Suche löschen...
Wilsdruffer Tageblatt : 08.04.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-04-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192204085
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220408
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220408
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-04
- Tag 1922-04-08
-
Monat
1922-04
-
Jahr
1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 08.04.1922
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
allen Fraktionen findet. An Stelle des reinen Männerrechtes wird das Menschenrecht treten. Abg. Marx (Zentr.) sprach sich gegen einen Antrag der Deutschnattonalen aus, wonach von 12 Geschworenen minde stens sieben Männer sein müßten und den Frauen das unbe dingte Ablehnungsrecht gegeben werden sollte. Ubg Dr. Herzfeld (Komm.) und die Abg. Frau Wackwitz (Komm. Arbeitsgemeinschaft) sprachen sich ebenfalls für die Vorlage aus. Der Antrag, daß mindestens ein Schöffe ein Mann sein muß, wurde mit großer Mehrheit angenommen. Von der Annahmepflicht des Schöffen- und Geschworenen amtes werden die Hebammen und Krankenpflegerinnen ausge nommen. Das Gesetz wurde in zweiter und in unmittelbarem Anschlusse daran in dritter Lesung angenommen. Sodann wurde ein Gesetz zur Aufhebung des Schaum weinsteuergesetzes und zur Änderung des Weinsteuer- gesetzes, durch die der Schaumwein der übrigen Wernsteuer unterworfen wird, in erster und zweiter Lesung angenommen. Die dritte Lesung dagegen wurde zurückgestellt. In allen drei Lesungen angenommen wurde ein Antrag auf Sicherung der ärztlichen Versorgung bei der Krankenkasse (statt ärztlicher Behandlung sollen gegebenenfalls Barleistungen gewährt werden). In dritter Lesung angenommen wurde der vorläufige Handelsvertrag mit den Königreichen der Serben, Kroaten und Slovenen. Alsdann setzte man die zweite Lesung des Haushalts des Reichsministerinms des Innern fort. Die Abg. Frau Dransfeld (Zentr.) erklärte, die uneheliche Mutterschaft untergrabe den in der Verfassung ausdrücklich sest- gelegten Familtengedanken. Wenn auch aus feiten des Man nes vielfach die größte Schuld liege, so bedeutet die uneheliche Mutterschaft doch im Volksempfinden einen Makel, und dieses Volksempfinden müssen wir erhalten. Abg. Frau Müller-Ottfried (Deutschn.) erklärte, die Antrag stellerin Frau Pfuelf wolle dadurch den ersten Schritt zur grund sätzlichen Gleichberechtigung der unehelichen und der verheirate ten Mutter tun. (Zurufe von links: „Das wollen wir!") Die Annahme dieser Entschließung könnte dazu führen, daß die weiblichen Beamten nach und nach vollständig verdrängt werden. Zu erwägen wäre, ob bei der Revision des Disziplinar rechtes nicht auch die Entlassung der Beamten vorzusehen ist, die Väter unehelicher Kinder sind. (Hier ries der Abg. Dr. Moses dazwischen: „Dann werden sie alle entlassen!" Große Heiterkeit.) Wir reichen nicht die Hand dazu, die Familie zu untergraben, schloß die Rednerin. (Beifall rechts, Lärm links.) Die Abg. Frau Schröder (Soz.): Sie (zur Rechten gewandt) Wollen die unehelichen Mütter verdammen und ihr Kind zum Kinde zweiten Ranges machen. Wir wollen nicht uneheliche Kinder züchten, sie sind aber da und dürfen nicht verhungern. Sie aber (nach rechts) wollen die wahre Unsittlichkeit groß ziehen. Das ist Lüge und Heuchelei. Die Abg. Frau Dr. Bäumer (Dem.) legte folgende Ent- schließung vor: „Bei der Entlassung weiblicher Beamten und Hilfskräfte aus Grund unehelicher Mutterschaft oder dem Ausschluß solcher Hilfskräfte von der Beförderung aus dem gleichen Grunde ist der 8 10 deS Beamtengesetzes in einseitiger Weise auf di« weiblichen Beamten angewandt worden. Der Reichstag fordert, daß in gerechter Anwendung dieses Paragraphen aufMännerund Frauen der Einzel fall daraufhin geprüft werde, inwieweit eine Verletzung der öffentlichen Achtung vorliege, deren der Beamte zu seiner Be rufsausübung bedarf." — Die Rednerin begründete diese Ent- Schließung in längeren Darlegungen. Die Abg. Frau Nemitz (U.-Soz.) bedauerte, daß jetzt die Praxis darauf hinausliefe, daß die uneheliche Mutter einjach auf di« Straße fliege. Die Abg Frau Mende (D. Volksp.) sprach sich im Sinne der Eingabe des Reichsverbandes der Post- und Telegraphen-, beamtinnen aus, die die Disziplinierung wegen unehelicher Mutterschaft von Fall zu Fall regeln will. — Nachdem noch die Abgeordneten Frau Neuhaus (Zentr.), Frau Dransfelds Ztr.) und Frau Schuch (Soz.) in dieser Angelegenheit gesprochen hak ten, erklärte der Abg. Marx (Zentr.): Ich habe namens meiner Freunde Widerspruch zu erheben gegen die Art, Wie von der Tri« büne dieses Hauses eine christliche Institution, die seit Jahr« hunderten besteht, (Lärm links) behandelt wird. Wirlassen die Ehe nicht beschimpfen. (Beifall rechts.) Abg. Frau Pfuelf (Soz.): WaS von mir gesagt worden ist, ist viel mehr christlich« Weltanschauung als was wir von ande rer Seite gehört haben. Wir tragen das Christentum Prattisch hinaus, Sie (zum Zentrum und zur Rechten gewandt) üben es m der Kirche. — Damit schloß die allgemein« Aussprache. Hierauf wurde über einen Antrag deS Aba. Dr. Mumm (Deutschnat.) verhandelt, der dahin ging, zur Förderung der studentischen Wirtschaftshilfe 10 Millionen Mark in den Haushalt einzustellen. Das Anwachsen Ser Teuerung, über 150 Proz. Mehrkosten als im Vorjahr. Eine halbamtliche Feststellung hebt hervor, daß die Teuerungsentwicklung nach einer kurzen Verlangsamung gegen Ende des Monats Februar im Monat März weiter stark zugenommen hat. Die vom Statistischen Reichsamt auf Grund der Erhebungen über die Aufwendungen für Ernährung, Wohnung, Heizung und Beleuchtung einer fünfköpfigen Familie berechnete Reichsindexziffer (Ver gleich zu einer Friedensziffer von 100) für die Lebens haltungskosten ist im Durchschnitt des Monats März aus 2302 gestiegen. Gegenüber Februar (1989) sind die Lebens haltungskosten um 15,7 Prozent gestiegen, gegenüber Ja nuar dieses Jahres um 40,4 Prozent, gegenüber dem Monat März des Vorjahres um 155,5 Prozent. Ungefähr gleich stark wie die Gesamtausgaben sind im Berichtszeitraum die Ernährungskosten gestiegen, deren Indexziffer für den Durchschnitt des Monats März 3152 beträgt. Gegenüber dem Vormonat bedeutet dies eine Steigeruung von 15,6 Prozent, gegenüber März 1921 eine Erhöhung von mehr als 165 Prozent des damaligen Stan des. An dieser Steigerung haben fast ausnahmslos alle Lebensmittel teil. Weit mehr noch als Ernährungs- und Gesamtkosten haben die Ausgaben für Heizung und Beleuchtung im Durchschnitt des Monats März gegenüber dem Vormonat zugenommen. Die im März eingetretene Steigerung der Lebenshaltungskosten war im Gegensatz zu den Vor monaten in den Großstädten nicht ganz so bedeutend wie in mittleren und Kleinstädten. * Wie es war und wie es heute ist. Dem hannoverschen Kurier wurde kürzlich eine auf Grund eines sorgfältig geführten Wirtschaftsbuches aus dem Jahre 1914 angefertigte vergleichende Übersicht zur Verfügung gestellt. Es handelt sich um einen Haushalt ohne Kinder, und unge wöhnliche Ausgaben (z. B. aus Anlaß von Krankheiten) sowie sogenannter Luxus sind nicht in Betracht gezogen. Es mutz ferner Hervorgehoben werden, daß für 1914 wirklich gemachte Ausgaben angegeben sind, während die Zahlen für die Gegen wart lediglich nach den — inzwischen wieder weit überholten — Preisen der letzten Wochen errechnet sind. Die Zahlen, von denen wir nur einige wiedergeben, sprechen eine überzeugen dere Sprache als lange theoretische Betrachtungen. Es wurden ausgegeben: für Miete im Jahre 1914 600 Mark — heutiger Preis 1200 Mark; für Steuern 473 — heute 4200; für Gas 100 — heute 2000; für elektrische Beleuchtung 60 — heute 500; für Postgebühren 43 — heute 866; für Raste ren und Haarschneiden 24 — heute 540; für Zigarren 125 — heute 3200; für Bier 140 — heute 2450; für Heizung 360 — heute 4500; für Straßenbahn 12 — heute 240; für Herrenklei dung (Anzug, Hut, Stiefel, Überzieher usw.) 218 — heute 4475; für Damenkleidung 384 — heute 4290; für Fleisch 285 — heute 6000; für Brot 68 — heute 2225; ftir Eier, Milch und Butter 183 — heute 2622; für Kartoffeln 20 — heute 7200; für Zucker 30 — heute 800; für Kaffee 240 — heute 8400; für frisches Ge müse 50 — heute 1500; für Obst 50 — heute 900; für Mehl 12 — heute 750; für Seife 14 — heute 330 usw. Die Gesamtausgaben des Haushalts betrugen 4721 Mark. Demgegenüber standen Einnahmen in Höhe von 7888 Mark, so daß ein Überschuß von 3167 Mark verblieb. Die entsprechenden Ausgaben würden heute 86277 Mark betragen. Da die Ein nahmen nur 46 800 Mark betragen, würde, wenn der Haushalt genau so geführt werden sollte wie 1914, sich ein Fehlbetrag Von 39 477 Markergeben. Die Lebenshaltung in dem be ireffenden Haushalt — es handelt' sich um eine Beamten- familie — hat also gegen die Vorkriegszeit fast um die Hälft« eingeschränkt werden müssen! Tagung des Deutschen SeamtenbundeS. Berlin, S. April. Auf der dritten Bundestagung des Deutschen Beamten bundes, die in Berlin heute ihren Anfang nahm, hob der 1. Vorsitzende des Deutschen Beamtenbundes hervor, daß gerade in diesen Tagen die Einheit und Geschlos senheit der deutschen Beamtenschaft von größter Wich tigkeit sei. Der erste Bundesvorsttzende Flügel betonte, der gewerkschaftliche Charakter des Deutschen Beamteft bundes müsse erhalten bleiben. In der Frage des Be amtenstreiks erwartete die Öffentlichkeit eine klare Stellung nahme des Deutschen Beamtenbundes. Der Redner er klärte: „Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein deutscher Be amter, er müßte denn politisch oder sonst völlig verrannt sein, die furchtbare Waffe des Beamtenstreiks anders anzuwenden willens sein könnte als im Zustande äußerster Notwehr." Jeder Beamtenstreik berge die Gefahr des Verlustes der Beamtengrundrechte in sich. Daß Beamte als letztes Mittel zum Streik greifen, scheine nur möglich bei ernsthafter Bedrohung ihrer verfassungsmäßigen Grundrechte und bei ernstlicher Gefährdung ihrer Existenz möglichkeit. Der Beamtenbund sei bereit, in gemeinsamen Fragen mit den übrigen gewerkschaftlichen Spitzenorgani- fationen zusammenzugehen. Unbedingte Voraussetzung für die Zusammenarbeit sei aber die Wahrung der parteipoli tischen Neutralität des Deutschen Beamtenbundes und seine organisatorische Selbständigkeit. Das Berufsbeam te ntum müsse unter allen Umständen erhalten bleiben. Das Besoldungsgesetz bedürfe einer neuen gesunden Grundlage. Neueste Meldungen. Die Liquidationsfrage in Oberschlesien. Berlin. Wie verlautet, wollen die Polen in Genf in der oberschlesischen Liquidationsfrage folgenden Ausgleichsvorschlag machen, der angeblich Aussicht haben soll, von Deutschland an genommen zu werden. Die in dem an Polen fallenden Teil Oberschlesiens gelegenen Unternehmungen der deutschen Groß industrie, ihre Betriebsstätten, ihre Aktien, ihre Anteile usw. bleiben (vorbehaltlich des Falls der „Sabotage") für 15 Jahre von jeglicher Liquidation in irgendeiner Form befreit. Ähn liches soll für den Großgrundbesitz gelten. Doch ist man über die Grenze Mischen großem und kleinem Besitz noch nicht einig. Der deutsche Gesandte für Warschau. Berlin. Die polnische Regierung hat ihre Zustimmung zur Ernennung des bisherigen Gesandten des Reiches in Georgien, Ulrich Rauscher, der deutscher Gesandter in Warschau werden soll, erteilt. Die Eisenbahnbeamten in Polnisch-OberMefien. DL Kattowitz. Die Interalliierte Kommission hat an die Eisen« bahndirektion in Kattowitz eine Anordnung erlassen, wonach es den Eisenbahnbeamten streng verboten ist, einstweilen rhre Posten zu verlassen. Zwischen Vertretern des polnischen und deutschen Verkehrsministeriums werden zur Zeit Verhandlun gen geführt, die den vorläufigen Verbleib der Eisenbahn beamten in Polnisch-Oberschlesien betreffen und die einen be friedigenden Verlauf nehmen. Ein politisches Todesurteil. DL Mons (Belgien). Der Belgier Jeannes, der sich vor dem Schwurgericht in Mons wegen Denunziation der englischen Krankenpflegerin Miß Edith Cavell bei den deutschen Okkupa tionsbehörden zu verantworten hatte, ist zum Tode verurteilt Worden. Zita darf nach Ungarn zurück. DL Budapest. Infolge eines Vermittlungsschrittes, der sei tens des Kardinal-Fürstprimas Czemoch bei dem Ministerpräsi denten Grafen Bethlen unternommen wurde, läßt die Regie rung mitteilen, daß sie gegen eine Rückkehr der Exkönigin Zita und des Erzherzogs Otto nichts einzuwenden habe, im übrigen aber an der bisher in der Königsfrage verfolgten Politik fest« zuhalten gesonnen sei. Angora zum Waffenstillstand bereit. Konstantinopel. Die Antwort der Regierung von Angora über die Vorschläge der Verbündeten betreffend den Waffen stillstand enthält die Annahme des Vorschlags der Entente unter der Bedingung, daß di« Räumung Smyrnas sofort b«- gonnen wird, so daß sie in vier Monaten beendet sein kann. Amerika wahrt seine russischen Interessen. Washington. Amtlich wurde mitgeteilt, daß, wenn auf der Konferenz von Genua ein Abkommen über die Fundierung der auswärtigen Schulden Rußlands getroffen werde, die ame rikanische Regierung entschlossen ist, eine Beteiligung unter Wahrung ihrer vollen Gleichberechtigung mit den anderen En tentemächten zu fordern. Der „Beobachter" Amerikas auf der Genueser Konferenz wird sein wirksames Aufsichtsrecht vor allem auf die 300 Millionen Dollar stützen, die Rußland Ame rika schuldet. Moskau. Der Umsturz in Wladiwostok ist vollzogen. Merkulow hat sich zu den Japanern geflüchtet. An der Spitze der neuen Regierung steht Boldyrej. „Wem nie durch Liebe Leid geschah.. Roman von Erich Friesen. 17s (Nachdruck verboten.) „oNryts, mein Lieb, nichts. Um des Himmels willen, Licy, sieh' nicht so entsetzt aus! Wir brauchen ja nicht ins Konvcrsationszimmer zu gehen — und auch nicht heute abend mit den andern zu speisen, wenn Du nicht willst. Kleide Dich schnell in Deiner Garderobe um, und dann komm' nach Hause!" Sie sagte nichts mehr. Schweigend ließ sie sich von Winfried den Gang entlang führen. Die Türe nach dem Konversationszimmer stand halb, offen. In der Mitte desselben hatte sich eine kleine Gruppe gebildet. Ein vierschrötiger Mann in dunk lem Üeberrock sprach heftig auf Direktor Tauscher eir^ der empört abwehrte. Ein anderer fremder Mann stand etwas abseits, ohne sich an dem Gespräch zu beteili gen, aber aufmerksam zuhörend. „Ich versichere Sie nochmals, mein Lieber, Sie irren sich," schallte soeben die ärgerliche Stimme des Direk tors bis zu Winfried und Felicie herüber. „Privat angelegenheiten gehören auch nicht ins Theater. Also bitte, entfernen Sie sich!" „Werd' ich schon tun. Aber erst geben Sie mir Frau Holms Adresse!" lautete die in unverschämtem Tone gegebene Entgegnung. „Wozu?" „Das ist meine Sache. Ich bin ihr Vater und will ihre Adresse wissen." Direktor Tauscher schwankte. „Sagen Sie sie nicht, Herr Direktor!" warnte Sigrid Arnoldsen aus einer Ecke des Zimmers her. Mit hämischem Grinsen wandte der Mann sich zu der Sprecherin. „Soso, meins feine Dame! Sie sind also auch mit im Komplott, he! Also — zum letzten Mal: ich will Frau Holms Adresse wissen, eher weich' ich nicht vom Sein drohender Blick umfaßte sämtliche Anwesende und schweifte dann zur halbosfenen Türe hinaus aus den hellerleuchteten Gang. „Ha, da ist sie ja, das saubere Früchtchen!" luchte er plötzlich roh auf. Schon war er zur Tür hinaus. Wie mit eisernem Griff umspannte er Felicies Arm. „Fort von ihr!" rief Winfried mit Donnerstimme, den brutalen Angreifer zurückstoßend. Thomas Giesecke taumelte und wäre zu Boden ge stürzt, wenn der Mann, der vorhin dem Wortwechsel so interessiert gefolgt war, ihn nicht gestützt hätte. „Das ist sie!" knirschte Giesecke, heiser vor Wut, und deutete mit dem schmutzigen Daumen auf Felicie. „Tun Sie Ihre Pflicht!" Der Geheimpolizist näherte sich dem bleichen jungen Weib und legte die Hand schwer auf ihre Schulter. „Ich verhafte Sie im Namen des Gesetzes, Felicie Holm, wegen Urkundenfälschung!" Eine Minute lang herrschte Totenstille. Niemand wagte auch uur, sich zu rühren. Ueber Felicie war es wie eine Erstarrung gekommen. Unbeweglich, mit weit ausgerissenen Augen — so stand sie vor ihren Anklägern. Plötzlich schwankte sie. Lautlos, wie eine geknickte Blume, brach sie an des Gatten Brust zusammen. „Pah!" machte Thomas Giesecke verächtlich, in der Luft ein Schnippchen schlagend. „Alles Komodie! Ich kenne ihre Schliche und Teils — ich, ihr Vater. Ich will Ihnen sagen, mein sehr ehrenwerter Herr Schwie gersohn —" er verbeugte sich ironisch vor Winfried — „welch nettes Pflänzchen Sie geheiratet haben! Ihr alle —" mit einer großen Geste nach den übrigen hin — „könnt zubören!" Eine leichte Bewegung entstand unter den Schau spielern Nur Winfried stand noch immer auf dem selben Fleck und streichelte zärtlich das bleiche Gesicht chen mir den geschlossenen Augen, das so beängstigend still an seiner Brust ruhte. „Zum Kuckuck auch! Seid ihr denn alle stumm ge worden?" schimpfte Giesecke grob. ,Habt doch sonst ge nügend Interesse für Sensationsgeschichten! Sperrt Nase, Mund und Ohren nur tüchtig auf! Ihr werdet was zu hören kriegen!" Mir diabolischem Grinsen blickte er sich im Kreise um. Doch nirgends fand er das gewünschte Interesse. Im Gegenteil! In aller Mienen stand deutlich Mitleid mit dem armen Opfer geschrieben und Abscheu vor dem brutalen Ankläger. Eine Handbewegung des Direktors, ein bittender, beredter Blick aus Sigrid Arnoldsens Augen — in ernstem Schweigen zog das ganze Personal sich zurück. Ern Seufzer der Erleichterung hob Winfrieds Brust Jetzt konnte man verhandeln. Jetzt mußte sich die ganze Sache aufklären. " Behutsam ließ er Felicie auf den Boden niederglei- tenund bespritzte ihr blasses, ach^ so todesblasses Ge sicht mit kaltem Wasser. Es-dauerte nicht lange, da schlug sie auch die Augen aux. Beim Anblick des Stiefvaters überlies ein Zittern ihre Glieder. „Das Spiel ist aus!" Wie mechanisch kamen die Worte von ihren Lippen. Mühsam erhob sie sich. Ein langer, schmerzlicher Blick auf den Gatten, der ihre ganze Qual ausdrückte — dann schwankte sie auf den Stiefvater zu. „Ick' bin bereit." Ein teuflisches Lachen verzerrte Gieseckes Gesicht. „Gut, daß Du's einsiehst! Du kommst mit uns! Heute noch! Sofort! Detektiv, nehmen Sie das Mädel fest! Keine Schonung, hören Sie? Haben Sie Handeisen der sich? 's wär' sicherer. Die hat's hinter den Ohren — iw kenn' sie. Brennt Ihnen noch unterwegs durch." „Nein, nem! Keine Handeisen!" In verzweifeltem Lon schrie Felicie es heraus. „Ich will mit Ihnen gehen, wohin Sie wollen. Nur nicht fesseln! Bitte, bitte, nicht fesseln!" Winfried lehnte während der ganzen unerquicklichen Szene an einer Säule. Eine Art vou Erstarrung war über ihn gekommen. Zwar begriff er noch nicht den Zu- sammenhang, aber daß etwas nicht stimmte, war sicher. Em leises Geräusch an der Tür ließ ihn sich um- bllcken. Sigrid, die mit den anderen das Zimmer ver lassen hatte, trat wieder ein. Sie schritt direkt auf Felicie zu. Mit kräftigen Armen die schwankende Ge stalt umschlingend, lehnte sie deren Kopf an ihre Brust. Bei diesem rührenden Anblick wich die Erstarrung von Winfrieds Gliedern. Er machte ein paar Schritte vorwärts. „Was — was bedeutet dies alles? Ich werde doch üohl wissen dürfen, wessen man meine Frau beschuldigt!" „Namensfälschung! Betrug!" schrie Giesecke wütend. „Und weshalb? . . . Wenn Sie fürchten, meine Frau oder ich könnten versuchen, das Gesetz zu umger.cn, so irren Sie. Wenn Sie wollen, schließen Sie die Tür ab! Das Zimmer hat keinen zweiten Ausgang. Und dann — dann kann ich ja Wohl die Ursache dieses Auftritts erfahren!" „Natürlich, zuerst müssen wir die Ursache wissen!" bekräftigte Sigrid mit ihrer tiefen, wohlklingenden Stimme, sich zu dem wutschnaubenden Giesecke wendend. „Cie sagen, Frau Holm habe Namen gefälscht, Betrug begangen. . . Wie, wann und wo soll dies geschehen sein? Beweisen Sie Ihre schwere Beschuldigung und vergessen Sie dabei nicht, baß die Dame einflußreiche Freunde besitzt, die für sie eintreten werden! Also Vor sicht und möglichste Eile, mein Herr!" (Fortsetzung nächste Seite.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)