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Wilsdruffer Tageblatt : 21.06.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-06-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192206210
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220621
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220621
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-06
- Tag 1922-06-21
-
Monat
1922-06
-
Jahr
1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 21.06.1922
- Autor
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uns sagte im AnMutz Daran: Deutschland will den An schluß, aber ohne Katastrophenpolitik und nach gutem preußischen Muster. Wenn draußen der Augenblick gekommen ist, dann soll es selbst Gut und Blut kosten. Es gilt, diesen psychologischen Augenblick richtig zu erfassen. Unsere Anschlußtätigkeit braucht Arbeit, aber nicht Phrasen. Holland. X Die Ruffen im Haag. Auf der Haager Konferenz, die eine Fortsetzung der Genueser Konferenz bildet, soweit in Genna die russische Frage nicht erledigt werden konnte, sind die Russen durch eine Delegation vertreten, die aus Lit winow als Führer, Rakowski, KrassinsKrestinski und Sokol- nikow besteht. Die Veröffentlichung der Namen der russi schen Delegationsmitglieder hat im allgemeinen einen guten Eindruck gemacht. Im allgemeinen glaubt man an einen gemäßigten Charakter der russischen Delegation, und man beurteilt deshalb die Aussichten für die Unterhand lungen mit den Nüssen recht gut. Großbritannien. X Neue Unruhen in Irland. Mit Gewehren bewaffnete Männer holten in einem Dorfe in der Grafschaft Armagh (Ulster) vier Männer und eine Frau, sämtlich Protestan ten, aus ihren Belten und erschossen sie. Mehrere andere Personen wurden verwundet. Die Häuser der Opfer wurden mit Bomben beworfen und Niederge bra n n t, ihre Familien wurden sortgcführt. Es handelt sich wahrscheinlich um Racheakte. Polizei durchstreift das Land und sucht nach den Tätern. In Londonderry ist ein britischer Torpedojäger cingetroffen. Bewaffnete Irreguläre hielten den Zug nach Donegal an und raub ten Nahrungsmittel und andere Sendungen aus London derry. Aus In» und Ausland. Berlin. Die Geltungsdauer der Bestimmungen zugunsten Schwerbeschädigter hinsichtlich der Kündigung wurde vom Re'chsrat bis zum Januar 1923 verlängert. Auch die Geltungsdauer des Wohnungsmangelgesetzes wurde ver längert. - Koblenz. In der Zeit vom 15. Mai bis zum 15. Juni wurden siebzig Personen deutscher Staatsangehörigkeit aus den besetzten Rheiulattden ausgewiesen, weil ihr Verhalten als gefährlich für die Sicherheit des Besatzungs- Heeres erachtet wurde. Paris. Der Kongreß der französischen Eisenbahncrver- rinigungen, der in Paris tagt, hat sich mit 33 634 Stimmen gegen 20 015 Stimmen für den Anschluß an die Moskauer International« ausgesprochen. Madrid. Der Ministerrat beschloß den endgültigen Ab- bruch der militärischen Operationen in Marokko und die Einrichtung einer zivilen Schutzherrschaft. Moskau. Gegen den Präsidenten der Dritten Inter nationale, Sinowjew, wird die Anklage erhoben, von den russischen Propagandagekdern Unterschlagungen begangen zu haben. Es soll ein Fehlbetrag von 30 Millionen Goldrubel entdeckt worden sein. Peking. Die Regierung in Danton hat aufgehört zu bestehen. Kanton wird sich um der Regierung von Nord china vereinigen. Sunvatsens Streitkräfte sind Vernichter. Sunyatsen selbst ist flüchtig. Deutscher Reichstag. (229. Sitzung.) eL Berlin, 19. Juni. Die heutige Sitzung begann damit, daß ein Antrag aller Parteien auf Sicherstellung derjenigen Sachen, die aus Anlaß der Abstimmung aus öffentlichen Mitteln für Oberschlesien be schafft Worden sind, in allen drei Lesungen ohne Aussprache angenommen wurde. Hierauf folgte die Beratung der Getreideumlage oder, wie es amtlich hieß, die erste Beratung des Gesetzent wurfes über die »Regelung des Verkehrs mit Getreide aus der Ernte 1922". Abg. Krätzig (Soz.) betonte: Die landwirtschaftlichen Or ganisationen wollen keine Getreideumlage. Sie wollen die Aufrechterhaltung des vom Landbund geleiteten Privatgctrcide- monopols im Profitinleresse der Agrarier. Für den Reichstag kann es keinen Zweifel geben, daß er sich auf die Seite des darbenden Volkes und nicht aus die Seite der profitgierigsn Agrarier zu stellen hat. Würde es nach dem Landbnno gehen, dann würde das Brot zum Weltmarktpreise von 59 Mark ver- ""d Arbeiter mit großer Familie würden buch stäblich hungern müssen. Der Landbund kann uns keine Ge wahr für die ausreichende Brotversorgung geben. Wir sind bereit, über die von der Vorlage sreigelaffenen fünf Hektar hinaus alle Güter m-it weniger als 10 Hektar von der Umlage freizulaffen. Ohne Umlage kann die Brotversorgung nicht sichergestellt werden. Der wirkliche Lohn der Arbeiter ist heute geringer als in der Vorkriegszeit. Der an sich sympathische Ge danke, das Markenbrot nur Minderbemittelten zu geben, ist tat sächlich undurchführbar. Das Volk wird sich eine weitere Brot- vcrteuerung nicht gefallen lassen. Kommt zu der drohenden Arbeitslosigkeit noch die Hungersnot, dann haben wir den Zu sammenbruch, denn vor dem Verhungern kommt der Bürger krieg. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Abg. Dr. Rösicke (Deutschn.) bedauerte die Voreingenom menheit der Sozialdemokraten gegen die Landwirtschaft. Es sei keine Rede davon, daß die Landwirte die Weltmarktpreise fordern. Sollten die Weltmarktpreise tatsächlich eiutreten, dann würde gerade die Landwirtschaft in die schwierigsten Verhält nisse geraten. Durch das Hineinströmen des Auslandsgetreides würde die Landwirtschaft gedrückt werden. Die ganze Frage muß vom Standpunkte des allgemeinen wirtschaftlichen Wohls betrachtet und gewürdigt werden. Im weiteren Verlauf seiner Aussührungn betont Abg. Roesicke, es handelt sich hier nicht um eine Preisfrage, sondern um eine Ernährungsfroge. Die Erfassung bringt uns kein Ge treide, sondern nur Produktionssteigerung. Weite Kreise des deutschen Volkes sind tatsächlich nicht in der Lage, das Brot zu bezahlen, schon zu den heutigen Preisen nicht. Diesen Kreisen muß geholfen werden. Ihnen wird jedoch nicht dadurch ge holfen, daß man die Landwirtschaft bluten läßt. Mit der Getreideumlage wird das Brot nicht verbilligt. Die Regierung muß andere Mittel aufwenden, um der minder bemittelten Bevölkerung das Brot zu sichern. Die Umlage ver hindert die Broterzeugung. Mit keinem Mittcl kann verhindert werden, daß der Landwirt unter der Zwangswirtschaft weniger erzeugt als unter freier Wirtschaft. (Von links wurde hier dem Redner zugerufen: „Also Sabotage!") — „Nein," erwiderte der Redner," aber der Landwirt kann unter dem Zwange der Um lage gar nicht daran denken, die Mittel zur Produttionsstelge- rung aufzuwenden, die er bisher aufgewendet hat. Die Regie rung gibt jetzt selber zu, daß die bisherige Art der Verteilung ungerecht war. Die Umlage ist nur eine verschleierte Steuer, die die Regierung der Landwirtschaft auferlegt, weil sie nicht den Mut hat, der Entente zu sagen, daß die deutsche Bevölke rung verhungert, wenn die Regierung nicht aus Reichsmitteln das Brot verbilligen darf. Abg. Eri spien (U.-Soz.) rief hier aus: „Sie wollen aus Reichsmitteln Extraprofite machen!", und ebenso rief der Abg. Geuer (U.-Soz.) dom Redner verschiedenes zu. Darauf entgegnete der Redner, zu dem Abg. Geyer gewandt, „durch Plünderung öffentlicher Kassen hat sich die Landwirtschaft freilich noch keine Profite verschafft!" (Große Heiterkeit rechts.) Die Vorlage, schloß der Redner, ist prak tisch gar nicht durchführbar, und die Umlage wird niemals die errechneten Getreidemengen auchringen können. Die Brot- verteueruug ist nicht Schuld der Landwirtschaft, sondern eine Folge der Markentwertung, die durch den Versailler Frieden verschuldet ist. Die landwirtschaftliche Produktion will sich verpflichten, mit dem Handel zusammen eine Getreidereserve von zwei Millionen Tonnen der Regierung für die minder bemittelte Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Es ist be dauerlich, daß die Regierung diesen Vorschlag abgelehnt hat, der die Ärotversorgung weit Lesser gesichert hatte als die Um lage. Wir lehnen die Vorlage ab und überlasten die Ver antwortung für die Folgen denjenigen, die in so unerhörter Weise die deutsche Wirftchast gefährdet haben. Abg. Horn (U.-Soz.). Die von den Agrariern geforderte Wirtschastssreiheit ist in Wirklichkeit nur die Freiheit zur Aus plünderung des deutschen Volkes. Wir verlangen von der Re gierung Schutz gegen den Brotwucher, der seit der Aushebung der Zwangswirtschaft immer frecher austritt. Der Redner ver breitet sich, über die Verteuerung der Nahrungsmittel durch Wucher und über die Abwehrmaßregeln, die dagegen getroffen werden müssen. Allgemeiner Gewerkschaftskongreß. Leipzig, 19. Juni. Nach einer Begrüßungsansprache des Vorsitzenden Lei- pari hielt der Reichsarbeitsminister Brauns eine Rede über die Stellung und die Aufgaben der Gewerkschaften. Die Gegenwart habe die Bewegung vor ganz neue Probleme gestellt. Diese sind so bedeutungsvoll und schwierig, daß trotz äußeren Wachstums der Gewerkschaften dennoch die Gegen wart als eine außerordentlich kritische Periode betrach tet werden muß. Sehr wichtig ist die gewerkschaftliche Schu lung der neugewonnenen Mitgliedermassen. Die Verbindung der Lohnpolitik mit der Wirtschaftspolitik im allgemeinen, ser- ner die Verbindung zwischen Wirtschaftspolitik und Staats interesse bringt es mit sich, daß der Einfluß der Gewerk- icyasten auf das Staatsleven größer ist als sruyer. Eine schwierige Frage ist ferner die Einführung eines gewissen Organisationszwanges, oder der Bevorrechtung der organisierten Arbeiter vor den Nichtorganisierten. Auf keinen Fall sollten dabei ungesetzliche Zwangsmittel angewen det werden, überaus bedenklich erscheint dem Minister aber die Einbuße an Autorität der Führung. Hier habe man es mit einer Überspannung des demokratischen Gedan kens zu tun, die der gewerkschaftlichen Entwicklung einmal gefährlich werden kann. . Nach Brauns nahm Reichswirtschastsminister Robert Schmidt das Wort. Er betonte, daß die gegenwärtige Wirt schaftslage durchaus keinen Anlaß biete, den Achtstunden tag abzuschasfcn. Die Erschütterungen, die der deutsche Aus bau zu ertragen habe, drehen sich im einzelnen um die soziale Stellung der Arbeiter und Angestellten, sür die zu sorgen und zu winen die Regierung berufen sei. Leider könne sie nicht alles erfüllen, was sie möchte. Die deutschen Gewerkschaften würden sich als sicherster Hort der Republik, als ihre Förderer und Stärker erweisen. Es folgten dann eine Reih« Begrüßungsansprachen aus ländischer Gewerkschaftsvertreter. Neueste Meldungen. Däumigs Befinden sehr ernst. LV Berlin. Das Befinden des im Reichstage von einem Schlaganfall getroffenen unabhängigen Abg. Däumig ist als sehr ernst zu bezeichnen.- Da Däumig an einer chronischen Herzschwäche leidet, so bedeutet der Schlaganfall eine gefähr liche Erschütterung für seinen Organismus. Die linksseitige Lähmung ist zwar zurückgegangen, jedoch ist das Befinden des Patienten noch immer besorgniserregend. Schadenersatz für ostdeutsche Flüchtlinge. Berlin. Laut Ostland, der Zeitschrift des Deutschen Ost- Sundes, hat die Reichsregierung die am 30. dieses Monats zu Ende gehende Frist für Schadeusersatzanträge auf Grund des Verdrängungsschädengesetzes bis zum 31. Dezember d. I. ver längert. Die vorgeschriebenen Vordrucke sind für die ostmärki- scheu Flüchtlinge durch die Ortsgruppen des deutschen Ost bundes erhältlich. Verhängnisvoller Blitzschlag. Weimar. In Niederorschel bei Mühlhausen traf der Blitz eine Linde aus dem Schützenplatz, unter die sich sechs elf jährige Knaben Schutz suchend geflüchtet hatten. Der Knabe Larins wurde sofort getötet. Zwei andere Knaben erlitten schwere Brandwunden. Die bisherigen Sachleistungen Deutschlands. OL Paris. Der „Temps" veröffentlicht soeben eine Übersicht über die bisherigen deutschen Sachleistungen in dem Zeit raum vom 11. November 1910 bis zum 30. April 1922. Ab gesehen von den Pflichtlieferungen aus dem Friedensvertrage (Kohle, Farbstoffe usw.) sowie den Vishlisferuugen hat Deutschland, verteilt auf die einzelnen Mächte, an Frankreich 8 991000 Goldmark, an Belgien 18430 000 Goldmark, an Italien 8688000 Goldmark, an Serbien 38437 000 Goldmark geleistet. Erfundene englische Meldung. London. Der „Daily Telegraph" bringt Mitteilungen über den angeblichen Entwurf eines Bündnisses zwischen Deutsch land, Rußland und Angora, wobei die Hauptrolle ein avgeb- liches militärisches Defensivablommen spielt. Diese Mitteilung ist völlig frei erfunden. Italienischer Kredit für Österreich. Rom. Der Kaimuerausschuß des Äußern hat die auf 7g Millionen Lire bezifferte Beteiligung Italiens an einer inter nationalen Anleihe für Österreich genehmigt. Serbische Kommunisten zum Tode verurteilt. Belgrad. Der Kassationsgerichtshof bestätigte das von den Gerichten erster Instanz im Attentatsprozeß gegen die Kommunisten gefällte Urteil, das dadurch rechtskräftig gewor den ist. Wie verlautet, wird der Justizminister für die zum Lode Verurteilten die Begnadigung nicht beantragen. Das Urteil wird im Laufe der kommenden Woche vollstreckt werden. O Genf—Moskau im Flugzeug. Vom 1. Juli an wird ein regelmäßiger Flugpostdienst zwischen Genf und Mos kau zweimal wöchentlich statisinden. Die schweizerischen Flugzeuge werden jeweils Mittwoch und Sonnabend früh Genf verlassen und in München landen, wo deutsche Flug zeuge die Post übernehmen. Von Berlin bis Königsberg i. Pr. wird der Verkehr durch die Eisenbahn vermittelt, bsie Fahrtdauer Genf—Moskau beträgt 36 Stunden. Gräsin Lahbergs Enkelin. (26 Roman von Fr. Lehne. (Nachdruck verboten.) Yvoime lehnte sich weit aus einem Fenster und ge noß mit Entzücken die Aussicht auf einen großen Gar ten, in dem ziemlich regellos Sonnenblumen, Georgi nen, Dahlien, Astern in üppiger, ungehinderter Fülle blühten. „Der schöne Garten!" rief sie. Er erinnerte sie sehr an den Burgauer Garten, in dem sie so gerne geweilt. „Sie können ihn nachher nach Herzenslust durch streifen und so viel Blumen pflücken, wie Sie nur mö- gen," sagte Lothar, der ihre Freude sah. „Jetzt kom men Sie her und stärken sich." „Bist du gar nicht neugierig, Lothar, was in dem Paketchen ist. Viel ist's nicht. Was sollen wir dir milbringen, du hast ja so wenig Wünsche. — So, hier der Kaviar ist von Mama, und die Decke hab' ich dir gestickt für das kleine Tischchen in deinem Arbeitszim mer." „Wirklich Konny? Hast du dir wirklich die Mühe gemacht? fragte er mit aufrichtiger Freude. „Ja, und gern! Wenn es dir nur gefällt!" Und offen blickte sie zu dem Bruder auf. Yvonne mutzte für Konstanze die Augen nieder schlagen. Wie konnte sie so dreist lügen! Schämte sie sich nicht vor ihr, der Gesellschafterin, nicht? Nach dem Frühstück, das eine Tasse guter Fleisch brühe und ein leichtes Ragout gebracht, wollte Lothar die Damen herumführen. „Du bist ja solange nicht hier gewesen, verehrte Mama, seit Pfingsten nicht, und hast den neuen Stall noch gar nicht fertig gesehen." Frau Agathe unterdrückte ein mokantes Lächeln. Was sollte sie im Kuhstall? „Lieber Lothar!" sagte sie und legte ihm die ge pflegte Hand, die mit Ringen förmlich überladen war, -auf die Schulter. „Lieber Lothar, daß dein Steinha gen eine Musterwirtschaft ist, ist bekannt, und niemand freut sich wohl mehr darüber als ich, daß du meines unvergeßlichen Mannes Wünschen so gerecht geworden bist, Doch bitte, erlasse mir heut' den neuen Knhstall. Ich bin gar nicht wohl und mutz dir gestehen, -ry mott meine Migräne nahen. Deshalb sei mir nicht böse, wenn ich mich auf ein Stüarchen zurückziehe; dann bin ich zu Mittag wieder frisch, und wir können einen recht veranüaten Nachmittag feiern. Liebe Konny, du bist mir wohl behilflich. Rein, nein, Mavemolfeue, vier- den Sie nur," wehrte sie Yvonne, die diensteifrig zu ihr trat. „Meine Tochter kennt doch diesen Zustand am besten bei mir. Sehen Sie sich einstweilen ein wenig in Steinhagen um; für Sie ist das ohne Zwei fel sehr neu und interessant." Sie winkte noch einmal an der Tür mit der wei ßen Hand. „Adieu, adieu!" und stützte sich auf Kon stanzes Arm. „Auf Wiedersehen nachher!" Lothars Gesicht hatte sich verfinstert. Er kannte seine Stiefmutter zu genau, um nicht zu wissen, daß sie eine ganz erbärmliche Komödie mit chm spielte! Gleichviel, er wollte sich den Tag dadurch uicht verder ben lassen. Und wenn sie heut' garnicht wieder ,um Vorschein kommen und die Zeit oben verschlafen würde, wie öfters schon, ihn sollte es wenig kümmern; dann brauchte auch er keine Komödie zu spielen vor der Frau, die ihm so wenig sympathisch war. Die Hauptsache war ihm, daß er Yvonne hier hatte, das kleine, süße Mädchen mit der lieblichen Stimme, die ihn an Schwal- bengezwitscher gemahnte. Heute wollte er sie kennen lernen, sie. die ihm in den kurzen Minuten einen so tiefen Eindruck gemacht, daß er gestern den ganzen Tag ihr holdes Bild nicht hatte aus der Erinnerung brin- gen können. Deshalb hatte er ja auch darauf bestan den, daß Mutter und Schwester den heutigen Tag bei ihm verbrachten. Wie eine seltene, fremdartige, wundersame Blume stand das Mädchen vor ihm, und er konnte sich kaum satt sehen an ihr. Sie wurde ein wenig rot, als sie seinen Blick so forschend auf sich gerichtet sah; ein scheues Lächeln huschte um ihren Mund und sie senkte die langen, sei denen Wimpern, die wie Schatten aus den Wangen la gen. „Mignon!" dachte er. So stellte er sich jenes holde, geheimnisvolle Geschöpf vor, das eine der rührendsten Gestalten aller Dichtungen war. „Kommen Sie, Fräulein Legens, ich will Ihnen mein Steinhagen zeigen, wenn Sie Interesse dafür haben." „Oh, so viel! Ich freue mich darauf!" sagte sie' lebhaft. An der kindlichen, wißbegierigen Freude, mit der sie alles betrachtete und ihn fragte, sah er, daß sie nicht log. Zuerst zeigte er ihr die Einrichtung des Hauses, das nicht besonders groß und elegant, doch sehr prak tisch und behaglich war. An der einen Seite nach dem Garten, lagen die logenanmen Gesettjeyajtsraume, neven vem Eßjaa> em großer Salon mit echten Empiremöbeln, die Konstanze längst gern in das Stadthaus mitgenommen hätte, wie er erzählte; aber weder durch Bitten und Schmeicheln, noch durch Trotzen habe sie seine Zustimmung dazu er reicht. Dann kam die Diele, die mit bequemen Korb- und Ledermöbeln ausgestattet war; die eine Ecke war zu einer Spielecke bestimmt. Viele Hirschgeweihe zierten die Wände. Ueber dem Kamin prangte als größte Jagdtrophäe der Kopf eines Bären, den Lothar einst in den Karpathen geschossen hatte. Von der Diele aus führte eine Tür nach einer Ve randa, von da in den Garten. Neben der Diele waren die Küche und die Wohn- räume des Hausherrn — sein Arbeitszimmer, ein klei nes Wohngemach und dahinter das Schlafzimmer — die alle mit dem Blick nach dem Hofe lagen, so daß ihm nichts entgehen konnte und er die Leute unter Auf sicht behielt. Der erste Stock enthielt die Zimmer von Mutter und Schwester, sowie die Fremdenzimmer. Wie behaglich und anheimelnd das alles war — ganz anders als Burgau, in dessen kalten Mauern sich Yvonne so einsam und verlassen gefühlt hatte. Und der Aufenthalt hier sagte den Damen so wenig zu, daß sie noch nicht einmal gern herkamen. Unbegreiflich! Lothar führte Yvonne jetzt in den Hof, ließ sie einen Blick in den Milchkeller tun und zeigte ihr auch die Ställe. Im Pferdestall standen zehn schöne Pferde; sein Reitpferd, zwei elegante Wagenpferde und die Arbeits pferde. Ta kam Konstanze über den Hof hinter ihnen her gelaufen. Sie hatte die Schleppe ihres kostbaren Voile kleides hoch genommen, so daß man ihre Lackschuhe und die durchbrochenen seidenen Strümpfe genügend bewun dern konnte. Das war keine Toilette für einen länd- lichen Besuch! Sie schob ihren Arm unter den seinen. „Mama liegt in guter Ruh', Brüderlein fein; sie kann das Frühaufstehen nicht gut vertragen! Komm, nun wollen wir gemeinsam den neuen Kuhstall in Au genschein nehmen!" In zwei langen Reihen standen oder lagen, behag lich widerkäuend, die prächtigen, schwarzen und gefleck ten, wohlgenährten Tiere. -Die haben es aut. Lotbar. in iolöbem Walast.
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