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Fernsprecher Wilsdruff 7K. 6 sÜs UNd UtNgetzLNd Postscheckkonto Dresden 2640 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrata zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Verleger »»d Drucker: Arthur Aschuuke tu Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für dem Inseratenteil: Arthnr Zschunke, beide in Wllodraff. Nr. 122 Sonnabend de« 27. Mai 1822. 81. Jahrgang Kleine Zeitung für eilige Leser. * Die amerikanischen Finanzleute machen eine Anleihe an Deutschland davon abhängig, daß die Entente auf weitere Ge- waltmaßnahmen gegen Deutschland Verzichtet. * ReichSwirtschastsminister Schmidt erstattete im Reichs» tagsausschuß einen Bericht über Genua. * Der Reichsrat hat die erhöhten Postgebühren ab 1. Juli genehmigt. * Bei einem nächtlichen Zusammenstoß des Linienschiffes „Hannover" mit dem Torpedoboot „8 18" sanden 10 deutsche Seeleute den Tod. * In Berlin sand eine Tagung der Kolonialdeutschen statt, die sich dafür aus,prach, daß Deutschland wieder Kolonien haben müsse. Kolonien? Die aus ihren Arbeitsgebieten vertriebenen Kolonial- deutschen traten soeben in Berlin zusammen und faßten eine Entschließung, in der die Rückgabe der geraubten Kolonien gefordert wird. Der Versailler Vertrag hat Deutschland die Kolonien mit der Begründung entrissen, daß Deutschland sie nicht verwalten könne und das Recht verwirkt habe, als zivilisierte Macht aufzutreten und Neu land zu zivilisieren. Die Entente hat sich nicht gescheut, den Krieg auch auf Afrika zu übertragen, und dort haben Schulter an Schulter mit den deutschen Truppen die Ein geborenen sür Deutschland gekämpft und dadurch ihre An hänglichkeit und ihre Dankbarkeit für die deutsche zivilisa torische Arbeit erwiesen. Offiziell stehen die ehemals deut schen Kolonien unter der Verwaltung des Völkerbundes und die Mandate sind noch nicht endgültig verteilt, aber schon zeigt sich der Verfall in den Kolonien sowohl bei den von England als auch den von Frankreich verwalteten. Die rechten Kinder Deutschlands sind zu Stiefkindern ihrer Mandatare geworden. Die fremde Kolonisationsarbeit geht darauf aus, alles Deutsche aus den Kolonien auszu rotten und dafür die eigene nationale Eigentümlichkeit zu übertragen. Namentlich die Engländer haben mit allerdings zu weilen recht grausamen Mitteln ihre Kolonien hochzu bringen verstanden, bei den ehemaligen deutschen Gebieten versagt ihre Kunst, und das ist ein glänzendes Zeugnis für die deutsche Arbeit, das die Lüge von dem mangel haften deutschen Verständnis für Kolonisation schlagend widerlegt. Die Verwaltung der deutschen Kolonien wird auf diese Weise für die Mandatare eine immer größere Last. Deutschland gab seinen Überschuß an Volkskraft und an finanziellen Möglichkeiten sür seine Kolonien aus. So machte die Erschließung solche Fortschritte, daß die Kolonien nicht mehr unrentabel waren. Aber der Krieg hat auch hier vieles zerstört, und so gilt es fetzt, von neuem anzufangen. Wenn die fremden Mandatare glaubten, sie würden eine weitere Einnahmequelle erhalten, haben sie sich geirrt, die Verwaltung der Kolonien kostet ihnen weit aus mehr, als sie einbringt. Dabei geht der Wohlstand unserer ehemaligen Kolonien dauernd zurück. Die sozialen Verhältnisse haben sich erheblich verschlimmert, die Ein geborenen fühlen sich unglücklich und verlangen die deutsche Verwaltung zurück. Noch ist die Mandatsverteilung nicht endgültig erfolgt. Es ist nicht ausgeschlossen, daß, wenn die Befriedung der Welt weitere Fortschritte macht, auch Deutschland wieder herangezogen werden muß zur Ver waltung seiner alten Arbeitsgebiete. Aber das hat noch gute Wege, und nur die Verhältnisse, die stärker sind als die politischen Interessen der Mächte, können dazu führen. Aber die wirtschaftliche Entwicklung geht darauf hinaus. England namentlich macht es wenig aus, ob es zu seinem Kolonialbesitz, der an sich schon übergewaltig ist und dem Mutterlande die größten Schwierigkeiten macht, einige Ge biete behält, die ihm auf lange Zeit hinaus nur um so größere Kosten machen. Es fühlt den Ausfall in doppelter Hinsicht. Wenn England sür die Revision der Reparations- bedingungen eintritt, so wird es dabei durch seine wirt schaftlichen Notwendigkeiten gezwungen, durch die es darauf angewiesen ist, Deutschland unter seinen Kunden zu sehen. Wenn aber diese Revision glücklich sein sollte, wird es sich zeigen, daß das deutsche Wirtschaftsproblem trotzdem noch ungelöst bleibt. Deutschland kann als Kon sument um so eher für England eine Quelle des Gewinns sein, als seine Volkswirtschaft die früheren Grundlagen ihres Gedeihens zurückerhält. Deutschland wurde aber in seiner ganzen Entwicklung immer mehr auf feine kolo niale Tätigkeit angewiesen, wo es den im Mutterland« nicht notwendigen Zuwachs an Menschen und Werten : anlegte. Nur wenn diese Voraussetzungen wieder be- i stehen, kann es ein zufriedeneres und kaufkräftigeres / Deutschland wieder geben, und England würde bei einer i teilweisen Rückgabe der Kolonien an Deutschland zum mindest durch Einsatz Deutschlands als Mandatarmacht auf der einen Seite die Ausgaben für diese Kolonien und die Verwaltungsarbeit einsparen, auf der andern Seite durch Deutschlands gehobene Kaufkraft Nutzen ziehen. Frankreich wird freilich die gewonnene Vergrößerung mit äußerster Zähigkeit verteidigen, wie es überhaupt einer Revision des Friedensvertrages die größten Widerstände entgegensetzt. Der Kolonialbesitz dürfte also auf lange Zeit hinaus nicht in vollem umfange zu Deuycyiano wiederkehren, aber die Entwicklung bereitet es vor, daß wenigstens ein Teil zur Stützung der deutschen Volks wirtschaft zum alten Mutterlande zurückkehrt, und zwar rein aus wirtschaftlichen Notwendigkeiten, die ebenso im Interesse Englands wie in dem Deutschlands liegen. Die Tagung der Kolsmaldeutschen. Berlin. 24. Mak. " In der Universität sand der Hauptfestakt der von der Ar beitsgemeinschaft der kolonialen und kolonial interessierten Vereine Berlins statt. Der Rektor der Universität Geh. Rat Prof. Dr Nernst hielt die Begrüßungsansprache über das Thema Wissenschaft und koloniäle Betätigung, in der er ausführte, die Veranstaltung der gegenwärtigen Ko- lonialtagung bezeuge, daß Verständnis, und Sinn für Deutsch lands koloniale Betätigung jetzt noch weiterleben. Prof. Nernst hob hervor, welche Leistungen die deutsche Wissenschaft auf dem Gebiete der Kolonialforschung und der in den Kolonien auf tretenden Seuchen aufzuweisen habe. Es sei zu hoffen, daß aus den Stillstand unserer Kolonialpolitik wieder ein Aufstieg folgen werde. Der ehemalige Gouverneur von Deutsch-Süd- West-Afrika Seitz besprach die Wirksamkeit Deutschlands in Togo, Kamerun und Deuttch-Südwesi-Asrika. Der jetzige Zu stand sei unhaltbar. Es müsse die Forderung erkämpft werden, daß die deutschen Kolonien wieder unter die deutsche Hoheit gelangen. WirWast-mimster Schmidt über Gema. Grundlagen für wirtschaftspolitische Gesundung. Als erster der deutschen Hauptd elegierten von Genua hat noch vor dem Kanzler der Reichsw irlschaftsMinister Schmidt einen auch der Öffentlichkeit zugänglichen Be richt erstattet, und zwar hat er, seinem Arbeitsgebiet ent sprechend, im volkswirtschaftlichen Ausschuß des Reichs tages einen eingehenden Überblick über die Verhandlungen der wirtschaftlichen Kommission auf der Genueser Kon ferenz gegeben. Die wirtschaftspolitische Situation der sü d o ste ur o p ä- lschen Agrar st aaten bezeichnete er im Ganzen als günstig, während umgekehrt die großen Industrieländer unter der Zerreißung des europäischen Wirtschaftszusammenhangs be sonders empfindlich leiden. Auch die weltpolitische Stellung, Nationalismus oder Pazifismus, erweist sich in erster Linie begründet durch den Grad des Jn'-resses der einzelnen Staaten an der Produkttons- und Ar » Unfähigkeit der anderen Länder. So mutz ein wesentlicher Grund für die Angriffslust der französischen Politik darin gesehen werden, daß Frankreich in verhältnismäßig geringem Grade von der Wirt schaft anderer Länder abhängt. Die russische Wirtschaft bleibt auf Jahre hinaus darauf angewiesen, von den west lichen Staaten mit Geld und Produktionsmitteln unterstützt zu werden. Es steht außer Zweifel, daß das westeuropäische Kapital sich an der ruffischen Wirtschaft nur unter rein kapita listischen Formen beteiligen wird. Selbstverständlich wird die russische Regierung sich alle Mühe geben, — und sie wird, wie der Minister betonte, dabei Deutschland an ihrer Seite finden, — eine Kolonisierung Rußlands zu verhindern. Uber die in Genua geführten Beratungen zur allge meinen Zollpolitik bemerkte der Minister: Von deut scher Seite war von Anfang an die einseitige Meistbegün stigung des Versailler Vertrages als eins der Hauptübel der nationalen Wirtschaft in den Vordergrund gestellt worden. Deutschland sah sich bei diesem für seine künftige Handels politik entscheidenden Vorstoß unterstützt von der über wältigenden Mehrheit der Konferenzteilnehmer, insbeson dere von England. Schließlich wurde ja auch das System der Handelsverträge mit dem Ziele allgemeiner Meistbegün stigung als Hauptforderung in die Beschlüsse ausgenommen. Wenn Deutschland, erklärte der Minister zum Schluffe, in der nächsten Zeit mit einer größeren Anzahl von euro päischen Staaten Handelsabkommen abf ch lie ße n wird, so werden ihm die Beschlüsse der Genueser Konferenz eine überaus wertvolle Grundlage für seinen Wiedereintritt als gleichberechtigtes Mitglied de? internationalen Wirtschaft sein. Die „intemMomie" Aepmationssrage. Ohne Schuldenverminderung keine Anleihe. Die Pariser Verhandlungen des Finanzministers Hermes haben einen internationalen Meinungsaustausch über die Regelung des Zahlungsproblems herbeigeführt. So findet eine Äußerung des „Daily Telegraph" viel Be achtung, in der gesagt wird, bevor irgend eine Aktion von den Alliierten gemeinsam oder von einer einzelnen Macht für den Fall, daß Deutschland am 31. Mai seinen Ver pflichtungen nicht nachkomme, vorgenommen werde, müsse die Reparationskommisfion erst feststellen, daß Deutschland vorsätzlich seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei. Daraufhin wLsse dann noch eine Be sprechung aller Unterzeichner wes Versailler Vertrages stattfinden. Alle vernünftigen Franzosen seien sich jetzt klar dar über, daß das Deutsche Reich nur durch internationale finanzielle Unterstützung in die Lage versetzt werden könne, seinen Reparationsveepflichtungen gegenüber Frankreich nachzukommcn und daß eine Unterstützung dieser AN nicht erfolgen werde, »venu Frankreich von neuem zu Gewalt schreite. M o r g a u und Dr. Vissering würden dies in lyrer Erörterung mtt den Sachverständigen der Nepara tionskommission zum Ausdruck bringen. Morgan selbst, der jetzt in Paris weilt, hat sich geweigert, den Journa listen irgendwelche Erklärungen zu geben, aber aus seiner Umgebung verlautet, daß in Sachverständigenkreisen da mit gerechnet wird, daß die Verhandlung des Komitees zwei bis vier Wochen dauern werden. Man werde während der Konferenz Informationen aus alliierten Bankzeutren heranziehen müssen. Auf Grund dieser In formationen werde das Komitee Vorschlägen, daß der Ge sa m t b e t r a g der Reparationen herabgesetzt werde. Zu der Bedingung, daß die alliierten Negierungen sich verpflichten sollen, vdn ferneren militärischen Sank tionen gegen Deutschland abzusehen, erklärt man in Kreisen der Reparationskommission, daß diese eine solche Bedingung nicht annehmen können, da sie gegen die Souveränität der Kommission verstoße. Die angeblichen deutschen Vorschläge. Von deutscher Seite wird über die Pariser Besprechungen Stillschweigen bewahrt. Daher mnß das, was französische Blätter mehden, mit Vorsicht ausgenommen werden. Es heißt dort: Hermes setzte voraus, daß Deutschland das Moratorium endgültig gewährt werde und es infolgedessen nur 760 Millio nen Goldmark zu bezahlen und für 1 Milliarde 750 Millionen Waren zu liefern hätte. Dazu kämen dann noch die gelegent lichen Kosten für die Ausgleichsbureaus zur Entschädigung Privater sowie sür die interalliierten Kommissionen. Die kommende ZwattgsmMhe. Annahme des Gesetzes im Neichsrat. In seiner letzten Sitzung beschäftigte sich der Reichsrat mit den Einzelheiten des Zwangsanleihegesetzes. Die Ausschüsse haben die Vorlage in wesentlichen Punkten ge ändert, teilweise unter Widerspruch der Reichsregierung. Die Ausschüsse beschlossen, daß unmittelbar nach Ab schluß der zinslosen Zeit, also vom 1. November 1925 ab, bereits 4 Prozent Zinsen gezahlt werden. Eine weitere Änderung bezieht sich auf die Freigrenze. Die Ausschüsse haben sie erweitert in der Weise, daß einmal ohne Rück sicht auf die Art des Vermögens 100 000 Mark freibleiben, dann aber auch die Freigrenze sich auf 300 000 Mark er höht, wenn das Vermögen hauptsächlich aus Vermögen im Sinne des ß 9 des Vermögenssteuergesetzes besteht uno das Gesamteinkommen sür 1921 30 000 Mark nicht über steigt. Die Freigrenze von 1 Million ist hauptsächlich auf den Fall beschränkt worden, daß das Einkommen beson ders aus diesem Vermögen herrührt und das Gesamtein kommen 50 000 Mark nicht übersteigt, soweit es sich um Personen handelt, die entweder über 60 Jahre alt oder erwerbsunfähig sind. Der Taris, der für die natürlichen Personen ursprüng lich sür die ersten 250 000 Mark 2 Prozent vorsah, ist da hin geändert, daß für die ersten 100 000 Mark 1 Prozent und für die nächsten 150 000 Mark 2 Prozent gezeichnet werden sollen. Der Reichsrat nvkm die Beschlüsse des Ausschusses an. Politische Rundschau. Deutsches Mich. Die deutschen Akten von 1871 bis 1914. Unter dem Titel „Die große Politik der Europäischen Kabinette 1871 bis 1914" beginnt demnächst die Samm lung der diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes zu erscheinen. Die Drucklegung der ersten sechs Bände dieses großen Aktenwerkes der deutschen Regierung ist jetzt beendet. Das Werk ist ein Ergebnis der Öffnung der deutschen Archive. Das diplomatische Mtenmaterial des deutschen Auswärtigen Amtes zur Geschichte der euro päischen Politik in der Zeit vom Frankfurter Frieden im Jahre 1871 bis zum Beginn des Weltkrieges soll hier der Öffentlichkeit übergeben werden. Die erste jetzt fertig gestellte Gruppe enthält das Aktenmaterial der Zeit vom Frankfurter Frieden bis zur Entlassung des Fürsten Bismarck. Die Pensionskürznngen im Reichstagsausschuß. Las Pensionskürzungsgosetz beschäftigte den Haupt ausschuß des Reichstages. Angenommen wurde ein Zen trumsantrag gegen die sozialistischen Stimmen, nach dem erst Arbeitseinkommen über 60 000 Mark den Kürzungen unterworfen werden sollen. Ausgenommen wuroe sie Bestimmung, daß das Gesetz keine Anwendung finden soll auf Personen, die nach Vollendung des 60. Lebensjahres auf Wartegeld oder in den Ruhestand versetzt werden. Der Demokrat Delius will in der zweiten Lesung einen Antrag stellen, daß die Bestimmung auf zwangsweise auf Grund ärztlicher Atteste pensionierte Beamte ausgedehnt werde, die bereit seien, wieder in den Dienst einzutreten. Erhöhung der Gebühren für Geschworene. Der Reichsjustizminister Radbruch hat soeben im Reichstag den Entwurf eines neuen Gesetzes über die Ent schädigung der Schöffen, Geschworenen und Vertrauens personen eingebracht. Der neue Entwurf sieht folgendes vor: Die Schöffen und die Vertrauenspersonen des Aus schusses erhalten eine angemessene Entschädigung Nr