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». s Wochenblatt für Wilsdruff und Llmgegend 0°^--«°"'°»««»" r«<» Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. »«l«er >«d Dr«»er: Arthur Asch«»»« in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann LSsfig, für de» Inseratenteil: Arthur Zschuuk«, beide in WiladrnA Nr. 152 Sonntag den 2. Juli 1S22. 81. Jahrgang Amtlicher Teil. Bekanntmachung. Die durch Verfügung des Landesfinanzamtes Dresden, Abteilung für Besitz- und Verkehrssteuern vom 20. Dezember 1921 (Nr. 1 des Wilsdruffer Tageblattes vom 1. Januar 1922) festgesetzten Werte der Natural- und sonstigen Sachbezüge für die Be rechnung des Steuerabzugs vom Arbeitslohn sind mit Wirkung vom 1.1«li1922ab um 50 vom Hundert erhöht worden. Nossen, am 30. Juni 1922. Z»I» (1094 I) Das Finanzamt. D r S. Nachtrag zur Lokalschulorduuug vom 16 Joni 1922, Verteilung von Stimmzetteln zur Etternratswahl betreffend, hat die oberbehördliche Ge nehmigung gefunden. Der Nachtrag liegt zu jedermanns Einsicht 14 Tage lang in der Ratskanzlei, Zimmer 15, aus. Wilsdruff, am 30. Juni 1922. Z8» Der Stadtrat. Nin Genehmigung der Amkshaupimannschafl wird der nach su Klipphausen führende Kommunikationsweg wegen Massen« schütt vom S. bis Mit 7. Juli gesperrt. Der Verkehr wird über Sora verwiesen. Röhrsdorf, am I. Juli 1922. Z907 Der Gemeinderat. Vom 3.-8. Juli wird die Dorsstratze unterhalb des Oberen Gasthofes wegen Maffenschutt gesperrt. Der Verkehr wird über Tanneberg bezw. Niederdittmannsdorf—Reinsberg verwiesen. Neukirchen, am 1. Juli 1922. Zsir Der Gemeinderat. Lind doch Sanktionen? Unbekümmert um alles, was sonst in der Welt vör- geht, um die Ermordung Nathenaus, um die englisch-italie nischen Verhandlungen, die sich zurzeit in London ab spielen, um die deutliche Stellungnahme der amerikanischen Politik und Wirtschaft gegen den Wahnsinn der europäi schen Selbstzerfleischung, steuert die französische Regierung ihren Kurs. Fast sieht es so aus, als warte Herr Poin- carb nur aus den Augenblick, da der allgemeine Zusam menbruch, der heute schon als völlig unvermeidlich er scheint, eintritt, um sich dann auf Grund längst gefaßter Beschlüsse mit blitzartiger Schnelligkeit auf Deutschland zu werfen. Anders wenigstens ist seine Haltung gegenüber den Interpellationen, die jetzt im Senat in Paris zur Be sprechung kamen, kaum zu erklären. Die Interpellanten billigten Wohl die bisherige Poli tik der Regierung, die dahingeht, daß die Frage der Kriegsschulden und der Wiedergutmachung unbedingt den Vortritt vor dem russischen Problem zu beanspruchen hätte. Nur eine günstige Lösung dieser Grundfragen könne gute Beziehungen zwischen Frankreich und Deutsch land wiederherstellen. Aber man sei sich nachgerade auch in Frankreich darüber klar geworden, daß der Vertrag von Versailles nicht die Möglichkeit gebe, diesen Erfolg zu er zielen. Die finanziellen Leistungen, zu den euer Deutsck)- land verpflichte, reichten nicht hin, um das immer größer werdende französische Defizit zu decken. Stünden sich Frankreich und Deutschland noch lange so gegenüber wie jetzt, so müsse es zu einem Konflikt kommen. Deshalb solle man zu dem Gedanken der internationalen An leihe zurückkehren, und Pflicht der Negierung sei es, da zu die Initiative zu ergreifen, damit das Problem der Wiedergutmachung endlich aus der Welt geschafft werde. Ach ein zweiter Interpellant meinte, daß die Regierung sich endlich zwischen der Methode der brutalen Gewalt und der Methode der internationalen Verhandlungen zu entscheiden habe- Wolle sie zur Gewalt greifen, dann müsse sie allein und schnell handeln, denn die Zeit arbeite für Deutschland, Eine Verbindung beider Methoden, wie man sie in London immer betreibe, habe zu gar keinem Ergebnis geführt. Die Bankiers hätten die Anleihe nicht abgelehnt, sondern sie nur für den Augenblick als ungünstig bezeichnet. Eine Herabsetzung der deutschen Kriegsschulden sei aber nur möglich, wenn auch die französischen Kriegsschulden herab gesetzt würden. Der Ministerpräsident solle klar und be stimmt sagen, was er tun wolle, Frankreich könne jede Wahrheit vertragen, müsse sie aber endlich fordern. Dieser Aufforderung zur Deutlichkeit kam Herr P 0 incarö in seiner Antwort auf die Interpellationen allerdings nur bis zu einem gewissen Grade nach. Er er kannte an, daß Frankreich an einem Wendepunkt des Weges stehe, den es bis jetzt gegangen sei, und gab zu, daß dafür gesorgt werden müsse, daß dieser Weg in keine Sack gasse führe. Im übrigen aber verwies er auf die im Gange befindlichen Arbeiten des G a r a n t i e k 0 m i t e e s, deren Abschluß für den Juli bevorstehe. Schon jetzt aber bezeichnete er es als seine Ausgabe, eine strenge Fi nanz L 0 n t r 0 l l e über Deutschland zu schaffen. Frank reich wünsche sich nicht von seinen Verbündeten zu trennen, «der es gebe keines seiner Rechte auf, die ihm nach dem ^"rirage von Versailles zustcheu. Eine Abschwächung die ses Vertrages auch nur im Sinne der Interpellanten müsse er ableüncn. Frankreichs Recht müsse Recht beerben. Diese Meine Zeitung für eilige Leser. * Bei den Nachforschungen nach den Mördern Rathenaus wurde eine Reihe wichtiger Verhaftungen vorgenommen. * Eine neue Ausnahmeverordnung wird durch die Reichs- herönenillÄI. Die Verordnung ^rohr — U Verschwörung das Leben der Mitglieder der repu blikanischen Regierung an. * Die innere Krisis erscheint beseitigt. Mittel- und Links parteien haben sich über die Gctreidcumlage geeinigt, deren Annahme im Reichstage gesichert erscheint. * a>ie Mehrheit der in Berlin versammelten Ministerpräsi denten der Länder hat eine Übereinstimmung über die Form des zu erlassenden Gesetzes zum Schutze der Republik «zielt. * Der Dollar stellte sich an der Berliner Freitagbörse auf 371,50 Mark. allgemeinen Redewendungen des Ministerpräsidenten, vis aus bestimmten Gründen über das, was er schon oft vor der Kammer gesagt hat, ja nicht wesentlich hinausgehen, werden dafür in den Presseerörterungen über diese Se natssitzung um so offenherziger ergänzt. Das „Echo oc Paris" versteht Poincarös Rede als Ankündigung gewisser S a n kt i 0 n e n, die mit oder ohne Beistand der Alliierten durchgeführt werden würden. „Es wird ein schöner Lärm von allen Seiten losgehen, aber wir dür fen uns nicht einfchüchtern lassen," schreibt das Blatt dazu. Arich gegen England hin fällt mancher Hieb. Ein anderes Blatt findet, daß die Interpellanten den Minlsterprästden- ten in eine furchtbarere Richtung feiner Politik hätten len ken wollen, ohne daß er zu sehr in Widersprüche geraten wäre, aber der Ministerpräsident habe diese Absicht gar nicht einmal begriffen. Wahrscheinlich hat Herr P»n- carö nicht begreifen wollen. Im Rheinlands lehrt ja auch der Augenschein jeden, der sehen will, daß Frankreich auf alles andere — nur nicht auf Verhandlungen ausgeht. TsössArafe für Verschwörer. Die neue Ausnahmeverordnung. In Ergänzung der beiden nach der Ermordung Nathe naus verkündeten Verordnung^ zum Schutze der Ruhs und Ordnung haben der Reichspräsident und die Reichs regierung auf Grund des Artikels 48 der Verfassung zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit für das Reichsgebiet neuerdings eine Verordnung erlassen, deren wesentlichste Bestimmungen folgende sind: Personen, die au einer Bereinigung teilnehmen, von der sie wissen, daß es zu ihren Zielen gehört, Mitglieder einer im Amts befindlichen oder einer früheren republika nischen Regierung des Reiches oder eines Landes durch den Tod zu beseitigen, werden mit dem Tode oder mit lebenslangem Zuchthaus bestraft. Ebenso werden bestraft Personen, die eine solche Vereingung wissentlich mit Geld unterstützen. Dritte Personen, die um das Dasein einer solchen Ver einigung wissen, werden mit Zuchthaus bestraft, wenn sie es unterlassen, von dem Bestehen der Bereinigung, den ihnen bekannten Mitgliedern oder deren Verbleib den Be hörden oder der durch das Verbrechen bedrohten Personen unverzüglich Kenntnis zu geben. Zuständig ist der neue Staatsgerichtshof. Ferner wird unter Strafe gestellt, wer die toten Opfer solcher Gewalttaten verleumdet oder öffentlich be schimpft, oder wer eine Verschwörung mit Geld unterstützt. Wird durch den Inhalt einer periodischen Druckschrift dis Strafbarkeit einer zur Zuständigkeit des Staatsgerichts. Hofes gehörenden Handlung begründet, so kann die Druck schrift, wenn es sich um eiue Tageszeitung handelt, bis auf die Dauer von vier Wochen, in anderen Fällen Lis auf die Dauer von sechs Monaten verboten werden. Dis imlers Krisis ösMlsgi. (Von unserm p a r l a ms n t a r ifch e n Mitarbeiters Berlin, 30. Juni. In außergewöhnlicher Spannung und Besorgnis ver folgte mau in den letzten Tagen im Reichstage dis Ver handlungen -der Parteiführer über die Getreide Um lage. Neben dem Gesetz zum Schutz der Re publik war es vor allem das Umlageproblem, welches die festgefügte Form des Parteigedäudes iw Parlament zu zersprengen drohte, so daß man kaum noch glaubte, um die Neichstagsauflösuug und Neuwahlen herumzu kommen. Die durch den Mord an Rathenau hervorge rufene Erregung verschärfte dis Parteigegensätze bis zur Unerträglichkeit, aber nun ist in letzter Stunde doch noch ein Mittelweg beschritten worden, der über die Krists hiu- weghalf. Nachdem die Koalitionsparteien und die Unabhängi gen sich bereits dahin geeinigt hatten, daß die Höhe der Gctreideumlage 2)4 Millionen Tonnen betragen soll, und daß (statt der ursprünglich in Aussicht genommenen 10 Hektar der gesamten Anbaufläche) nunmehr 1)4 Hektar der Getreideanbaufläche von der Umlage freibleiben sollen, machte nur noch die Preisfrage die größten Schwierigkei ten. Nach unendlichem Lin und Her ist die, von den Rechts parteien allerdings nicht anerkannte Einigung zwischen der Mitte und der Linken zustandegekommen, daß der Roggen preis der Umlage auf 6900 Mark festgesetzt wurde. Der Weizenpreis soll voraussichtlich 7400 Mark betragen. Diese Regelung gilt aber nur für die ersten 4 Monate des Um lagejahres. Für die späteren Monate soll der Preis von einer besonderen Kommission erneut den bis dahin singe- trstenen allgemeinen Preisveränderungen angepaßt wer den. Beim Beginn der Plenarsitzung des Reichstages, auf deren Tagesordnung u. a. die zweite Lesung der Umlage stand, rechnete -man mit der Annahme dieses Kompromisses mit den Stimmen der Koalition und der Unabhängigen möglicherweise sogar eines Teils der Vol-ksparteiler. Nachdem dieser Haupistein des Anstoßes aus der Welt -geschafft schien, hielt man im Reichstage die Atmosphäre im allgemeinen für geklärt, denn vom „Gesetz zum Schutz der Republik", welches die Ausnahmeverordnungen ersetzen soll, erwartet man im Augenblick keine neue Krists. Die Ministerpräsidenten der Länder haben sich in zwei Sitzun gen am Donnerstag und Freitag über die Hauptpunkte des Entwurfs geeinigt, der nunmehr den zuständigen Negie- rungsa-bieilungen und dem Reichsrat zur weiteren Be handlung zugeht. Techows GeMnvnis Weitere Verhaftungen und NachforschungeA Berlin, 30. Juni. Der Verhaftete Ernst Werner Techow, der als Chauffeur das Auto beim Attentat gegen Rathenau ge-, führt hat, war gestern zunächst nicht zu bewegen, irgend welche Aussagen über seine Mitschuldigen zu! machen, trotz dem die Vernehmung bis in die Nacht dauerte. Techow gestand ein, daß er das Auto in die Garage zurückgebracht habe. Er bekannte sich auch zu der Fahrt, die dem Minister den Tod gebracht hat, behauptete aber zunächst, daß er deren Zweck nicht gekannt habe. Nach und nach aber ließ er diese Ausrede fallen und gestand, daß er um den ganzen Plan gewußt und bei der Ausführung als Wagenführer mitgewirkt habe. Das umfassende Geständ nis, das er endlich ablegte, bestätigte in vollem Umfange das Ergebnis der Ermittelungen der Polizei. Wohin seine Seiden Tatgenossen sich nach dem Verbrechen gewandt haben und wo sie sich aufhalten, will er nicht wissen. Die Hartnäckigkeit Techows war schwer zu brechen. Als er jedoch seiner Mutier gegenübergestellt wurde und diese ihn eindringlich zur Wahrheit ermahnte, bequemte er sich, Wenigstens das zuzugeben, was ihm als bewiesen vorge halten wurde. Als ihm die Wirtin des Pensionats gcgen- übergestellt wurde, bei der er mit Knauer und Fischer in den letzten Tagen sich aufgehalteu hat, mußte er zugeben, daß er mit den beiden anderen Tätern bekannt war. Techow gab daun auch Auskunft darüber, wie sich die Tat abgespielt hat. Er hat den Wagen aus -der Garage geholt. Dann sind auch die beiden Mittäter eingestiegen. Alle drei sind vor der Abfahrt in eine Likörftube gegangen und haben dort mit den Besitzern der Garage, den Kauf leuten Richard Schütt und Franz Diestel, noch einige Schnäpse getrunken. Es wird nun angenommen, daß bei dieser Gelegenheit von den fünf Männern, die in einer -Ecke zusammensaßen und sehr leise miteinander sprachen, der Plan erörtert worden ist. Deshalb sind die beiden Kauf leute unter dem Verdacht der Mitwisserschaft und der Be günstigung in Hast genommen worden. Nach der Tat hat der Wagen, nachdem er sich eine Sirecke entfernt hatte, auf einer anderen Straße eine kleine Panne gehabt. Die In sassen mußten den Wagen hakten lassen, um die Pauns zu beseitigen. In dieser Zeit haben Knauer und Fischer ihre Mäntel und Mützen abgeworfen, die im Wagen liegen ge blieben find und dann später versch vandm. Angeblich sollen sie durch dis Garagenbesitzer beiseite geschafft wor den sein, nachdem der Wagen durch Techow zurückgebracht war. Am Sonnabend abend traf Techow noch einmal seine Leihen Komplizen Fischer und Knauer in einem Lokal in 8er Nähe des Zoologischen Gartens. Dort zechten die beiden, als er ankam, und er hat aran teilgenommen. Am späten Abend sind dis drei auSeinandergLgangen und Techow fuhr nach Halle und von dort nach Lem Gute seines Onkels, dem er alsbald verdächtig war, und Ler ihn ksftbielt und verwarten liess.