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Wilsdruffer Tageblatt : 19.05.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-05-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192205190
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220519
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220519
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-05
- Tag 1922-05-19
-
Monat
1922-05
-
Jahr
1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 19.05.1922
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viewt Sie tn Europa einzig dastehende Bücherei und das La boratorium. Die soziale Gesetzgebung ist verantwortlich für den wirtschaftlichen Ausbau und auch für unseren inneren Frieben. Wir werden unseren Weg weiter gehen. Abg. Frau Olga Schroeder (Soz.): Es muß alles ge schehen, um die Arbeitskraft in Deutschland wiederherzustellea. Das Betriebsrätegesetz betraäften wir als Anfang für die Schaffung einer freien Stellung des Arbeiters. Aber die Arbeiter dürfen von Gesetzen allein nicht ihr Heil erwarten. Der Unterminierung des Achtstundentages müssen wir mit allen Kräften entgegentreten. Erst durch die beschränkte Arbeitszeit ist dem Arbeiter das Familienleben gesichert, und die Arbettsfrcudigkeit ist gestiegen. Die Berufsberatung muß weit mehr als bisher gefordert werden. Die Hinzuziehung von Frauen zur Gewerbeaufsicht ist unumgänglich. In der Sozialpolitik muß Deutschland in der Welt vorangehen. Aus Vorschlag des Präsidenten Loebe wurde die erste Be ratung des Gesetzes über die Arbeitszeit in den Stein kohlenbergwerken mit der Beratung des Reichshaus- haltes verbunden. Abg. Behrens (Deutschn.): An dem Fleiß des Arbeits ministeriums zweifelt niemand. Viele Gesetze sind aber be dingt durch die Umstellung im öffentlichen Leben, besonders durch die Geldentwertung. Es herrscht bei uns zu viel Klassen- und K a sten ge i st. (Zurufe von den Unabhän gigen: „Bei Ihnen!") „Nein," rief der Redner zurück, „bei Fhncn ist er prograinmäßig vorhanden." Daher müssen wir uns bemühen, diesen Klassen- und Kastengeist zu überwinden, um uns menschlich näherzukommen. Der Gesetzgebungsapparat arbeitet zu schwerfällig. Die Not der Krankenkassen ist sehr groß, ein Abbau der Pflichtleistungen ist notwendig. Eine Erweiterung des Arbeilsgerichlswesens bei denjenigen Landesteilen, die nicht von Kaufmanns- oder Gewerbegsrichten erfaßt sind, ist unbedingt erforderlich. Wenn man von der Landwirtschaft verlangt, daß sie länger als 8 Stunden arbeitet, damit das Volk nicht Hunger leidet, dann sollten auch andere Berufsstände ihrerseits diese Pflicht erfüllen. Mit dem Ter ror gegen Andersgesinnte und Andersorganisierte sollte man endlich aushören. Unerhört ist die Belästigung derjenigen, die die Maifeier in einigen Orten nicht mitmachen wollten. Den Landarbeitern muß die Möglichkeit gegeben werden, eine Siedlungsstelle zu pachten mit der Anwartschaft, sie zu kaufen. Abg. Karsten (U.-Soz.): Die Menge der Arbeit des Mini steriums ist unbestritten, aber die Güte der Arbeit läßt viel zu wünschen' übrig. Die Arbeiterschaft ist keineswegs damit zu frieden. Es fehlt an Einheitszeit der gesetzgeberischen Maß nahmen. Man erhält den Eindruck, als ob man es nicht mit einem Arveitsministerium, sondern mit einem „Arbeit- geberministerium" zu tun habe. Abg. Andrö (Zentr.) sprach dem Rcichsarbeitsministerium unumwunden seine Anerkennung aus. Der Redner kam dann auf die Arbeitszeit zu sprechen. Die Woche hat 48 Arbeitsstunden, bemerkte er, nicht 46, wie neuerdings gefordert wird, und wenn die Presse der Linken ihren Lesern predigt, es handele sich bei dem Me tallarbeiterstreik um einen Kamps sür den Achtstunden tag, so ist das eine Irreführung. Der ganze Metallarbeiter- streik ist verfehlt. Die Not der Zeit zwingt uns zu Mehr leistungen Abg. Di. Moldenhauer (D. Volksp.) trat für eine zwlbc- wntzte Sozialpolitik ein. Allerdings müsse diese Politik bei der traurigen Lage unserer Finanzen gewisse Grenzen finden An der Not der Kleinrentner ist Nicht zum wenigsten eine Politik schuld, die durch ihre Ersüllungsweise die Befriedigung unse rer Gegner der Fürsorge für unsere eigenen Volksgenossen vorangestellt hat. Von den unterstützten Arbeitslosen waren in manchen Monaten fast ein Drittel in Berlin. Abg. Erkelenz (Dem.) dankte dem Minister für seine soziai- politiiche Tätigkeit. Die Sozialpolitik der Zukunft muß eine andere sein als die der Vergangenheit, die mehr eine fürsor- gende Tätgkeit war und in der Regel gegen die Arbeiter ge macht wurde. Wir fordern die soziale Selbstverwaltung, die Entstaatlichung der sozialen Fürsorge und Ergänzung durch die soziale Selbstverwaltung der Gewerbe und Berufe. Abg. Schwarzer (Bayer. Volksp.) wies aus die verschie dene Beurteilung hin, die von den Arbeitnehmern und den Arbeitgebern der jetzigen Sozialpolitik zuteil wird. Trotzdem müsse weiter Sozialpolitik getrieben werden, aber das müsse im christlichen Geiste geschehen. Dann sprach noch der Aba. Bartz (Komm.), dessen Aus führungen hauptsächlich dem Kampfe gegen das Arbeitgeber- tum galtcit. Gräfin Laßbergs Enkelin. Roman von Fr. Lehne. 2) (Nachdruck »«Loten.) Und jetzt, wie anders sah der Vater plötzlich aus — das Gesicht schmal und eingefallen, die Nase spitz und dunkle Ringe unter den Augen. Aengstlich drückte sie-seine Hand fester. „Lieber, lieber Papa," flüsierle sie. „Freust du dich auf Großmama?" fragte er. Sie nickte. „Nicht wahr, du versprichst mir, ihr immer cm ar tiges, sorgsames Töchterchen zu sein, auch wenn — ich — wenn" — Angstvoll weittten sich da ihre Augen in einem plötz lichen Verstehen. Zu ost schon hatte der Vater ihr davon gesprochen, daß er vielleicht einmal unvermutet, unerwar tet von ihr gehen konnte. — War es jetzt so weit? Ste konnte ihre Tranen nicht mehr ballen. „Papa, sprich nicht so, du darfst nicht" — „Toch, mein Kind! Du weißt wie krank ich manch mal war, und wie die Beschwerden mich geplagt haben, daß mir Erlösung nur Wohltat gewesen wäre! Und willst du mir die Ruhe jetzt nicht gönnen? Nein, kleine Wonne, das kannst du ja nicht, dazu hast du deinen Papa viel zu lieb! Der liebe Gott weiß, was mir am besten ist — und wenn er mich jetzt nun wirklich ruft, darfst du nicht kla gen und mir das Herz schwer machen! Ich werde immer bei dir sein." Er : prach leise, mit sichtlicher Erregung. Mahnend hob Schwester Ursula die Hand. Er schüt- . telte l.icht den Kopf, und mit unendlicher Zär lichkeit strei chelte er das lockige Haar des Kindes, das jetzt vor dem Bxtt kniete und bitterlich weinte. Er hatte überlegt, ob er Wonne von seinem Tode sprechen sollte, und er war zu d r Ueberzeugung gekommen, es sei das beste, — dann Wae sie diesem Schlag gegenüber doch nicht gänzlich un vorbereitet. Er wußte ja, mit welch vergötternder Liebe sie an ihm hing. Und wenn er nicht noch ein Abschiedswort sür sie gehabt hätte, würde das auf ihr Leben einen tiefen Schalten werfen und ihren Schmerz noch verzweifelter wer den lassen. Jetzt bog er ihren Kops zurück und blickte lange in das süße Kindergesicht. Seine Lippen bewegten sich leise, als flüstere er tausend Segenswünsche. Dann drückte er einen Kuß auf ihre Stirn. Ta übermannte das Kind der Schmerz. Yvonne warf sich ungestüm über den geliebten Vater und legte ihre Wange an die seine. „Nein, -u lieber Papa, du sollst nicht sterben, du sollst noch bei mir bleiben. Ich habe doch niemand als dich," chluchzte sie. Die Fälschungen Anspachs. Fortgang der Untersuchung. Die Nachforschungen nach den DokumeutenfälschMgett Anspachs sind noch keineswegs abgeschlossen, man ist viel mehr auch den Helfershelfern dieses Schwindlers auf dis Spur gekommen, und infolgedessen verbietet es sich für die Behörden von selbst, alles zu veröffentlichen, was bis jetzt entdeckt wurde, da der Fortschritt der Untersuchung da durch gehemmt werden könnte. Dasselbe gilt von dem Nachweis, inwieweit die gefälschten Dokumente tatsächlich die Unterlage für Noten und Reden von Ententepolitikern gebildet haben: Vorläufig kann festgestellt werden, daß Anspach seit dem Frühjahr 1920 systematisch Dokumente gefälscht und diese ans Ausland, namentlich nach Paris, Posen und Warschau verkauft hat, gegen ost recht hohe Beträge. Es gilt auch erwiesen, daß die Brandrede des früheren französischen Kriegsmini sters Lefebre in der Deputiertenkammer über angebliche Waffenfunde, militärische Geheimbünde, Rüstungen und Angriffsvorbereitungen in Deutschland sich auf Material stützte, das Anspach den Franzosen in die Hand gespielt hat. Anspach selbst hat zugegeben, daß er das Lügen dokument über den litauischen Waffenschmuggel verbreitet hat, das seinerzeit sehr viel Aufsehen erregte. Naturge mäß waren die Polen sehr dankbare Abnehmer. Anspach kann übrigens wahrscheinlich nicht wegen Landesverrates bestraft werden. Die Verbreitung von politischen Fäl schungen gilt nicht als Landesverrat. Er wird aber ans Grund des Bcirugsparagraphen belangt werden. Ange sichts der erdrückenden Menge der Enthüllungen ist das peinlich stille Verhalten der französischen und polnischen Behörden und Presse begreiflich. Ihnen sind die Feststel lungen naturgemäß äußerst fatal. Bayern soll boykottiert werden. Amerikanische Beschwerden über Bewucherung. Wie der in Oberammergau weilende Berliner Be richterstatter der „Chicago Tribune" mitteilt, haben die amerikanischen Konsuln in Süddeutschland nach Washing ton eingehende Berichte übersandt, in denen sie über die „unerhörten Methoden der Erpressung", die bayerische Regierungs- und Gemeindebehörden na mentlich gegenüber Amerikanern anzuwenden beliebten, scharfe Beschwerde führen. Diese Konsularberichte ver folgen ausdrücklich den Zweck, amerikanische Staatsange hörige vor dem Besuch Bayerns zu warnen, weil sie dort in skandalöser Weise behandelt und gerupft würden. Der Hauptbeschwerdepunkt, auf den die süddeutschen Kousularveriretungen der Vereinigten Staaten die Auf merksamkeit ihrer Regierung lenken, ist der, daß die baye rische Regierung sich das Recht anmaße, ein besonde res Visum sür Bayern zu sordern, und für ein Aufenthaltsvisum in München Gebühren von 2 bis 30 Dollar erhebe. Nach der Meinung zahlreicher amerikani- fcher Konsuln verletzt Bayern damit das internationale Paßrecht. Eine weitere Klage der amerikanischen Konsuln richtet sich dagegen, -daß Bayern die „barbarische Gewohn heit" fortsetzt, zu nächtlicher Zeit in Hotelräume Beamte eindringen und Amerikaner, die nicht wußten, daß sie außer dem allgemeinen deutschen Visum noch ein besonde res bayerisches Visnm benötigten, verhaften zu lassen. Solche Amerikaner seien zur Polizei geschleppt und -dort viele Stunden lang festgehalten- worden. Die bayerische Grenze sei heute der einzige Ort, an -dem Schlafwagen- Passagiere mitten aus ihrem nächtlichen Schlummer her ausgerissen und zur Paßkontrolle gezwungen würden. Des weiteren wenden sich die Konsularberichte gegen die exorbitante Sonderbestenernng der Amerikaner durch die Stadt München und die von den Münchener Hoteliers in ungerechtfertigter Höhe erhobenen Valutazuschläge. Alle diele schikanösen Methoden hätten, -wie der genannte Kor- I Da trat Schwester Ursula in ihrer geräuschlosen Weise zu ihr und nahm sie sanft in ihren Arm. „Yvonne, vergißt du, was du mir verfprochen? Papa nicht auf egen. Er soll jetzt schlafen. Und du gehst auch wied.r u Bet!, es ist schon spät. Morgen in aller Frühe wecke ich dich. Sag' jetzt deinem Papa „Gute Nacht" unv komm." Yvonne warf sich vor dcm Bett nieder. „Laß mich doch b i dir bleiben, Papa'" fleh e sie. Ich w ll auch ganz artig sein, kein Wort mehr sagen, bitte, bitte!" „Nein, mein Töchterchen, das geht nicht. Sei vernünf tig und schlafe jetzt. Gott sei mit dir, mein geliebtes Kind!" Er küßte sie. Gehorsam stand sie aus. Mit einem herzzerreißenden Blick sah er ihr nach, und es war, als siHle sie seinen Blick. An der Tür wandle sie sich noch einmal um, als sie die tod strau igen Augen des Vaters sah, blieb sie stehe *, wvl.te zurückeilen, doch Schwester Ur sula ließ es nicht zu. Draußen vor der Tür traf sie mit dem Arzt zusam men, der gerade nochmals nach dem Kranken sehen wollte. Er schüttete mißbilligend den Kopf. „Schwester Ursula —" „Herr Doktor, ich tat, was ich mußte," verteidigte sie sich. Sie brachte das weinende Kind zu Bett und beeilte sich dann, zu dem ihrer Pflege anvertrauten Kranken zu rückzukehren. „Yvonne läßt ihren lieben Papa nochmals grüßen!" Sie zwang sich zu einem Lächcln, obgleich ihr das Herz weh tat in der Erinnerung an die letzten Minuten. Ihr Verus hatte es mit sich gebracht, daß sie schon öfters Zeu gin erschütternder Auftr tte geworden war. Doch noch nichts hatte sie so gepackt wie das Schicksal dieses fremden, vor nehmen Mannes und seines Töchterchens, das nun bald verwaist sein würde. Edgar Laßberg lag mit geschlossenen Augen da. Er usttte nur schwach, zum Zeichen, daß er Schwester Ursu las Worte gehört. Dann sagte er nach einer Weile: „Schwester, in mei ner Brieftasche befinden sich Papiere, die für Yvonne wich tig sind, außerdem cin Kuvcrt mit der Auffchr st: „Mein letzter Wille." Verwahren Sie es gut sür mein Kind. Ich habe ja niemand sonst, dem ich alles anyertrauen kann. Sie finde» Geld für alle letzte Ausgaben in meiner Brief tasche. Uuv das Schreiben an meine Mutter—" Sie neigte sich über ihn. „Seien Sie ganz ruhig, ich besorge alles. Yvonne soft bei mir bleiben, bis sie geholt wird. Beschweren Sie Ihre Gedanken doch nicht mit Sorgen!" „Dank!" flüsterte er und dann sprach er nichts mehr. Und als die ersten Morgenstunden grauten, hatte ein armes, müdes Meuscheuherz den letzten Kamps gekämpft. * * vesponvent erklärt, bereits zahlreiche Amerikaner veran laßt, ihre geplanten Besucheber Münchener Gewerbes chau aufzugeben. Die verstopften Quellen Europas. Nansens große Rebe über Rußland. Der Völkerbundsrat hatte sich neuerdings mit einer ganzen Anzahl internationaler Angelegenheiten zu be schäftigen. Nansen berichtete über seine Hilfstätigkeit für die türkischen Gefangenen in Griechenland. Die Opium- kommission kam zu Wort. Huysmans berichtete über Streitfragen zwischen Litauen und Polen, wozu auch Ver treter dieser Länder das Wort ergriffen: In der öffent lichen Sitzung sprach Nansen, zugleich Oberkommissar der Rußlandhilfe und norwegischer Delegierter, über die russische Hungersnot als wirtschaftliches Problem. Er regte eine UntersuchungZ- kommission an. In der Begründung seines Antrages gab Nansen ausführliche Einzelheiten über die russische Hun gersnot, den Kannibalismus, zu dem sie geführt hat, und die trostlosen Aussichten sür das nächste Jahr in folge der geringen zu erwartenden Ernteerträge. Die Arbeiter Norwegens, so sagte Nansen weiter, sind ohne Beschäftigung, weil die Fabriken geschlossen sind. Die Schiffer sind müßig, weil die Schiffe untätig im Hafen liegen und ste keinen Absatz für ihre Fische finden. Nor wegen erlebt gegenwärtig eine der schwersten Krisen, und das gleiche gilt.für ganz Europa. Nach Ansicht meiner Regierung ist diese Krise nur darauf zurückzuführen, daß Rußland aufgehört hat, wirtschaftlich zu existieren. Wir müssen Rußland für das Wirtschafts leben des Kontinents zurückgcwinnen. Alle großen Volks- Wirtschaftler sind sich darin einig, daß das Durchschnitts niveau unserer Lebensbedingungen nur deshalb so lies sieht, weil Rußland heute isoliert ist. Dieses Niveau wird nach ihrer Ansicht auch weiterhin so niedrig bleiben, so lange Rußland nicht wieder der große Erzeuger von Reichtümern geworden ist. Dies alles interessiert vielleicht erst in Zukunft. Aber bereits für die Gegenwart gilt, daß, wenn Rußland, wieder in das Wirtschaftsleben eintritt, gleichzeitig in den überall stillstehenden Fabriken die Arbeit wieder einkehrt; ebenso würden sofort die verstopften Qncllen des Reichtums wieder fließen. Raufen kritisierte schließlich sehr scharf die Konferenz von Genua, die fünf Wochen die Lage Rußlands dis kutierte und nichts leistete. Nach einer lebhafter: Debatte sträubte sich Nansen energisch dagegen; daß sein'Antrag an die Genueser Konferenz gehen sollte, das wäre ein Be gräbnis der ganzen Angelegenheit. Schließlich einigte man sich, daß falls die Genueser Konferenz oder eine ihrer Kommissionen den Antrag nicht erledigen werde, -der Völkerbundsrat ihn wieder aufnehmen möge. * Hoover über Rußland. Gleichzeitig sprach der amerikanische Handelsminister Hoover vor der Handelskammer zu Washington über Ruß land. Er sagte, das russische Volk sterbe an der Zerstörung seiner Produktivität. Amerika sei an dem Aufbau Rußlands nicht so interessiert, wie man immer höre. Rußland habe vor dem Kriege nur ein Hundertstel der amerikanischen Aus fuhr ausgenommen, was nur für 30 060 amerikanische Arbeiter Erwerb bedeute. Das russische Problem müsse praktisch ange- faßt werden. Man solle nicht vergessen, daß Wohltätig keit nach der Natur der Dinge nur zeitweilig sein könne. August Thyffen. Zum 80. Geburtstag des reich st euDeutschen Der in der ganzen Welt bekannte rheinische Großindu strielle August Thyssen vollendete am 17. Mai sein 80. Lebensjahr. Mit einem Kapital von 8000 Talern machte sich Thyssen Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zu Duisburg in der Eisenbranche selbstän dig. 1871 siedelte er nach Mülheim an der Ruhr über und gründete mit seinem Bruder die Firma Thyssen und Co. Es war schon spät am Abend, als Yvonne mit ihrem Vefteiter auf Schloß Burgau ankam. Sie stand noch ganz un er dcm Eindruck des Entsetzlichen, das über sie herein- gcbr.chen. Cie wir wie bftäubt und konnte den Verlust des geliebten Va ers noch gar nicht fassen. Die lange Ei'eabah ifahrt H ite sie wie im Traum zurückgelegt, im mer nur den einen Gedanken ausspinnend: Du hast dei nen lieben Papa verloren, du wirst ihn niemals Wieder sehen. Und nun sollte sie in wenigen Minuten der Großmut ter gcgenü erstehen! Zagend schritt sie durch die weiten, nur schwach er- HMcn Ko ridore des alten, ehrwürdigen Baues. Sie er schrak fast vor dem Widerhall ihrer eigenen Schritte. Jetzt ging n sie durch cin Vorzimmer, das mit steifen, verschnörkelten Mobftn angesü lt war, und vor einer großen Flügeltür machte Ivonnes Begleiter halt. Er klopfte an. „Herein!" ries eine t uende Frauenstimme, und gleich danach stand das Kind vor seiner Großmutter, der Grä fin Laßbcrg. „Da sind Sie ja, Kroßmann!" „Ja, gnädigste Gräfin, und hier ist die kleine Kom- iesse." Yvonne fühlte sich erzittern unter -dem forschenden Blick der hohen Fraueagestalt, in dem so gar keine Liebe, keine Wärme lag, nur ein kaltes Prüsen. Unwillkürlich strichen ihre Hä. de glättend an dem schwarzen Kleid her unter, damit nicht etwa ein Fältchen Anlaß zu eimm Tadel gäbe. Dann bezwang sie ihre Furcht; ste ging aus d e Gräfin zu, streckte die Arme aus, und schluchzend kam cs von ihren Lippen: „Großmama!" Doch sie nahm sie nicht, wie sie gehofft, tröstend in die Arme. Flüchtig nur faßte sie eine Hand des Kindes. „Du wirst gewiß müde und hungrig nach der Fahrt sein. Gehe mit Kroßmann nach deinem Zimmer. Dort wartet Ch.ißine auf dich, die dir Abendbrot gibt und dich zu Bett bringt!" Dis erhobenen Arme des Kindes sanken herab. Wie in banger Frage öffneten sich die weichen Kinderlippen, doch kein Wort brachten sie hervor — nur ein weher Seuf zer zitterte darüber hin. „Bringen Sie die Komteß hinüber, Kroßmann, und dann erstatten Sie mir Bericht!" Er v rnetgte sich. „Gute Nacht, Yvonne!" sagte die Gräfin und reichte der Enkelin die Hand, zögernd aber nur und mit einer gewissen Ueberwindung. „Gute Nacht, schlafe Wohl!" Schüchtern küßte Yvonne die große, kräftige Hand. „Gute Nacht, Grozmama!" flüsterte sie, immer noch mit dcm flehenden, erstaunten Blick in den großen Argen. Wi der kein Kutz, kein liebevolles Wort, ohne das sie doch sonst nie zu Bet gegangen war—und ihr armes Herz begann erst jetzt ganz die Größe ihres Verlustes zu suhlen. (S»rtletz»a s»IM
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