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Wilsdruffer Tageblatt : 28.06.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-06-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192206284
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220628
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220628
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-06
- Tag 1922-06-28
-
Monat
1922-06
-
Jahr
1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 28.06.1922
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gesagt. Staatssekretär v. Hantel, der dienstälteste Staatssekretär im Auswärtigen Amt, hat die vorläufige Führung der Geschäfte des Amtes übernommen. In Anlehnung an den Beschluß des Gewerkschaftskoll» gresses haben die Verbände der drei Eisenbahnerorganisa- ttonen Deutscher Eisenbahnerverband, Reichsgewerkschaft deutscher Eisenbahnbeamten und Anwärter und Allgemei ner Eisenbahnerverband folgenden Beschluß gefaßt: „Der gesamte Zugverkehr und die Arbeit in den Betriebswerk stätten ist am Dienstag, den 27. Juni, nachmittags voll 2 Uhr bis 2 Uhr 10 Minuten einzustellen, während sich das übrige Eisenbahnpersonal an dem Proteststreik der Privat- arbeiterschaft zu beteiligen hat. Eine Million Belohnung. Der Polizeipräsident von Berlin hat eine Bekannt machung an den Anschlagsäulen erlassen, in der für zweck dienliche Mitteilung, die zur Aufklärung des Mordes an Rathenau dienen können, eine Million Mark Belohnung ausgesetzt wird. Alle Angaben, die zur Ermittlung und Fest nahme der Täter geeignet sind, werden genau geprüft und gegebenenfalls aus dem Betrag der Million belohnt. * Die Anteilnahme des Auslandes. Ebenso wie die diplomatischen Vertreter der fremden Staaten in Berlin der Reichsregierung ihre Beileidsbesuche abgestattet haben, so drückt auch die Presse aller europäischen Länder, unabhängig davon, ob sie uns freundlich oder feind lich gesinnt sind, ihren Abscheu über die Mordtat aus und hebt die hohe politische Bedeutung des Ministers Rathenau hervor. In einer Ansprache in London sagte Lloyd George: Rathenau war einer der fähigsten Minister Europas. Er tat sein Bestes, und deshalb wurde er ermordet. Ich kann nur meinen tiefsten Abscheu aussprechen über das Verbrechen und dem Vertrauen Ausdruck geben, daß Deutschland nicht leiden wird unter dem Unrecht, das diese Loute ihrem eigenen Lande zusügten durch dieses feige Verbrechen an einem seiner aus gezeichnetsten Bürger. Ministerpräsident Poincars hat dem deutschen Bot schafter Dr. Mayer fein Beileid anläßlich der Ermordung Dr. Rathenaus aussprcchen lassen, und der ehmalige Minister Loucheur erklärte, Ratherrau habe begriffen, daß es not wendig und gerecht sei, daß Deutschland im Rahmen seiner Kräfte Ersatz leiste. Er, Loucheur, habe in der schwierigen Debatte in Rathenau einen Mann gefunden, dessen guter Wille nicht zweifelhaft gewesen sei. Oie Gonniagssihung im ReichsiÄge. Kanzler und Parteien über den Mord. 6 8. Berlin, 26. Juni. Zu der großen Aussprache, die in einer Son dersitzung des Reichstages am Sonntag über die neuen Verordnungen stattfand, die am Abend vorher vom Kanzler im Reichstag verkündet worden waren, wird uns von unserem parlamentarischen Mitarbeiter geschrieben: Die beiden neuen Ausnahmeverordnun gen, die aus Grund des Artikels 48 der Reichsverfassung unmittelbar nach dem Morde an Minister Rathenau er lassen wurden, bedürfen zu ihrer Gültigkeit nicht einer be sonderen Beschlußfassung des Reichstages, Wohl aber muß ten sie dem Reichstage vorgelegt werden, wie es in der Sonnabend-Abendsitzung geschehen ist. Der Reichstag kann über diese Verordnungen debattieren und kann ihre Auf hebung oder Abänderung verlangen. Ein solcher Antrag ist nicht gestellt worden, Wohl aber hat am Sonntag eine eingehende Aussprache stattgefunden, die sich besonders in folge des Eingreifens des Reichskanzlers zu einer sehr be deutenden politischen Debatte gestaltete. Die Par teigegensätze stießen dabei abermals sehr hart aufeinander, und von den Rednern der sozialistischen Parteien wurden erneut die schärfsten Angriffe gegen die Deutsch- nationalen gerichtet. Diese selbst sprachen ihre tiefste Entrüstung über die Mordtat aus, erklärten, daß Aus- nabmemakreaeln aus einem solchen Anlaß im Vrinziv Gräfin Latzbergs Enkelin. 33) Roman von Fr. Lehne. (Nachdruck verboten.) Jetzt trat er zu ihr und nahm das Glas, das sie ihm bot. „Ich trinke aus das Wohl der Allerschönsten," sagte er leise und schaute tief in ihre Augen — und dieser Blick esttging Lothar nicht! Bildschön sah sie aus in dem geschmackvollen, Hellen Kleide, schöner als Lutz sie je gesehen! Sie patzte so gut in dieses präch tige stilvolle Milieu — aber nicht als Dienerin, son dern als Herrin! Lothar saß im Erker des Salons, etwas abseits von dem Getriebe, als ob ihn das alles nichts angmge — und doch hatte er ein bestimmtes Interesse. Kaum daß er Wonne und Lutz einmal aus den Augen ver lor. Jetzt sprachen einige ältere Herren mit 'hm und verwickelten ihn in ein anregendes Gespräch. Da spann ten sich plötzlich alle seine Nerven. Der junge Offizier trat wieder wie zufällig neben Wonne und kagte et was zu ihr — was, konnte Lothar nicht verstehen, wohl aber hörte er ihre leise Antwort. Sie stand nicht weit von ihm entfernt, hatte ihm aber den Rücken zu gedreht. Sie sagte: „Nicht doch, Lutz, sei doch nicht so unvorsichtig!" Es war die Erwiderung auf die Bemerkung des Vetters, wie es ihn empöre, daß die Gräfin Laßberg so untergeordnete Dienste tun müsse! Lothar hatte ihre Worte ganz deutlich vernommen; krampfhaft um klammerten seine Hande die Lehne des Stuhls; er richtete sich halb auf, sank aber wie kraftlos zurück, und sein Gesicht war aschfahl geworden. Wie klug sie war. Ter Leutnant sollte nicht un vorsichtig sein! In seinen Zügen arbeitete und zuckte es, als ob er von den heftigsten körperlichen Schmer zen gequält würde, und er mußte an sich halten, nm nicht höhnisch aufzulachen. Alles, alles war ja Lüge! Der unschuldigste reinste Kinderblick nichts Welter als raffinierte Kokette rie! Und doch nahm er die Qual dieser Stunde auf sich — er ging nicht! Fast wollüstig durchkostete er die Schmerzen dieser Enttäuschung! Allmählich entfernten sich die Gäste; Lutz von Brü-. cken war der Letzte, der ging. „Nun, Herr Baron, wo werden Sie das Weihnachts- feft verleben?" sragte Frau Agathe. „Ich muß nach Hause fahren, nach Bernried. Mei ner Schwester Verlobung soll da offiziell werden." Yvonne horchte auf, davon hatte er ja nichts gesagt. „Heute bekam ich die Nachricht von dem wichtigen Fa- milienereignts." .Und mit wem, wenn es erlaubt ist, zu »ragen?" durchaus gerechtfertigt erscheinen, daß aber die vorliegen den Verordnungen, die sich ausschließlich gegen rechts richten, nicht ihre Billigung finden könnten. Der Justiz minister Nadbruch versicherte daraufhin noch einmal ausdrücklich, daß die Verordnungen sich tatsächlich in keiner Weise gegen links richten, denn von dort drohe keine Ge fahr. Die Redner aller anderen Parteien erklärten sich, teilweise mit gewissen Einschränkungen, mit diesen Ver ordnungen einverstanden. Auf das Grundmotiv, daß die Abwehr gegen rechts gerichtet werden müsse, weil dort der Feind der Republik stehe, war auch die große Ne dedes Reichskanzlers abgestimmt. Dieser Grundton hat selbstverständlich bei den rechtsstehenden Parteien Verstimmung hervorgerufen, da sie es als eine ganz ungerechtfertigte Beschuldigung emp finden, wenn man sie in irgendeiner Weise mit dem Atten tat in Verbindung bringen will. Der Kanzler, der voll kommen frei und in sichtlich großer innerer Erregung sprach, widmete zunächst mit lebhaften und kräftigen Wor ten dem toten Freund und Mitarbeiter einen ehrenden Nachruf. Rathenau habe auch bei der Entente sich in weni gen Monaten in Ansehen zu setzen verstanden' und auch Lloyd George gegenüber patriotische Töne des Protestes gegen das unmögliche System der Entente gefunden. Der Kanzler beklagte, daß dieEntente im Laufe eines Jah res der demokratischen Regierung Deutschlands saft nichts gegeben habe als Demütigungen, und erklärte, sür ein 60- Millionenvolk sei es auf die Dauer unmöglich, unter der Herrschaft von Kommissionen zu leben. Schließlich mahnte er zur Geduld und zur Pflege aller Beziehungen zu den vernünftigen Elementen der anderen Völker, erklärte, daß es jetzt gelte, die Atmosphäre Deutschlands zu entgiften, und sprach noch einmal aus, daß der Feind rechts stehe. Die Schlußwendung des Kanzlers fügte sich sehr schroff und unvermittelt an die große Rede an, in der er auch einige Proben von niederträchtigen Drohbriefen und Presseäußerungen verlas, die gegen Rathenau und die Re gierung gerichtet worden waren. Ein unbestreitbares Ver dienst des Kanzlers aber war es, daß er einen großen Teil seiner Rede der Außenpolitik widmete, und der Entente ihr vollgerütteltes Matz an Schuld vor Augen rückte, wel ches ihr an der Vergiftung der deutschen Volksseele durch ihre Gewaltpolitik zugemessen werden muß. Die überaus scharfe Wendung gegen rechts erklärt man in parlamentari schen Kreisen zum Teil damit, daß der Kanzler nach links hin beruhigend wirken wollte, denn es gingen bereits Ge rüchte um, daß von links her als Vergeltung ebenfalls Gewalttaten geplant seien. Gegenüber den höchst bedauer lichen Lärmszenen, die sich am Sonnabend im Reichstage abspielten, nahm die Wonntagssitzung einen zwar immer noch sehr erregten, aber doch würdigeren Verlauf, und man hofft, daß die Selbstbesinnung bald soweit wiedergc- funden sein wird, daß an Stelle der teilweise sehr unbe gründeten gegenseitigen Anschuldigungen, die die Parteien gegeneinanderschleudern, wieder die fruchtbringende Zu sammenarbeit treten wird, die wir zur Abwehr des äuße ren Feinndes dringend nötig haben. Deutscher Reichstag. (287. Sitzung.) OL Berlin, 26. Juni. Rach den stürmischen Sitzungen am Sonnabend und Sonntag fand heute eine ruhige und geschäftsmäßige Sitzung statt. An der Spitze der Tagesordnung stehende Interpella tionen über die Eisenbahngütertarife und über die Kriegs- schul dfrage sollten, wie die Regierung erklären ließ, in der geschästsordnungsmäßigen Frist beantwortet werden. Hierauf wurde die Vorlage, durch die das Wohnungs- mangelgesetz bis zum 21. März nächsten Jahres ver längert wird, in allen drei Lesungen angenommen, ebenso das Gesetz über Kündigungsbeschränkungen zugunsten Schwer kriegsbeschädigter. Außerdem der Gesetzentwurf über die Er höhung der patentamtlichen Gebühren. Alsdann folgte die zweite Beratung des Gesetzentwurfs zur Verlängerung der Pachtschutzordnung. vttte lehr'. Mit der Nachbarschaft" — er blickte dabei zu Wonne hin — „mit dem zukünftigen Landrat des Kreises, einem Herrn von Hammerstein." Unwillkürlich mußte sie seinen Blick erwidern und ein ganz klein wenig lächeln — also hatten sich die beiden miteinander getröstet — für sie lag ftwas Ko misches darin. Die durch seine Eifersucht geschärften Augen lie ßen Lothar auch dies geheime Einverständnis bemerken. Er ertrug es nicht mehr. Fast unhöflich .napp ver neigte er sich vor dem jungen Offizier. „Verzeihen Sie, Herr Baron, ich mutz mich jetzt verabschieden!" »Äh. Pardon, ich habe die Herrschaften aufgehal ten. I«) bedaure unendlich " „Nein, nein, Herr Baron! — Lothar ou versprachst uns doch, noch zu bleiben? Du willst nicht? Made moiselle, sagen Sie doch dem Diener Bescheid, daß Herr von Steinhagen fahren will." „Ich danke! Ich besorge es allein." Lothar ging hinaus; er wollte nicht Zeuge des Abschieds sein, den Baron Brücken von Yvonne nehmen würde, er wollte nicht die 'kleine, blasse Mädchenhand, die ihm ein Hei ligtum war, in den unreinen Fingern des anderen se hen, er wollte nicht vor dessen lächelndem Siegrrblick die dunklen Wimpern sich senken sehen! Kurz war dann sein Abschied von Mutter und Schwester. Flüchtig reichte er auch Yvonne die Hand — ohne den geringsten Druck — und ließ sie sofort wieder fallen, als ob sie ihn verbrannt Hütte. Ohne dem Mädchen einen letzten Blick zu gönnen, jagte er davon. So wenig wie heute hatte Lothar die Füchse noch nie geschont. Es war, als jagten seine wildstürmenden Gedan ken um die Wette mit den edlen Tieren, die er un barmherzig antrieb. „Oh, dieses Mädchen! Wie hatte er es geliebt aus der Tiefe seines Herzens, mit jener heißen, inni gen, treuen Liebe, wie nur ein gereister Mann zu lie ben vermag. Und sie hatte ihn glauben lassen, daß sie ihm gut sei. Und dock beute dickes schamlose Spiel mit dem anderen — weil der eine glatte, hübsche st rve trug und juilg war. Oh, er hätte den Buben züchtigen mögen, der so keck nach dem griff, was ihm gefiel, der nicht danach fragte, ob er einem anderen damit Weh tat, hm das Beste wegnahm! Tor, der er war! Warum hatte er nicht gespro chen und sich des geliebten Mädchens versichert? Und wie sehr hatte er sich nach diesem süßen, blas sen Mund gesehnt, ihn einmal zu küssen! Einmal dgH holde Geschöpf im Arm zu halten! - Der Ausschuß hat verschiedene Änderungen in der Vorlage angebracht. Der von der Regierungsvorlage für Grundstücke unter 5 Hektar vorgesehene Ausschluß der Pachtküudizung ist auf Grundstücke bis 10 Hektar ausgedehnt. Reichsarbeitsminister Brauns wandte sich gegen einige Änderungsanträge, die von verschiedenen Parteien eingcgan- gcn sind. Dem Grundgedanken eines Verpächterschutzgesetzes steht die Regierung nickst ablehnend gegenüber, aber Lieser Schutz sei auch in der Vorlage schon gegeben. Abg. Dr. David (Soz.) erklärte, die Vorlage solle ver hüten, daß den kleinen Pächtern tu Waffen gekündigt wird. Diese Aufgabe erfüllt die alte Pachtschutzordnung nicht ge- nügend. Darum wird im vorliegenden Entwurf der Pächter schutz verstärkt. Wir offen, daß die im Ausschuß beschlossene Ausdehnung des sozialen Pachtschutzes auf Wirtschaften bis zu 10 Hektar bestehen bleibt. Abg. Hagemann (Zentrum) verlangte einen größeren Spielraum für die Vertragsfreiheit und die Zahl derjenigen Anträge, die das erreichen sollen. Weiter verlangte er eine Anpassung Ler Pachtpreise an rie Geldentwertung noch vor. dem Ablauf der Pachtoenräge. Von den folgenden Rednern sprachen die Abgg. Horr (U.-Soz.), Korell (Demokrat), Gildemeister (Deutsche Volkspf sür die von ihren Fraktionen gestellten Anträge und über Lst vom Ausschuß beschlossenen Abänderungen. Abg. Heidemann (Komm.) bemängelte die Vorlage, well der Pächter nach wie vor dem Großagrarier ausgrliefert bleibt Nachdem noch der Abg. Jaeckel (Soz.) für die soziale« Anträge gesprochen hatte, wurde unter Ablehnung der All änderungsanträge der Sozialdemokraten und Demokraten dir Vorlage angenommen. Im Anschluß daran stimmte das Haus auch in Ler dritten Beratung der Vorlage zu. Darauf wurde die Sitzung abgebrochen, weil die Auf bahrung Rathenaus vorbereitet werden sollte. Der Präsident wurde ermächtigt, den Zeitpunkt der nächsten Sitzung zu be stimmen. Ans Stadt und Land. »r Ski« «»«"Ul ->k k-v« »«»da« . Wilsdruff, am 27. Juni. LI Versprechen und halten. Wenn die Menschheit die Last Hrer ungehaltenen Versprechen tragen müßte, dann wäre sie längst zugrunde gegangen. Was sie jetzt und seit Jahren von ihren Führern zu sehen bekommt, trägt nicht gerade dazu bei, ihr nach dieser Richtung hin das Gewissen zu schärfen. Den noch brauchen wir jeden idealen Wett für unsere Wiederaus richtung so notwendig wie die materiellen Werte und sollten deshalb auch die kostbare Pflanze „Vertrauen" nicht ver kümmern lassen. Ein Sprichwort sagt: „Rechne nie mit Ver sprechungen, die jemand in der Not macht." Daß man auf solche Versprechungen tatsächlich nicht viel geben darf, kann man zwar täglich sehen, es wäre aber schlimm bestellt um Treue und Glauben, wenn man allen denen, die sich in einer Verlegenheit befinden, von vornherein kein Vertrauen mehr schenken wollte. Zwar geht der klare Blick für die eigene Lage unter dem Druck dringender Verpflichtungen leicht verloren, trotzdem sollte jeder vorwättsstrebende Mensch alle seine Kraft darauf setzen, ein gegebenes Versprechen peinlich genau und pünktlich zu erfüllen, selbst wenn er glaubt, daß es seinem Partner nicht pressiert. Worthalten schasst Achtung und Ver trauen und macht, wie man im Geschäftsleben sagt, „Kredit würdig". Unser gesamter Verkehr beruht zu einem großen Teil auf gegenseitigem Vertrauen, auf der Überzeugung von der Gewissenhaftigkeit unserer Mitmenschen, und trotz vieler Enttäuschungen durch unehrliche Handlungen ist die Mensch heit Loch noch lange nicht so hart und engherzig, wie mancher Verbitterte sie wohl haben möchte. Vertrauen ist auch heute noch der größte Faktor im Wsltgetriebe, größer selbst als das Kapital. Vertrauen ist idealisiertes Kapital, an dem jeder Mensch beteiligt ist, und jeder hat deshalb auch ein Interesse daran, daß dieses kostbare Gut nicht geschmälert oder entwertet wird. — Halbmastflaggen für Rathenau. Die sächsische Regie rung hat angeordnet, daß die staatlichen Dienstgebäude, die staatlichen Schulen und die im wesentlichen aus staatlichen Mitteln unterhaltenen Stiftungsgebäude aus Anlaß der Er- „Aver war es ntcyt gut, daß es so gekommen? Noa) zur rechten Zeit hatte er ihren Unwert erkannt — daß es nur Truggold war, was er für echt gehalten — und doch drängte ihm diese Enttäuschung heiße Tränen ins Auge! Das würde er nie verwinden! Seit diesem Tage war Lothar wie verwandelt. Nie wieder sprach er in dem herzlichen Ton wie vordem zu Yvonne; nie wieder traf sie sein warmer, liebe voller Blick, den sie stets wie eine zärtliche Liebkosung empfunden. Mit tadelloser, eiskalter Höflichkeit begeg nete er ihr, und ihre schüchternen Versuche, das frühere Einverständnis wiederherzustellen, ließ er unbeachtet. In vielen schlaflosen Nächten fragte sich Yvonne, woher dieser jähe Umschlag in seinem Verhalten kam. Hatte er vielleicht gefürchtet, Hoffnungen, die er nie erfüllen würde in ihr zu erwecken? Noch war ja kein bindendes Wort gesprochen — und ein Blick, ein Hän dedruck kann so enttäuschen. Sie war tief unglücklich. Jetzt schlief sie nicht mehr so gut und heiße Tränen netzten ihr Kopfkissen. Sie weinte nach dem Mann, den sie mit ihrer ganzen Seels liebte, ohne den sie nicht mehr sein konnte — und er hatte sich von ihr abgewandt! Tausend Schmerzen litt sie um ihn, und all ihr Stolz konnte ihr nicht helfen, diese Liebe zu überwinden. Frau von Steinhagen und Tochter schwammen im Strom der Geselligkeit tapfer mit; längst hatten sie die Mahnungen und Vorstellungen Lothars vergessen und lebten lustig darauf los. Sein blasses rnstes Ge sicht rührte sie nicht! Lutz von Brücken war in der Gesellschaft tonan gebend. Ein Fest ohne ihn hielt man für undenkbar — und er stürzte sich nur so hinein in den Strudel. Manchmal kam es vor, daß er nach Hause ging, den Gesellschaftsanzng ablegte, eine Dusche nahm, dann hi nein in den Dienstanzug und sort in die Kaserne, auf den Exerzierplatz. Yvonne hörte so viel von ihm und nicht immer Günstiges. Zuweilen sah sie ihn auch und war säst erschreckt von seinem verlebten Aussehen. Bange Sorge ersüllte sie. - Einmal begegnete sie ihm zufällig; Sie sollte Konstanze von der Schneiderin abholsn; es war nock zu früh dazu. Er blieb sofort stehen. „Wohin des Weges, Yvonnchen?" Sie gab ihm Antwort und sagte dann: daß ich dich treffe Lutz. Ich ängstige mich so um dich^ Was ist mit dir?" „Sehr gütig, deine Teilnahme! Doch 'asss mich nur — ich werde schon nach meiner Fasson selig!" „Lutz denke an deineMutter, denke an Großmama!" flehte sie. „ , L > (Fortsetzung folgt.)
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