetzung diese gelbe Farbe benutzt wurde. Ausgedehnte Versuche fiihrten nun dazu, eine farblose Verbindung herzustellen, welche dieselben Eigenschaften hat. Sie soll jetzt fabrikationsmäßig hergestellt werden und einen vollkommenen Schutz gegen Mottenfraß bieten. Mit diesem Stoffe behandelte Wolle kann dann nachträglich mit jeder beliebigen Farbe gefärbt werden. Es ist inter essant, daß bei diesen Versuchen erst die Lebensgewohnhei ten Ler Kleidermotte noch genau studiert werden mußten, da man nicht allzu viel davon wußte. Der Zoologe Dr. Titschack hat sich um diese Forschungen besondere Ver dienste erworben. Durch Liese Fortschritte Ler Wissenschaft sind wir in der Lage, dem deutschen Volksvevmögen Werte zu retten, die sich auf Milliarden beziffern. K. M. Macht der Mann die Mode? Wie groß ist Ler Einfluß des „anderen" Geschlechts? Kleidet sich die Frau für Len Mann? Will sie auf Las andere Geschlecht Eindruck machen oder genügt es ihr, An-- erkennung und Neid ihrer Geschlechtsgenofsinnen zu ern ten? Was ist eigentlich das Treibende, das den ewig wechselnden Gang Ler Damenmode regelt? Merkwürdig ist es doch gewiß, daß Lie Männertracht im großen und ganzen seit Menschengedenken sich ziemlich gleich geblieben ist, während die Trachtenbilderder Frauenmode eine bunte Abwechslung bieten: Bauernröcke, Krtnolinen, Tournüren» Schinkenärmel, Stuartkragen, enge Röcke, kurze Röcke — was haben wir nicht schon alles erlebt, und was werden wir noch erleben. Eine englische Zeitung hat die Frage aufgeworfen und ein Preisausschreiben veranstaltet: läßt sich ein Einfluß der Männer auf die Frauenmode nach weisen? Freilich ist der ausgesetzte Preis so lächerlich schofel (zehn ganze Schillinge!), daß Wohl nicht viel Ge scheites dabei herauskommen wird. Viel Vertrauen müssen die Herausgeber zu der Idee selbst nicht haben. Wenn eine Frau einen neuen Hut erstanden hat, sei es nun ein schwerlastendes Mühlrad oder «in Dufthauch von Gaze und Tüll, so stellt sie sich wohl vor ihren Gatten (oder wer in ihrem Herzen diese Stelle vertritt) siegesge- wiß hin und fragt: Schätzchen, wie gefällt dir mein neuer Hut? Nun, wenn der Mann klug ist oder seine Erfahrun gen gemacht hat, so sagt er gar nichts oder begnügt sich mit einem unverbindlichen Kompliment; hat er schon viele Erfahrungen gemacht, so lächelt er überlegen und sagt gar nichts. Aber er ist gerade in der Stimmung, sich Lie Sache genauer anzusehen, und sagt vielleicht: Na ja, ganz nett, hm, hm — dann hat er verloren, Laun hat er gewonnen. Frauchen wird nachdenklich und meint, der Hut befriedigt ihren Gatten nicht völlig, sie habe wohl schon andere ge habt, Lie ihr besser zu Gesichte standen. Was wird sie tun?j Sie wird Len neu erstandenen Kopfschmuck noch ein paar Tage tragest, damit die Sache nicht zu sehr auffällt, und unterdessen eifrig die Schaufenster mustern. Eines schönen Tages erscheint Lie Dame mit neuer Zierde und hat den „alten" Hut verschenkt. Der Gatte, der sich kaum noch Les Vorfalls erinnert, hat gesiegt, Ler Hut, der ihm nur „so so" gefiel, ist verschwunden — und er darf den Beutel ziehen, um Len neuen Ersatz zu bezahlen. So mag Wohl auch sonst in der Frauenkleidung hin und wieder sich der Einfluß der Männerwelt bemerkbar machen. Eigentlich ist Las ja Las natürliche Verhältnis, denn darüber sind sich alle Kenner einig, Laß die,.Mode „Lutz!" Yvonne war doch erschrocken. „Ach, Kleine, so viel hat mir der verfluchte Kerl, der Halsabschneider gar nicht gegeben," stöhnte . er. „Kaum vierzigtausend Mark. Aber was soll man ma chen, wenn einem das Messer an der Kehle sitzt!" „O, Lutz, auf solche Geschäfte läßt du dich ein? Wie hätte das je in Ordnung gebracht werden können, wenn ich nicht die Erbschaft gemacht hätte? Großmama hätte dir das nie geben können; Bernried hätte schon verkauft werden müssen." „Das wäre das wenigste gewesen," flüsterte er. Sie hatte das Wohl gar nicht gehört. „Gottlob," sagte sie, „daß ich Großmama das ersparen kann — ich helfe ja gern! Noch ist es Zeit! Heute ist Sams tag; Dienstag fahre ich wieder nach Burgau, und dann hab' ich freie Verfügung über mein Vermögen. Du schickst mir morgen eine Aufstellung deiner sämt lichen Schulden — aller, hörst du? Nichts verschwei gen! Wenn du noch Verpflichtungen gegen Dagobert haben solltest, auch diese. Dann weise ich sofort die nötigen Summen an. Großmama darf nichts davon erfahren, das bleibt unter uns. Zum Glück kann vor allem die Wechselgeschichte zum fälligen Termin erle digt werden." Er starrte sie an wie ein unbegreifliches Wunder, wie sie mit ihrer süßen Stimme in so ruhiger Selbst verständlichkeit ihm diese Last von der Seele nahm. Er stürzte vor ihr nieder und legte sein Gesicht auf ihre Hände. „Yvonne!" schluchzte er auf. „Yvonne, wie kann ich das je gutmachen! Ach wüßtest du —" Liebreich beugte sie sich zu ihm. „Dadurch, daß du dein Versprechen hältst und ein andererMensch wirkt. Stehe auf, Lutz, es ist ja gut, stehe auf. Still doch; mir scheint, nebenan ist jemand." Sie lauschte. „Lutz, du lieber, fasse dich doch! Ich tue es ja so gern für dich! Du hattest ja dem armen Kinde ein bißchen Sonne in das Leben gebracht, und das werde ich dir nie vergessen. Lutz, ich bin dankbar!" und sie strei chelte sein blondes Haär. „Yvonnchen, soll es denn nicht wieder so werden, wie wir es uns gedacht hatten?" stammelte, er. „Nicht fetzt gleich. Du sollst erst sehen, daß ich Wort halten kann. Nicht, weil du so reich geworden bist. Nein, ich hab' dich ja immer geliebt." „Nein, Lutz, das nicht, nie wieder! Bitte, Grüb nicht davon, dringe nicht in mich. Ich bin dir herz lich gnt, ia, aber verlange nichts weiter. Und jetzt bitte ich dich. IN gehen." Er hielt ihre beiden Hände fest und küßte sie. „Ach Yvonne, wie ich dich liebe! Das kannst du mir doch nicht verbieten!" Lächelnd schüttelte sie den Kopf. „Du lieber, gro ßer Junae. du!" eine starke Tendenz yrnfrchruch des anderen cse^cyiecyies hat. Aber andererseits ist Loch auch ebenso sicher, Laß aller Spott der Männer über die unsinnigen Tournüren und Krinolinen u. Lgl- nichts genutzt hat. Die Männer konn ten ihre Abneigung gegen Liese Tracht nicht einmütiger und nicht schärfer zu erkennen geben, als es in Liesen Fällen geschehen ist, aber die Frauen kehrten sich Len Teufel darum. Sie trugen diese entstellenden Kleiderfor men, so lange es ihnen paßte, d. h. bis sie es über be kamen. Und es ist gewiß keine Ler Holden, wenn sonst alles in Ordnung war, sitzen geblieben, weil sie eine Krinoline trug. Fragt man Lie Männer, was sie von den Launen der Göttin Mode halten, so zucken sie meist die Achseln und lehnen ein genaueres Eingehen auf das Thema ab. Sie tun so, als verzichteten sie auf eine Einwirkung und wären von vorn herein überzeugt, Latz es doch nichts nutze. Da bei scheint aber Loch ein vielleicht nicht immer beabsichtigter Einfluß stattzufinden, vielleicht um so stärker, als er eben unbeabsichtigt ist. Die Frau hat am Ende ein instinktive res Gefühl dafür, was der Mann sich bei dieser oder jener modischen Neuerscheinung denkt, weil sie auch die Blicke des Gatten, des Bruders, des Vetters, die fremde Schönen mustern, sehr klug zu kontrollieren weiß. So reguliert sich wohl manches im stillen von selber, ohne daß wir es merken. Die Frauenmode ist noch ein Gegenstand, den die Seelenkunde nicht genügend ausgeschöpft hat. C. F. Ans Stadt und Land. W, A»ld»Ul »te t«»«, Wilsdruff, am 4. Juli. HH Ja aber — ja also. Man kann die Menschen Wohl in zwei Klassen, in die „Ja aber"- und in die „Ja also"-Leute einteilen. Die einen finden an jedem Ding ein „aber", die andern führen aus, was sie für gut erkannten, oder was ihnen eine abhängige Stellung an Pflichten auferlegt. Beide Arten sind nützlich, und Leide können schädlich wirken, je nachdem ihr Einfluß auf das Volksschicksal den richtigen Grad erreicht oder zu stark wird. Gegenwärtig haben die „Ja aber"- Leute das Übergewicht und zwar in einem Umfang, daß sie unser Wirtschaftsleben in ernster Weise bedrohen. Wir brau chen Tat und nicht Worte und können uns den Luxus spitz findiger Erwägungen nicht leisten. Wozu noch das Aber, nachdem das Ja gesprochen ist? Das Aber hat schon manche gute Sache erschlagen oder sie in das Fahrwasser unfrucht barer Rede uud Gegenrede gedrängt. Jetzt heißt es Werte schaffen, das Wie hat dabei untergeordnete Bedeutung, Oppo sition aus Grundsatz ist ein übles Ding, man soll das Gute anerkennen, wo immer man es findet, und das Notwendige ergreifen, gleichviel woher es kommt. Die Kritik und die Überlegung, wie besser und wirksamer geschafft werden kann, sollten zurückgestellt werden, bis wir uns wieder Feierstunden gönnen dürfen. Früher gehörte zum Widerspruch ost ein ge wisser persönlicher Mut» heute ist das Gegenteil der Fall. Es ist entschieden schwerer, eine notwendige Sache unverdrossen zur Ausführung zu bringen, als sie zu verhindern. Nicht Lie Pessimisten, die „Ja aber"-Leute, haben dis Kultur gemacht, sondern die Optimisten mit ihrem freudigen „Ja also", Lie das Gute lieben um seiner selbst willen. — Kundgebungen zum Schutze der Republik. Aus Anlaß der heute nachmittag stattfindenden Kundgebungen zum Schutze der Republik haben aus Anordnung des Gesamtministeriums sämtliche staatlichen Behörden und Betriebe um 12 Llhr mittags geschlossen. Für die Erledigung dringlicher Arbeiten war Sorge getragen. — Nach einem Beschluß des Gewerkschaftskartells tritt in den hiesigen Betrieben um 4 Uhr nachmittags Arbeits ruhe ein. Die Belegschaften ziehen nach dem Marktplatz, wo eine Ansprache gehalten werden soll, au die sich ein Straßen- umzug anschließt. — Die Heimalbeilage erscheint so lange ohne Kopf, bis der laufende Artikel zu Ende ist. Sie War so weich gestimmt, so froh, helfen zu können, und sie kostete ganz das reine Glück aus, das es gibt, jemand von schwerer Bedrängnis befreit zu haben. Sie fühlte fetzt zum ersten Mals, welche Macht das Geld ist. Mit vollen Händen hätte sie aus geben, helfen mögen. Für sich brauchte sie ja so wenig, nur ein bischen Glück — und das konnte ihr nur der eine geben, der geliebte Mann! Und der, an den sie dachte, der saß oben vor sei nem Schreibtisch, den Kopf in die Hände gestützt. Die Stunde, die anscheinend einem anderen das höchste Glück gebracht, hatte alles in ihm vernichtet. Lothar hatte seiner Schwester einige Bücher ge liehen, die sür ihn durch die von Freunden geschriebe nen Widmungen von Wert waren. Er wußte, daß sie im Wohnzimmer lagen; deshalb ging er hinunter, sie zu holen. Da hörte er nebenan Stimmen — die von Yvonne und eine andere, männliche, und was er sonst nie in seinem Leben getan, jetzt zwang ihn etwas dazu. Er trat an den Türvorhang und spähte hin durch, und da sah er Leutnant Brücken vor Yvonne knien, hörte ihre leise, süße Stimme, hörte ein vertrau liches „Du" von ihren Lippen, und wie gehetzt eilte er hinaus. Seme Besürchtungen hatten sich also bewahrheitet. Yvonne gehörte einem anderen, hatte dem längst wohl schon gehört. Wer weiß, ob ihr Hiersein nicht verab redet mit Baron Brücken war, um sich zuweilen zu se hen, da er, der vermögenslose Offizier, sie, die arme Komtesse, sich liebten und doch keine Aussicht auf Ver einigung hatten bis jetzt, wenn das Wahrheit war, was Konstanze gesagt. Vielleicht war er ein Tor ge wesen, sich einzubilden, in Yvonnes Zutraulichkeit ein anderes, wärmeres Gesühl zu sehen. Doch nein, darin konnte er sich nicht täuschen — sie hatte ihn glauben las sen, daß er ihr teuer war, auch wenn kein Wort ge fallen, und dann war dieses Mädchen die herzloseste Kokette. Sie waren sich doch alle gleich, keine besser als die andere! Und diese schlimme Erkenntnis ver stärkte den Wunsch in ihm: nur fort von hier, um in anstrengender Arbeit Vergessenheit zu suchen sür einen Traum, den er von Glück und Liebe geträumt. Er raffte sich zusammen und beeilte sich, mit dem Einpacken fertig zu werden. Yvonne wollte er nicht Wiedersehen. Doch sie wartete auf ihn und wußte es so einzurichten, ihm auf der Diele zu begegnen. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und trat aus ihn zu. „Herr von Steinhagen," sagte sie, und ihre Stimme zitterte, „ich hörte, daß Sie Steinhagen verkaufen und fortgehen wollen. Auch ich werde nicht mehr lange hier bleiben, da sich in meinem Leben ungeahnte Ver änderungen . vvllzoaen haben."
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