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Fernsprecher Wilsdruff N.. 6 Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend PoMchecNont» Dresden 2640 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. »erleger,»d Drucker: «rthur Sschuuke tu Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter- Hermann Lsssig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr. 146 Sonntag den 25. Juni 1922. 81. Jahrgang Kleine Zeitung Mr eilige Leser. * Der VolkswirtschaftsauZschuß des Reichstages bat bei Stimmenthaltung des Zentrums und der Demokraten die Getreideumlage abgelehnt. * Präsident Calonder legte bei seiner Einführung in Katio- witz ein feierliches Gelöbnis ab, für einen gerechten Schutz der oberschlesischen Minderheiten Sorge zu tragen. * Wegen der Rede des Reichstaqspräsidenten Loebe über den Anschluß Österreichs beschloß die Botschafterkonferenz eine Protestnote an die deutsche Regierung zu richten. * Die französische Kammer hat mit 340 gegen 253 Stimmen die militärische Dienstzeit auf 18 Monate festgelegt. * Im Moskauer Prozeß gegen Sozialrevolutionäre erklärte der Geheimsekrstär der französischen Botschaft Pascal als Zeuge, wie Frankreich versucht habe, Rußland zu zerstückeln. * Amerika fordert von den Alliierten beschleunigte Stellung nahme zu seiner Schuldforderung. Mvanchemärchen. Keine Dummheit und keine Unwahrheit ist gewissen Franzosen schlecht und töricht genug, wenn sie von ihr im Interesse des Revanchegespenstes, dessen sie auch heute noch nicht entrateu können, Gebrauch machen wollen. Insbeson dere ist es einer der früheren Kriegsminister, der jetzige Deputierte Lefevre, der sich von Zeit zu Zeit immer wieder durch ebenso unsinnige wie hetzerische Kammerredeu öffentlich hervortut. Man erinnert sich noch seiner früheren Leistungen aus Diesem Gebiet, deren wahre Bedeutung hinterdrein, als es gelang, den Aktenfälscher Anspach in Berlin zu er mitteln und einigermaßen hinter seine Schliche zu kommen, freilich nach Gebühr erkannt wurde. Herr Lefevre mochte erklären so viel er wollte, daß er mit diesem unserem ange nehmen Mitbürger nichts zu tun gehabt habe, die Über einstimmung seiner Redereien mit den bei Anspach vorge fundenen Papieren sprach so deutlich, daß seine Dementis ohne jeden Eindruck blieben. Trotzdem sand Herr Lefevre den Mut, auch jetzt wieder in der Kammer, bei der ent scheidenden Beratung über die Dauer der militärischen Dienstzeit, abermals seine Stimme zu erheben. Wieder stellte er die Behauptung aus, daß Deutschland die Bedin gungen des Versailler Vertrages noch lange nicht erfüllt habe. Insbesondere sei noch längst nicht die ganze deutsche Artillerie zerstört worden, denn die notwendige Kontrolle hätte die Kräfte der „nur" aus vierhundert Personen be stehenden Kommission des Generals Rollet überstiegen. Von der nur ihm bekannten deutschen Geheimarmee wußte er der Kammer neue Schauermärchen zu erzählen, wie er auch dabei verblieb, daß die Reichswehr jährlich ihre run den 250 000 Mann ausbilde. Deutschland sei noch lange nicht so geschwächt, wie es vorzutäuschen suche. Es wäre das größte Verbrechen, wenn Frankreich seine Streitkräfte herabsetzen wollte, so lange Deutschland seine Verpflichtun gen nicht vollstndig erfüllt habe. Auch davon flunkerte er seinen Hörern etwas vor, daß die deutsche Militärorgani sation in den letzten beiden Jahren eine bedeutsame Ent wicklung genommen hätte, und daß seine privaten Militär organisationen weiter ausgebaut worden wären. Ja, da mit nicht genug, behauptete er sogar, daß Deutschland be reits sein Kriegsmaterial wiederhergestellt habe. Somit sei es klar, daß es sich auf einen neuen Krieg vorbereite, und man täte unrecht daran, derartige Warnungen, die er auf authentische und ernst zu nehmende Dokumente stützen könne, in den Wind zu schlagen. Der ungemein phantasie reiche Redner wurde zwar von der Linken mit Zwischen rufen unterbrochen, dass solche Reden, wie er sie gewohn heitsmäßig halte, zum Kriege führen müßten. Aber Herr Lefevre ließ sich nicht beirren. Natürlich versicherte auch er, daß niemand in Frankreich den Krieg wolle. Aber das gleiche haben bekanntlich immer, und gerade in Frankreich, die unbändigsten Kriegshetzer versichert, und selbst Herrn Poincar 6 ist es niemals eingefallen, zu sagen, daß er den Krieg wolle. Nur seine Politik wär in Tat und Wirk lichkeit auf den Kriegsausbruch eingestellt, schon einfach um deswillen, weil sie Ziele verfolgte, die kein noch so friedliebender Staat, der seine Selbstachtung nicht prcrs- geben mochte, ohne den äußersten Widerstand zulassen konnte. Lefevre vertrat die Meinung, daß diejenige Politik zum Kriege führe, die Frankreich schwächen und die Welt glauben machen möchte, daß Frankreich zum Krieg rüste. Na türlich wiederholte er auch bei dieser Gelegenheit, daß die deutschen Polizeiorganisationen rein militärische Manöver vollführten. Ja mehr noch, ganz Deutschland bewaffne sich jetzt zu einem Revanchekrieg, und worauf es hinaus wolle, sei ein Militärbündnis mit Rußland, wo deutsche Offiziere schon jetzt tätig seien. In diesem Tone ging es noch eine Weile fort, und Herr Lefevre hatte wenigstens die eine Genugtuung, daß seine Ausführungen von der Kammer lebhaft applaudiert wurden. Ein anderer unmittelbarer Erfolg war ihm frei lich nicht vergönnt. Denn der Antrag auf Festlegung einer zweijährigen Dienstzeit wurde gegen wenige 9 Stimmen abgelehnt, dagegen die 18monatige Dienstzeit, wie sie von der Regierung der Republik vertreten wurde, mit 340 gegen 253 Stimmen angenommen. Es genützte, daß der Berichterstatter des Heeresausschusses auf die Besetzung des linken Rheinufers durch Frankreich hinwies, die einen Haupttrumpf in dessen Händen bedeute, um die ungemein patriotischen Herzen der Kammer bis auf weiteres zu be ruhigen. Herr Lefevre wird auch ein anderes Abstim mungsergebnis kaum erwartet haben. Ihm genügt der Eindruck, den seine Schauermärchen auf die naiven Ge müter draußen im Lande Hervorrufen sollen und werden. Nationaler Aberglaube hat sich in Frankreich immer noch als eines der wirksamsten Beschwörungsmittel gegen das Aufkommen pazifistischer Neigungen erwiesen. Mit ihm werden wir auch fernerhin sehr ernsthaft zu rechnen haben — ungleich länger, als die Friedensfreunde es sich einzu- gesteben wagen. MWWer des MKren Zr. MhLM emsrdtt. Berlin. Nach einer arntl. Mitteilung wurde heute vormittag der Reichsminister des Aeutzern Dr. Rathenau, kurz, nach dem er seine Villa in Grunewald ver lassen hatte, um sich ins Auswärtige Amt zu gegeben, erschossen. Er war sofort tot. Der Täter fuhr im Auto nebenher und sauste nach vsllendeter Tat weiter. Unerhörter Übergriff Ser Entente? Eine Note gegen den Reichstagspräsidenten. Wenn man einer Ankündigung des französisch-amt lichen Bureaus „Havas" glauben darf, plant die Botschaf terkonferenz einen Schritt, der alle bisherigen unberechtig ten Eingriffe in die inneren Verhältnisse Deutschlands Übertreffen würde. „Agence Havas" meldet aus Paris: Die Botschasterkonferenz stellte den Wortlaut einer Note fest, welche an die deutsche Regierung „als Protest gegen die Reden des Reichstagspräsidenten Loebe für eine Verbindung Österreichs mit Deutschland" gesandt wer den soll. Reichstagspräsident Loebe vertritt seit langem die An- schlußbeweanng und ist Vorsitzender des österreichisch deutschen Volksbundes. Als solcher ist er mehrfach als Förderer der Anschlußbewegung in Tat und Wort hervor- getreten und hat auch im Reichstage seine Auffassung energisch vertreten. Dazu besitzt er volles Recht, und kein Friedensvertrag, kein Widerstreben gegen den Anschluß Österreichs an Deutschland kann ihm das verbieten. Was mit einer solchen Note versucht würde, wäre einfach eine Zensur über die freie Meinungsäußerung deutscher Staats bürger, für die nicht die Spur einer rechtlichen Begrün dung zu entdecken ist. über den Anschluß Österreichs erklärte Reichstagspräsident Loebe selbst, als ihm die „Havas"-Nachricht vorgelegt wurde: „In allen meinen Reden habe ich hervorgehoben, daß ich den legalen Weg der Anrufung des Völkerbundes in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der Verträge von Versailles und St. Germain über den Anschlußgedanken empfehle. Ich denke nicht daran, zurückzuweichen, weil ich eine Sonder existenz Österreichs in feinem jetzigen territorialen Umfang für unmöglich halte, und weil jede Änderung dieser heuti gen unmöglichen Lage bei dem absolut deutschen Charakter der Bevölkerung Österreichs nur ür einem Anschluß an Deutschland bestehen kann. Ich halte übrigens diese ganze Meldung für sehr unwahrscheinlich, weil ich der Botschafterkonferenz für meine Reden nicht verant wortlich bin und ihr eine Zensur über Reden des Prä sidenten des Deutschen Reichstages nicht zu steht."' Politische KonLilch-o. Austritt des A. D. G. B. aus der Arbeitsgemeinschaft. Der Leipziger Gewerkschaftskongreß beschloß mit 346 gegen 325 Stimmen, aus der Zentralarbeitsgemeinschrft anszutreten. Der Bundesvorstand hatte sich sür eine Reso lution Wissels ausgesprochen, die für die Arbeitsgemein schaft eintrat. Der Kongreß lehnte ferner in namentlicher Abstimmung mit Zweidrittelmehrheit einen Antrag ab, wonach mit allen gewerkschaftlichen Mitteln verhindert werden müsse, daß die Zwangsschlichtungsordnung gesetz liche Kraft erhalte. ' Die Getreidcumlage im Ausschuß abgelehnt. Im Volkswirtschaftsausschuß des Reichstages wurde ern Antrag der sozialdemokratischen Parteien auf Er höhung der Getreideumlage auf 4>L Millionen Tonnen abgelehnt, ebenso der Antrag der Rechten auf Millionen Tonnen, schließlich auch die Regierungs vorlage. Sämtliche Ablehnungen erfolgten mit Stim mengleichheit von 11 zu 11 Stimmen unter Stimmen enthaltungen von Mitgliedern des Zentrums und der Demokraten. Hierauf wurde die Sitzung abgebrochen, um für Verhandlungen unter den Rechtsparteien Zeit zn gewinnen. Die vorläufige Ablehnung im Ausschuß be deutet selbstverständlich noch keine Entscheidung über die Umlage. Bulgarien. X Nur noch ein Scheinkönigtum? Aus Sofia liegen Meldungen vor, die im Augenblick auf ihre Glaubwürdig keit hin nicht geprüft werden können. Die bäuerlich kom munistische Diktatur unter Führung Stambulinskis erhebt sich immer drohender. Stambulinski hat die Bauern und Kommunisten bewaffnen lassen, die jetzt wahre Treibjag den auf die Reste der noch in Bulgarien verbliebenen Wrangel-Armee veranstalten. Das Königtum existiert in Bulgarien nur mehr dem Scheine nach. Auf dem flachen Lande haben sich absolut bolschewistische Verhältnisse her- ausgebildet, und Stambulinski kann hier mit den Kommu nisten, die ganz auf Moskauer Order hin arbeiten, nur noch im Wege von Kompromissen zusammengehen. Aus Zn> und Ausland. Berlin. Die Verhandlungen, die vor einigen Monaten zwischen der Reichsregierung und der preußische» Regierung wegen der Eingliederung des Staatskommissariats für öffentliche Ordnung in den Apparat des Reichs kommissariats sür öffentliche Ordnung schwebten, können nun mehr, nachdem sie seit einigen Monaten geruht haben, als völlig gescheitert gelten. Berlin. Der aus Moskau nach Berlin zurückgekehrte sowjetrussische Vertreter Krestinski erklärte, die Genesung Le nins verlause schnell und normal. Lenin sei wieder in den Moskauer Kreml übergesiedelt und bereits imstande, tägliche Spaziergänge zu machen. » Berlin. Der Bundesvorstand des Deutschen Beamtenbundes hat sestgestellt, daß die R e i ch s g e w s r k sch a st deutscher Eifenbahnbeamten und -anwärter durch ihre Beteiligung an der Gründung des „Allgemeinen deutschen Beamtsubundes" sich außerhalb des Deutschen Beamtenbundes gestellt habe. Leipzig. Das Reichsgericht hat infolge des Todes Kapps nach Antrag des Oberreichsanwalts beschlossen, daß die am 25. März 1921 erfolgte Beichlagnahme des Vermögens Kapps ausgehoben wird. Paris. Der französische Senat hat einen Gesetzentwurf, betreffend die Gründung von Beerdig ungs statten sür die während des Krieges in Frankreich gestorbenen deut schen Soldaten angenommen. Moskau. Die Sowjetregierung hat von der englischen Regierung die Einwilligung erhalten, daß die in England befindlichen russischen Schiffe an Rußland zu rück gegeben werden. Darunter befinden sich 9 erstklassige Dampfer. Kalkutta. Aus Anlaß eines Streiks der Hafenarbeiter, der seit mehreren Wochen andauert nnd an dem 40 000 Ar beiter beteiligt sind, kam es zu schweren Zusammenstößen mit der Polizei. Nach einem erbitterten Straßenkampf gelang es, die Ruhe wieder herzustellen. Deutscher Reichstag. (233. Sitzung.) OL. Berlin, 23. Junk. f Zuerst wurde heute eine Reihe kleiner Anfragen erledigt. Abg. Unter! eitner (U.-Soz.) führte darüber Be schwerde, daß Reichswehrkompagnien an bayerischen Regi- mentsseiern tcilgenommen haben, die in Wir-k'iqkeit mon archistische Kundgebungen gewesen seien. Als Regierungsver- treter antwortete Major v. Schleicher, die Reichswehr habe sich mit Genehmigung des Ministers an einer Gedcntseicr für die Gefallenen des Regiments beteiligt. Mitglieder der baye rischen Königssamilie hätten daran nur leilgenommcn, weil auch sie in Beziehung zu dem Regiment standen. Zu mon archistischen Kundgebungen sei es nicht gekommen. Die Er- gänzuiigsfrage des Abg. UntcvleiMer, ob der ehemalige bane- rische Kronpring Rupprecht mit Genehmigung des Reichswehr- Ministers die Parade der Reichswehr abgenommeu habe, wurde vom Regicrungsvertreter nicht beantwortet. Ferner fragte der Abg. Lambach (Deutschnat.), was die Entsendung der deutschen Delegation nach Genua gekostet habe? Ein Regierungsvertreter gab die Höhe dieser Kosten, die Reise kosten nicht eingerechnet, auf 1 Million 15 000 Lire, also rund 16 Millionen Mark an. Hierauf wurde der Gesetzentwurf zur Änderung der Be stimmungen in den Diszipliuarhösen im Reichsbeamteugcsetz ohne Aussprache in allen drei Lesungen angenommen, ebenso das Schutzgesetz für die durch die Abtretung preußischen Ge bietes an Polen betroffenen Schuldner. Nachdem noch der Entwurf der Reichshaushaltsordnung dem Haushaltsaus schuß überwiesen worden war, wurde die Aussprache über die autzenPolitischsnJnterpellationen fortgesetzt. Staatssekretär Müller wandte sich gegen die Darstellun gen der Abgeordneten Reichert und Dauch, als ob die SacklieferunasabkouMnen dem Deuticken Reiche eine Mehrbe-