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Barthou ist wieder in Genua etngctroffcn. * Tschitscherin hat aus Moskau Vollmacht zu Sonderver- bandlungcn mit England erhalten. Ein Teil der russischen Delegation hat Genua verlassen. * BarrSre erklärte in einer Verbalnote an de Facta, daß Frankreich seine Unterschrift zu dem Russen-Memorandum so lange nicht gebe, als Belgien die sein« verweigere. * Die Anleiheverhandlungen werden auf Grund eines neuen »nglvsch-italienischen Reparationsplanes verhältnismäßig gün stig beurteilt. * Der Reichstag wird am Mittwoch zu einer Vollsitzung zu- sammentreten. Der preußische Landtag vertagte sich aus den IS. Mai. * In München trat der Reichsverband der deutschen Presse zu seiner Jahreshauptversammlung zusammen, zu der der Reichspräsident ein Begrüßungstelegramm sandle. Barthous neue Marschroute. Barthou ist nach Genua zurückgekehrt und will sofort mlt Lloyd George die Pläne, die in Paris entworfen wurden, besprechen, bevor Frankreich sich wieder in der Konferenz und in de» Kommissionen blicken läßt. So wenig Frankreich von ferner bisherigen Politik abzugshen 'gedenkt, so sehr ist es doch bestrebt, einen offenen Zerfall der Entente zu vermeiden, und da Lloyd George Herrn Poincars nur die Wahl zwischen dem Fortbestände der Entente und einer neuen europäischen Konstellation ge lassen hat, so dürfte man wohl in Paris Bedenken be kommen haben, weiter auf der äußersten Linie mit Belgien allein zusammen zu marschieren. Die Unterredung Lloyd Georges mit den deutschen Delegationsführern und hinter her mit den Russen hat ihren Eindruck in Paris nicht ver fehlt. Man braucht sich keinen Illusionen hinzugeben» daß Lloyd Georges Politik etwa darauf hinaus gehe, bereits jetzt eine engere Zusammenarbeit mit Deutschland und Rußland in die Wege zu leiten, aber er weiß ganz genau, daß er Frarrkreich durch keine andere Art dazu zwingen kann, seine äußerste Obstruktion aufzugeben. Bemerkenswert ist, daß Belgien in der Frage des russischen Memorandums bereits einzulenken beginnt, um Frankreich die Entscheidung darüber zu ersparen, ob es seine Unterschrift weiterhin verweigern soll. Das Memo randum an Rußland verlangt nur in allgemeinen Aus drucksformen die Garantie für die Güter und Rechtsan sprüche ausländischer Kapitalisten, nicht aber ihre tatsäch liche Rückgabe. Daran hatte sich Belgien gestoßen, offen sichtlich von Frankreich getrieben. Indessen steht die Entente in diesem Punkte den Russen nicht unverwundbar gegenüber. Die Sowjets könnten darauf Hinweisen, daß die Entente selbst in viel schärferer Form Privatgul ent eignete und gar nicht daran denkt, es tatsächlich zurückzu geben, sondern Deutschland zwingt, alle Entschädigungen für die Liquidationen während des Krieges seinen Staats angehörigen zu bezahlen. Insofern ist also der Stand punkt der Russen durchaus nicht ohne innere Begründung, und seitdem England den Modus der Entschädigung und nicht der Rückgabe anerkannt hat, hat es auch wenig zu bedeuten, daß das offizielle Amerika in diesem Punkte mit den Engländern nicht mitgeht. Hier scheint nach der Rückkehr Barthous eine Ände rung eingetreten zu sein. Tatsächlich besteht gerade in dieser Frage für die Franzosen die Gefahr, vollständig isoliert zu bleiben, denn alle andern Mächte, die das Me morandum unterzeichnet haben, und die auch bereit sein dürften, auf dieser Grundlage im allgemeinen mit sich reden zu lassen, dürsten ohne Zweifel mit den Russen zu einem Einvernehmen gelangen können, und in der Frage der russischen Vorkriegsschulden sind, da der größte Teil der russischen Staatspapiere sich in französischen Händen befindet, die übrigen Mächte weit weniger interessiert, so daß Frankreich von etwaigen Konzessionen auf diesem Gebiete für seine eigenen Kapitalisten die schwersten Ge fahren zu erwarten hätte. Diese Gesichtspunkte scheinen das französische Kabinett dazu veranlaßt zu haben, nicht starrsinnig an der bisherigen chauvinistischen Politik festzu halten und Barthou auf seinem Posten zu lassen. Die Un zufriedenheit war groß, sie hat sich indessen gelegt, und wenn auch Barthou für alle Fragen einen Koffer voll In struktionen mitbekommen hat, so wird er vielleicht in Zu kunft doch etwas freier entscheiden können als vorher. Lloyd George hat bereits für die Rückkehr des fran zösischen Delegationsführers eine Besprechung auch mit den Führern der deutschen Delegation vorbereitet. Es liegt vollständig im Dunkeln, was damit beabsichtigt wird. Deutschland und Frankreich haben nur in einer Richtung ein annähernd gemeinsames Interesse, und das ist die Frage der internationalen Anleihe. Es sieht so aus, als ob parallel zu den Pariser Verhandlungen, die Reichsminister Hermes führen wird, in Genua eine Füh lungnahme erfolgt, die teilweise auch die Probleme regelt, die nach dem 31. Mai zur Debatte stehen, und gegen deren Erörterung die Franzosen vorher entscheidenden Wider stand geleistet haben. Keine Nation hat ein besonderes Interesse daran, die Konferenz von Genua zum Scheitern zu bringen, und äußerst geschickt hat Lloyd George die Dinge immer darauf hinausgespielt, jedesmal denjenigen Staat als das schwarze Schaf zu brandmarken, der seinen Wünschen eutgegenhandelte. Nachdem er jetzt ausdrücklich Frankreich vor die Wahl zwischen der Freundschaft Belgiens oder Großbritanniens gestellt hat, dürste die ent scheidende Schwenkung (natürlich auf französischen Wunsch) bei Belgien liegen. Barthous neue Marschroute wird in folgedessen wahrscheinlich dahin gehen, eine mit franzö sischen Sonderwünschen belastete Einigkeit gegenüber einer freien Entschließung der übrigen großen Kouftrcuz- mächte durchzuführen. P.' Eine ZO-MLMarden-Anleiye? Derenglis ch«i talienische Reparationsplan. Trotz der zwischen Barthou und Lloyd George zu er wartenden scharfen Auseinandersetzungen in Genua, die den englischen Ministerpräsidenten schon vorher zu der Drohung veranlaßten, daß er sofort von Genua nachLondon abreisen werde, wenn Frankreich und Belgien das Russen-Memorandum nicht annehmen wollen, sieht man in Genua der weiteren politischen Entwicklung doch mit einer gewissen Ruhe und Sicherheit entgegen. Dazu trägt vor allöm die Hoffnung bei, daß es gelingen wird, eine Verständigung über den 31. Mai herbeizuführen, und zwar vielleicht auf Grund eines eng lisch-italienischen Vorschlages. Dieser Plan will die deutsche Schuldsumme, die per 1. Januar 1922 auf 110 Milliarden beziffert wurde, in zwei Teile zer legen. Für die ersten 65 Milliarden würde sich Deutsch land zur Zahlung von Kapital und Zinsen nur in dem Fall zu verpflichten haben, wenn einer der alliierten Gläubiger die Zahlung seiner Kriegsguthaben von einem allierten Schuldner einfordern sollte. Die andern 45 Milliarden sollen in der Höhe von 5 Milliarden in eine englisch «Anleihe umgewandelt werden. Die übrigen 40 Milliarden sollen mit einem Zinsfuß von fünf Prozent in Raten von je sechs Monaten gezahlt werden. Inzwischen müßte für Deutschland eine internatio nale Anleihe von 30 Milliarden beschafft werden, während Deutschland sichere Garantien für seine Verpflichtungen geben müßte. Diese würden umfassen den Ausgleich des Etats bis 1924, Stillegung der Notenpresse, Unabhängig keit der Neichsbank und Festlegung des Kohlenpreises auf drei Viertel des Weltmarktpreises. Man nimmt in Genau an, daß es gelingen wird, mit der Neparationskommission über die Bedingungen des Moratoriums zu einer Verständigung zu gelangen, auch wenn die Ausschreibung neuer Steuern im Betrage von 60 Milliarden undurchführbar bleibt. Auch die Aussichten der Anleiheverhandlungen in Paris, die für die weitere Entwicklung ausschlaggebend sind, werden nicht ungünstig beurteilt, hat doch Lloyd George selbst nachdrücklich „Klugheit und Mäßigung" bezüglich der am 31. Mai fälligen deutschen Verpflichtungen angeraten. Ob die Franzosen diesem Rat folgen werden, steht allerdings noch auf einem andern Blatt. Rußlands Wiederaufbau. Bericht eines deutschen Abgeordneten. Auf einem parlamentarischen Abend in Berlin sprach dieser Tage der kürzlich aus Rußland zurückgekehrt« ReichstagsabMorduete Dr. Hugo über die politischen und wirrschaftlicknn Zustände Rußlands. Die politische Energie der leitenden Männer, so sagte er, ist kaum zu übertreffen. Sie haben jeden Widerstand gegen ihr Regiment gebrochen und werden auch in Zukunft unter allen Umständen die Autorität des Staates ausrechterhalten. Die Bolschewisten haben sich die alte allrussische Parole zu eigen gemacht, das Heer in ihren Dienst gestellt und weitgehende Anerken nung ihrer auswärtigen Politik auch über ihre eigenen Kreise hinaus gefunden. Es ist auch durchaus keine Aussicht, daß irgend eine Bewegung die heutige Regierung stürzen könne. Dazu sind die Widerstände zu schwäch und die Energie der Gewalt ist zu groß. Dagegen hat auf wirtschaftlichem Gebiete die gesetzgebende Kraft des Kommunismus das Menschen möglichste geleistet. In Rußland kann man studieren, wie alles verfällt, wenn nichts erhalten wird, und wie jede Produktion abstirbt, wenn man den Besitzer, der Werte schafft und erhält, aus seiner arbeitenden und leitenden Stellung verdrängt. Die Industrie ist zerstört, die Woh nungen zerfallen, sogar die Landwirtschaft ist ruiniert. In dem Lande, dessen Landwirtschaft sonst eine gewaltige Ausfuhr leistete, sterben Millionen an Hunger. Die Eisen bahn ist auf einem unglaublichen Tiefstände angelangt. Rußland braucht eine große Kapital-Investierung, dann aber auch eine leistungsfähige Organisationsleitung, denn die politischen Spitzen haben sich schleckt bewäbrt. Die Wiederaufrichtung Rußlands ist von großem Werte zur die Wiederherstellung des Gleichgewichts der Welt. Die deutsche Wirtschaft muß an dem Werke energisch Anteil nehmen, Persönlichkeiten stellen, besondere Auf gaben übernehmen usw. -» Eine russische Stimme. Gleichzeitig hat der russische Delegierte Rakowski, der an der Konferenz von Genua teilnimmt, eine Denkschrift für die Finanzkommission sertiggestellt, worin er dieselben Gedan- kengänge verfolgt. Im Vergleich zu der gewaltigen Aufgabe der Wiederherstellung der Loirdwirtschaft in Rußland seien die Hilfsquellen unzureichend. Daraus ergebe sich Lie Notwendig keit, vom Ausland -Kredite zu erhalten. Die unumgänglich not wendige Summe betrage 3 Milliarden Goldritbcl, die in drei bis fünf Jahren in der Landwirtschaft angelegt werden müß ten. In den letzten vier Jahren seien 4500 Kilometer Eisen bahnen gebaut worden. Die Abteilung für Flußschinahrt habe im Jahre 1921 große Ausbaggerungsarbeiten ausgosührt und die Abteilung für Seeschiffahrt bedeutende Bauten in den Häfen. Schätzungsweise werden für alles dieses 5 Milliarden Goldrubel nötig sein, wovon die Hälfte vom Ausland geliefert werden müsse. Ser Streit über die Getreideumlage. Proipreis und landwirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Von einem volkswirtschaftlichen Mitarbeiter wird uns über die Gründe, die von landwirtschaftlicher Seite gegen die Getreideumllage eingewendet werden, folgendes geschrieben: Wie im vorigen Frühjahr, so ist auch jetzt wieder ein heftiger Kampf um die Getreideumlage entbrannt, bei dem leider in vielen Fällen der Boden der Sachlichkeit verlassen wird und parteipolitische Beweggründe ausschlaggebend geworden sind. Sachlich ist zunächst festzustellen, daß die deutsche Landwirtschaft im laufenden Wirtschaftsjahr die ihr durch Gesetz auferlegte Getreideumlage nach Angabe der Regierungsstellen zur vollen Zufriedenheit erfüllt Heu, obwohl sie mit großen Härten für viele Landwirte verbunden war, weil ja die Bestimmungen nicht auf alle Sondcrfälle Rücksicht nehmen konnten. Fer ner ist darauf hrnzuweifen, daß die Landwirtschaft für das umlagefreie Getreide nur zum geringen Teil die hohen Getreidepreise bekommen hat, die jetzt im freien Verkehr zwischen Getreidehändlern und Konsumenten gezahlt wer den; sie muß nämlich den größten Teil ihrer pflanzlichen Erzeugnisse alljährlich bereits im Herbst verkaufen, um rechtzeitig wieder Geld für den Bezug von Produk tionsmitteln, insbesondere Kunstdünger, zu erhalten. Da auch der Preis für das Umlagegetreide, der bereits im vorigen Sommer festgesetzt war, nicht entsprechend der Geldentwertung erhöht wurde, so liegt klar auf der Hand, daß die Umlage die Kaufkraft des landwirtschaftlichen Betriebskapitals in volkswirtschaftlich bedenklicher Weise gemindert hat. Insbesondere wirkte dies nachteilig auf den Bezug von landwirtschaftlichen Produktions mitteln, besonders von Kunstdünger. Weiter fällt ins Gewicht, daß die Kosten für die öffentliche Be wirtschaftung das Markenbrot stark verteuern. Zur Er- läuterung sei auf die Bildung des Brotpreises in München hingewiefen; er fetzte sich folgendermaßen zu sammen: vor dem Kriege März 1922 Landwirtschaft SO H 27 Müllerei HO A 3X, N Bäckerei und Spesen A kt 29 A Bewirtschaftung durch d^. Neichsgetreidestelle . 402 A So kommt man zu dem Schluß, daß die Umlage in volkswirtschaftlicher Hinsicht doch nicht so zweckmäßig ist, wie oft angenommen wird. Entschließt man sich, die Um lage im kommenden Wirtschaftsjahr fallen zu lassen, so würde damit den Landwirten ein größerer Bezug von k ün st liche n D ü n g em itteln als bisher möglich gemacht werden. Das hätte dann eine größere inländische Produktion, folglich eine Verminderung der auslän dischen Eiusuh» zur Folge. Und das wieder bedeutet eine Verbessrung der deutschen Wirtschaftslage, wirkt also der fortschreiteriden Geldentwertung entgegen. Der Verzicht auf die Umlage, welcher beim ersten Blick auf eine Ver schlechterung des Geldwertes hinzuwirken scheint, trägt auf die Dauer zu einer Besserung des Geldes bei, denn er fördert die Produktion. Der Brotpreis würde zwar steigen, doch relativ nicht viel, denn es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß der Unterschied zwischen Markenbrot- und Freibrotpreis in Zukunft nicht sehr groß fein könnte, weil — wenn man auch den Landtvirten nur einen sehr geringen Preis für das Umlagegetreide zu billigt — so doch die öffentliche Bewirtschaftung das Brot sehr verteuert. Will man aber die Umlage beibehalten, so muß diese zum wenigsten so ausgestaltet werden, daß ungerechte Benachteiligungen einzelner Landwirte ver hindert werden und daß ferner der Preis für Um lagegetreide einer etwaigen weiteren Geldent- Wertung auch im Laufe des Wirtschaftsjahres ange- paßt werden kann. Sonst wird eine starke Anwendung von künstlichen Düngemitteln bei der nächsten Bestellung unmöglich gemacht.