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einen, die als politisch erklärt waren, verboten waren. Die zuständigen Zivilbehörden hatten die Kriegervereine in Ostpreußen, die „Staatsbürgerliche Arbeitsgemeinschaft" und den „Heimatbund" für politisch erklärt. Dagegen galt das Verbot nicht für Veranstaltungen von staatlichen und kommunalen Behörden und für interne militärische Feiern. Letztere waren ausdrücklich vom Reichsministerium ge stattet. Beim Anmarsch zu einer solchen Feier, nämlich einer Parade vor dem Generalfeldmarschall, auf dem Ka- sernenhof der Pioniere, kam es zu dem Zusammenstoß. politische Rundschau. Deutsches Aeich. Der Reichsbürgerrat für Oberschlesien. Am Schlüsse seiner Tagung in Bremen faßte der Reichsbürgerrat einstimmig folgende Entschließung: „Die vierte Hauptversammlung des Reichsbürgerrats gedenkt in Treue und Dankbarkeit der schwer um ihr Deutschtum und ihre Heimat ringenden Brüder und Schwerstern inOber- schlesien. Ganz Deutschland muß die Oberschlesier darin unterstützen, daß dieses Land trotz der polnischen Propa ganda deutsch bleibt, wie es seit Jahrhunderten deutsch war. Wir begrüßen daher die Bestrebungen des oberschle sischen Hilfsbundes und enipfehlen seine Unterstützung in allen Teilen des Reiches." Die letzten deutschen Kriegsgefangenen in Frankreich. Durch die immer wieder auftauchenden Gerüchte über die angebliche Zurückhaltung deutscher Kriegsgefangener i in Frankreich und in den französischen Kolonien veranlaßt, ! hat die Deutsche Botschaft in Paris erneut eine amtliche Erklärung hierüber von der französischen Regierung er beten- Aus der französischen Antwort geht hervor, daß sich außer den nach dem Versailler Vertrag wegen Ver gehen zurückgehattenen deutschen Kriegsgefangenen'keine weiteren Kriegsgefangenen in Frankreich oder in seinen Kolonien und Protektoraten befinden. Die noch in Frank reich zurückgehattenen 28 deutschen Kriegsgefange nen sind der Deutschen Regierung namentlich bekannt und Gegenstand ihrer dauernden Fürsorge. Sie stehen mit ihren Angehörigen in dauernder Verbindung. . Aus In- und Ausland. Berlin. Reichskanzler Dr. Wirth und Reichsminister des Äußeren Rathcnäu sind aus Süddeutschland nach Berlin zurückgekehrt. Stuttgart. Der demokratische Politiker und frühere Vize kanzler Friedrich P a'y e r feierte seinen 75. Geburtstag. U. a. ging ein Bcglückwünschungstelcgramm des Reichspräsidenten ein. Bern. Eine schweizerische V o lks ab st i mm u n glehnte die Revision der Bundesverfassung, die Einschränkung der Einbürgerung und die Erweiterung der Ausweisungsbefug nisse, mit großer Mehrheit ab. London. Nach einer Meldung aus Pretoria sind dort fünf hervorragende Nationalisten wegen Hochverrats ver haftet worden. Tokio. Admiral Tomosaburo Kato hat die Ernennung zum Ministerpräsidenten angenommen. Seuisch-ftanzösischer Frieden möglich? Friedensredner von beiden Seiten im Reichstage. Berlin, 12. Juni. Die Vereinigung der 15 größeren deutschen pazifisti schen Gesellschaften, das „Deutsche Friedenskartell", hatte zu einer Kundgebung für die deutsch-französische Verständi gung in den Sitzungssaal des Reichstages geladen. Das Saus war fast bis auf den letzten Tribünenplatz gefüllt. Aus Frankreich waren für die französische „Liga der Menschenrechte" erschienen der 81jährige Präsident der Ge sellschaft, der frühere Unterrichtsminister Ferdinand Buisson, ferner der Vizepräsident Professor Viktor Gräfin Latzbergs Enkelin. 22) Roman von Fr. Lehnr. (Nachdruck verboten.) „Ich halte dich nicht. Tue, was du willst! Wenn du Burgau verlassen hast, dann sind unsere Wege für immer getrennt! Hörst du? Es gibt keinen, der dich Wieder herführen könnte! Ferner verbiete ich dir, mei nen Namen zu tragen. Nenne dich, wie du willst — nur nicht Laßbcrg!" Der Schein eines Lächelns überflog Yvonnes Ge sicht, als sie erwiderte: „Darüber kannst du beruhigt sein. Es war sowieso meine Absicht, die Komtesse, die mir vielleicht nur hin derlich ist, abzulegen. Ich werde mich fortan nach mei ner Mutter Yvonne Legene nennen. Es ist für uns beide besser, wenn wir uns trennen: laste uns deshalb ohne Groll scheiden, Großmama! Lebe wohl!" Sie wartete eine Minute, zwei Minuten — doch die alte Frau drehte sich nicht nach ihr um. Schmerzlich seufzte sie auf und verließ das Zim mer — ohne einen letzten Abschiedsgruß. Draußen legte sie die schmalen Hände aui das Herz und ein tiefer Atemzug hob ihre Brust. Jetzt hinaus in ein neues Leben! * «i * Der Diener hielt die Tür weit geöffnet. „Mademoiselle Legene!" meldete er. Yvonne trat ein und begrüßte in respektvoller Weise die Frau des Hauses. Sie war eben gekommen, hatte sich schnell vom Neisestaub befreit und ein wenig ge waschen. Lässig reichte ihr Frau von Steinhagen die reich mit Ringen geschmückte Hand. „Willkommen, Mademoiselle! Haben Sie eine gute Fahrt gehabt?" „Ich danke, gnädige Frau." Ungeniert musterte die Dame das junge Mädchen Durch das Lorgnon. „Mich dünkt, Sie sehen sehr bleich aus, Mademoiselle. Sie sind doch nicht etwa leidend?" „Nein, gnädige Frau, ich bin vollkommen gesund. Es ist meine gewöhnliche Farbe," lächelte Yvonne ein wenig. „So, das ist mir lieb zu hören. Ich mag keine kranken Leute um mich haben. Ihre Vorgängerin, Miß Redfield, war sehr nervös und litt oft an Migräne, so daß sie ihre Verpflichtungen nicht erfüllen konnte. Außer- dem sprach sie ein schauderhaftes Französisch. Sie sind doch perfekt darin? Fräulein Herzog hat Ihnen ja wohl gesagt, was für Ansprüche ich stelle. Ich zahle gut, kann aber auch etwas dafür verlangen." Basch, der Rechtsgelehrte Bouglo von der Sarbonne und der sozialistische Abgeordnete Renaudel, die alle das Wort ergrisfcn. Von Deutschen sprachen der Reichs tagspräsident Loebe, Hellmuth v. Gerlach, Graf Harry Keßler, Professor Einstein und der Vor sitzende des Bundes entschiedener Schulreformer, Oestreich. Unter den Teilnehmern bemerkte man auch die Reichsminister Koester und Radbruch. Herr v. Gerlach bemerkte zur Einleitung: Wir wollen uns gegenseitig nichts vormachen, aber auch nichts vorwerfen, wir wollen nickst an die furchtbare Vergangen heit denken, sondern an eine Zukunft, die die Zusammen arbeit bringen soll der Menschen, die guten Willens sind in Frankreich und in Deutschland. Reichspräsident Loebe versicherte, er habe den Reichstag gern zur Verfügung ge stellt und könne sagen, daß in Deutschland ein ernster Ver ständigungswille vorhanden sei. Die Franzosen sollten sich nur umsehen und würden finden, daß das deutsche Volk nur eine Sehnsucht habe, nämlich in Frieden die Früchte seiner friedlichen Arbeit zu ernten. Er sei über zeugt, daß auch die große Masse des französischen Volkes den Frieden wünsche. Als erster Franzose erwiderte Ferdinand Buisson, daß die große Mehrheit des französischen Volkes von friedlichen Gefühlen beseelt sei. Die Schwierig keiten einer Verständigung beider Völker seien gewiß groß, aber gerade deswegen müßten die Anstrengungen ver doppelt werden. Die französische Delegation sei mit den Gefühlen der Hochachtung und der Sympathie für das deutsche Volk hergekommen. Es gelte, in beiden Ländern der Religion des Rechts zum Siege zu verhelfen. Die deutsch-französische Zusammenarbeit sei die Voraussetzung für den'Wiederaufbau Europas. Der frühere deutsche Gesandte Graf Harry Keßler betonte, der gute Wille der breiten Massen des deutschen Volkes zur Völkerverständigung sei eine zweifellose Tat sache. Aber gerade deshalb dürfen die deutschen Repara tionsleistungen nicht anderen Zwecken dienstbar gemacht werden, insbesondere nicht der Stärkung des fremden Militarismus. Daher hängt die Leistung der Repara tionen mit der Abrüstungsfrage zusammen. Professor Viktor Basch, Kunstwissenschaftler an der Pariser Sorbonne, sprach zunächst in deutscher Sprache. Jetzt gähne eine furchtbare Kluft zwischen beiden Völkern, aber was auch geschehen ist, was auch für Haß, für Schmerz in diesem Abgrund liegt, er muß und er wird überbrückt werden. Die Abrüstung müsse beginnen mit der Abrüstung des Hasses. Deutschlands Wissenschaft könne auch von Frankreich nicht entbehrt werden. Professor Einstein proklamierte den Grundsatz, feder müsse sich fragen: „Was muß mein Land tun, damit auch die größere Gemeinschaft davon Nutzen hat?" Nur so kann eine politische Gemeinschaft für Europa geschaffen und nur so kann unser Leben wieder lebenswert gemacht werden. — Der französische Jurist Professor Bouglö erklärte, daß die Verständigungsfreunde in Frankreich be ständig zunehmen. Als letzter Redner begrüßte der franzö sische Abgeordnete Pierre Renaudel die Kundgebung, bei der sich die Führer des geistigen Lebens mit den Ver tretern der Arbeit die Hand reichten zum gemeinsamen Friedenswerk. Die Zusammenarbeit aller Friedens freunde in beiden Ländern sei die Forderung des Tages. Allen Rednern wurde starker Beifall zu teil. Eine zweite Kundgebung soll Dienstag im Berliner Lehrerver- cinshause stattfindcu. Der Erzhsrger-Prozeß. Begegnungen mit Schulz und Tillessen. Z Offenburg, 12. Juni. Im weiteren Verlauf der Verhandlungen wurden noch mehrere Personen, die mit Schulz und Dillessen im August l921 in Berührung gekommen waren, vernommen. Es wurde sestgestellt, daß sich die beiden wiederholt und eingehend nach dem Aufenthalt Erzbergers, dessen Spuren sie verloren zu sollen Mnenen. erlundia» baben. vor allem bei dem Postbclier Biak in Beuron, der dem von dort adgereisten Erzverger die Post nachschicken sollte und daher die neue Adresse des früheren Reichsfinanzministers kannte. Er hat sie im übrigen als ein Dienstgeheimnis geheimgehalte und nicht verraten. Die Vernehmung der „Hirschcn"-Wirtin. Von besonderem Interesse war die Vernehmung der Frau Rothe, der Wirtin des Gasthofes „Zum Hirschen", in dem die beiden jungen Leute am 24. Aregust abg-estiegen waren und unter dem Namen Franz Riese, Student aus Düsseldorf, und Knuth Bergen, Student aus Jena, Wohnung genommen hatten. Sie verließen am 25. und 26. Slugust das Gasthaus im Touristenanzug und ohne Kopfbedeckung, um, wie sie sagten, längere Touren zu machen. Von der zweiten dieser „Touren" kehrten sie am späten Nachmittag zurück. Als man sie fragte, ob sie schon von der Ermordung Erzbergers gehört hätten, erwiderte der größere von ihnen, er habe geglaubt, Erzberger sei in Berlin. In diesem Augenblick wurde der durch einen Schuß verletzte Reichstagsabgcordnete Diez vorübergeführt. Frau Rothe ist erst zwei Tage später auf den Gedanken gekommen, daß die beiden Studenten die Mörder Erzbergers gewesen sein könnten. Ähnliche Aussagen machten der Ehemann und der 21- jährige Sohn der Gastwirtin. Der letztere hatte beobachtet, daß die beiden jungen Leute öfter Papier zerschnitten und die Fetzen in den am Hause vorüberfließenden Bach warfen. Aus seine Veranlassung wurde später der Bachraud abgefucht, und es wurden dabei, wie man weiß, Papierschnitzel, die für die Feststellung der Täter von großer Wichtigkeit waren, gestuiden. Unstet und flüchtig. Münchener Zimmervermieterinnen, bei Lenen Schulz Tillessen und Killinger gewohnt hatten, bildeten die nächste Zeugcngruppe. Schulz wohnte bei einer Frau Asthe n. Er erklärte ihr bald, nachdem er die Wohnung bezogen hatte, daß er viel auf Reisen sein werde. Er reiste auch wirklich so^ fort ab, und zeigte sich erst amMorgendes 27. Augu st s, alw einen Lag nach dem Erzberger-Mord, wieder in seiner Wohnung. Am Wend wurde er von Tillessen besucht. Auch Killinger kam häufig zum Besuch. Am 30. oder 31. August reiste Schulz wieder ab, und Tillessen, der im gleichen Hame bei einer Frau Dr. Rhein, der Schwester der Fran Asthen, wohnte, reiste mit ihm. Auch er war viel auf Reisen, ohne sich jemals über das Reiseziel zu äußern. Gleich Schulz er schien er am 27. August in seiner Wohnung und erklärte, daß er sehr müde sei. Kurz darauf entfernte er sich, um nicht mehr zurückzukehren, während Schulz erst am 9. Sep tember endgültig aus München verschwand. FsrsiwirischüsL und Walöweide. Eine Übergangszeit bis Ende August. Von sachverständiger Seite wird uns geschrieben: Wenige Rohstoffe sind Deutschland zum Wiederaufbau seiner Wirtschaft noch in größeren Mengen verblieben: einer der wichtigsten ist das Holz. Auch der Holzvorrat ist durch den Verlust Westpreutzens, Posens und Oberschle siens so vermindert, daß den Anforderungen nur bei sorg samster Bewirtschaftung der Forsten entsprochen werden kann. Höchstleistungen können nur erzielt werden, wenn Eingriffe ferngehalten werden, welche die Grundlagen der Erzeugung, den Waldboden und die Bodenlagerung nach teilig beeinflussen, den jungen Nachwuchs schädigen oder gar vernichten. Einen solchen Eingriff stellt die Wald weide dar. Vor dem Kriege war das Weidevieh fast ganz aus den Forsten verschwunden, nur -in einzelnen Gebirgsgegen den, z. B. im Harz, gab es auf Grund alter Berechtigun gen noch Waldweide in größerem Umfange, und dort wird sie für absehbare Zeit auch erhalten bleiben müssen. In den meisten Fällen hatten die Landwirte selbst ohne Be denken auf die Waldweide verzichtet. Für das moderne, hochgezüchtete Vieh waren die hart werdenden Gräser des Waldes eine ungenügende Ernährung, der lange An- und Rückmarsch ermüdete die Tiere und brachte Milchverluste, der Dünger verkam im Walde nutzlos. In den Kriegsnot jahren wurde der Wald zur Weide wieder freigegeben. Gleich näch Kriegsbeendigung wiesen erfahrene Forstleute auf die Schädigungen hin, welche die wenigen Weidejahre j dem Forstbetriebe gebracht hatten. Es erfolgte auch vieler- i orts eine Einschränkung. Aber man konnte hiermit nur „Ich bin vollkommen orientiert, gnädige Frau, und ich glaube, daß ich Ihren Anforderungen genügen werde. Ich spreche Französisch und Italienisch genau so gut wie Deutsch, bin musikalisch; meine Zeugnisse vom Seminar haben gnädige Frau ja gesehen." In diesem Augenblick kam ein großes, blondes, üp piges Mädchen in das Zimmer. „Ah, Mademoiselle ist schon da?" sagte sie mit lang samer, müder Stimme und erwiderte mit kurzem Kopf neigen Yvonnes Begrüßung, die neue Gesellschafterin da bei musternd. Sie legte sich in einen Schaukelstuhl und verschränkte die Arme im Nacken. „Sir sind nicht in Deutschland geboren?" „Nein, gnädiges Fräulein, in Florenz." „Und wie sind Sie nach Deutschland gekommen?" Yvonne hatte sich längst ausgedacht, was sie auf eventuelle Fragen erwidern würde. Auch hatte sie Fräu lein Herzog dringend gebeten, nichts von ihrer Herkunst zu verraten; sie wollte einfach Yvonne Legene sein. „Mil Bekannten, als meine Eltern gestorben wa ren, und dann empfing ich meine Ausbildung auf dem Seminar zu L .. ." „Welchen Beruf hatte Ihr Vater? „Er war Arzt." „Haben Sie noch Geschwister?" „Nein, auch keine Verwandten; ich stehe ganz al- lein in der Welt." „Nach Ihren Zeugnissen ist dies Ihre erste Stelle?" „Ja, gnädiges Fräulein." „Wie alt sind Sie?" „Zwanzig Jahre." ' „Ah, ich hätte Sie für älter gehalten.* „Das Leben ist mir nicht leicht geworden, gnädi ges Fraulein." Konstanzes Interesse an ihrer neuen Gesellschafterin war erschöpft. Nichts besonderes, was sie da gehört hatte, und sie hatte instinktiv doch etwas Außergewöhn liches erwartet — ein Schicksal — dem Aussehen Yvon nes nach, deren ungewöhnliche Schönheit und Vornehm heit ihr nicht entgangen war. Fast ein Mißbehagen hatte sie darum erfüllt, aber dann kam ihr gleich der Ge danke, dieser brünette, südliche Typus sei ein passendes Gegenstück zu ihrem blonden, rosigen Aussehen. Sie warf einen selbstgefälligen, vergleichenden Blick in den venezianischen Spiegel, der ihr gegenüber sing, gähnte vernehmlich, betrachtete ihre sorgfältig gepflegten Fin gernägel, deren Glanz sie durch Reiben mit dem Ta schentuch noch zu erhöhen suchte. „Können Sie frisieren, Mademoiselle?" fragte sie plötzlich. Erstaunt blickte Yvonne sie an, ein wenig hochmü tige Abwehr im Blick. „Nein, gnädiges Fräulein. Mir ist nicht gesagt, daß dies zu meinen Obliegenheiten gehören sollte." p „Ein wenig Geschicklichkeit in solchen Dingen ist nur von Vorteil," meinte Konstanze hochfahrend. Sic hatte die Zurechtweisung in Yvonnes Worten Wohl empfun den, und feindselig blitzte es in ihren Augen auf. „Aber nähen und sticken können Sie doch?" „Allerdings; aber auf dem Seminar gab es noch andere Dinge zu lernen." Was dachte sich Konstanze von Steinhagen? Sie, Yvonne, war doch nicht als Jungfer engagiert! Da war es besser, gleich von Anfang an gegen derartige Zu mutungen zu protestieren; das adlige Blut empörte sich doch dagegen, und eine leise Bangigkeit überschlich sie, wie sich die Dinge weiter entwickeln würden. Konstanze sprang auf und ging nach der offenen Balkontür, die Straße hinabspähend. „Ich habe Lust auszufahren, Mama." „Tann tue es, mein Kind, ich möchte zu Hause bleiben, mir ist es zu heiß. Mademoiselle mag dich be gleiten." „Mir auch recht. Wollen Sie Toilette machen, Ma demoiselle? Bitte, ein wenig schnell. Sie müssen mir dann helfen." Yvonne zögerte ein wenig. Man ließ ihr nicht ein mal Zeit, ihren Koffer auszupacken. Konstanze bemerkte es; sie runzelte die Stirn. „Ah, Sie sind nicht aufgelegt dazu? Oder fehlt es Ihnen an Toilette?" „Nach meiner Ansicht und nach meinen Ansprüchen sicherlich nicht; ob es Ihnen genügen wird, weiß ich allerdings nicht." „Hat Fräulein Herzog Ihnen nichts von unserer Bedingung gesagt, daß Sie über geschmackvolle Garde robe zu verfügen haben? Ich gehe und fahre viel aus; wenn Sie mich da begleiten, müssen Sie dementsprechend angezogen sein. Außerdem sehen wir häufig Gäste bei uns. Sie müssen sich dann eben anschaffen, was Ih nen fehlt. Für heute verzichte ich auf Ihre Beglei tung. — Weißt du, Mama, ich fahre nach Steinhagen hinaus;, ich hab' Appetit auffrische, selbstgepflückte Apri kosen, Lothar hat lange keine geschickt." „Dann grüße ihn und frage, wann wir ihn mal wieder hier sehen werden." „Puh, lieber nicht, Mama! Ich Weitz 'chon, er wird die Ernte vorschieben, Zeitmangel, alles mögliche, und dann wird er mich so vernunftvoll dabei ansehen, gerade, als ob er verlangte, datz ich mit dem Rechen über der Schulter aufs Feld mitgehen sollte." Sie lachte übermütig auf. „Addio, liebste Mama! Zum Abendessen bin ich wieder da. Ich fahre gleich so, wie ich bin. Das graue Leinenkleid ist gut genug für Lo thar; um ihn Toilette zu machen, lohnt sich nicht, im Geaenteil!" rief sie von der Tür her, (Fortsetzung folgt.)