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MdmUTageblatt Dieses Blatt enthalt die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Verleger««» Drucker: Ar1h«r Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, sür den Inseratenteil: Arthur Zschuuke» beide i« Wilsdruff. Nr. 88 Donnerstag den 13. April 1S22. 81. Jahrgang Kleine Zeitung für eilige Leser. * Die Eröffnungssitzung der Konferenz von Genua, in der sechs Programmreden gehalten wurden, hinterließ trotz eines franzöüsch-ruff ischen Zusammenstoßes in der Rüstungsfrage den Endruck, daß die Konferenz lebens- und arbeitsfähig ist. * Die deutsche Antwortnote auf die Reparationsnote vom 21. März ist in Paris überreicht und in einer Besprechung bei Poincars angeblich als ungenügend bezeichnet worden. * Die Großhandelsindexziffer für den März zeigt eine wei tere starke Zunahme der Teuerung in Deutschland. * Die französische Presse benutzt die Gleiwitzer Katastrophe für eine neue Hetze gegen Deutschland. * Die englische und die belgische Regierung haben die ame rikanische Forderung nach Rückzahlung der Kosten für das amerikanische Besatzungsheer am Rhein anerkannt. * Der Dollar sank an der Berliner Börse am Dienstag auf Ml. Der große Tag von Genua. Lloyd George — Barthou — Dr. Wirth — Tschitscherin. Unter außergewöhnlicher Spannung, nicht ohne kri tische gefahrvolle Augenblicke, aber letzten Endes doch in Gestalt einer höchst eindrucksvollen, bedeutenden und poli tisch wie wirtschaftlich weittragenden internationalen Kundgebung hat sich der erste Tag der europäischen Konfe renz in Genua vor den Ohren der ganzen Welt abgespielt. Äian darf nicht von vornherein aus dem für alle Teilneh mer und Zuhörer nach den übereinstimmenden Berichten ungemein starken und fesselnden Eindruck dieses einen Nachmittags, an dem nicht weniger als sechs leitende Staatsmänner wichtige politische Programmreden hielten, Schlüsse auf den etwaigen Erfolg der Konferenz ziehen, aber vorherrschend bleibt im Augenblick doch der Eindruck, Laß der Bestand und die Arbeitsmöglichkeit der Konferenz, der manche ein schnelles Ende vor hersagten, durch diesen ersten großen Tag für einige Zeit gesichert erscheint. Das ist nicht zum wenigsten das. Verdienst des italienischen Ministerpräsidenten de Facta, der aus Vorschlag Lloyd Georges zum Vorsitzenden gewählt wurde und der die Verhandlungen mit ebenso viel diplomatischem Geschick wie mit Energie und Unpar teilichkeit leitete. In seiner Begrüßungsansprache gab der Führer des italienischen Kabinetts denn auch seinem festen Vertrauen auf die Weisheit der Konferenz teilnehmer und dem heißen Wunsche Ausdruck, daß die Konferenz der Welt das Schauspiel erhabener und ruhiger Besprechungen bieten wird, und daß die allgemeine Fähig keit, die Leidenschaften der eigenen Überzeugung zu dämpfen, zu jenem glücklichen Erfolge führen kann, von dem zum großen Teile die Zukunft, der Friede und das Gedeihen Europas abhängt. Italien werde sich ent schlossen für alle Vorschläge entscheiden, die geeignet sind, die Völker einander zu nähern und die natürlichen Wege des Handels wieder gangbar zu machen. Lloyd George, der geistige Urheber der ganzen Konferenz, kam nach de Facta zu Wort und hielt unter äußerster Spannung der großen Versammlung eine, wie gemeldet wird, höchst fes selnde Rede, die schon Lurch ihre Form und das Tempe rament des Redners tiefen Eindruck auf die Hörer machte. Daraus sei folgendes hervorgehoben: Wir treffen hier zusammen auf dem Fuße völliger Gleich- qeit. Aber indem wir das tun, müssen wir die Gültigkeit der Bedingungen anerkennen, die bisher von allen zivilisierten Nationen anerkannt wurden. Die erste ist, daß, wenn ein Land Verpflichtungen gegenüber einem anderen Lande oder dessen .Staatsangehörigen übernimmt, es sein« Verpflichtungen nicht verleugnen darf wegen einer Änderung des Regimes. Die zweite ist, daß es keinen Krieg gegen die Einrichtungen eines * anderen Landes führen darf. Die dritte ist, Laß keine Nation einen Angriffskrieg gegen das Gebiet einer anderen unter nehmen darf, die vierte, daß die Staatsangehörigen jedes Landes das Recht haben, unparteiische Rechtsprcclmng vor fremden Gerichtshöfen zu finden. Diese Bedingungen sind in Cannes festgesetzt worden und bilden die Grundlage der Ge nueser Konferenz. Das erste Bedürfnis Europas ist Friede, ein wirklicher Friede. Wohl ist es wahr, daß tatsächlich der Kampf eingestellt ist. Man hört aber noch immer die Meute heulen. In allen Ländern ohne Ausnahme gibt es Hunde, viele Hunde, die glauben, je stärker und länger sie bellten, um so schrecklicher und entschlossener würde dies wirken. Europa ist durch diesen Lärm betäubt. Meinungsverschiedenheiten lassen sich nicht abschasfen, aber in« öffentliche Meinung könnte geleitet und gelenkt werden. Man könnte sie belehren, daß das Unglück des einen noch nicht notwendigerweise das Glück des andern zu sein braucht. Die Welt bildet eine Einheit in wirtschaftlicher Beziehung, hier zerfällt sie nicht in zwei Halb kugeln. Und ans diesem Grunde möchte ich bedauern, daß die große Republik des Westens, Amerika, hier nicht vertreten ist. Wenn wir aber auf der Konferenz einen normalen Stand der Ding- Herstellen können, so bin ich überzeugt, wird Amerika sich uns anschließen und wird das sogar mit Freude tun. Wenn wir scheitern, so wird ein Gefühl der Verzweiflung durch die ganze Welt gehen, wenn wir dagegen Erfolg haben, so wird ein Strahl der Hoffnung und des Vertrauens die Schatten aushellen, die noch den Geist Ler Menschheit umgeben. Der französische Justizminister Barthou zagte im Anschluß an Lloyd Georges Rede die loyale Mit arbeit Frankreichs zu. Der Krieg habe Frankreich zu viel gekostet, als Laß es nicht Abscheu vor dem Kriege empfin den sollte. Seine Rechte seien kein Hindernis für das Unternehmen, zu dem man aus allen Teilen Europas ge kommen ist. Die Konferenz von Genua sei nicht, das be tonte Barthou sehr nachdrücklich, eine Berufungsinstanz, wo die bestehenden Verträge zur Sprache gebracht, beur teilt und revidiert werden könnten. Aber jede finanzielle und wirtschaftliche Frage, deren Lösung von Bedeutung und für die Wiederherstellung des gepeinigten aus dem Gleichgewicht gebrachten Europas wesentlich ist, könne frei von allen erörtert werden. Frankreich werde dabei keine negative Haltung zeigen. Reichskanzler Dr. Wirth ram nach dem Belgier Theunis und dem Japaner Jshiian fünfter Stelle zu Wort. Er dankte zunächst der italienischen Regierung für Lie Einladung nach Genua, einem Orte, wo soviele kranke Menschen Heilung finden, und wo, wie er hoffe, auch das kranke Europa vielleicht Genesung finden könne. Der deutsche Kanzler fuhr dann fort: Alle Völker Ler Erde bilden, wirtschaftlich gesehen, eine große, unlösbar verbundene Einheit. Darum mutz der Grund satz der Gleichberechtigung aller Völler bei unserer gemein samen Arbeit herrschen. Die deutsche Regierung ist in vollstem Sinne bereit, an den Ler Konferenz gestellten Aufgaben mitzu- Wirken, in der Hoffnung, daß auch die anderen hier versam melten Mächte in dem gleichen Geiste Mitarbeiten werden. Die europäischen Staaten müssen daher mit Entschlossenheit und Mut auf dem gegenwärtigen Wege Halt machen, zu dem System des unbehinderten Handels zurückkehren und den Wirt schaftsverkehr von allen Fesseln freimachen. Ein Mißlingen der Konferenz würde eine schwere Enttäuschung für alle hoffen den Völker bedeuten. Deutschland ist infolge seiner geographi schen Lage in Mitteleuropa, infolge seiner engen Verflechtung mit Ler gesamten, auch mit der überseeischen Weltwirtschaft, durch die Not unserer Zeit mit am meisten betroffen worden. Das Problem der deutschen Wirtschaft ist untrennbar verbun den mit den Schwierigkeiten, über welche die anderen Nationen zu klagen haben. Die deutsche Not ist die eine Seite, die Not der übrigen Völker die andere Seite der Weltkrise. Die Russen und die Abrüstungsfrage. Als letzter sprach der russische Außenminister Tschi- t 1 cherin. Im Anschluß an seine Rede entstand ein K o n - flikt zwischen ihm und Barthou. Tschitscherin be tonte, Rußland sei bereit, der Kultur Millionen von Hek taren zur Verfügung zu stellen, Konzessionen zu erteilen und zwar Waldkonzessionen, Kohlen- und Mineralgruben konzessionen auf seine unendlichen Schätze, besonders in Sibirien, aber alle Anstrengungen, die zu einer wirtschaft lichen Erneuerung der Welt führen, würden vergebens sein und bleiben, solange über Rußland und über der Welt die Gefahr neuer Kriege schwebt. Die russische Delegation hat die Absicht, der Konferenz Vorschläge zu unterbreiten, die auf eine Einschränkung der Rüstungen abzielen. Diese Äußerungen Tschitscherins veranlaßten Barthou zu energischem Widerspruch. Frankreich werde nicht gestatten, daß die Frage der Entwaffnung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werde. In Lie lebhafte Debatte, Lie sich daran knüpfte, griffen auch Lloyd George und Präsident de Facta ein, wobei Lloyd George formell sich auf Len Stand punkt Frankreichs stellte, jedoch der Überzeugung Ausdruck gab, Laß die Konferenz von Genua ein Mißerfolg sein würde, wenn sie nicht letzten Endes Loch zur Entwaffnung führen sollte. Schließlich erklärte Le Facta, daß er das Einverständnis aller Nationen mit dem Programm von Cannes festgestellt habe. Es sei also gegenstandslos, da von zu sprechen. Im übrigen seien damit die Verhandlun gen der Vollsitzung vorläufig geschlossen * Die Kommissionsberatungen. Nach der großen Eröffnungssitzung begann am Dienstag die Einzelarbeit der Kommissionen, von denen sich die erste, die sogenannte politische Kommission, mit den allge- meinen Fragen deS Wiederaufbaues beschäftigt. Zunächst wurde eine Unterkommifston von elf Mitgliedern für den Wiederaufbau Rußlands gewählt. Diese wird über ihre vier Grundsätze diskutieren, und zwar über die Anerkennung der Schuldverpflichtungen gegenüber anderen Staaten, unab hängig von jedem Regierungswechsel; keine Propaganda in fremden Staaten; Achtung der Grenzen fremder Länder und Schutz der Ausländer und deren Besitz. Alles das gilt in erster Linie sür Rußland. Die Explsfionskaiastrophe in Meiwitz. Kein Belag erungszu st and. Der Umfang der Explosionskatastrophe auf dem Hüt- tensriedhof in Meiwitz ist noch immer nicht vollkommen zu übersehen. Einige Angaben sprechen vsn 24 Toten, andere Meldungen geben die Zahl der Getöteten auf 18, die der Verschütteten auf 5 und die der Schwerverletzten auf 15 an. Der Kreiskontrolleur erklärte in einem amtlichen Bericht, daß Lie durch den technischen Dienst dc^ Genietruppen vorgenommene Untersuchung als Grund Ler Explosion eine gegen die Mauer der Friedhosskapeile ab gebrannte Melinitmhne ergeben habe; diese Mine sei zur Herbeiführung der Explosion mit einem Nachzünder system versehen gewesen. Der Belagerungszustand, von dem Lie ersten. Meldun gen sprachen, ist nicht verkündet worden. Das Er scheinen der Zeitungen wurde nur ein paar Stunden lang, bis zur amtlichen Verlautbarung über die Katastrophe, in hibiert. Das Betreten der Unglücksstätte, auf der, einem Gerücht zufolge, gegen 40 Stiel- und Eierhandgranaten gefunden worden sein sollten, ist streng verboten. Gleich nach der Explosion wurden von den Franzosen der Leiter der staatlichen Hütte, Oberbergrat Weber, und der Portier Meinke, der zur Untersuchung des Friedhofes mitheraugezogen worden war, verhaftet. Die Stim mung der französischen Garnison in Meiwitz soll äußerst gereizt sein. Schießereien in Laband. Am Nachmittag des 9. Aprils entstanden in Laband (Kreis Tost-Meiwitz) verschiedentlich Schießereien, deren Ursache nicht festgestellt werden konnte. Um 5 Uhr nach mittags wurde der von Peiskretscham ankommende Zug beschossen. Es entwickelte sich eine gegenseitige Schießerei. Später wurden im Hüttenviertel Schüsse gewechselt. Ein Mann von der Apo wurde mit einem Schuß im Bein aufge funden. Vier Mann der Apo fanden bei neuem Wiederauf!- leben der Schießerei einen Mann der Gemeindewache leicht und einen schwer verwundet auf. Dis Herrsche Aniwori in Paris. Ablehnung der Forderungen der Neparationskommissis«. Die Teuerung in Deutschland. — Gefahr einer Hungersnot. — Nachprüfung durch neutrale Sachver ständige. — Anleihe und Wechselkurs. — Ablehnung der geforderten Nachstenern. — Ablehnung der Kontrolle. — Neue Verhandlungen. Am gleichen Tage, an dem in Genua die großen Prs- grammreden der alliierten Ministerpräsidenten und deS deutschen Reichskanzlers gehalten wurden, ist in Paris die deutsche Antwortnote auf die letzte Note der R»» parationskommission vom 21. März überreicht worden, i« Ler von nur 60 Milliarden neue Steuern und einschnei dende Kontrollrechte für die Entente verlangt wurden. Dis Antwortnote bewegt sich in den gleichen Gedankengängen wie Lie letzte große Kanzlerrede im Reichstage. Sie legt dar, daß die neuen Forderungen sür uns unannehmbar sind und spricht die Bitte aus, auf dem Wege neuer Ver handlungen eine Lösung der obwaltenden Schwierigkeiten zu versuchen. Es wird im einzelnen dargelegt, wie unter dem finanziellen Druck, der auf uns lastet, der Dollar- kursin Berlin ständig gestiegen ist und die Teuerung sich dauernd verschärft hat. Sie beträgt bereits für viele unentbehrliche Lebensbedürfnisse das 60- oder Mache des Friedenspreises oder noch mehr. Selbst Brot, dessen Preis noch heute künstlich niedrig gehalten wird, war Ende März sür den Verbraucher gegenüber der Zeit vor dem Kriege auf mehr als das 25fache gestiegen. Bei Kohle trat von Januar bis Ende März eine Steigerung einschließlich der Steuer vom 35fachen auf das 60fache, bei Baumwolle eine solche vom KSfachen auf das 95fache ein. Auch die Haushaltungsgegenstände, Möbel, Wäsche usw., sind im März gegenüber dem Januar um weit über 100 Prozent gestiegen. Die zur Aufrechterhal tung der Brotration erforderliche Einfuhr von Ge treide wird im Jahre 1922 allein noch rund 500 Mil lionen Goldmark kosten. Können die hierfür notwendigen Devisen nicht aufgebracht werden, so steht eine Hungersnot bevor. Die deutsche Regierung sieht der Entwicklung im Sommer mit größter Besorgnis entgegen. Einen Zusammenbruch zu verhindern, liegt im gemeinschaftlichen Interesse nicht nur Mitteleuropas, sondern der ganzen Welt. Die Ge fahren beruhen vor allem in den Goldzahlungen. Die deutsche Regierung sieht sich daher genötigt, die Repara- tionskommission zu bitten, in eine Nachprüfung der Entscheidung vom 21. März d. Js. einzutreten. Die deutsche Regierung schlägt vor, daß diese Prüfung unter Leitung der Reparationskommission durch eine Anzahl von Sachkennern vorgenommen wird, die nicht lediglich den unmittelbar beteiligten Staaten angehören. Ferner wird erklärt, daß nur durch eine äußere Anleihe die nötigen Zahlungsmittel beschafft und die Wechsel kurse befestigt werden können. Dann werden Lie von der Kommission geforderten Garantien, a^o Lie 60 Milliarden neuer Steuern als praktisch undurchführbar nachgewiesen, denn das Steuerkompromiß belastet die deutsche Wirtschaft schon bis zur äußersten Grenze ihrer TragMigkett. Was schließlich die von der Reparalions-