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Wilsdruffer Tageblatt : 12.05.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-05-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192205129
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220512
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220512
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-05
- Tag 1922-05-12
-
Monat
1922-05
-
Jahr
1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 12.05.1922
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Am Schluß der Note weist die deutsche Regierung daraus hin, daß die Regelung der Aufstandsschäden inzwischen dringend geworden ist, da die Notlage der betroffenen Bevölkerung sich sehr verschärft hat. Deutsch-Österreich. X Kredite und Beamtenforderungen. Bundeskanzler Schober berichtete in Wien über die Kreditverhandlun- gen, daß Österreich von der -ihm vom Völkerbund erteilten Ermächtigung Gebrauch mache; es habe erreicht, daß der Gouverneur der Bank von England es unternommen hat, Verhandlungen über größere Privatkredite an Österreich zu veranlassen und unter seinen Schutz zu neh men. Im Zusammenhang damit warnte der Bundeskanz ler davor, auf die Kreditverhandlungen in London, sowie auf die Rückstellung der Pfandrechte durch eine Komplika tion der Beamtenfrage schädigend zu wirken. Die Vertreter der Bundesbeamten brachten jedoch der Regie rung zur Kenntnis, daß die Beamtenorganisationen ihre Forderungen völlig aufrechterhalten und die Ein leitung sofortiger Verhandlungen verlangen. Dänemark. X Das abgetretene Nordschleswig. Im Kopenhagener Folkething wird jetzt der neue deutsch dänische Vertrag be raten. Der deutsch Vertreter von Nordschleswig erkannte an, daß der Vertrag einen Teil der Wunden, die die neue Grenzziehung geschlagen hat, in zweckmäßige Behandlung nimmt und daher als Schritt angesehen werden darf, der einen Teil von Störungen zwischen beiden Staaten be seitigt. Auch der Minister Scavenius führte aus, daß die Verhandlungen zu einem Ergebnis geführt haben, das geeignet sei, den Geist der Versöhnlichkeit zwischen dem deutschen und dem dänischen Volke zu stärken. Zwischen den Regierungen der beiden Länder herrschten gute und freundschaftliche Beziehungen. Deutscher Reichstag. (MS. Sitzung.! Berlin, 1V. Mai Nach einer durch die Konferenz von Genua verlängerten Unterbrechung hat der Reichstag heute seine Sitzungen wieder ausgenommen. Die Abgeordneten waren dazu in großer Zahl erschienen. Eröffnet wurde die heutige Sitzung mit einem Nachruf, den der Präsident Loebe dem verstorbenen soziali stischen Abgeordneten Hue widmete. Die an erster Stelle der Tagesordnung stehende Interpellation Ler Deutschen Volkspartei, die Aufklärung darüber verlangt, ob tatsächlich von England und Frankreich geplant sei, die Rheinlande in ähnlicher Weise wie das Saargebiet zu neutralisie ren, wird von Ler Regierung, wie sie erklären ließ, in der ge- schästsordnungsmäßigcn Frist beantwortet werden. Hierauf kam man zur zweiten Beratung des Haushalts des Reichsverkehrsministeriums. Der Ausschuß hat die Einnahmen aus dem Güterverkehr um fast 4 Milliarden höher als die Regierung veranschlagt. An den höheren Beamtenstellen hat der Ausschuß viele Streichun gen vorgenommen. So sollen künftig wegfallen 4 Ministerial direktoren, 15 Ministerialräte, 12 Oberregierungsräte, 20 Mi- nisterialamtmänner, 4 Regierungsräte und verschiedene andere Stellen. Wesentliche Erhöhungen beantragte der Ausschuß bei den Kinderzulagen und Ausgaben zur Vermehrung der Wohn- aelegenheiten für Reichsbahnbedienstete. Ferner hat der Aus schuß mehrere Entschließungen angenommen, in denen Lie Re gierung ersucht wird, in den Industriegebieten für den Arbei terverkehr einen Vororttarif einzuführen, ferner den Vorort tarif auch mit Rücksicht auf die Siedlungen auszudehncn und den Betrieb der Schlafwagen wieder von den Reichseisenbah nen zu übernehmen. Außerdem beantragt der Ausschuß für Bildungswesen Fahrpreisermäßigung für den Be- such von Religionsunterricht, von Veranstaltungen der Jugendpflege, gemeinnützigen Bildungsanstalten und für Lehrlinge. Dazu erklärte ein Rcgierungsvertreter, daß Lie Regierung außerstande sei, diesen Wünschen entgegenzu kommen, bevor nicht die finanzielle Wirkung ausreichend be rechnet sei. Avg. Brunner (Soz.) verlangte von der Verwaltung grö ßeren Geschäftssinn. Die Schlafwagen könnten in den Betrieb der Verwaltung übernommen werden, ebenso die Reiscbureaus. Die Arbeitsleistungen in den Betriebswerkstätten hätten den Friedensstand erreicht, zum Teil überschritten, das sei die günstige Wirkung des Achtstundentages. Der Achtstundentag sei sür Deutschland Gesetz und dürfe nicht vom Minister durch ein Arbeitszeitgesetz durchbrochen werden. In seinen weiteren Ausführungen verurteilt« Abg. Brun« ner scharf die im Anschluß an den Eisenbahnerstreik vorge nommenen Beamtendisziplinierungen. Schließlich trat er entschieden den Bestrebungen entgegen, die die ReichS- elsenbahn dem Privatkapital ausliesern wollen. Abg. Hoefle (Zentr.) betonte, der gegenwärtige staats- buroaukratische Betrieb der Reichsbahn könne nicht die Be triebsform der Zukunst sein. Andererseits lehne er eine reine Privatisierung der Eisenbahn entschieden ab. Alsdann be schäftigte sich der Redner eingehend mit den Verhältnissen der Beamten und Angestellten bei der Reichsbahnverwaltung. Die Verhandlungen zogen sich noch geraume Zeit hin. Die Bergung der „Lusitania". Keine Versicherungszahlung für „Torv edierte". Wie aus Newyork gemeldet wird, geht die Expedition zur Bergung der „Lusitania" und einer Anzahl anderer Schiffe, die im Laufe der letzten Jahre gesunken sind, am 25. d. Mts. von Philadelphia ab. Der Dampfer „Blakcley" ist für die Zwecke der zur Bergung der „Lu sitania" gegründeten Gesellschaft gechartert worden. Es wird angenommen, daß der Hebung der „Lusitania" keine großen Schwierigkeiten entgegenstehen, da ihre Lage genau bekannt ist. Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß die Testa mentsvollstrecker des Milliardärs Alfred S. Vander bilt, der sein Leben auf der „Lusitania" verlor, den Prozeß gegen die „Travellers Versicherungsgesellschaft", den sie angestrengt haften, um die Zahlung einer Prämie von 150000 Dollar zu erlangen, in allen Instanzen verloren haben. Das Appellaftonsgericht war mit der Versicherungsgesellschaft der Ansicht, daß auf den Unter gang der „Lusitania" die Bedingung der Klausel des Ver sicherungsvertrages zutreffe, in der erklärt wurde, daß der Vertrag nichtig sei, „wenn der Tod ganz oder teilweise auf Krieg oder Aufstand zurückzuführen sei". Me Testa mentsvollstrecker hatten behauptet, daß der Tod auf die Folgen von „äußerer, zu einem Unglücksfall führender Gewalttat" zurückzuführen sei. Die Entscheidung erregt in den Vereinigten Staaten nicht geringes Aussehen, da sie einen Präzedenzfall für Hunderte von ähnlichen An sprüchen auf Entschädigung sür den Tod auf torpedierten Schiffen festsetzt. Generalprobe in Oberammergau. Das Passionsspiel vor der Kritik. s. München, 10. Mai. Die Oberammergauer Festspiele wurden gestern mit der sogenannten Generalprobe eröffnet. Die 4000 Plätze des Passionsspieltheaters waren alle vergeben. Drei Extra züge hatten von hier aus denMinisterpräsidenten mit den meisten Mitgliedern des Kabinetts, einen großen Teil der bayerischen Landtags- und Neichstagsabgeord- neten, die Spitzen der Verwaltungsbehörden und Redak teure aus ganz Deutschland, die an der Presse 1 agung teilgenommen hatten, nach Oberammergau gebracht. Auch Pressevertreter aus Schweden, Dänemark, England und Amerika waren anwesend. Es war ein prachtvoller Frühlingstag mit ziemlich milder Temperatur, so daß der Aufenthalt im Festspiel hause erträglich war. Das Spiel selbst weist gegen die früheren Spielperioden nur geringe Veränderungen aus, obwohl eine völliae Erneueruna der Ausstattung stattge sunden hat. Einen starken Eindruck machten neve« oer Gesamtanlage des Theaters die wirkungsvollen leben den Bilder, während die langen Sprechszenen etwas enttäuschten. Man rechnet in Oberammergau mit einem gewaltigen Zustrom valutakräftiger Ausländer, und dieser ausländische „Einschlag", der dem diesjährigen bayerischen Sommer sein besonderes Gepräge geben dürfte, läßt heute schon in München die Preise zu Höhen, die den Gipfel der Zugspitze erreichen, emporschnellen. Wett» und Volkswirtschaft, Was kosten fremde Werte? Lie nachstehende Tabelle besagt, wieviel Mark für 100 Gulben 100 dämiche, schwedische, norwegische, österreichische, ungarische oder tschechische Kronen, 100 schweizerische, belgische und französisch« Frank, 100 italienische Lire, sowie für 1 Dollar und 1 Pfund Sterling gezollt wurden. („Brief" — angeboten: „Geld" — gesucht.! Polenmark an der heutigen Börse mit 7,00 M. bewertet. Börsenplätze 1«. Geld 5. Brief v. Geld j 5. Brief Stand 1.2.14 Holland. . . Guld. 100 '.6,3 l 0'063,70 1108-1,10 11113,9i 170 Äk. Dänemark . Kron. 0042,40 6057,60 6122, 0 6137,70 112 . Schweden. . Kron. 7305,85 7324,15 7415,70 7434,31 112 . Norwegen . Kron. 5313,35 6326,65 5408,20 5421,8« 112 „ Schweiz . . Frank 5480,60 5494,40 5578,00 5592,0l 72 ' Amerika. . . Doll. 283,14 283,86 288,13 288,87 4,40. England. . . Pfd. 1264,10 1267,60 1280,85 1284,15 20,20. Frankreich . Frank 2601,70 2608,30 2624,20 2630,80 80 . Belgien. . . Frank 2182.00 2188.00 2374.50 2380,50 80 . Italien . . . Lire 151310 1516,90 1528,05 1531,9 80 . Dt.'Osierr. . Kron. 3.30 V- 8,340- 3,43 3,4? 85 . Ungarn . . . Kron. ?6,85 86,95 37,20 37,3i 85 . Tschechien. . Kron. Berlin, 10. A 542,30 !ai. (E 543,70 -tand k 554,30 er Po 555,70 Nischen Mark.) H Freie Kohleneinfnhr? Nach einet Mitteilung der Frank furter Handelskammer soll auf Grund eines Rundschreibens Les Reichskommissars für Kohlenverteilung die Einfuhr für Kohlen aus dem Auslände nunmehr gestattet sein. Dem Groß handel wird auf Ersuchen Lie Einfnhrerlaubnis erteilt. Steu ern und Zölle werden auf diese Anslandskohle nicht erhoben. Für Lie einführende Firma belicht nur Lie Verpft-chlung, die Verbraucher oder Zwischenhändler dem RAchskohlelftommifsar nachzuweisen. » Der deutsche Export über Ungarn. In der deutsch-ungari schen Handelskammer in Budapest hielt der Sekretär der Han delskammer einen Vortrag über die Leutsch-ungarischen Handelsbeziehungen und führte aus, daß nach Beseitigung der verschiedenen Verkehrshindernisse und nach Lem Ausbau des Donau-Rhein-Kanals Ungarn der Sammelplatz des nach dem Balkan gerichteten deutsch^ Expottes sein werde.— Nah und Iern. O Oltwig v. Hirschfeld für geisteskrank erklärt. Der frühere Fähnrich Oltwig v. Hirschfeld, der wegen seines Attentats auf Erzberger zu einer längeren Gefängnis strafe verurteilt worden war und sich seit dem Herbst Vorigen Jahres zur Beobachtung seines Geisteszustandes in einer Freiburger Irrenanstalt befindet, ist jetzt auf Grund eingehender Gutachten der dortigen Arzte für geisteskrank erklärt worden. Es soll bei den Berliner Strafvollzugsbehörden der Antrag gestellt werden, Hirsch feld mit Rücksicht auf seinen Zustand aus der Strafhaft zu entlassen. Seme Strafe wäre bereits im Februar d. I. verbüßt gewesen, wenn der Aufenthalt in der Irrenanstalt auf die Strafhaft angerechnet worden wäre. Inzwischen hat aber die Berliner Staatsanwaltschaft die Strafvoll streckung gegen ihn erneut eingeleitet. Falls Hirschfeld sich nicht freiwillig stellt, will die Staatsanwaltschaft einen neuen Haftbefehl gegen ihn erlassen. „Wem nie durch Liede Leid Muh..." Roman von Erich Friesen. 43s (Nachdruck verboten.) „Löte das Grav." Und das Mädchen hob zur Bekräftigung ihrer Worte dir Hand wie zum Schwur. In der Nacht ließ Frau Giesecke die Tochter ich ihrem Bett schlafen und machte sich selbst ein Lager auf dem Sofa zurecht. Nun galt es nur noch, Felicis zu verstecken, sobald Sigrid das Kinderzimmer betreten würde, was stets nach dem Frühstück geschah. Anna war angewiesen wor den, genau aufznpassen und es sofort im Kinderzimmer zu melden, sobald Fräulein Arnoldssn vom Frühstücks tisch aufstand. Eie erfüllte den Auftrag auch ganz genau. Als Sigrid, schon in Hut und Mantel, um zur Probe zu fahren, eintrat, sah das Kinderzimmer genau so aus wie immer. Frau Giesecke saß mit Walter auf dem Schoß am Fenster und kämmte seine blonden Locken, wo bei sie ihm allerhand Mätzchen vormachte, so daß der Kleine, seiner Gewohnheit gemäß, laut aufjauchzte vor Freude Sigrid küßte ittttig den kleinen, roten Kindermund, streichelte ihm die Rosenwangen und schärfte Frau Gie secke ein, mit dem Kinde auf alle Fälle vor Tisch an die Luft zu gehen, das Wetter sei herrlich. Tann ging sie wieder. Als ihre Schritte verhallten und die Vorsaaltür zu- schnappte, eilte Frau Giesecke nach der kleinen dunklen Kammer, in der sich Felicie verborgen hielt. Jetzt wa ren sie wieder sicher bis zum Mittagessen. „Du hättest meinen Brief doch nicht so genau nehmen müssen, Lich!" meinte Frau Giesecke kleinlaut. „Fräu lein Arnoldfen ist doch so nett —" „Das hättest Tu Dir früher überlegen Müssen, Mut ter, wehrte Felicie finster ab. „Jetzt ist es zu stMt" „Ser nur nicht allzu heißblütig, Kind —" „Das wird die Zeit lehren!" „Mach' keine Dummheiten! Ich habe Angst — große Angst " Um die Mutter mit ihrem beständigen Gerede und Gejammer mal für kurze Zeit los zu sein und sich sammeln zu können, bat Felicie Frau Giesecke, Klein- Waltcrchen in dem schönen Sonnenschein spazieren zu fahren. Auch sollte das Kind nicht die gewohnte frische Luft entbehren. So zog die alte Frau den Kleinen fein an und legte ihn m sein Wägelchen — und fort qing's nach der Rheinpromenade. Felicie stand hinter dem Vorhang verborgen und blickte den beiden nach. Und ein wildes Weh zuckte durch ihr Herz. War ihr Glück wirklich unwiderbringlich dahin? Auch rn Frau Gieseckes Hirn wirbelten die Gedanken im bunten Chaos durcheinander. Ihre einzige Tochter aus dem Gefängnis entflohen — im Lause ihres Mannes, versteckt, ohne daß er eine Ahnung von ihrer Anwesenheit hatte — vielleicht ba. die Polizei auf ihrer Fährte das alles war zu Vie. für den schlichten, geraden Sinn der alten Frau. St. kürzte den Spaziergang möglichst ab, um bald wieder daheim zu sein. In der Nähe ihrer Wohnung, Lindenallee 18, Holter. Winfried und Sigrid sie ein, die aus der Probe kamen. Winfried beugte sich über den Kinderwagen und scherz-, und lachte mit dem kleinen, munter aufrreischsnden Kind Da kam von der anderen Seite der Straße ein Poli zist, der dort schon eine Zeitlang gewartet zu habe: schien, auf ihn zu. „Sind Sie Herr Holm? Schauspieler am Metrovok Theater?" „Jawohl. Was wünschen Sie von mir?" „Eine unangenehme Angelegenheit führt mich zu Ihnen. Ihre Frau büßt eine Gefängnisstrafe ab - „Leider." Winfried war sehr ernst geworden. Er übergab sei. Kind der Großmutter und bedeutete dem Polizistou ihm ins Haus zu folgen. „Haben Eir irgend eine Nachricht von meiner arm^. Frau?" fuhr er hastig fort, als auch Sigrid in ihre Wohnung gegangen war. „C-^ ist doch nicht krank?" Mißtrauisch blickte der Polizist ihn an. „Sollten Sie wirklich noch nichts davon wissen? Ge stern früh ist doch Ihre Frau aus dem Gefängnis ent flohen. Man vermutet sie mit Recht bei Ihnen. Ich habe den Auftrag, sie sofort gefesselt zurüctzutranö Portieren. Winfried war es, als erhielte er einen Schlag au, den Kopf. „Was? Meine Frau entflohen? Und Sie meinen, sie halte sich hier auf? Ach, ich wünschte, Sie hätten Recht! Aber leider —" Der Polizist zuckte die Achseln. „Ich bedaure, Ihnen Ungelegenheiten machen zu müs sen. Aber ich habe strengen Befehl, die ganze Woh nung zu durchsuchen!" „Bitte!" Der Polizist hielt genau Umschau. Als er nichts fand, fragte er mißtrauisch: „Ich vermisse das Kinderzimmer —" „Mein Kind schläft bei der Großmutter " erwiderte Winfried. „Wo ist das?" „Trüben." „Führen Sie mich hin!" Winfried runzelte die Stirn. Sollte auch Sigrids Wohnung noch durchstöbert werden? Inzwischen hatte Frau Giesecke ihrer Tochter mit geteilt, daß man bereits auf ihrer Spur sei. In fliegen der Hast schlüpfte Felicie in die dunkle Kammer. Und nun lehnte Frau Giesecke, an allen Gliedern zitternd, an der Tapetentür und harrte der Dinge, die da kom men sollten. Was würden die nächsten Minuten brin gen? Felicie gefesselt? Und sie selbst als Helfershelferin womöglich gleich mit eingefperrt? Da nahten auch schon schwere, amtliche Schritte. D,er Polizist trat ein, gefolgt von Winfried. „Wtcs ist das Kinoerzimmer. «Leyen Sie wwiri" Der Polizist untersuchte den ganzen Raum. Er guckte unters Bett und inspizierte den Kleiderschrank. Dann fragte er kurz, indem er auf die Tapetentür wies: „Was ist das da?" „Ich weiß wirklich nicht — ich glaube, eine Kammer zum Ausbcwahren schmutziger Wäsche. Nicht wahr?" Fran Giesecke nickte. „Aufmachen!" Frau Giesecke war es, als täte sich der Erdboden zu ihren Füßen auf und verschlänge sie mitsamt ihrer Tochter. Zitternd öffnete sie die Tapetentür — Ter Polizist steckte die Nase hinein, zog eine Blend laterne aus der Tasche und leuchtete den Raum ab. Er war leer. „Was ist da drin?" schnavrke er, auf cineu großen Koffer deutend. „Schmutzige — Wäsche!" stammelte Frau Glcsccke und fiel beinahe dabei in Ohnmacht. „Wollen gleich mal sehen!" Der Polizist hob dcu Deckel des Koffers. Allerhand zusammengeknülltc Wäschestücke boten sich seinen wach- samen Augen dar. Er stocherte darin herum und warf ärgerlich den Deckel wieder zu. - „Danke! Die Vermutung war also falsch. Frau Holm hält sich nicht bei ihrem Ehemann versteckt!" Er machte ein paar Auszeichnungen in sein Notiz buch und empfahl sich mit einer kurzen Entschuldigung. Winfried geleitete ihn bis zur Tür. Er war sehr erregt und konnte nicht unterlassen, dem Polizisten die Befürchtung auszndrückeu, daß feine Frau sich in Ver zweiflung das Leben genommen haben könnte. Doch der Polizist widersprach aufs entschiedenste. „Das ist auf keinen Fall anzunehmen. Eine Frau, me lcbensüberdrüfsig ist, faßt gar nicht den Plan, aus dem Gefängnis zu entstwiugen. lind hat vor allem nicht den Mut und die Geschicklichkeit dazu. Der Trick wurde mit besonderer Schlauheit ansgeführt. Ihre Fran wechselte die Kleidung mit einer anderen, ihr in der Figur sehr ähnlichen Gefangenen, deren Gefängnis strafe abgebüßt war. Der Betrug wurde erst gestern abend von der Pflegerin Robinson entdeckt, die gestern vormittag krank und deshalb bei der Entlassung der Gefangenen Mensing nicht anwesend war. Ein Kollege von mir wurde heute früh zu der Fran Berta Over kamp geschickt, der Schwester der Mensing, weil man glaubte, daß die Entsprungene sich vielleicht bei ihr aufhaltc. Die Leute wollen aber von der ganzen Ge schichte nichts wissen. Ich nehme an, daß Ihre Frau sich bis jetzt irgendwo verborgen hat und sich noch heute bei Ihnen einfinden wird. Ich mache Sie darauf auf merksam. daß Sie verpflichtet sind, sie sofort wieder dcm Gef ängnis eiuzulicfcru. Ewvfcblc mich!" Er faste an den Helm und ging. Inzwischen hatte Fran Giesecke ihre Tochter aus ihrer fast unerträalichcn Lage befreit. Mit fast steifen Gliedern und mühsam nach Atem ringend, kroch Felicie aus dem sehr großen Theatcrgardcrobekoffer heraus, in dem sie sich beim Nahen des Polizisten in ihrer Angst verborgen hatte. Doch wurde sie noch immer in ihrem
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