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MsdmfferTageblati Fernsprecher Wilsdruff 6 Wl)chenblü^ fÜs WUdsUff UNd ^lMgegLNd Postscheckkonto Dresden 2640 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Verleger Dr»»er: Arthur Zschunke tu Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, sür den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. NrTHÖ Mittwoch de« 7. Juni 1822. 81. Jahrgang Kleine Heiluna lür etliae r-eser § Der deutsche Gesandte in Oppeln hat wegen des Polen terrors in Oberschlssien Vorstellungen bei der Interalliierten Kommission erhoben. * Die Vereinigung deutscher Wohnungsämter erklärt, daß das rechtzeitige Inkrafttreten des Reichsntietengesetzes in Preu ßen am 1. Juli unmöglich sei. * Lloyd George und Poinears werden am 19. Juni eine Zusammenkunft in London haben. * Die französische Kammer hat dem Ministerpräsidenten Poincarö mit 484 gegen 100 Stimmen das Vertrauen aus gesprochen. * Die erste Geschästssitzung des Internationalen Gerichts hofes im Haag wird am 15. Juni eröffnet werden. * Lenin hat einen Schlaganfall erlitten. Neue Gorgen. Der 31. Mai ist oorübergegangen, ohne der Welt dl« schrcckensvoll migelündigten neuen Erschütterungen zu bringen. Die Reparationskommission hat die Güte ge habt, sich mit den neuen Zugeständnissen der deutschen Re gierung einigermaßen zufrieden zu erklären und daraufhin das zunächst nur provisorisch bewilligte Moratorium bis zum Ende des Jahres 1922 zu verlängern. Aus jederzei tigen Widerruf, selbstverständlich, unid unter allerhand Nor- behalten, wie man sie bei diesen Herren ja nachgerade hin reichend kennen gelernt hat. Selbst ein Poincare hielt es unter diesen Umständen für richtiger, bei seiner Recht- sertigung vor der Deputiertenkammer etwas mildere Töne anzuschlagen, und das stattliche Vertrauensvotum, das er daraufhin — mit 484 gegen 100 Stimmen — von der Volksvertretung ausgesprochen erhielt, kann mit Fug und Recht als ein« wertvolle Festigung seines Ansehens im Ausland buchen. Es wird ihm demnächst, wenn er am 19. Juni mit Lloyd George in London sich zu gemeinsamem Frühstück niederläßt, bei der Leitung des Tischgesprächs wertvolle Dienste leisten können. Schon vor der Abstim mung der Kammer ließ der französische Ministerpräsident so im Vorbeigehen eine absprechende Bemerkung fallen über gefährliche Versuche der Reparationskommission, eine internationale Anleihe für Deutschland unter weiterer Ver kürzung der französischen Schadensersatzforderungen zu- standezubringen. Er habe nicht gezögert, auf Grund seiner Verantwortung als Ministerpräsident die Unannehmbar keit einer solchen Bedingung für Frankreich festzustelleu. Und die Kammer hatte selbstverständlich gegen diese Art und Weise, die Anstrengungen der internationalen Finanz welt zur Wiederherstellung geordneter Beziehungen unter den Mächten von vornherein zum Scheitern zu verurteilen, nicht das mindeste einzuwenden. Wenn es trotzdem in ihrer Mitte bei dieser Gelegenheit schließlich noch zu fürch terlichen Skandalszenen, ja sogar zu regelrechten Prüge leien unter Abgeordneten der Rechten und Linken gekom men ist, so keineswegs aus Gründen gegensätzlicher Mei nungsverschiedenheiten über dieses Kernproblem der inter nationalen Politik. Die Kommunisten der Kammer waren nur wieder einmal der Meinung, daß ihre lieben Gesin nungsgenossen in Sowjetrußland nicht respekt- und nicht liebevoll genug behandelt worden seien. Im übrigen aber kann Poincarö sich nach wie vor auf eine ziemlich ge schlossene Stimmung im französischen Volk berufen, und man weiß, daß er es ausgezeichnet versteht, auf dem In strument seiner öffentlichen Meinung zu spielen. Ist es danach im Westen für den Augenblick wieder etwas stiller geworden, so droht die „endgültige" Lösung der oberschlesischen Frage im Südosten des Reiches neue Stürme herauszubeschwören. Polnische Banden, wohl- geschnlt und ausgerüstet mit allen Wassen des Kleinkrie ges, für den sie gedrillt sind, verbreiteten wieder wie vor einem Jahre Angst und Schrecken unter der deutschen Be völkerung, die zu Tausenden aus ihrem Besitzstand ver trieben wird und flüchtete, wo sie nur noch hoffen kann, Schutz für das nackte Leben zu finden. Beamte wurden verprügelt, Arbeiter verjagt, der Verkehr lahmgelegt, und Mord und Totschlag feierten wieder wilde Triumphe. Die Interalliierte Kommission in Oppeln hat, nach abermaliger Verhängung des Belagerungszustandes, englisches und italienisches Militär zum Schutze der bedrohten Bevölke rung ausgeboten — die Franzosen schien man diesmal dan kenswerterweise zu dieser Aufgabe, die ihnen ganz nnd gar nicht liegt, nicht heranziehen zu wollen. Sie sind „Wahrer des Friedens" überall dort, wo Frankreich mit samt feinen Vasallen von dieser Rolle profitieren kann. Wo es sich aber um Jnteresseukonslikte irgendeines dieser Hörigen mit uns Deutschen handelt, da kennt es nur noch Rücksichten des „Prestige" und der „Gloire". Polnische Mordbrenner läßt man ohne weiteres als völkerrechtlich einwandfreie Vorkämpfer für Vaterland und Freiheit gel ten. Wer aber deutsche Ehre, deutsches Land, deutsches Gut und Blut zu verteidigen nnternimmt, wird von den Scher gen dieser neuen Tyrannenherrschaft, die der Versailler Vertrag über Europa ausgerichtet hat, unbarmherzig zur Rechenschaft gezogen. Jn^Allenstein hat in diesen Tagen bcr'D rutsche Schutzbund wieder einmal Heerschau gehalten und vor der Welt ein Bild der Zustände entrollt, ! mit denen uns der überragende französische Einfluß be- ! glückt bat. Man scheut nicht im geringsten davor zurück, die l Dinge überall da, wo man sie nach seinem Willen gestal ten will, direkt auf den Kops zu stellen uno das oemiM Volk, seine Kultur, seine moralischen, seine politischen und sozialen Verhältnisse zu wahren Karikaturen zu verzerren und danach an uns einen Maßstab anzulegen, der sich allenfalls für afrikanische oder hinterindische Kolonial- vökker rechtfertigen ließe. Wenn deutsche Minderheiten in Polen oder sonstwo, selbst gegen ausdrücklich festgelegte und völkerrechtlich verbürgte Zusicherungen, vergewaltigt werden, so hält man dafür nicht einmal ein Wort der Ent schuldigung für nötig. Um so dringlicher ist die Arbeit von Organisationen wie des Deutschen Schutzbundes, die von allen Kreisen des deutschen Volkes auf das wärmste unterstützt werden sollte. Auch der „Hilfsbund für Oberschlesien", der jetzt gegründet worden ist, weil es höchste Zeit ist, daß wenig stens dem übergreifen der polnischen Agitation auf den deutsch bleibenden Teil von Oberschlesien mit Nachdruck entgegen-geireten wird, kämpft für eine gesamtdeutsche Sache, der sich kein Deutscher entziehen sollte. Die Gefahr am Mein. Putsch Pläne und Propagandamittel Seit Wochen ist die deutsche Presse dauernd mit neuen Nachrichten über die Löslösungsbestrebungen der Sonder bündler am Rhein angefüllt, und die Alarmrufe aus dem bedrohten Gebiet kommen nicht zum Schweigen. Nun wird zwar von amtlichen Stellen darauf hingewiesen, daß man bei diesen Nachrichten sehr vorsichtig zu prüfen hat, wo die Übertreibungen anfangen, aber die ernste Aufmerksam keit, mit der die Regierungsstellen selbst diese Dinge ge spannt verfolgen, läßt erkennen, daß die Gefahr tatsächlich besteht und in den letzten Monaten eher größer als kleiner geworden ist. Es muß allerdings dahingestellt bleiben, ob der Plan eines bevorstehenden Handstreiches gegen die Amtsgebäude in den wichtigsten Städten des besetzten Rheinlandes so in allen Punkten zutrifft, wie er jetzt in der Presse auftaucht, aber er ist bezeichnend für den Ernst der Lage und die Siegessicherheit der Putschisten. Diese bauen besonders auf die Hilfe der Besatzungs- truppen, damit bei einer Überraschung kein Widerstand von feiten der Zivilbevölkerung erfolgt. Sollte aber doch irgend ein Widerstand sich bemerkbar machen, dann sollen die Besatzungsbehörden und Truppen erklären, daß die Sicherheit der Besatzungstruppen gefährdet ist. Sie wür den dann keine Ansammlungen auf den Straßen und vor den Ämtern gestatten. Weiter wird behauptet, daß sich seit Wochen schon Tausende von Spitzeln im besetzten Ge biet aufhalten, die im gegebenen Augenblick aus der Straße erscheinen und die rheinische Bevölkerung markieren sollen, die die rheinische Republik verlangt. Mit den Engländern glauben die Hochverräter keine Schwie rigkeiten zu haben, und daß die Belgier mitmachen werden, gilt als selbstverständlich. — Neben diesen gewaltsamen Mitteln betreiben die Franzosen jedoch auch einen kulturellen Kamps gegen das Deutschtum. Darüber wurde jetzt in Allenstein auf der dritten Bundes tagung des Deutschen Schutzbundes u. a. berichtet: Die Stärkung Frankreichs und die Unterhöhlung des deutschen Bewußtseins, das sind die beiden Aufgaben der Organi sation der „Union Franyaise" mit 11000 Vereinen aller Gattungen und etwa 30 Millionen Mitgliedern. In den besetzten Gebieten arbeitet man mit unentgeltlichen fran zösischen Sprachkursen, mit Vorträgen, Theatervorstellun gen, Konzerten, Flugschriften, Lesehallen, französischen Buchhandlungen, Pariser Modejournalen, um auch so die deutschen Frauen zu gewinnen. In dsn Schulen versucht man, das französische Buch einzuführen. Kunst ausstellungen werden veranstaltet, und die Presse wird beeinflußt durch französische Korrespondenzbureaus. Man kauft Zeitungen und gründet eigene Zeitungen und Zeit schriften. Eine strenge Zensur sorgt dafür, daß nur das erscheint, was dem französischen Nachbar genehm ist. Was wir demgegenüber tun müssen, ist, uns auf unsere Natio nalität und unser deutsches Wesen zu besinnen. Die Ermordung Erzbergers vor Gericht. Kapitänleutnant v. Killinger als Angeklagter 8 Offenburg, im Juni. Am 7. Juni beginnt vor dem hiesigen Schwurgericht den auf zehn Tage veranschlagte Prozeß gegen den früheren Kapi- tänleutuant Manfred v. Killinger, der beschuldigt wird, den der Ermordung Mathias Erzbergers, des ersten Reichssinanzm'inisters der deutschen Republik, dringend ver dächtigen Studenten Heinrich Till essen und Heinrich Schulz wissentlich Beistand geleistet zu haben, um sie der Be strafung zu entziehen, und dreien Beistand schon vor Begehung der Tat zugesagt zu haben. Da Schulz und Tillessen flüchtig sind, konnte nur gegen v. Killinger Auflage erhoben werden. Da die Beihilfe aber voraussetzt, daß ein anderer die Straftat begangen hat, muß die Staatsanwaltschaft zuerst den Beweis liefern, daß Schulz und Tillcssen die Mörder sind. Es sind nicht weniger als 89 Zeugen geladen. Die Verteidigung des Angeklagten hat der hiesige Rechts anwalt Dr. Krieg übernommen; der Münchener Rechtsan walt Gänßlcr, der gleichfalls als Verteidiger tätig sein sollte, hat inzwischen durch Selbstmord geendet. . Die Vorgeschichte des Prozesses braucht, da sie allgemein bekannt sein dürste. Wohl nur kurz rekapituliert zu werden. Ani 26. August 1921 wurde der Reichsminister a. v. uno mciu,»- tagsabgeordnete Mathias Erzberger auf der Kniebisstraße, die von Bad Griesbach auf die Kniebishöhe führt, ermordet. In seiner Begleitung hatte sich der Zentrumsabgeordnete Diez befunden, der auch einen Schuß erhielt, infolgedessen vorüber gehend vollkommen gelähmt war, sich dann aber wieder erholt hat. Die Angaben, die Diez über die Mörder machen konnte, waren zu unbestimmt, als daß sie für die weitere Untersuchung hätten verwertet werden können. Nur so viel War klar, daß der Fähnrich v. Hirschfeld, der früher ein Attentat auf Erzberger verübt hatte, und der zur Zeit dieses zweiten Atten tats sich in dem nicht weit entfernten Calmbach in Württemberg aushielt, als Täter nicht in Frage kommen konnte. Allmählich lenkte sich der Verdacht auf zwei junge Männer, die am Mordtage und schon einige Tage vorher von verschie denen Personen in der Gegend der Mordtat gesehen Warden waren. Sie hatten im Hotel „Zum Hirschen" in Oppenau unter den Namen „Berger" und „Riese" gewohnt und sich als Studenten aus Jena ansgegeben. Durch allerlei Indizien wurde dann festgestellt, daß „Berger" und „Riese" in Wirklich keit Schulz und Tillessen hießen. Die Untersuchung hatte sich aber dermaßen verzögert, daß es den beiden Männern, die als die Mörder Erzbergers anzusprechen waren, inzwischen gelun gen war, Wer Oppenau und Appenweiler nach München zu entkommen und hier noch längere Zeit unangefochten zu blei» ben, bis sie nach Ungarn entflohen. In München befand sich der Sitz der „Geheimorganisation Konsul", die von früheren Mitgliedern der aus dem Kapp-Putsch her bekannten „Brigade Ehrhardt" gebildet war und das Ziel ver folgt -haben soll, Persönlichkeiten wie Erzberger, denen man die Haupt- oder Mitschuld am Untergang des alten Reiches zu- schrieb, zur Rechenschaft zu ziehen, d. h. zu beseitigen. Dieser Organisation gehörte neben Schulz und Tillcssen auch der jetzige Angeklagte Manfred v. Killinger an, und er soll sich nicht nur an den Vorbereitungen zu dem Mord an Erz berger beteiligt haben, sondern auch zur Zeit der Tat in un mittelbarer Nähe des Tatortes gewesen sein und die flüchtigen Täter sowohl unterwegs wie auch noch in München begünstigt haben. Hierüber soll nun die bevorstehende Verhandlung, die mit großer Spannung erwartet wird, Klarheit bringen Da ein Urteil gegen die Mörder oder gegen die des Moides be schuldigten Studenten nicht zustande kommen kann, ist der Pro- zeß strafprozessual eine Merkwürdigkeit. politische Rundschau. Deutsches Reich. Verlängerung des deutsch-italienischen Abkommens. Mit der italienischen Botschaft in Berlin ist eine Der» einbarung getroffen worden, wonach das deutsch-italie nische vorläufige Wirtschaftsabkommen vom 28. August 1921 sür weitere neun Monate Lis zum 28. Februar 1923 in Kraft bleibt. Die deutsch-rumänische Finanzkonfcrenz wird am 8. Juni in Bukarest zusammentreten. Auf dem Programm stehen die folgenden d-rei Fragen: 1. Das ru mänische Golddepot bei der Reichsbank, 2. die Aus gabe von Papiergeld durch die deutsche Armee wäh rend der Okkupation Rumäniens, die Erstattung des Gegenwertes durch Deutschland- und die Modalitäten der Erstattung, 3. die Frage der kequestierten deutschen Güter. Gewaltsame Enteignung deutscher Ansiedler in Polen. Aus allen Kreisen des Bezirks Bromberg laufen Be schwerden darüber ein, daß den deutschen Ansiedlern ihre Stellen gewaltsam fortgenommen werden. In der An siedlung HedwigsHorst wurde fünf deutschen Ansiedlern das Verfügungsrecht über das lebende und tote Inventar wie auch die Vorräte entzogen. Die fünf Ansiedler, oie ihre Wirtschaften 1910 und 1909 von der deutschen Ansted- lungskommission gekauft hatten, werden durch die Enteig nung ihrer Existenz beraubt. In der Umgebung von Schneidsmühl wurden den deutschen Ansiedlern ihre An wesen enteignet und Polen übergeben. Nach Kräften ist die polnische Gendarmerie bemüht, dis deutschen Ansied ler durch allerlei Schikanen zu einer freiwilligen- Auswan derung zp bewegen; erfolgt diese nicht, so fetzen die Zwangsmaßnahmen ein. Deutsch-Österreich. X Neue Kreditanträge. Im Nationalrat bracht« der Finanzmlmster eine Kreditermächtigungsvorlage ein, in der die Regierung einen Betrag von 78,7 Milliarden fordert. Dies ist der Restbetrag des Kredites, welcher der Regierung Schober nicht bewilligt -wurde. Aber auch mit dieser Kreditermächttgung wird man wegen der Entwer tung der Krone und der dadurch bedingten Steigerung des Personal- und Sachaufwandes Wohl kaum reichen. Rußland. X Die schwere Erkrankung Lenins ist neuerdings durch einen Bluterguß in das Gehirn erheblich verschlimmert worden, und man rechnet damit, daß der Leiter der russi schen Politik auf lange Zeit von den Staatsgeschäften sern- ^leiben muß. Da Trotzki und Litwinow die schärfere kom munistische Richtung vertreten, so ist die Erkrankung Lenins augenblicklich von um so größerer politischer Be deutung. Litwinow und Radek sowie der gesamte Stab Litwinows sind auf diese Nachricht hin von Berlin unge säumt nach Moskau geeilt.