Volltext Seite (XML)
Fernsprecher Wilsdruff 7K. 6 fÜs MUdsUff UNd jlMHLgLNd Postscheckkonto Dresden 2640 Srfcheint täglich mit Aufnahme der Sonn- und Frsttas» nachmittag« 5 Uhr für den folgenden Tag. Bezugspreis bei Selbstabholung monatlich M?., durch unsere LluoirSger zugelragen ln der Stadl monatlich Ml., auf dem Land« Ml., durch die Post bezogen vierteljährlich Ml. mit ZusteNungggebübr. All, Postanstalten und Postboten sowie unsere Austräger und Geschäftsstelle nehmen jederzeit Bestellungen entgegen. Im Faste höherer Gewalt, Krieg »der sonstiger LetriebsstSrungen hat der Bezieher leinen Anspruch ruf Lieferung der Zeitung oder Kürzung de« BezugSprelje«. Erscheint seit Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrat» zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. VerlegerDrucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, sür den Inseratenteil: Arthur Zschunke, Heide iu Wilsdruff. dem Jahre InferttvnSpreH Ml. für dl« s g-fpaNene Korpusz-Il- oder deren Raum, Reklamen, dl« r spaltlge Korpu«,«»- Ml. »el Wiederholung und Iahre«auflrag entsbrechrnder prei«nachlaK. Bciannimochungen im amtlichen Teil snur von Behörden) die r gespalten- Korpuözeile Ml. Rachweisungö-Gebühr j» Pfg. Anzei-en-nnahme bi« vormittag 10 Uhr. Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir leine Garantie. Jeder Rubati anspruch eriischt, wenn der Betrag durch Klage eingezhten werden muß oder der Auftraggeber in Kontur« ^rL Nr. 129 Kleine Zeitung sür eilige Leser. * Dvs NnlMekomItoe in Paris will seine Beratungen erst nach einer Rückfrage an die Regierungen wegen der Herab setzung der gesamten deutschen Schuldsumme wcitcrführen. * Der deutsche Gesandte in Oppeln hat gegen die Absicht der interalliierten Kommission protestiert, die gefangenen Deutschen aus dem Abstimmungsgebiet in französische Gefängnisse über zuführen. * über Gleiwitz und Kattowitz wurde der Belagerungszu- stund verhängt. * Poincarä hat in der französischen Kammer eine große Rede über Genua gehalten, in der er neue Angriffe gegen Deutschland richtete. * Die Exkaiserin Zita erklärt in einem Schreiben an HortHP,, sie betrachte sich nach wie vor als Königin von Ungarn und Stellvertreterin ihres minderjährigen Sohnes Otto. * Die amerikanische Regierung hat erneut um die Festlegung der französischen Kriegsschulden an Amerika ersucht. Neuer pfingfiglaube. Das feurige Leuchten herrlicher Maiensonne liegt über der Erde, und die ganze Natur strahlt Wider von dem Glanz, den sie über Flur und Wald, über Gärten und Wasser verbreitet. Schon fürchtet der Landmann, daß es fast des Guten zuviel werden könnte, und der Städter be ginnt sich nach Abkühlung zu sehnen, weil er an so viel Himmelssegen auf einmal schon lange nicht gewöhnt war. Inzwischen ist das liebliche Pfingstfest herangekom- men, und damit die Grenzscheide zwischen Frühling und Sommer. Aber der neue Geist, dessen die Menschheit be darf, wenn endlich einmal auch in ihrer Gegenwartsent wicklung eine Wendung vom Schlimmen zum Guten, vom Unsinn zur Vernunft eintreten soll, will sich nicht einstellen unter den Völkern. Wenige freie Geister in ihrer Mitte gibt es, die nicht müde werden zu singen und zu sagen, daß, Wie draußen in der Natur alles, was verrottet und vermodert ist, wieder neuem Werden und Wachsen Platz machen muß, so auch in der geistigen und kulturellen Ent wicklung der Menschheit die schlechten, die sinn- und nutz losen Überbleibsel der Vergangenheit wieder neuen frucht baren Anregungen, frischen Keimen einer hoffnungsvollen Zukunft weichen werden. Mit feurigen Zungen predigen sie immer wieder den Glauben an den Fortschritt, die sitt liche, politische und wirtschaftliche Höherentwicklung der Kulturwelt und harren sehnsüchtig jeder gleichgerichteten Kundgebung aus anderen Ländern, die eine Botschaft da für bringen könnte, daß der Funke ihres neuen Geistes auch jenseits der Grenzen gezündet habe. Aber ach, wird uns auch immer Geduld und immer wieder Geduld ge predigt, wer könnte in Hoffen und Harren, in Hangen und Bangen nach einem endlichen Sieg besserer Erkenntnis, reinerer Triebe sich beruhigen, wenn er Zeuge sein muß des Widerwillens, des Unverständnisses, der Boshaftig keit, mit der alle Mächte der Finsternis auf den Gewalten beharren, die man so gern als hinfällig geworden, als überlebt und überwunden ansehen möchte. Sechs Wochen haben jetzt erst Tausende von Menschen aus aller Herren Ländern in Genua zusammengesessen, um einen an nähernd vernünftigen Ausgleich im Widerstreit der Völker interessen wenigstens anzubahnen. Und das Ergebnis ihrer Bemühungen? Mit knapper Not ist das Scheitern der Konferenz gerade noch verhütet worden — mehr läßt sich zu ihrem Lob und Preis, bei ganz gerechter Würdi gung der „Ergebnisse", wirklich kaum sagen. Nur die Er kenntnis, daß, wenn sie aufgeflogen wäre, eine neue, wahr scheinlich noch furchtbarere Katastrophe Europa heimge sucht hätte, war imstande, das schlimmste zu verhüten. Zurückgeblieben aber ist der alte Geist des Mißtrauens, der Verdächtigung, die Unersättlichkeit von Staats männern, die fremde Länder sich untertan fehen wollen, um die Ruhmsucht der eigenen Völker befriedigen zu können, denen keine Last zu schwer ist, die sie andern Nationen auferlegen wollen, wenn nur dadurch der hei mische Wohlstand bequem und mühelos gesichert würde. Die einladenden Mächte maßten sich gegenüber der Ge samtheit der eingeladenen ein« Rolle an, die von der An erkennung des Grundsatzes der Gleichberechtigung himmel weit entfernt war. Und wenn wirklich hier und da eine geringfügige Annäherung zwischen früheren Gegnern zu bemerken war, so brachen dafür an anderer Stelle neue Feindseligkeiten auf, die für die Zukunft alles andere als Gutes erwarten lassen. Im Augenblick gelang es noch, sie mit sanfter Gewalt zur Ruhe zu bringen, und vielleicht mag es, wenn das Trauerspiel von Genua im Haag seine Fortsetzung findet, möglich sein, auch für die russische Frage eine Papierlösung auszutüfteln, die man dann der Welt mit Stolz als das Ergebnis tiefsinniger Gedanken arbeit Vorbalten kann. Inzwischen aber rollt das Rad ' Sonntaq de« 4. Junt 1S22. der Weltgeschichte unaufhaltsam weiter, und man mutz fürchten, daß kein neuer Geist es je wieder wird einholen können, so stark sich auch die Unerschütterlichen im Glauben für ihn einsetzen mögen. Mehr und mehr wendet sich deshalb die Menschheit zu der Überzeugung, daß es notwendig sein wird, es wieder mit den Kräften zu versuchen, die uns Selbst bewußtsein und Zusammenhalt, Einfluß und Stärke geben können — zu den gleichen Kräften, die wir auch rings um uns her am Werke sehen, wo der Wille zum Eigenleben lebendig gebkcben ist. „Sich regen bringt Segen", mit dieser alten Weisheit, unter dem Sturm der letzten Jahre nur allzu sehr in Vergessenheit geraten, sollten wir es lieber auf allen Gebieten, wo man uns zurückgedrängt, verkrüppelt und zerschlagen hat, erst wieder einmal gründ lich versuchen. Wer weiß, wie bald wir dann wieder einen neuen Frühling, einen neuen Sommer in der Ent wicklung unseres Volkes erleben würden. Sy. Das alte Lied. Auf ein oder anderthalb Dutzend Interpellationen über die auswärtige Politik hat der französische Minister präsident sich vor der Kammer zu verantworten gehabt. Unmöglich, zusammensassettd wiederzugeben, was alles in der Flut der Jnterpellationsbegründungsreden für und gegen die Regierungspolitil zum Ausdruck gekommen ist. Herr Poincare mußte seine Antwort so ausführlich gestal ten, daß man ihm anständtgerweise inmitten seines Rede flusses eine Erholungspause einzuräumeu gezwungen war. Im wesentlichen wiederholte Herr Poinears sein altes Lied, den Haßgesang gegen Deutschland. Er hafte sowohl gegen Kritiker von rechts wie gegen Kritiker von links an zukämpfen. Von rechts, wo man insbesondere seine Richt linien für Barthou, das Haupt der französischen Delega tion in G e n u a, noch nicht scharf genug fand, gegen links, wo man hinwiederum der Befürchtung Ausdruck gab, daß auf dem Wege, den Poinears und die Seinen im Zusam menspiel mit den anderen europäischen Regierungen inne hakten, niemals zu einem wahren Völkerfrieden gelangen werde. Herr Poincarö scheint es für wichtiger gehalten zu haben, sich der Angriffe von links her als derjenigen sei ner übernaftonalifftschen Gegner auf der Rechten zu er wehren. Er bekannte freimütig, daß er sich namentlich in der Frage des deutsch-russischen Rapallovertrages zu einer milderen Auffassung bekehrt hätte, und daß er das nicht bereue; im übrigen aber verfocht er das angebliche Recht Frankreichs zu isoliertem Vorgehen gegen Deutschland im Fall einer Versäumnis auf unserer Seite mit unvermin derter Entschiedenheit, gemildert höchstens durch den Zu satz, daß er nicht hoffen wolle, zu einem solchen Vorgehen jemals genötigt zu werden. Eine Einschränkung, die selbstverständlich nur für Len Eindruck in der großen Welt bestimmt war. Er suchte sie auf der anderen Seite wieder dadurch unschädlich zu machen, daß er der Kammer das alte Lied von dem „alldeutschen" Geist in Deutschland, von der Rachsucht, dem Haßgefühl des deutschen Volkes vor- trug, wobei er sich nicht einmal entblödete, Kritik daran zu üben, Laß der deutsche Reichstag an dem Tage, an dem er endgüttig den Trenuu-.gsstrich durch Oberschlesien ziehen mußte, die Reichsflaggen auf Halbmast gesenkt hatte. Nach links hin versuchte er den Sozialisten einzu- reden, daß sie sich von ihren deutschen Genossen über die wahre Stimmung am Rhein und an der Elbe, an der Spree und an der Oder hätten täuschen lassen. Was von den so angcsprochenen Herren in lebhaften Zwischenrufen auf das schärfste zurückgewiesen wurde. Den donnernden Applaus so ziemlich des ganzen Hauses aber fand Ler Ministerpräsident mit der Versicherung, daß er von dem Vertragsrecht Frankreichs nichts preisgeben werde und nichts preisgeben könne, und ebenso entschieden verblieb er dabei, daß auch >die Aufrechterhaltung der freundschaft lichen Beziehungen zu anderen Nationen, insbesondere zu England, um die Preisgabe wichtiger Interessen Frank reichs nicht zu haben sein würde. Bei aller Ruhe der Sprache, deren er sich diesmal offenbar aus Wien Gründen befleißigte, hat diese neueste Poinearä-Rede also doch nichts an dem üblen Stande der internationalen Gegensätze, wie sie nach dem Auseinander- geheu der Genua-Konferenz sich vor den Augen der ganzen Welt darbotcn, geändert. Ein Ziel, das ja auch durch bloße Rede schwerlich jemals zu erreichen sein wirb. Ltm -ie Schuldsumme. Unterbrechung der Anleiheberatuugen. In Paris hat der internationale Anleiheausschuß feine Sitzungen nach zweitägiger Dauer wiederum ans acht Tage unterbrochen und die Zwischenzeit bis zum Wieder- zusammentritt Les Bankierskomitees soll dazu benutzt wer den, um die verschiedenen Regierungen zu befragen, wie sie sich zu einer Verminderung der deutschen Kriegsschulden stellen, was sie von einer Übertragung der Generalhypo- tbek über die Besitzungen Les Reiches von der Repava- 81. Jahrgang tionskommission auf das Anleihekomitee halten und wie sie die Frage der Annullierung der interalli ierten Schulden behandeln wollen. Damit ist das ganze Problem in ein neues, zweifellos entscheidendes und zugleich kritisches Stadium Fetteten. In maßgeben den Kreisen in Paris zeigt sich ein gewisser Pessimismus, jedoch hält man dies für eine unvermeidliche Folge des übertriebenen Optimismus, der sich zeigte, als Amerika in der Person Morgans zum erstenmal mit den europäischen Finanzmännern in Fühlung trat. * Ein französischer Reformplan. Frankreich hat dem Komitee einen Plan unterbreitet, der die deutschen Schuldverschreibungen der Reihe 0, (82 Milliar den) unter der Voraussetzung des Schulderlasses unter den Verbündeten, streicht, und 'von den übrigen Reihen und v (zusammen 50 Milliarden) Len englischen Anteil in der Höh« von 11 Milliarden, früheren Äußerungen Lloyd Georges ent sprechend, wegfallen läßt, so daß . deutsche Schuld aus 39 Milliarden ermäßigt iverde. Diese 39 Milliarden sollen nach dem französischen Plan durch eine Reihe von An leihen gedeckt iverden. Wie verlautet, ist jedoch die Schulden- streichlmg, die dieser Plan voraussetzt, zurzeit noch nicht mög lich. Das Komitee habe deshalb vorläufig nur eine Anleihe von 4 bis 5 Milliarden Goldmark ins Auge gefaßt. Davon solle Deutschland für seine Finanzsanierung 1,25 Milliarden erhalten. Einige Mitglieder des Komitees seien geneigt, sogar diese kleine Anleihe davon abhängig zu machen, daß Frank reich aus einen Teil seiner SchuldfordeMng an Deutschland verzichtet. Deutschland und der Völkerbund. Vorbedingungen für ein Aufnahmegesuch. Zu den Gerüchten über die bevorstehende Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund erfährt eine Korrespon denz, die deutsche Regierung stehe auf dem Standpunkt, daß es ihr nicht möglich ist, eher ein Aufnahmegesuch an den Völkerbund zu richten, bevor nicht zwei Bedingungen erfüllt sind: 1. müsse sichergestellt sein, daß die Ausnahme in den Völkerbund ohne irgendwelche Abstimmung er folgt; 2. muß Deutschland Zusicherungen dafür haben, daß es nicht als eine Macht zweiten Ranges innerhalb des Völkerbundes behandelt wird. Nach den Entscheidungen, die der Völkerbund bisher in der oberschlesischen Frage sehr zuungunsten Deutschlands gefällt hat und angesichts der Tatsache, daß dem Völkerbund noch in einem großen Teil der Welt die Anerkennung schlt, steht die deutsche Regierung weiterhin auf dem Standpunkt, daß noch wesentliche innere Neuregelungen den Völkerbund so um« gestalten müssen, Laß er wirklich für Welt zu einem Instrument des Friedens werden kann. BelagerurrgsZusiaud in Oberfchlesien. Was wird aus den Gefangenen? Die neuen Terrorakte der Polen in Oberschlesien haben dazu geführt, daß die Interalliierte Kommission über die Stadt und den Landkreis Kattowitz sowie über den Stadt- und Landkreis Gleiwitz, Kreis Hinden burg und Kreis Rybnik den Belagerungszu stand verhängt hat. Die Lokale müssen spätestens um 9 Uhr schließen. Der Straßenverkehr ist in der Zeit von 10 Uhr abends bis 5 Uhr früh untersagt. Die Zeitungen in dem Gebiet, über das der Belagerungszustand verhängt worden ist, sind unter Pressezensur gestellt. Die Interalliierte Kommission hat die Forderung er hoben, daß die Gefangenen, die von den alliierten Ge richten im Abstimmungsgebiet verurteilt wurden, nach Ler Aufhebung der Besetzung in französische Gefäng nisse übergeführt werden sollen. Dagegen hat der deutsche Gesandte in Oppeln selbstverständlich Protest er hoben. Es ist ihm versichert worden, daß die letzte Ent scheidung über diese Frage bei den Kabinetten in Paris, London und Nom liege. Ein völkerrechtlicher Grund für die Verschleppung von Deutschen in französische Gefäng nisse ist natürlich in keiner Weise vorhanden. politische Rundschau. Deutsches Reich. Direkter deutsch-russischer Eisenbahnverkehr? Am 10. Juni wird in Riga ein« Eisenhahnkonferenz der baltischen Staaten zusammentreten, cm der sich auch Rußland zu beteiligen gedenkt. Am 16. Juni treffen in Riga Vertreter Ler deutschen Eisenbahnen ein, um über einen direkten Verkehr zwischen Rußland und Deutschland zu verhandeln. Die baltische Eisenbahnkonferenz wird dem Vernehmen nach vorgeschlagen, die zwischen Rußland und Lettland abgeschlossene Vereinbarung auch aus die übrigen baltischen Staaten auszudshnem Beschlüsse des NeichsratS. Der Reichsrat genehmiFte eine große Reihe von Vor lagen. darunter das R a t h e n a u - L o u Ä e u r - A b k o m«