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von Vertretern sämtlicher deutschen Länder vöchzsZ.oer- einstimmung über einen Entwurf ergeben hat, "" m den wesentlichsten Punkten zu einem einheitlichen " pes Reichsmietengesetzes im ganzen Reichsgebiet fuhren wird Deutsch-polnisches Rrchtsabkommen. In Kattowitz wurde durch den Bevollmächtigten der deutschen Regierung und den Bevollmächtigten der polni schen Negierung das Abkommen über die Übernahme der Rechtsprechung in Oberschlesien unterschrieben. Das Ab kommen reguliert die Weiterführung aller Gerichtssachen, sowohl der Zivil- wie der Strafsachen und auch der un strittigen Fälle, die im Augenblick der Übernahme der Ge richtsbarkeit durch die Republik Polen bei den Landgerich ten Beuthen, Gleiwitz, Oppeln und Ratibor anhängig sind. Sie werden weiter von den Gerichten erledigt, die Beteilig ten können aber auch die Übertragung an ein anderes zu ständiges Gericht verlangen. Rorvamenka. X Englisch - amerikanische Verhandlungen über die Schuldenrückzahlung. In Washington wurde amtlich be- kanntgegeben, die englische Regierung habe das Staats- > departement davon in Kenntnis gesetzt, daß sic bereit wäre, unverzüglich die Verhandlungen über die Rück zahlung ihrer Schuld an die Vereinigten Staaten zu er öffnen. Die englischen Delegierten würden in den letzten Tagen des Monats April in Newhork eintressen. Die Regierungen Frankreichs, Belgiens und Italiens haben ? im Weißen Hause wissen lassen, daß es keineswegs in s ihrer Absicht liege, den Aufschub der Eröffnung dieser Verhandlungen zu fordern. Aus Zn- und Ausland. München, über die Errichtung von Reichsheim stätten erläßt das bayerische Sozialministerium eine längere Bekanntmachung, aus der hervorgehl, daß der Errichtung von Wohn- und Heimstätten größere Schwierigkeiten in Bayern nicht mehr im Wege stehen. Brüssel. Nachdem die genaue Untersuchung des von dem t Deutschen Franz Habich, der unter dem Verdacht der Ermor- z düng des belgischen Leutnants Graff in Duisburg stand, § vorgebrachten Alibis dessen Richtigkeit ergeben hat, Wurde er s vorläufig aus der Haft entlassen. Dublin. 3M Bewaffnete erstürmten das Gcrichtsge- l bäude und setzten sich dort für längere Zett fest. Bukarest. Die Polizei kam einer russischen Monar- H ch i st e n v e r sch w ö ru ng auf die Spur und verhaftete eine Anzahl Beteiligter. Paris. In der Antwort der englischen Regierung aus die Bitte der Exkaiserin Zita, auf der Insel Wight ihren Wohnsitz nehmen zu dürfen, heißt es, die Exkaiserin könne in Europa leben, wo es ihr beliebe, falls von ihren Söhnen keinerlei Anspruch aus den ungarischen Thron er hoben werde. Nur das ungarische Gebiet sei auf alle Fälle ausgeschlossen. Washington. Im Repräsentantenhause wurde eine Bot schaft des Präsidenten Harding verlesen, in der dieser die Notwendigkeit einer stärkeren Marinetruppe betont, als die vom Flottenausschuß des Hauses im gegenwärtigen Marineetat geforderten 6700V Mann. GcrichMeAbweistNgdesSeamteMreKs Auf Dienstentlassung erkannt. Die Potsdamer Neichsdisziplinarkammer verhandelte gegen den Eisenbahnbetriebsassistenten Max Rosenthal aus Berlin wegen seines Auftretens im letzten Eisen- bcchnerstreik. Die Klageschrift warf dem Beschuldigten vor, an dem Ausbruch und der Fortsetzung des Streiks sich in wesentlicher Weise beteiligt zu haben. Dadurch habe er sich gegen die Verordnung des Reichspräsidenten vorn 1. Februar 1922 vergangen. Die Beschuldigungen wurden als erwiesen betrachtet, zumal sich der Beklagte auch selbst zum Streitrecht der Beamten bekannte. Der Vertreter der Klage, die auf Antrag des Reichswirtschaftsminiflers cin- geleitet war, charakterisierte den Angeschuldigten als Streiksührer und überlegten Agitator, dem von vornher ein die Folgen des Streiks erkennbar sein mußten, für dis er in erheblichem Maße verantwortlich zu machen sei. Er beantragte als schärfstes Strafmaß Dienstentlassung ohne Pension und betonte ausdrücklich, daß diese Potsdamer Entscheidung den Streikbegriff ein für alle Mal aus der Beamtenschaft ausmerzen müsse. In entschiedener Weise begründete Ner Vorsitzende das aus Dienfteniia;- sung lautende Urteil, in dem dem Angeschuldigten drei Viertel der gesetzlichen Pension auf ein Jahr belassen wurde. Dabei unterstrich er, daß der Angeschrrldigie bei seinen Fähigkeiten und seinem Einfluß eine Gefahr für die ganze Beamtenschaft bedeute und sich in keinem Zweifel über die Verantwortlichkeit für die Folgen seines Ver haltens, durch das das Wirtschaftsleben schwer geschädigt worden ist, befunden habe. Die Entscheidung, die erste dieser Art, hat grundlegende Bedeutung für die bisher so heiß umstrittene Frage. In allernächster Zeit wird sich die Potsdamer Diszi- plinarkammer mit weiteren Streiloergehen Berliner Eisen bahnbeamter zu beschäftigen haben. Etwa 300 Anklagen, gegen Eisenbahnbeamte liegen vor. Einen Teil der Klage sülle wird die Disziplinarkammer Erfurt zur Erledigung erhalten. BarLhoer und Tschitscherin. Zwei der bemerkenswertesten Köpfe auf der Genueser Konferenz sind unzweifelhaft der Vertreter des immer noch in voller Siegcrpose auftretenden Frankreichs und der Ab geordnete der russischen Sowjetrepublik. Der französische Justizmi'istsr Ba r t h o u gilt als das Sprachrohr Poin- carös und hat kaum einen anderen Ton auf seinem Instru ment wie sein Herr und Meister in Paris, der frühere Prä sident der Republik und jetzige Premierminister. Ein typischer Gallierschädel, auffahrend und heftigen Lempera- Barihou. Tschitscherin. ments, mit aller Anmaßung und allem Aplomb seiner Rasse. Kaum hatte er zum erstenmal das Wort ergriffen, so gab es Zusammenstöße und unliebsame Szenen, so daß ihm der Präsident der Konferenz, derJtaliener de Facta, das Wort entziehen mutzte bei seiner Polemik gegen den Russen Tschitscherin, wobei er selbstverständlich auch wieder das Verdammungsurteil über Deutschland einzuflechten ver suchte. Ganz anders der Russe, der mit äußerer Mäßigung und Willfährigkeit auftritt, aber in jedem Worte doch be kundet, daß er und sein Land sich in keiner Weise gering wertiger fühle gegenüber dem französischen Anspruch auf allererste Würdigung und Geltung. Mit der bei den russi schen Politikern nun schon gewohnten Dialektik weiß er den Franzosen scharfe Pfeile hiuüberzusendcn und war jeden falls nicht der zweite Sieger in den mehrfach entbrannten Rededuellen. Oie Regelung in OSerMesien. Aufrechicrhaltene Verfügungsfreiheit der Deutschen. Die wiederholt abgebrochenen und wicderaufgenom- menen Verhandlungen und die endlich doch zustandege- kommene Einigung der deutschen und polnischen Kom missionen in Genf über die Liquidationsfrage im polnisch werdenden Oberschlesien haben den angekündigten Schieds spruch des schweizerischen Präsidenten Calonder über flüssig gemacht. Nach einer die ganze Nacht dauernden Verhandlung kamen die deutschen Unterhändler unter Füh rung des Reichsministers a. D. Dr. Schiffer und die polnischen, deren Vorsitz der Minister Olschewski innehatte, zu der Übereinstimmung. Die letzten Streitfragen setzten die S Gemüter noch einmal in heftige Bewegung, dann galt der ! Vertrag als abgeschlossen. Zum Schluß wurde noch leb- ! Haft gekämpft um die Verfügungsfreiheit der deutschen Großindustrie während der fünfzehn jährigen Zeit bis zum übernahmerecht der industriellen Anlagen in dem polnischen Teil Oberschlesiens durch die Polen. Die Deutschen hielten aber fest an der Forderung nach voller Freistellung, sowie ebenfalls derBefreiung verdeutschen Wohnsitzberechtigten von der Liquidation ihres Grundbesitzes. Der deutsche Standpunkt setzte sich durch, und die Polen nah men ihn an. Der Text der Abmachung wurde unterzeich net und der Präsident verkündigte mit Befriedigung die trotz aller Schwierigkeiten erzielte Einigung. Durch diesen Ausgang wird der Schmerz über die unter fremde Herrschaft kommenden deutschen Gebietsteile nicht vermindert, aber die Arbeiten der deutschen Beauf tragten in Genf sind doch nicht ganz ergebnislos geblieben. Nah und Hern. O Folgenschwere Explosion. In Düsseldorf explodierte auf dem Röhren- und Eisenwalzwerk der Phönix-Aktien gesellschaft ein Azetylengasbehälter. Zahlreiche Arbeiter wurden verwundet, zum Teil sehr schwer. Hunderte von Fensterscheiben wurden durch den Luftdruck zertrümmert. Das Gebäude, in dem sich der Behälter befand, wurde zer stört. Der Betrieb der Werke kann weitergeführt werden. O Die Opfer von Gleiwitz. Der französische Kriegs minister hat jetzt die Namen der Opfer der Katastrophe von Gleiwitz bekanntgegeben. Danach sind sieben Sol daten getötet worden, drei werden vermißt, und zehn sind verletzt worden. Die ersten Meldungen aus französischer Quelle hatten bekanntlich die übertriebene Zahl von 16 oder gar 23 Todesopfern genannt. Q Die Frau als Mann. Im Prager Vorort Weinberge hat sich ein 25jähriger Tischlergehilfe erhängt. Im Sek tionssaale stellte der Gerichtsarzt fest, daß der Selbst mörder eine Frau war, die gleich nach der Geburt als Mann angesehen und als solcher erzogen worden war. T Operation Lenins. Der Direktor der chirurgischen Abteilung des Berliner Krankenhauses Moabit Professor Borchardt ist nach Moskau berufen worden, um Lenin durch Operation von einer Kugel in der Schultergegend, Lie von dem Attentat der Studentin Kaplan im Herbst 1918 herrührt, zu befreien, Lenin leidet nach einer Fest stellung des Berliner Professors Klemperer, der ihn unter sucht hat, lediglich an nervöser Übermüdung. Ein orga nisches Leiden liegt nicht vor. socrgglungen nach Leichcngenuß. Im russischen Gouvernement Samara sind von Ärzten in 26 Fällen Vergiftungen durch Leichengift festgestellt worden. Mehrere Kranke haben vor dem Tode zugegeben, daß sie schon seit drei Monaten Leichen im gekochten Zustande verzehrten. O Todessturz des Australienfliegers. Aus London wird gemeldet: Sir Rotz Smith, der am 25. April mit seinem Bruder den Flug um die Welt im Wasserflugzeug antreten wollte, ist bei einem Versuchsflug mit seiner neuen Ma schine auf dem Flugplatz Brooklands abgestürzt und hat dabei den Tod gefunden. Sein Begleiter Leutnant Bennet kam ebenfalls ums Leben. Noß Smith ist durch seinen im Winter 1919 unternommenen Flug von England nach Australien bekannt geworden. Er gewann damit den von der australischen Regierung ausgesetzten Preis von 10 000 Pfund. O Cholera in Charkow. Einer Meldung aus Rußland zufolge ist Charkow für choleragefährdet erklärt worden. Die Sowjetregierung beschloß, einen Sauberkeitsmonat anzuordnen und die Privatbevölkerung zum obligato rischen Sanitätsdienst heranzuziehen. O Die Einwohnerzahl Italiens. Wie man aus Nom mitteilt, beträgt die Einwohnerzahl des Königreichs Ita lien innerhalb der Vorkriegsgrenzen nach der Volkszäh lung vom 1.Dezember 1921 37 270 493, was gegenüber den Ergebnissen der Volkszählung von 1911 eine Vermehrung um 2 599116 darstellt. Diese Vermehrung ist auf den Still stand der Auswanderung und auf die Rückkehr von Ausge wanderten zurückzuführen. Die neueinverleibten Provin zen zählen 1564 691 Einwohner. „Wem nie durch Liede Leid geschah..." Roman von Erich Friesen. 24s (Nachdruck verboten.) Ein unsagbares Glücksgefühl durchöebte ihr Herz. Inbrünstig faltete sie die Hände über dem grauen Bün del. Ihre Augen trugen einen verklärten Ausdruck. Es war, als ob ein Hauch ihres früheren tiefen Empfin dens über sie gekommen war. Von nun an erschienen die Dinge um sie her Felicicn einem neuen Licht. Sie war nicht länger unglücklich. Was kümmerten sie die Gefängnismauern, was der Mangel an Unter haltung, was das Bewußtsein, daß sie eingesperrt war. Ein Blick in die Augen ihres Mindes, und ihr Herz er bebte in reinstem Mutterglück. Das kleine, weiche Gesichtchen streicheln, die winzigen Dingerchen in die ihren nehmen, den leisen Atemzügen lauschen — und jeder andere Wunsch erstarb in ihr. Selbst der Gedanke an die Trennung von dem Gat ten war ihr jetzt nicht mehr so schrecklich. Sie hatte das Kind — es brauchte die Mutter. Hier war ihr Platz.. Auf einem Gefängnis lastet gewöhnlich eine recht nie- dcrdrückende Atmosphäre. Lachen, Scherzen, Sonnen schein sind dort seltene Gäste. Felicie und ihr Kind bildeten für alle, die mit ihnen in Berührung kamen, einen Lichtpunkt in dem düsteren Einerlei. Die junge Mutter blühte auf unter diesem Sonnen strahl des Glücks wie eine herrliche Rose, so daß man bei ihrem Anblick ganz das graue Sträflingskleid, das Finstere ihrer Umgebung, vergaß. . . Bald erregte auch die Schönheit des Kindes all gemeine Bewunderung. ' Es war ein eigentümliches Kind, der kleine Walter, mit einem überernsten Ausdruck in den großen, blauen Äugen. Es schrie nie, es war nie krank, es schlief die tanze Nacht hindurch. Und wenn es lächelte, dann war es, als ob ein wärmender Sonnenstrahl die Gefängnis- mauern durchbrochen hätte und aufleuchtete m all den Zeichen Gesichtern ringsum. Da das Kind der beständigen Wartung der Mutter bedurfte und in der Zelle nicht Platz für beide war. beschloß der Gesängnisdirektor, Felicis vorläufig in der Krankcnabteilung zu behalten. Sie erhielt bessere Nah cung und wurde soviel wie möglich von den anderen. -ist rohen und ungebildeten Gefangenen, ferngehalten, ^rnen großen Teil des Tages verbrachte sie mit dem i""nen aus dem hucyummaucrten GefängniShof. im strahlendes Gesicht, das unschuldige Stammeln des Kin ^drangen hinein bis in die Herzen selbst der vsr- ^Essten Sünderinnen. Jede freute" sich auf Ken tüg den°do??-n im Gefängnishof, bloß um die bei Die Hausmutter und die Wärterinnen gewannen Fe icie bald lisb und erleichterten ihr den Aufenthalt, oviel es in ihrer Macht stand. Und Felicie selbst war tets bereit, zu helfen, zu trösten. Nie sprach sie von hrem Gatten, nie von der Mutter, nie von der Ver gangenheit — sie lebte und atmete nur in der Existenz ihres kleinen Walters. Eines Morgens als Felicie sich über das Lager ihres Kindes beugte, fuhr sie erschrocken zurück. Das Gesichtchen war dunkelrot und aufgedunsen, die Stirn brannte wie Feuer; dis Händchen krampften sich zusammen. Nur einen Blick warf der Gefängnisarzt auf den klsi nen Kranken; dann sagte er bestimmt: „Das Kind hat Gehirnhautentzündung; ich werde ihm etwas verschreiben." Und — ohne auf das entsetzte Gesicht der armen Mutter zu achten, ging er wieder — kalt, gleichgültig wie er gekommen war. In seinen Augen hatte das Leben eines im GJm: nis geborenen Kindes wenig Wert. Vielleicht wären di- Eltern sogar froh, wsnn dis Bürde von ihnen genommen würde. . . Als er am Abend wieberkam und das Kind unter suchte, zuckte er die Achseln. „Schwerer Fall. In diesem zarten Alter mehr ah bedenklich. Machen Cie sich auf das Schlimmste gefaßt!" Wortlos nahm Felicie das Kind in ihrs Arme. ES schlief — schwer, unruhig. Zwei tiefrote Fiebsrfle, brannten auf seinen Bäckchen. Achselzuckend entfernte sich der Arzt. Er hatte do. 'nicht geglaubt, daß sie es gar so ruhig nehmen würbe. Sanft bettete Felicis ihr krankes Kind in seine Wieg- Dann neigte sie sich über den kleinen Körper und blickt mit großen, tränenlosen Augen in das fieberheiße G? sichtchen — lauge, lange Schon seit einer Weils war sie von einem elend und verkommen aussehenden Weibe, das in sich zusammen gesunken aus ihrem Lager hockte, beobachtet Worbs;:. Jetzt näherte sich ihr das Weib, die häßlichen, stumpfen Züge zeigten einen eigenen Ausdruck von Teilnahme. „Seien Sie froh, daß Sie das Wurm —" sie deutele mit dem abgezehrten Finger auf das schweratmende Kind — „so lange besaßen! Es hatte schon von der Geburt an den Todesblick!" Felicie schreckte empor. „Den — Todesblick? Wie meinen Sie das?" „Nun, so! Tas Kind guckt immer so in die Welt hinein, als ob es nicht hierher gehörte, als ob es schon droben —" sie machte eine scheue Handbewegung nach oben — „mit seiner Seele wäre. Ich versteh' mich ach so was!" In Felicies Zügen fand eine eigentümliche Verän derung statt. Es war, als ob etwas Entsetzliches durch ihre Seele ginge — etwas noch viel Entsetzlicheres, als die Singst vor dem Tode ihres geliebten Kindes. Die Augen starr auf das Weib vor ihr gerichtet, fragte sic mit harter, wie in Entsetzen erstarrter Stimme: „Sind Sie die Frau, dis — die hier ist, weil sie ihr kleines Kind — umbrachte?" Ein Schauer überflog den abgezehrten Körper des Weibes. Schweigend nickte sie. ..Dann sind Cie ja eine Mörderin!" stammelte Felicie voll Abscheu. „Dis Verzweiflung hatte mich dazu gebracht. Und der Hunger und das Elend," murmelte das Weib. „Ich war wirr im Kopf und wußte nicht mehr, was ich tat. Das Gericht hat es noch milde beurteilt — nicht als Mord — sondern als Verzweiflungstat, beganaen rn einer Art von geistiger Umnachtung. Sonst säße ich nicht hier bei Euch, sondern im Zuchthaus — vielleicht mein ganzes Leben lang. Ich danke es den Richtern nicht. Im Zuchthaus wäre ich gut aufgehoben. Was soll ich noch draußen in der Welt, wenn ich meins Strafe ab-- gebüßt habe? Ich stehe ganz allein da mit meinem Elend.Und eine Mörderin bin ich ja im Grunde genom men doch!" Und bitter lachte sie auf. . Fellcie durchfuhr es eisigkalt. Und doch! wendete sie sich nicht mehr voll Abscheu von dem Weibe ab. Ihr Gesicht zeigte einen nachdenklichen, mitfühlenden Aus druck. „Geben Sie mir Ihre Hand!" sagte sie traurig und umklammerte mit ihren zarten Fingern dis derbe, schmutzige Hand des Weibes. „Wir sind Schwestern, Sie und ich. Ich hatte Gott gebeten, noch ehe mein liebes Kind geboren war, es zu sich zu nehmen. Jett straft "mich Gott dafür. Ich Habs mein Kind mit mei nem sündllchen Wunsch getötet. Wir sind beide deich vor Gottes Angesicht!" Sie sank neben dem Bettchen nieder und bedeckte das Gesicht mit den Händen.