Suche löschen...
Wilsdruffer Tageblatt : 13.05.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-05-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192205131
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220513
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220513
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-05
- Tag 1922-05-13
-
Monat
1922-05
-
Jahr
1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 13.05.1922
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
«ave Das Vertrauen zu meinen Mitarbeitern unv vrm Per sonal, daß die Eisenbahnverwaltung wieder vorwärts kommen wird. Industrie und Handel dürfen sich nicht der Eisenbahn« verwaltung wie Gegner gegenüberstellen, wir müssen genrein, sam suchen, die llbelstände zu beseitigen. Das Defizit von 1920 in Höhe von 15,6 Milliarden drückt noch heute aus unsere Verwaltung. Als der Fehlbetrag auf etwa 5 Milliarden der- mindert war, kam die Balutawelle und ließ den Fehl- betrag wieder auf 11,8 Milliarden ansteigen. Das laufende Jahr wird günstiger abschliehcn. Kohlen-, Eisenpreise, Gehälter und Löhne beeinflussen in erster Linie das Ergebnis der Eisenbahn. Solange die Schraube weiter angczogen wird, werden wir nicht zu ruhiger Ent wicklung kommen. Der RefereMenentwurf des Eisenbahn fi n a n z g e s e tz e s hat meine persönliche Zustimmung bisher noch nicht gefunden. Einstweilen liegen die Äußerungen der Presse und der beteiligten Kreise vor. Daraufhin werden wir Weiterarbeiten. Wenn Ministerialratssiellen gestrichen werden, so werden wieder die Techniker darunter leiden, die wir für die Elektrisierung der Bahn dringend brauchen. Eine Übernahme der Mitropa und des Mitteleuropäischen Neisebureaus aus die Neichseiscnbahnverwaltung ist einstwei len noch nicht denkbar. Die Verhandlungen über Dienst- un- Ruhezeit, die gegenwärtig mit den Gewerkschaften gepflogen werden, dürften in diesen Tagen zum befriedigen den Abschluß kommen. Kurz vor dem Eisenbahnerstreik noch sind die Beamten darauf hingowiesen worden, daß ein Streikrecht ihnen nicht zustehe. Für die Disziplinierung der am Streik beteiligten Beamten werden die vom Gesamt- iabinett herausgegebenen Richtlinien loyal gehandhabt. Seit Wochen sind neue Verfahren, abgesehen von einigen besonders schweren Fällen, nicht mehr eingeleitet worden. 105 Fälle sind aus dem Disziplinarwege erledigt worden, weitere 40 bis 50 Fälle schweben, 168 Kündigungen sind ausgesprochen. Bei etwa 100 000 am Streik Beteiligten fallen diese geringen Zah len kaum ins Gewicht. Der Streik wird von uns als etwas Vergangenes anzusehen, um das Vertrauen der Beamtenschaft wieder herzustellen. Abg. Wieland (Dem.). Die Eisenbahn muß wieder zum Rückgrat unserer Finanzen werden. Das Arbeitszeitgesetz muß die bestehenden Mißstände beseitigen. Es geht nicht län ger an, daß die Norddeutschen weniger arbeiten als die Süd deutschen. Dre gemischtwirtschaftliche Betrieb wäre auch für die Reichseisenbahn die geeignete Betriebs form. Reichsverkehrsminister Groener antwortete darauf: Wir bemühen uns, das Personal aus daS notwendige Maß zu ver mindern. Die Kohlenversorgung ist unsere ernsteste Sorge. Die Kriegsschäden an den Lokomotiven werden voraus-» sichtlich bis zum 1. April nächsten Jahres vollständig beseitigt sein. Der jetzt neueingeführte Lokomotivtyp wird den Ver kehr sehr verbessern. In der Frage der Tarifpolitik wird am 1. Juli der neue Reichseisenbahnrat seine Beratun gen aufnehmen. Die auf Niedrighaltung der Persorentarife gerichteten Wünsche werden wohlwollend geprüft werden. Ich bin ein Freund gemischtwirtschaftlicher Unternehmungen, schloß der Minister, aber nur für bestimmte, begrenzte Auf gaben. Wie weit der gemischtwirtschaftliche Betrieb bei der Reichsbahn Anwendung finden kann, ist sehr zu überlegen. Denn hier handelt es sich um sine zeitlich unbegrenzte und räumlich sehr ausgedehnte Unternehmung. Abg. Aufhäuser (U.-Soz.) betonte u. a.: Alle Soziallsie- rungsbestrebungen seien jetzt unterdrückt, und das Kapital fühle sich heute schon stark genug, selbst die Eisenbahnen an sich zu reißen, die vor dem Kriege unbestrittenes Eigentum des Staates waren. Weiter behandelte der Redner den Acht stundentag und bekämpfte die Art, in der die Eisenbahnve» Wallung die Arbeitszeit regeln will. Die Sitzung währte noch geraume Zeil. Die künftigen Postgebühren. Ein Brief 1 bezw. 3 Mark. Um das Defizit der Poft zu decken, sollen bekanntlich zu einem noch nicht bestimmten Termin neue Portoerhö hungen in Kraft treten. Für diese werden jetzt folgende Richtlinien bekanntgegeben: Im Ortsverkehr Postkarten unverändert, einfache Briefe auf 1 Mark herabgesetzt: beim Doppelbrief von 20 bis 100 Gramm wie bisher 2 Mark, von 100 bis 250 Gramm 3 Mark; im Fernverkehr die Postkarte 1.50 Mark, der einfache Brief 3 Mart, die beiden höheren Gewichtsstufen 4 und 5 Mark; für Drucksachen bis 20 Gramm 50 Pfennig, von 20 bis 50 Gramm 75 Pfennig. Ansichtskarten mit 5 Worten auf der Vorderseite statt 40 Pfennig 50 Pfennig. Das beliebte 1-Kilo- Päckchen wird von 4 auf 6 Mark gesteigert. Für Pakete in der Nahzone sind Erhöhungen nur für die bisherigen beiden untersten Gewichtsstusen vorgesehen; für die höheren. Gewichts- „Wem nie dm- Liebe Leib geWH..." Roman von Erich Friesen. 44s (Nachdruck verbot«.) Sigrid Arnoldsen mar es, die mit Frau «Nieiecre sie seltsame Angelegenheit besprechen wollte. Doch die alte F-rau schien durch Sigrids Teilnahme gar nicht erfreut zu sein. Ganz gegen ihre Gewohnheit gab sie nur einsilbige Antworten und mied ersichtlich den Blick von Sigrids klaren grauen Augen. „Ich verstehe nicht, daß Felicie nicht zuerst hierher kam, um ihr Kind zu sehen", meinte Sigrid kopfschüt telnd. „Mir tut Ihre Tochter unendlich leid, liebe Frau Giesecke. Holm ist ganz unglücklich. Und das Schlimme bei der Cache ist, daß wir absolut nichts für Felici tun können, weil wir ihren Aufenthaltsort nich! kennen." Frau Giesecke schwieg und machte sich mit Klein- Walterchen zu schaffen, um ihre Unruhe zu verbergen. Wenn Fräulein Arnoldsen doch erst ginge! „Wie konnte Felicie nur so unvorsichtig sein und den Fluchtversuch wagen!" fuhr Sigrid erregt fort. „Sie mußte doch wissen, daß er sofort entdeckt werde und daß man ihr bald wieder auf der Fährte sein würde! Sie war beim Gefängnisdircktor so gut ungeschrieben — er hatte ihr so manche Erleichterung verschafft nun ist das alles vorbei. Man wird sie aufstöbern und ihre Strafe verschärfen oder gar verlängern. Was kann sic nur auf den unglücklichen Gedanken einer Flucht ge bracht haben?" Verlegen blickte Frau Giesecke vor sich hin. „Nun, ich denke, sie sehnte sich nach ihrem Mann und Sem Kinde!" „Aber sie ist doch nicht hergekommen?" Hetzt faßte Frau Giesecke Mut. „Wenn sie noch kommen sollte — heute oder morgen — was soll ich tun, Fränlein Arnoldsen?" „Wie können Sie noch fragen? Sie natürlich sofort mit offenen Armen ausnehmen! Wollte Gott, sie käme bald! ... Da ist Holm. Er scheint Sie zu suchen, Frau Giesecke!" Da stand Winfried auch schon auf der Schwelle. Er sah finster und sehr erregt aus. „Darf ich eintreten?" „Selbstverständlich, lieber Freund! Es ist ja das Zimmer Jbres Kindes!" Leise aufseufzend ließ Winfried sich auf der Chaisc- logne neben Sigrid nieder. Der armen Frau Giesecke wurde es immer unbe- kaalicker ru Mute. Wie konnte sie die beiden nur fort- pufen reuwefte Heravsetzüngen. In vek Fernzone Steigerung der Gebühr für Pakete bis 5 Kilogramm von 9 aus 14 Mark. Die Zeitungsgebühren werden beträchtlich erhöht bei einem Durchschnittsgewicht der Zeitungsnnmmer: bis 20 Gramm 614 Pfennig, bis 30 Gramm 8 Pfennig, bis 40 Gramm 10 Pfennig, bis 60 Gramm 13 Pfennig. Die höheren Gebühren sollen mit dem 1. Oktober in Kraft treten. Für Ausländs briefe sollen die Gebühren in der Regel verdoppelt werden, so daß der einfache Brief 8 Mark zu tragen hätte. Tele gramme im Fernverkehr 1^0 Mark für jedes Wort, min, bestens 15 Mark. Zur Deckung der Mehrkosten für den Fern- sp rechbetrieb soll der am 1. Januar 1922 eingeführte Teuerungszuschlag von 80 Prozent aus 160 Prozent gesteigert werden. Es handelt sich, wie wiederholt betont sei, zunächst nur um Richtlinien, nicht etwa um endgültige Beschlüsse. Die ZwangsanleHe. Einzelheiten des Entwurfs. Vber die Einzelheiten des Gesetzes über die Zwangs anleihe, das jetzt im Entwurf dem Neichsrat zugegangen ist, teilt die D. A. Z. u. a. mit: In dem Entwurf ist der Gesamtbetrag von einer Milliarde Goldmark, der durch die Zwangsanleihe aufgebracht werden soll, festgesetzt, und ferner, daß die Anleihe in den ersten drei Jahren unverzinslich ist. Man hat infolge der Geldentwer tung einen Betrag von 60 Milliarden Papiermark als den auf zubringenden Mindestbetrag anzusetzen. Die dreijährige Un verzinslichkeit bleibt, geht, da spätestens im Laufe des Oktober 1922 zunächst die Selbsteinschätzung bewirkt werden mutz, bis zum 1. November 1925; in den folgenden fünf Jahren wird sie mit 214 Prozent und sodann mit 4 Prozent verzinst Zur Zwangsanleihe herangezogen werden nur die Vermögen über den Betrag von 100 000 Mark hinaus; für die Rentner, die im wesentlichen ihr Einkomnren aus dem Vermögen ziehen, wird, wenn das Einkommen den Betrag von 50 000 Mark nicht über steigt, die steuerfreie Grenze des Vermögens bis auf eine Million Mark erweitert. Im übrigen ist das Einkommen der Zwangsanleihe nicht unterworfen. Die Zeichnunaspflicht steht in direktem Zusammenhänge mit der Steuerpflicht zur Vermögensabgabe. Für diejenigen, welche bereits mehr als das vorgeschriebene Zehntel des steuerpflichtigen Vermögens als Reichsnotopfer gezahlt haben, ist vorgesehen, daß der zu viel gezahlte Betrag auf die Zwangsanleihe in Anrechnung ge bracht werden kann. Sowohl bei der Vermögenssteuer wie jetzt bei der Zwangsanleihe wird bei der erstmaligen Veranlagung der Stand vom 31. Dezember 1922 zugrunde gelegt. Der Entwurf wird voraussichtlich im Reichsrat und tm Reichstag noch einige Abänderungen erfahren. Der Eisenbahnerstreik vor Gericht. Disziplinarverfahren gegen Menne und Genoffen. w. Erfurt, 11. Mai. Vor der NNibsoisziplinarkommer begann heute hier die Verhandlung gegen die drei Hauptsührer des großen Eisen bahnerstreiks, der Ende Februar d. I. den größten Teil des deutschen Eisenbahnverkehrs lahmlegte. Angcklagt sind der Eisenbahninspektor Menne, der Lokomotivführer Thieme und der Eisenbahnsekretär Diblik. Ihnen wird zur Last gelegt, daß sie beim Ausbruch und bei der Fortsetzung des Srreiks hervorragend mitgewirkt und dadurch ihre Pflichten als Reichsbeamte verletzt haben. Die Beschuldigten machen geltend, daß sie zur Zeit des Streikes überhaupt nicht im Be- umteuverhältnis standen, weil sie zur Leitung der Reichsge- werkschaft beurlaubt waren. Menne, der hier eine sehr bekannte Persönlichkeit ist, inszenierte im Sommer 1919 den Putsch der Eisenbahn beamten und setzte den Eisenkbahnpräftdenten Kindermann ab, nm ihn durch einen mittleren Beamten zu ersetzen. Er gibt auf die Fragen des Vorsitzenden zu, daß er der geistige Führer des letzten Streiks War, und daß er, um die For derungen der Eisenbahner zu erreichen, der Regierung ein Ultimatum gestellt habe. Er bestreitet jedoch, ge- beime Zusammenkünfte zur Vorbereitung des Streiks veran staltet zu haben, und bestreitet ferner, daß die Zeitung der Reichsgewerkschast zum Streit gehetzt habe. Die den Gedanken eines Streiks bekundenden Artikel sollten der Regierung nur als Warnung dienen. Die Parier'preffe zur neuen Aoie. Bedenken und Zustimmung. Die Berliner Blätter zollen der netten Note an dis Revarationskommisfion im allgemeinen ihre Zustimmung. schaffen! Und wenn jetzt gar ein Wort zwischen ihnen fallen würde, das Felicie verletzen könnte! Nur gut, daß sie selbst wenigstens zugegen war, um eine Kata strophe zu verhindern! Doch das Schicksal schien es anders vorzuhaben. Es schellte draußen. Und weil Anna zum Bäcker gegangen war, mußte Frau Giesecke öffnen. Und weil es der Koylcnmann war, mußte st-e mit ihm in den Keller gehen Kaum hatte seine Schwiegermutter das Zimmer ver lassen. als Winfried in heftigster Erregung aufsprang. „Auch noch der Schlag!" preßte er zwischen den Zähnen hervor. „Fetzt muß Felicie auch noch das Un glück, das sie über sich und uns alle gebracht hat, ver größern durch ihre wahnsinnige Flucht. Nicht genug, daß Sie mich aufgcbcn wollen, Sigrid —" »Ich gebe Sie nicht auf, lieber Freund", fiel Sigrid sanft ein. „Ich werde Ihnen und Ihrer Frau stets die selbe treue Freundin bleiben!" „Fa, vor- Newyork aus! Vom anderen Ende der Welt!" rief Winfried bitter. „Was ich von solcher Freundschaft habe! Vorhin erst teilte mir Direktor Tauscher mit er habe Sie fast fußfällig gebeten, bei ihm zu bleiben und nicht über das große Wasser zu gehen. Vergebens. Six wären hart wie Stahl gewesen. Sigrid! Liebste, beste Sigrid! Wissen Sie denn nicht, was ich oerlierc, wenn Sie von mir gehen?" Auch Sigrid hatte sich von der Chaiselogne erhoben In ihren schönen Zügen spiegelte sich ein heftiger See- lcnkamvf wieder. „Eben, weil 'ch es weiß mein Freund!" erwiderte sic, sich zur Ruhe zmingcnd, obgleich es in ihrer Stimme wie von verhaltenen Tränen zitterte. „Machen Sie mir das Herz doch nicht noch unnötig schwer!" „Und wenn ich mich nun ebenfalls nach Newyork engagieren ließe?" „So würde ich sagen: ich habe mich in Winfried Ho'm getäuscht: er ist nicht mehr mein Freund . . .. Abcr das wird er nicht tun" fuhr sie rasch fort, als sie seine plötzliche tiefe Blässe lcmc"lte. „Denken Sie an Ihre liebe Fran, Winfried! Wer weiß, wie bald Sie sie wir- berschen! . . . Ah, da kommt ja anch Frau Giesecke zu rück' Es wird das beste sein, Sie besprechen Felici-^ Angelegenheit mit ihr. Leben Sie wohl, lieber Freund! Ans Wiedersehen nachher beim Mittagessen!" Sigrid hatte ihre volle Selbstbeherrschung wieder- gesunden. Mit freundlichem Gruß verabschiedete sie sich von den beiden und verließ gleich darauf dal- Zimmer. Doch Winfried schien keine Lust auf eine Untcrhal-- tunL mit seiner Schwiegermutter, zu. haben. nur von ganz rechts werden Zweifel in der Hinsicht ge äußert, daß das angestrebte Ziel, auch wenn es erreicht wird, nicht genüge, um uns eine wirksame dauernde Hilf» und Erleichterung zu gewährleisten. Die Deutsche Tageszeitung spricht von einer „Rückzugsnole" und sagt: „Unsere Regierung hat eS nicht verstanden, der Tatsache Geltung zu verschaffen, daß Deutschland schon übermenschliches an Kontrabutionen ge leistet und mit seiner bisherigen Steuerlast den Vertrag von Versailles mehr als erfüllt hat. Sie hat es noch weniger ver standen, den Willen zum Widerstande gegen Unmögliches im deutschen Volke zu wecken." — In der Täglichen Rund schau wird vor allem die Deckungssrage für die verbleiben den inneren Lasten angeschnitten und dazu bemerkt: „Könnte» wir das Vertrauen haben, daß im Laufe der Zeit, für die eine uns zu gewährende äußere Anleihe uns von den eigenen Bar zahlungen an die Entente freimacht, die Vernunft zum Siege kommt und tief einschneidende Abstriche von den Reparations forderungen macht, dann brauchten uns die etwa zu stellen den Pfänder keine so schweren Sorgen zu verursachen, weil wir uns gegen ihren Verfall sichern könnten. Da diese Hoff nung aber einstweilen unendlich gering ist, wird die Frage der Deckung oder der Garantien uns noch schwere Kopfzerbrechen bereiten." — Die Deutsche Allg. Zeitung bewachtet die Lage außenpolitisch: „Das Geschäft ist zwar mit der Repara tionskommission abzuschließen, aber an erster Stelle entscheidet es über französische Ansprüche und französische Be dürfnisse! Das ist das entscheidende, das ist die statte Po sition Frankreichs. Wenn eine Isolierung Frankreichs statt findet, dann ist es die, daß man ihm Len Vortritt zur Re gelung seiner Lebensfragen läßt." In der Germania heißt es: /Die Note dürste geeignet sein, dem drohenden Termin des 31. Mai die Gistzähne aus zubrechen, die uns der französische Chauvinismus in der letz ten Zeit so unermüdlich vorgeführt hat. — Die Vossisch« Zeitung sagt: „Es wird sehr viel darauf ankommen, wie sich der Hauptgläubiger, Frankreich, dabei einstellt. Ohne Zweifel bildet die politische Nervosität, die in Paris immer stärker hervortritt, eine Erschwerung für jede Verständigung. Auf der anderen Seite liegt aber zweifellos ein so starkes Interesse der französischen Wirtschaft vor, durch die Ermög lichung einer Anleihe in den Besitz greifbarer Wette zu ge langen, daß man ohne Pessimismus -er weiteren Entwicklung entgegensehen darf." — Das Berliner Tageblatt ur teilt: „In ihrer sachlichen Nüchternheit und ihrer präzisen Form legt die deutsche Antwortnote ein neues Zeugnis von dem ernsten Willen Deutschlands ab, im Rahmen des Mög lichen die Neparationsverpflichtungen zu erfüllen. Sie ver sucht über den toten Punkt hinwegzukommen, um die Bahn Wieder frei zu machen für vernünftige Verhandlungen mit den Gegnern. Wir hoffen, daß sie nicht umsonst geschrieben sein wird." — Der Vorwärts schreibt: „Die deutsche Regie rung hat durch ihre Note gezeigt, -aß sie nicht -en Konflitt. sondern ei^e befriedigende Lösung auf dem Wege der Ver ständigung sucht. Wir glauben nicht fehlzugehen in der An nahme, daß die Reparationskommission schon eine gewisse Be reitschaft erkennen ließ, ihr auf diesem Woge entgegenzukom men. Die Weiche für den 31. Mai ist nicht aus Zuiammenstoß, sondern auf Weiterfahrt gestellt. Die Finger von Unbefugten oder Böswilligen sollen dem Hsbelwerk fernbleiben!" Zusammenfassend kann gesagt werden, daß in allen Parteilagern die neue Note als ein Zeichen der Entspan- nung angesehen wird, was man größtenteils den voran gegangenen Verftändigungsverharrdlungen in Genua zn- jchrecht. Ein Kätschergenie. Die Laufbahn eines politischen Sorbstavl-rS. 8. Berlin, 11. Mai. Die Berliner Kriminalpolizei hat, wie gemeldet, in der Person eines gewissen Erich Anspach einen unge wöhnlichen Verbrecher, der im Grunde aber ein ganz ge wöhnlicher gewerbsmäßiger Fälscher war, dingfest gemacht. Vor etwa sechs Wochen wurde eine Massenfälschnng von Reifezeugnissen entdeckt. Der Hauptschauplatz des Schwindels war Breslau, und einer der Hauptbeteiligten war ein zunächst unbekannter angeblicher Doktor, dessen Spur nach Berlin führte. Hier wurde er denn auch er mittelt als der 24 Jahre alte Erich Anspach, -er der Polizei als Pfandscheinfälscher schon bekannt war. Bald darauf wurde er gefaßt, und nun wurde das ganze gefährliche Treiben des Fälschers, das auch auf bas politische Gebiet hinüberspielte, aufgedeckt. Eriöb Ansvach stammt aus Lamme bei Bochum und Aum er ging uno warf ore L«r krachend hinter sich ins Schloß. XXI. Felicie hatte eine nervenaufpeiischende Stunde hinter sich. Was sie während dieser Zeit in ihrem dunk len Versteck gelitten hatte, wußte nur sie allein. Zuerst die Angst, als der Polizist kam. Aber was bedeutete diese Angst gegenüber der Verzweiflung, die sie packte, als sie den Lcidcnschaftsausbruch ihres Man nes anhören mußte, der ihr klar bewies, daß er Sigrid Arnoldsen liebte! Nur mit Aufbieten all ihrer Kräfte war es ihr mög lich gewesen, sich nicht zu verraten. Hinstürzen hätte sie mögen zu Winfried und ihm ins Gesicht schleudern, daß er ein Verräter sei und daß sie ihn verachte. Was hatte sie davon abgehalten? Sie wußte es selbst nicht. Aber als sie jetzt schweratmend aus ihrer dunklen Kammer zum Vorschein kam, erschrak Frau Giesecke über ihr Aussehen. „Mutter, Mutter! Hast Du gehört?" „Was, Kind? Ich bin eben erst wieder hereinKS- kommcn —" „Er wollte sie durchaus hier Schalten oder ihr nach Amerika folgen!"' „Wer?" „Winfried." „Und sie?" „Sie wollte nicht. Aber das ist alles nur Koketterie, Mutter. Sie hat ihn in ihre Netze verstrickt und will ihn nun ein wenig zappeln lassen!" stieß Felicie ver ächtlich heraus. „O, wie ich sie hasse! Ich bleibe keinen Tag mehr mit ihr unter einem Dach. Heute abend noch suchst Du ein Zimmer für mich in einem kleinen bil ligen Hotel, draußen irgendwo vor der Stadt — und morgen reise ich ab — wohin, weiß ich noch nicht — es ist auch ganz gleichgültig — irgendwo wird schon Platz für mich sein. Dann bin ich für immer ans dem Leben meines Mannes verschwunden. Felicie Holm ist dann wirklich tot für ihn und er kann tun und lassen, was ihm beliebt. Ich habe ja Ellas Papiere; mit ihnen werde ich mich schon durchschlagen." Mit immer steigendem Entsetzen blickte Frau Gie secke in das erregungsbleiche Gesicht ihrer Toclnc.. „Aber Kind —", begann sie begütigend. Doch Frttrie schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab. „Das kannst Du nicht verstehen, Mutter. Z - such nicht nötig. Geh' nur und sume mir ein Zimmer, anmit ich fort kann! Sage, es wäre für Deine Nickro, -ie ihren Mann verloren hat! Den Mann mußt iDu er wähnen — wegen des Kindes!" „Aber Licy, das Kinö - '
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)