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Wilsdruffer Tageblatt : 10.05.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-05-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192205109
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220510
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220510
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-05
- Tag 1922-05-10
-
Monat
1922-05
-
Jahr
1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 10.05.1922
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gegen ven Vormonat geMgen, cmcy Kartoffeln yaven weiter im Preise angezogen. S e h r b e d e uten d ist die Erhöhung der Preise für Brennstoffe, nicht nur für Kohlen und Briketts, sondern auch für Holz und Torf. Da gegen sind die Gas- und Elektrizitätspreise ziemlich die gleichen geblieben. Wesentlich trug auch die Erhöhung der Zuschläge zu den Wohnungsmieten zu der Steigerung der Lebenshaltungskosten bei. Im großen und ganzen zeigt diesmal die Teuerung in den größeren Städten einen stärkeren Steigerungsgrad als in den kleineren. Die Sicherung Her Volksernahrung. EineRededesNeichsernährungsministers. Bei der Beratung des Etats des Ernährungsministe riums im Hauptausschuß des Reichstages gab der Reichs- Minister für Ernährung und Landwirtschaft Prof. Fehr eine zusammenhängende Darstellung der von ihm über nommenen Aufgaben. In erster Linie sei für die Inter essen der Ernährung und für die der Landwirtschaft zu sorgen. Die Sicherung der Lebens Möglichkeit des deutschen Volkes sei die Voraussetzung für alle Leistun gen und damit für jede Möglichkeit eines Wiederaufblühens unseres Vaterlandes. Demgemäß werde der Minister in erster Linie mit allen Kräften bemüht sein, daß die zur Ernährung der deutschen Bevölkerung erforderlichen Nah rungsmittel in ausreichender Menge zur Verfü gung stehen. Die Verhandlungen auf dem wichtigsten Versorgungsgebiet, dem mitBrot, würden in Kürze zum Abschluß kommen. Für die Versorgung in der Über gangszeit vom alten zum neuen Jahr seien alle Vor kehrungen getroffen. Die Reichsgel reide st eile habe bereits die bis zum Ende des Erntejahres notwendi gen Vorräte im Besitz. Die Leistungsfähigkeitder deutschen Landwirtschaft müsse aber nicht bloß erhalten, sondern auch beträchtlich gesteigert werden. In diesem Sinne werde der Minister die Bestrebungen, wie sie in dem sogenannten Hilfswerk der deutschen Landwirtschaft zum Ausdruck kommen, mit allen Mitteln unterstützen. Wie die Ernährung nur sichergestellt werden kann auf der Grundlage einer freudig arbeitenden und leistungsfähigen Landwirtschaft, so erhält die Landwirtschaft ihren eigent lichen Wert für das Volksganze erst dadurch, daß sie zu erträglichenPreisen das zur Verfügung stellt, was die Bevölkerung für ihren Unterhalt bedarf. * Ein sozialdemokratischer Antrag. Zum Haushalt des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft hat die sozialdemokratische Reichstagsfraktion einen Antrag eingebracht, in welchem für das Wirtschaftsjahr 1922/23 das Umlageverfahren süvBrotgetreide gefordert wird, sowie eine Sicherstellung aus der Jnlandsernte in der Höhe von 4!4 Millionen Tonnen. Die Sicherstellung des Kar toffelbedarfs der versorgungsberechtigten Bevölkerung solle durch privatrechtliche Lieserungsverträge mit Erfüllungszwana erfolgen. Dem schrankenlosen Auflaufen der Kartoffeln sei durch geeignete Maßnahmen entgegenzutreten und gleichzeitig Richt preise einheitlich für das gesamte Reich auf der Grundlage der durchschnittlichen Gestehungskosten festzusetzen. Ferner wird verlangt, die Zwangsbewirtschaftung des Zuckers wieder einzu- führen. Oer Reichskanzler an -ie presse. Beschlüsse der Münchener Tagung. s. München, 7. Mai. In der gestrigen Nachmittagssitzung der Vertreter- tagung des Reichsverbandes der Deutschen Presse wurde über die Reichsarbeitsgemein- schäft mit den Verlegern beraten. Abends wohnten die Pressevertreter auf Einladung der bayerischen Staatsregie rung einer Festvorstellung im Nationaltheater bei. Im Anschluß hieran empfing der Ministerpräsident Graf Lerchenfeld eine Reihe von Delegierten mit ihren Damen. Bei Eröffnung der zweiten Sitzung wurden die aus Anlaß der Tagung eingelaufenen Telegramme bekanntge- ««".riWW! I» I! „Wem nie durch Liebe Leid geschah..." Roman von Erich Friesen. 41s (Nachdruck verboten.) „Vielleicht haben Sie Recht, Holm! In den reinen Gefilden erhabenster Kunst zu wandeln, tut dem Herzen stets wohl. Ihre Kunst begeistert mich, das Vollendetste darzustellen, dessen ich fähig bin. Und Sie —" „Mir geht es ebenso!" fiel er lebhaft ein. „Die Har monie unserer Gedanekn und Empfindungen ist geradezu wunderbar!" „Ich weiß es" — Sigrids Stimme klang verschleiert — „und doch sind diese schönen Zeiten vorbei." „Unsinn, Sigrid. Wir wollten uns bereits einmal trennen. Es wurde nichts daraus. Damals, als ich das Engagement in Berlin annahm und dasselbe dann so plötzlich abbrach — Sie wissen, der armen Felicis wegen. Als ich dann zu Direktor Tauscher zurückkehrte, bewill kommneten Sie mich freundlich. Wir schlossen einen Pakt, daß alles so sein sollte, wie es früher war. . . Sie hatten mein Kind zu sich genommen — und seit dem verläuft alles in herrlichster Harmonie. Das Kind gedeiht. Ihre Gegenwart macht mich glücklich, und ich glaube annehmen zu dürfen, daß auch ich zu Ihrem Wohlbefinden etwas beitrage. Warum also diesen har monischen Zustand ändern?" Die arme Lauscherin im Nebenzimmer zuckte zusam men. Fest preßte sie ihr Kind an ihre Brust. Dann drückte sie leise auf die Türklinke und öffnete eine Spalte. Sie mußte dis beiden in diesem Moment sehen! Mußte!! Cie hatte alle Vorsicht vergessen in dem nervenaufpeit schenden Gefühl ihrer lichterloh brennenden Eifersucht. Cie sah ihren Mann und Sigrid Arnoldsen neben einander stehen. Sigrid war noch schöner geworden; ein Hauch von Melancholie, der ihr früher nicht angehaftet hatte, gab ihrem edelschönen Gesicht einen neuen Reiz. Das silbergraus Seidenkleid mit dem kleinen spitzenum säumten Halsausschnitt Neidete sie wundervoll. Mit bitteren Empfindungen im Herzen blickte Felicis an sich herab. Welch ein Unterschied! Aber sie — sie hatte das Kind! Den blonden kleinen Enget, den sie im Ann hielt! Hatte sie es noch? Gehörte es nicht vielmehr auch schon halb der Frau da nebenan? Die durch ihre Ge genwart allein schon seinen Vater glücklich machte? Fettete sah nicht den edlen, reinen Ausdruck in den schönen Zügen, die Keuschheit und Zurückhaltung in den Bewegungen Sigrids. Sie sah nur, daß Winfried neben ihr stand, daß seine Augen mit einem unverkenn baren Ausdruck der Bewunderung auf ihr ruhten. Und jede Fiber in ihr zuckte vor namenlosem Weh. Was würde die Frau da nebenan antworten auf die Frage des Mannes? geben. Reichskanzler Dr. Wirth telegraphierte aus Genua, daß er hoffe, daß die Verhandlungen dazu bei tragen würden, die schwierige wirtschaftliche Lage, in der die deutsche Presse sich gegenwärtig befinde, zu überwinden. Die Führung der deutschen Politik vertraue in ihrem schweren Werke auch fernerhin auf ein fruchtbares und ver ständnisvolles Zusammenwirken mit der Presse. In der Hauptsache beschäftigte sich die zweite Sitzung mit beruflichen und wirtschaftlichen Fragen. An die Studierenden der Hochschulen soll eine Warnung vor dem Zugänge zum Journalistenberuf gerichtet werden. Einstimmig wurde ein Antrag angenommen, der sich für die Schaffung eines Kartellverhältnisses mit der in Wien bestehenden Vereinigung reichsdeutscher Vertreter der Presse ausspricht. Hierauf wurden einige Grundlinien für die Gründung einer großen Unterstützungs- und Not standskasse von der Versammlung gebilligt. Dem Vor stand wurde überlassen, den Ort der nächsten Tagung des Reichsverbandes zu bestimmen. Ein Leidsnswsg. Wie Kronprinz Wilhelm nach Holland kam. Eines der interessantesten und menschlich ergrei fendsten Kapitel in den soeben erschienenen Erinne rungen des Kronprinzen Wilhelm ist die Schilderung seines Übergangs über die holländische Grenze; die hier gekürzt wiedergegeben sei. . . . Zwei graue Wagen: ich und meine drei Ge treuen bis zum bitteren Ende. Müller und Müldner vorneweg, dann ich mit dem erkrankten Zobeltitz. Solda ten überall — grüßend und rufend. Nein, ich habe recht: mir tut kein Mann etwas. Das Bild unserer Leute wird anders, je tiefer wir in die Etappe rollen. Aufgelöste Schwärme von Menschen, die einmal Soldaten waren und jetzt zuchtlos hinziehen .... Und bei Vroenhoven hal ten wir dann am holländischen Draht- Mit heißen Schlägen hämmert mir das Herz, wie ich jetzt aus dem Wagen springe. Ganz klar bin ich mir, daß die wenigen Schritts Raum da vor mir entschei dend sind . . . Und plötzlich steht das Neiterwort des Generals v. Fallenhayn in mir, das er dem Jungen zu rief, wenn es hieß, ein schweres Hindernis zu nehmen: „Schmeiß erst dein Herz 'über — dann kommt das andere hinterher!" Da tue ich die wenigen Schritte vor . . . Ein junger, sehr korrekter holländischer Offizier, der sich vor Überraschung zunächst gar nicht fassen kann und der nichts mit uns anznfangen weiß. Nur daß wir hier nicht bleiben können, sieht er ein. So werden wir, vorbei an einer präsentierenden Wache, zunächst in ein kleines Lokal gebracht, wo freundliche Wirtleute, ohne viel zu reden, ein paar Töpfe mit heißem Kaffee vor uns hin stellen. Inzwischen wird nach Maastricht telephoniert. Und der junge Offizier kommt wieder, ist selbst bedrückt von einer Pflicht, die auf ihm liegt: ermußumunsere Waffen bitten. Einen Augenblick voll abgrundtiefer Bitterkeit, der nur durch den vollkommenen Takt des ande ren erträglich bleibt . . . Wiederum fahren wir . . . Gegen ein Uhr ist es, da wir die Präfektur betteten. Auf dem Platze unten eine lobende, johlende Volksmasse, hauptsäch lich Belgier. Mit allem menschlich-vornehmen Verständnis für unsere Lage nimmt der Baron van Hoevel tot Wester- flier uns aus. Auch er erklärt, daß unser Übertritt der holländischen Regierung völlig überraschend gekommen sei, daß weitere Bestimmungen nun ab gewartet werden müß- tem Im großen Saale des Gouvernementsgebäudes läßt er uns dann allein . . . Endlich um Mitternacht ist Klar heit: Wir sollen bis auf weiteres in dem Schloß Hillenraadt des Grafen Metternich Unterkunft haben. Bei Noermond liegt das Schloß des Grafen, vor dem wir endlich halten. In einer großen Halle, die schwach von Kerzenlicht beleuchtet ist, legen wft ab. Erstarrt von Voll blickten Sigrids seelenvolle Augen iyn an. „Würden Sie ebenso sprechen, wenn Felicis hier wäre?" Winfried errötete etwas. „Ich — ich weiß nicht. Aber vor allem — sie ist nicht hier!" „Aber Sie sollten nie anders sprechen, als wenn sie bei uns wäre, lieber Freund. Ist das Kind wach?" un terbrach sie sich plötzlich mit einem Blick nach der Tür, „Ich glaube, ein Geräusch gehört zu haben." „Sie sagten ja, es schläft! Bleiben Sie!" Winfrieds Stimme klang erregt, fast leidenschaftlich, f In seinen Augen glomm ein düsteres Feuer. „Lieber Holm," fuhr Sigrid sanft fort, indem sie die Hand leicht auf seinen Arm legte. „Ms ich damals ein willigte, die anders Seite dieses Stockwerks zu nehmen, geschah es, weil Sie mir in Ihrem Schmerz um Fettere leid taten. Ich sagte mir: Mein Platz ist jetzt an seiner Seite; ich muß ihn trösten, ihn aufrichten. Jetzt sind Sie nicht mehr so unglücklich, das Kind gedeiht, Ihre S chwiegermutter pflegt es — ich bin nicht'mehr nötig." „Ich weiß nicht, wo Sie hinaus wollen, Sigrid!" „Nun wohl. Ich verlasse die Stadt nächste Woche. Heute vormittag habe ich einen Vertrag unterzeichnet, der mich für zwei Jahre nach Newyork führt." Der Mann war sehr bleich geworden. Zuerst fand er gar keine Worte. Dann aber brach es leidenschaft lich los: „Ich gehe mit Ihnen!" „Tas Personal ist bereits vollzählig." „Dann gehe ich als Ueberzähliger mit!" „Nein, lieber Holm! Das werden Sie nicht. Die Harmonie unserer Seelen ist so vollkommen, daß Sie mich verstehen müssen, mein Freund. Und jetzt ver lassen Sie mich, bitte! Ich möchte ein wenig ruhen —" Sie hielt ihm ihre schlanke Rechte hin, in die er nur widerstrebend die seine legte. Dann warf er heftig hinter sich die Tür ins Schloß. Jetzt war es mit Feliciss Selbstbeherrschung zu Ende. Rasch zog sie die Tür zu. Dann warf sie sich, das Ge sicht mit den Händen bedeckend, aufs Sosa und weinte — weinte heiße, bittere Tränen, wie sie sie noch nie in ihrem Leben geweint hatte. Selbst nicht, als sie ins Ge fängnis mußte. Selbst nicht, als ihr Kind krank war. Selbst nicht, als man ihr das Kind genommen hatte. Vorbei — alles vorbei! Ehre und — Glück! XX Als Frau Giesecke eine Stunde später nach Hause kam, hatte Sigrid sich bereits in ihrem am entgegen gesetzten Ende der Wohnung liegenden Scblafzi'mmcr zum Nachmittagsschlummer niedergelegt. Sie tat di:Z stets, um am Abend bei der Vorstellung frisch zu sem Die brave Frau lenkte zuerst ihre Schritte nach dem Krnderzimmer. Sie machte sich schon Gewissensbisse, weil sie so lange fortgeblieben war. Was konnte einem Vrvn nno wrr — eieno in unseren yerzen — wurzellos auf diesem fremden Boden. Bei Aussprachen (mit der hol ländischen Regierung) ergibt es sich, daß Holland an meine Grenzüberschreitung und meinen Wunsch, vorübergehend auf seinem neutralen Boden zu verweilen, im Zwange äußerer Umstände die Frage meiner Internierung knüpfen muß. Nur gegen Bürgschaften nach außen kann der neutrale Staat mir Gastfreundschaft gewähren, kann er versuchen, gegen das schon laut werdende Verlangen, mich „auszuliefern", standhaften. So bin ich jäh in eine Zwangslage versetzt, an deren Möglichkeit bei der Er wägung des Gedankens dieser Hollandfahrt niemand auch einen Augenblick nur dachte . . . Endlich erhalten wir dann auch etwas wie einen An halt für meine Zukunft. Der Oberst Schröder bringt die Nachricht, die holländische Negierung habe mir als Wohn ort dir Insel Wie ringen angewiesen. Die Insel Wieringen? Niemand im Hause weiß, wo die Insel liegen mag. Zum erstenmal im Leben höre ich den Namen, kann mir dabei nichts vorstellen, nichts denken.... Um drei Uhr kanten wir in Enkhuizen, einem kleinen Neste am Strande der Zuidersee an. über der Zuidersee liegt der Nebel so dick, daß mau kaum zwanzig Meter weit sehen kann, und dazu fegt ein eisig kalter Wind vom offe nen Meer herein. So steht man aus dem Deck des kleinen, schlingernden Schleppers und starrt ins Grau. Stunden lang! Trostlos ist das. — Ja! Wenn man wüßte, wo Wieringen liegt. Im Nebel, in zunehmender Dunkelheit und bei starkem Sturm und Seegang suchen unsere fabel haften Navigatoren stundenlang nach der Insel — und können sie nicht finden. Jetzt suchen wir nach dem Hafen Medemblik am Festlande; und weil auch kühne Seefahrer manchmal mehr Glück als Verstand haben, so finden wir ihn endlich gegen Mitternacht . . . Aber am nächsten Tage gelingt das Werk! Am Morgen, da die See still ge worden ist, gehen wir wieder ans das Schiff und erreichen gegen Mittag die Insel. Im Hasen wieder Menschen über Menschen, Einheimische, die still und mißtrauisch der merkwürdigen Einquartierung entgogenstarren, redselige Reporter aus aller Welt und singerfertige Photographen. Wie ein seltenes Tier, das sie jetzt glücklich eingefangen haben, kommt man sich vor... In einem uralten Wagen — sicher dem besten, den es auf der Insel gibt — geht dann die Fahrt nach dem Dorf Oosterland. Vor dem kleinen arg verwohnten Pastoren haus werden wir ausgesrachtet. Kahl, öde ist das alles. Ein paar alte klapprige Möbel — richtig: Klamotten. Kälte und Einsamkeit dazwischen eingenistet wie Gespen ster. Daheim! Die Kehle würgt es mir beinahe ab bei dem Gedanken. Tage und Wochen, die so lichtlos und so bleiern Lastend sind, daß sie sich kaum ertragen lassen. Wie ein Gefangener, Geächteter bewegt mau sich in diesem kleinen Kreise zwischen Menschen, die finster, scheu zur Seite schauen, wenn sie vorüberkommen, die im besten Falle neugierig einen' Blick aus halb verdeckten Augen wagen. Ich bin der Blud- säufer und Kinderschlächter — man ist erbittert gegen die Regierung, die mich auf dieser Insel frei umhergehen läßt, die dieser ehrsamen Insel eine solche Last auspackte. Und aus der Heimat tropfenweis Berichte über den Ver laus der Vorgänge, die einem schier das Herz zerbrechen wollen! Deutsche Zeitungen gibt es nicht. Am 1. De zember erscheint im Auftrage der Deutschen Gesandtschaft im Haag der Legationssekretär v. Pannwitz auf der Insel. Ein Korpsbruder von mir aus der Bonner Borussenzeit! Er soll einen formellen Verzicht auf meine persönlichen Ansprüche von mir erreichen. Einen Verzicht? — Warum? — Wozu? Hat man denn nicht am 9. November die Abdankung Seiner Majestät und meinen Verzicht verkündet, ohne die Enticbeiduna des Kallers abruwarten. obne micb au cd nur solch kleinen tKnoe nicht alles inzwischen panieren! Tie Anna war zwar gewissenhaft — immerhin ! Ohne sich weiter im Zimmer umzugucken, beugte sie sich über das Bsttchen. Das Kind lag ruhig schlum mernd da. Nicht einmal das Kissen hatte es verschoben, der liebe kleine Kerl. Es war, als ob es soeben erst auf geschüttelt worden wäre. Sollte die Anna —? Oder Fräulein Arnoldsen —? Oder gar Holm —? Das war dach sonst nicht ihre Art! Die Pflege des Kindes war in allem der Großmutter überlassen. Da sah sie zu ihrem Erstaunen, daß hinter dem zu gezogenen schweren Fenstervorhang sich etwas bewegte. Und kam nicht auch ein leises Geräusch von der Rich tung her? Frau Giesecke schrie laut auf vor Entsetzen. Waren Diebs im Zimmer? Oder gar Raubmörder? Aengstlich lugte sie nach dem Fenster, jeden Augenblick gewärtig, daß ein schwarzbärtiger Kerl mit einem Messer auf sie zustürzen werde. Da teilte sich plötzlich der Vorhang. Und — — sah sie recht? Oder täuschte sie ihre erregte Phantasie? Abwehrend, als sähe sie ein Gespenst, streckte sie beide Hände aus. Da sank Felicie auch schon zu der Mutter Füßen nie der und barg aufschluchzenö den Kopf in ihrem Schoß. „Felicie! Kind! Du—?" „Ja, Mutter! Erschrick nicht! Ich bin es —" „Wie kommst Du hierher? Du hast doch noch ein Jahr —" „Laß das jetzt, Mutter! Ich erzähle Dir später alles. Laß mich nur ein bischen bei Dir sein!" ......... E.„on „Nein. Uno er darf auch nichts wissen!" „Mein liebes, liebes Kind!" Meyr brachte die arme Frau in ihrer Erregung nicht heraus. Sie hob Felicie vom Boden auf, schob sce mit Verden Armen etwas von sich ab, um sie besser decrach- u zu können und schüttelte dann traurig den Kopf. „Ich bin todmüde, Mutter. Darf ich eine Bisrtel- stunce in Deinem Bett liegen und ausruhen?" „Aber natürlich. Komm, Kind, ich will Dich aus- ziehen! Fort mit den alten Sachen! Was für gräßlich plumpe Schuhe! Und erst dis graugsstrickten Strümpfe! Deine Füße sind ja ganz kalt, Licy! Schnell zu Bett! Ich reioe sic Dir so lange, bis sie warm sind. Hier hast Du ein Nachthemd von mir, mein allsrschönstes, mit Spitzen besetzt! Riech' mal — es duftet nach Lavendel! Schnell über mit dem Nachthemd! So! Fühlst Du Dich nicht wis neugeboren?" „Ja, prachtvoll!" hauchte Felicie, sich behaglich strek- kcnö. Tränen erstickten fast ihre Stimme. „Jetzt leg' Dich nieder! Uno dann geb' ich Dir Wal- terchen ins Bett! So —! Ist er nicht ein herziger Junge? Jetzt will ich Dir Schokolade machen —" ..Bitte Tee. liebe Mittler!"
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