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Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochenblüll für WUdmff UNd ilMgLgeNd Postscheckkonto Dresden 2640 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Verleger und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide i« Wilsdruff. Nr. 86 Dienstag den 1L. April 1S22. 81. Jahrgang Kleine Zeitung für r.lige Leser. * Auf Grund einer Besprechung der Landwirtschaft mit dem neuen Ernährungsminister wurde eine Kommission eingesetzt zur Untersuchung der Brotversorgungsfrage. * Der Reichstag, der sich in die Osterferien begeben hat, soll spätestens am 2. Mai seine Arbeiten wieder beginnen. * Im Deutschen Beamtenbumd wurde nach erregten Dis kussionen eino Einigung erzielt, die eine gemeinsame Weiter- «rbeit der Reichsgewerkschaft deutscher Eisenbahner mit den anderen Gruppen des Bundes ermöglicht. * Poincarö und Lloyd George hatten bei der Durchreise Lloyd Georges durch Paris eine einstündige Unterredung über Genua. * Der Papst richtete «in Handschreiben an den Erzbischof von Genua, in dem er seine Wünsche für die Konferenz zum Ausdruck bringt. Kohlennot. Jüngst hat der Reichskohlenrat über die deutsche Kohlennot beraten. Die Lage wird in allernächster Zeit dadurch eine Verschärfung erfahren, daß der größte Teil des oberschlesischen Kohlrngebietes den Polen zufällt. ES ist zum mindesten sehr zweifelhaft, ob die Polen ihrer Ver- pflichtung, die Kohlen in bisheriger Weise und in bis herigen Mengen über die deutsche Grenze zu lassen, nach kommen werden. Eine weitere Quelle ernster Sorgen sind die weit gehenden Ansprüche, besonders Frankreichs, in bezug aus die von uns zu liefernden Kohlenqualitäten. Von Monat zu Monat haben sich die Koksforderungen erhöht. Im Juni 1921 brauchten wir nur 214 000 Tonnen Koks zu liefern, im Januar 1922 dagegen 640 000 Tonnen. Da durch wird der Westdeutschen Eisenindustrie der wichtigste Hilfsstoff entzogen. Die Neparationskommission besitzt das Recht, die freie deutsche Kohlenausfuhr zu verbieten. Auf ein deutsches Gesuch, die Reparationskommission möchte auf dies Recht verzichten, ist eine abschlägige Ant wort erfolgt. Nur für die wenigen Monate, für welche Lieferungsvereinbarungen über die Kohlenqualitäten vor liegen, soll Deutschland das Recht des freien Exportes haben. Damit werden wir außerstande gesetzt, eins der wichtigsten Austauschgüter zu verwenden, um uns die nötigen Nahrungsmittel und Rohstoffe aus dem Ausland zu verschaffen. Allerdings müßte hierfür die deutsche Kohlenerzeugung noch ganz erheblich gesteigert werden. Der Nutzeffekt der bergmännischen Arbeit hat sich im Jahre 1921 gegenüber dem Vorjahre etwas gebessert. Eine um 4,7 Prozent stärkere Belegschaft im Ruhrgebiet hat 6,9 Prozent mehr Ausbeute erzielt als im Vorjahre. Soweit die Eisenbahn dem Abtransport der Kohlen schon bei der heutigen Produktion nicht voll gerecht zu werden vermag, sind die Einwände gegen die vorgeschlagene überarbeit verständlich. Gelingt es aber, die Verkehrsschwierigkeiten zu beseitigen, so wird die Frage der Mehrerzeugung drin gend. Es ist ein unleidlicher Zustand, daß die Kohlen- rinfuhrenin den letzten Monaten eine erhebliche Stei gerung erfahren haben. Im Oktober und November 1921 wurden zusammen 115 000 Tonnen ausländischer Kohle eingeführt, in den Monaten Januar und Februar 1922 volle 500 000 Tonnen. Das bedeutet eine gefährliche Erschwerung der Einfuhr lebensnotwendiger Auslands- Produkte. Grundsätzlich ist darauf aufmerksam zu machen, daß die Deutschland im Versailler Vertrag und im Abkommen von Spa auferlegte Verpflichtung zur Kohlenlieferung als Ersatz für die Kohlenmengen anzusehen ist, welche die Ver bündeten in ihren eigenen Kohlengebieten weniger fördern. Das gilt insbesondere für Frankreich und Belgien. Die Verpflichtung zur Kohlenlieferung ist deshalb auch rechtlich begrenzt. Aus dieser rechtlichen Begrenzung läßt sich ableiten, daß auch der Umfang der Lieferung sich nach dem tatsächlichen Ausfall richten muß. So hat Belgien die während des Krieges zmn Teil zerstörten Kohlenberg, werke vollständig wieder in Betrieb gesetzt, so daß seine Kohlenförderung die der Vorkriegszeit wieder erreicht hat. Sie könnte sogar noch gesteigert werden, wenn nicht die deutsche Lieferungskohle den Absatz der belgischen Kohle behinderte. Nichtsdestoweniger läßt sich Belgien weiter mit deutscher Kohle beliefern. Die Kohlenausbeute Bel giens betrug in der Vorkriegszeit jährlich rund 23 Mil- Konen Tonnen. Im Jahre 1921 wurden bereits wieder 21 Millionen Tonnen gefördert, während 1922 voraus sichtlich eine weitere Erhöhung eintreten wird. Bestim mend hierfür sind nicht technische Schwierigkeiten, sondern die allgemeine Marktlage. Heute erzeugt Belgien seinen Koks mit deutscher Zwangskohle, soweit nicht im Rahmen des Kohlenabkommens unmittelbar deutscher Koks ge liefert wird. Nicht viel anders liegen die Dinge für Frankreich. Von Monat zu Monat steigert sich die Aus beute der Gruben in der Kriegszone. Sie hat 35 Prozent der Vorkriegszeit überschritten, so daß auch Frankreich gegenüber eine Ermäßigung der Kohlentribute erfolgen müßte. Davon will es aber nichts wissen, besteht vielmehr hartnäckig auf seinem Schein, weil es so die deutsche Zwanqskohle zu Schleuderpreise» erhält und seiner Schwerindustrie die Möglichkeit verschafft, auf den Aus- londsmärkeen die Preise anderer Völker zu unterbieten. Bon diesen erweislichen Tatsachen nimmt die letzte Note des Wiederherstellungsausschusses in dieser Angelegenheit keine Notiz. Der Ausschuß möchte mit allen Mitteln seine Befugnis zu wahren suchen, zu jeder Zeit wieder in die deutsche Kohlenwirtschaft einzugreifen. Nun ist es wieder erweisliche Tatsache, daß die Kohlenlage in Deutschland außerordentlich ernst ist. Als die Regierung Fehrenbach- Simons das Abkommen von Spa unterzeichnete, setzte sie als sicher voraus, daß Oberschlesien beim Reiche verbleiben würde. Die Steinkohlenausbeute Deutschlands erreichte 1921 rund 136 Millionen Tonnen; dabei ist die schlesische Förde rung noch, mit eingerechnet. Für 1922 steht uns also eine gleichgroße Menge nicht zur Verfügung, selbst dann nicht, wenn im Ruhrkohlengebiet die überschichten wieder ein geführt werden. Wird das Abkommen von Spa nicht ge lockert, so sind wir gezwungen, entweder die Industrie ab- zudrosseln, oder aber teure Auslandskohle einzuführen. Völlig unerträglich ist die Einmischung des Wiederher stellungsausschusses in Sachen der deutschen Kohlenaus- suhr. Wenn die internationale Preisentwicklung weiter sortschreitet, werden wir nicht viel anderes als Kohlen aussühren können, da unsere Fertigerzeugnisse infolge der wachsenden Herstellungskosten nicht mehr auf den Aus landsmärkten in Wettbewerb zu treten vermögen. Ohne Ausfuhr erhalten wir keine Devisen, keine Möglichkeit, Barzahlungen zu leisten, aber auch nicht die Mittel, Roh stoffe und Nahrungsmittel einzuführen. W. W. Die Arbeit in Genua beginnt. Vorbesprechungen und BegrÜtzungsworte. Die deutsche Delegation ist am Sonnabend gegen 2 Uhr nachmittags von Berlin im Sonderzug nach Genua abgefahren. Zur Verabschiedung war auch der italienische Botschafter Frassati anwesend, mit dem Reichsminister des Auswärtigen Dr. Rathenau aus dem Bahnsteig noch eine längere Besprechung hatte. Einem Journalisten sagte Dr. Rathenau zum Abschied: „Wir gehen mit dem ernsten Willen zu fruchtbarer Arbeit und mit guten Hoffnungen nach Genua. Aber ich möchte nicht, daß die Hoffnung im Lande zu weit gespannt werde. Denn auf zu weit gespannte Hoffnungen könnten leicht Rückschläge erfolgen." Der Reichskanzler Dr. Wirth, der Berlin am Abend vorher verließ und sich zunächst nach Freiburg begab, äußerte vor der Abreise u. a., er gehe nach Gemw mit demselben Gefühl wie die meisten anderen Nationen, nämlich mit reduzierten Erwartungen. Trotzdem betrachten wir, sagte der Kanzler, Genua als einen weiteren Schritt nach vorwärts. Wenn man eine Währungsreform für Deutschland vorbrreiten will, müssen auch die Ursachen des Währungselends beseitigt werden, und jede Anleihe verlangt eine Basis, di« man aber nur dann^findet, wenn das Reparationsproblem selbst eine wirtschaftlich tragbare Form erhält. Trotzdem ist Aenua der erste Schritt zur Annäherung der euro päischen Nationen. Lloyd George und Poincar 6 haben auf der Durchreise Lloyd Georges durch Paris eine Stunde im Salonwagen des englischen Ministerpräsidenten mitein ander beraten. Poincars, der nicht selbst nach Genua gehen will, hat dafür allen Delegierten und Sachverstän digen Frankreichs die genauesten Instruktionen erteilt und diese sogar im Ministerrat schriftlich sestgelegt. Lloyd George soll nach der Zusammenkunft bei glänzender Stim mung gewesen sein und sich sehr optimistisch über Genua geäußert haben. Er hat als eigentlicher Vater des Ge dankens von Genua am Montag die Eröffnungsrede der Konferenz zu halten, nachdem der italienische Außenminister Schanzer die Begrüßungsworte gesprochen hat. Die Rede soll die Basis der Beratungen bilden, das Arbeits programm feststellen und di« Ziele uns Wege der Kon ferenz beschließen. Ihr genauer Inhalt wird in der Vor konferenz der Alliierten sestgelegt. Wie verlautet, will Lloyd George die Verminderung der Landrü st ungen zu einem der Hauptpunkt« seiner Genueser Politik machen. Die Regierungen der Kleinen Entente sind überein gekommen, in Genua einen Blockzu bilden, um die Groß mächte daran zu verhindern, ihre wirtschaftliche und finan zielle Unabhängigkeit anzutasten. Wünsche und Hoffnungen. Papst P iu - Ll. richtete an den Erzbischof von Genua ein Handschreiben anläßlich der „Konferenz von Siegern und Besiegten", der sich alle Hoffnungen der Völker zuwenden. Er hofft vertrauensvoll, daß die Abgesandten der Mächte die trau rige Lage aller Völker mit der Neigung zu einigen Opfern auf dem Altäre des allgemeinen Wohle- betrach ten möchten, was die erste Bedingung sei, um eine wirkliche Besserung herbeizuführen, und der erste Schritt zu der von der ganzen Welt so Heiß ersehnten allgemeinen Befriedigung. Auch wenn man von der Konferenz nicht nur jede Erörterung der vorher geschlossenen Verträge, sondern auch der auserlegten Reparationen ausschließen wolle, so scheine die- nicht jeden späteren Meinungsaustausch zu hindern, der den Besiegten die schnelle Erfüllung ihrer Verpflichtungen erleich tern könnte, was schließlich auch »um R»rt«ilv«r Sis» a«r-diene» würde. Mr italienische Ministerpräsident de Facta äußerte vor seiner Abreise von Rom nach Genua, gerade die Verschieden artigkeit der in der Konferenz zusammenkommenden Männer werde zum Erfolg der Konferenz beitragen. Schließlich hat auch der Bürgermeister von Genua einen hoffnungs vollen Aufruf an die Bevölkerung gerichtet, in dem unter anderem gesagt wird: „Unsere Stadt ist stolz darauf, als Sitz dieses neuen Kongresses auserwählt worden zu sein, wo zur Versöhnung bereit Verbündete, Neutrale, Feinde von gestern und alle die jungen Nattonen zusammenkommen. Im Herzen eines jeden Italieners brennt der Wunsch, dies möchte endlich ein wahres Osterfest des Friedens werden." Mr Landwirte gegA die Gettei-eumlage. Besprechung mit dem neuen Ernährungsminister. Im Reichsministerium für Ernährung und Landwirt schaft fand unter Vorsitz des Reichsernährungsministers Fehr ein« Konferenz mit Vertretern der Landwirtschaft statt, die von zahlreichen führenden landwirtschaftlichen Per sönlichkeiten besucht war. Gegenstand der Verhandlung«» war die Getreidebewirtfchaftung im kommen den Wirtschaftsjahr. Der Minister erklärte, es werde sein Bestreben sein, diese und die übrigen wichtigen Fragen, die für di« Erzeugung und Ernährung in Deutschland in Betracht kämen, in enger Fühlungnahme mit der Landwirtschaft zu regeln. Die Konferenz mit den Ernährungs- und Landwirtschaftsministern der Länder, die jüngst stattgefunden habe, habe sich aus den Standpunkt gestellt, daß im nächsten Erntejahr die vokkvmmen freie Getreidebewirtfchaftung nicht möglich sei, und dieser Standpunkt stimme überein mit der Aus fassung der Reichsregierung. Hinsichtlich der Getreide- b e w i r L s ch astung Hosse er, in eingehenden sachlichen Verhandlungen mit der Landwirtschaft zu einem ersprieß lichen Ziele zu kommen. Hingegen glaube er nicht, daß man bei den Kartoffeln mit einer Umlage oder son stigen öffentlichen Bewirtschaftungsform zum Ziele kom men werde, da hier weit größere technische Schwierig keiten beständen. Man werde an den Abschluß von Lieferverträgen und Lie direkte Verbindung vo« Produzentenorganisationen und Verbraucherorganisatio- ncn denken müssen. Der Vorsitzende des Reichsausschusses der deutschen Landwirtschaft, Edler von Braun, ant wortete darauf, die Landwirtschaft werde ihre Hilfe bei der Durchführung der Aufgabe dem Minister nicht ver sagen. Dann machte der Präsident der Reichsgetreidestelle darauf aufmerksam, daß die Zuschüsse des Reiches im kommenden Wirtschaftsjahr vollkommen wegfalle» und eine Verteuerung des Brotes schon hierdurch eintreten werde. Durch eine gleichzeitige Beseitigung der Erfassung bestimmter Mengen zu Preisen, die unter dem Weltmarkt preise liegen, werde die Möglichkeit genommen, einen sta bilen und erträglichen Preis zu schaffen. In der Aus sprache betonten dis meisten Redner, daß für die Landwirt schaft . eine Fortführung der Umlage unerträglich sei, wobei insbesondere darauf verwiesen wurde, daß hier eine ganz «inseitige Belastung eines Berufs standes vorliege, die einer Sonder st euer gleichkomme. Von verschiedenen Seiten wurde angeregt, in dieser Rich tung Verbesserungen herbeizuführen. Im ganzen ergab die Aussprache trotz des im allgemeinen ablehnenden Standpunktes der Landwirtschaft gegenüber der Umlage, daß die Vertreter bereit sind, in Einzelerörterungen einzu treten und Vorschläge zu prüfen, sowie an Maßnahmen zpr Sicherung der Versorgung der Bevölkerung mit Brotgetreide mitzuarbeiten. Zu diesem Zweck wurde eine besondere Kommission eingesetzt, die bereits in der nächsten Woche zu einer weiteren Aussprache zusammen- treten soll. politische Rundschau. Deutsches Reick. Schlußarveiien des Reichstages. In seiner letzten Sitzung vor den Ostersetten lehnte der Reichstag die kommunistischen Anträge aus Streichung der Ausgaben für Polizei und Technische Nothilfe ab. Die Kosten für Kriegergräberfürsorge wurden bewilligt, ebenso der Rest des ordentlichen Etats des Innern und die einmaligen Ausgaben. Endlich wurde das Diätengesetz für di« Abgeordneten in allen drei Lesungen angenommen, wodurch die Diäten auf monatlich 5000 Mark erhöht werden. Die nächste Sitzung soll nicht später als am 2. Mai stattfinden. Nordamerika. X Der Weltglaubiger. In Washington plant man für ! den Monat Juni eine allgemein« Konferenz zur Konso- S lidierung der Schulden der interessierten ausländischen Stationen. Da die Zahlungsfähigkeit der Schuldnerstiaten -ungewiß sei, inerde es notwendig werden, nach einem Ab kommen mit Großbritannien vom Kongreß weitestgehend- Vollmachten für die Regelung der Frage zu verlangen/ Die Spitze dieser ganzen Aktion zielt selbstverständlich nicht z gegen Euglüntz, solcher» gege» Paris und die französischen z Küftun^e».