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»dMerMM« Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend Postscheckkonto Dresden 2640 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Verleger und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide i« Wilsdruff. Nr. 73 Sonntag den 26. März 1922. 81. Jahrgang Amtlicher Teil. Das Amt der stellvertretenden Heimbürgin für hiesige Stadt und die dazu gehörigen Gemeinden soll anderweit wieder besetzt werden. Bewerberinnen wollen selbst- verfaßte und geschriebene Gesuche bis S. April 1S22 hierher einreichen. Wilsdruff, am 24. März 1922. r«n Der Sladtrat. Für^teinbruchbesttzer?L kanten der Steinbrüche des Bezirks zum Teil in einem Zustande, der eine Gefahr für den Verkehr bedeutet. Die Eigentümer oder Verwalter der Steinbrüche werden veranlaßt, für eine genügende Sicherung durch Anbringung von Schutzgeländern und dergl. besorgt zu sein. Unterlassungen werden nach Z 367 Pkt. 12 des Strafgesetzbuches mit Geldstrafe bis zu 1500 Mk. oder Haft bestraft, sofern nicht nach anderen Strafbestimmungen eine höhere Bestrafung einzutreten hat. Meißen, am 22. März 1S22. 306 VH Die Amtshauptmannschaft. Kleine Zeitung für eilige Leser. * Der Reichskanzler wird am Dienstag das Ergebnis der Kabinettsberatungen über die neuen Forderungen der Repa» rationskommission im Reichstage bekanntgeben. * Im Reichsrat wurde festgestellt, daß die geforderten 60 Milliarden Nachsteuern nicht zur Deckung des Defizits aus reichen würden. * Reichsminister a. D. Schiffer wies in Genf Lie polnischen Liquidationsansprüche in Oberschlesten scharf zurück. * Der Kommunist Nemmele hielt in der Nachtsitzung deS Reichstages am Donnerstag sowie in Ler Freitagsitzung viel stündige Obstruktionsreden. * Der preußische Handelsminister erklärte, daß alle preußi schen Staatsbergwerke, Hütten und Salinen in eine einzig« Aktiengesellschaft umgewandelt werden müßten. * In Hamborn ist ein belgischer Oberleutnant Von einem imbekannten Täter erschossen worden, über di« Stadt wurde der verschärfte Belagerungszustand verbänat. Unmöglich! Schwerer als je fällt es der Reichsregierusig, mit ihrer fast unausgesetzt einander auf den Füßen folgenden Reihe von Nachträgen zu den Haushaltsverwaltungen die ge bührende Aufmerksamkeit beim Volk zu finden. Längst hat die geradezu schwindelnde Höhe der Milliardensum men, in denen sich die Etatsvorlagen seit dem deutschen Zusammenbruch bewegen, die Öffentlichkeit abgestumpft gegen die furchtbare Bedeutung dieses Niedergangs, gegen die unumstößliche Erkenntnis, daß, je höher hinauf dis Einnahme-- wie die Ausgabeziffern der Reichsverwaltung klettern, desto tiefer bergab es mit der Möglichkeit einer irgendwie geordneten Führung der Reichsgefchäste geht. Wie lange ist es her, daß wir von einem Reichsdesizit von 90, von 120, von 160 Milliarden gehört haben, und schon sollen wir uns mit neuen Ziffern bekannt machen, die das Reichssinanzministerium bei Gelegenheit des neue sten Nachtragsetats für 1922 dem Reichsrat vortragen ließ. Der ordentliche Haushalt weist danach „nur" eine Erhöhung von etwa 2)4 Milliarden Mark aus, die man durch entsprechende Mehreinnahmen decken zu können hofft. Wobei aber die Ausgaben für die neue Besoldungserhöhung der Beamten, die auf gleichfalls 2)4 Milliarden geschätzt werden, noch nicht berücksichtigt sind. Der außerordentliche Haushalt der allgemeinen Reichsverwaltung weist dagegen schon einen Mehrbedarf von fast 17 Milliarden auf, wovon etwa 10 Milliarden auf die Eisenbahn, vier Milliarden auf die Post entfallen. Ihn hofft man gleichfalls durch Mehreinnahmen, verbunden mit Ersparnissen, decken zu können. Und der Reparationsetat erfordert im Extra- ordinarium einen Mehrbedarf von fünf Milliarden, so daß seine Gesamtausgaben auf über 192 Milliarden stet- gen. Damit erhöht sich der Fehlbetrag des ganzen Rech nungsjahres 1922, Ler mittlerweile bis auf 183 Milliarden gestiegen war, auf sage und schreibe 198)4 Milliarden! Um auf einige besonders interessante Einzelheiten ein zugehen, sei zunächst erwähnt, daß noch einmal fast eine Milliarde aufgewendet werden soll zur Verbilligung von Auslandsgetreide für die Brotversorgung. Der Einspruch der Entente gestattet bekanntlich nicht, daß diese Hilfsaktion für die notleidende Bevölkerung Deutschlands weiter fort- geführt wird. Die Postverwaltung stellt mit Befriedigung fest, daß der Rückgang in der Zahl der Fernsprechanschlüsse nach der letzten Erhöhung der Gebühren hinter ihren Be fürchtungen weit zurückgeblieben ist. Sie rechnet mit einer Mehreinnahme von weiteren drei Milliarden aus den neuen Gebührenerhöhungen, die sie für das laufende Rech nungsjahr freundlicherweise bereits angekündigt hat. Auch die Eiscnbahnverwaltung protzt ordentlich mit den Mehr- einnahmen, die die wiederholten Erhöhungen, namentlich der Gütertarife, ihr gebracht haben. Was aber den Gesamtfehlbetrag von 198)4 Milliar den betrifft, so bildet auch er noch lange nicht den Gipfel. Die neueste Note der Reparationskommission legt für ihrs Zahlungsbercchnungen bekanntlich statt des Verhältnisses der Gold- zur Papiermark von 1 zu 43 ein solches von 1 zu 70 fest. Aber auch dieser Umrechnungsfutz kann heute schon nicht mehr als ausreichend gelten. Die 2170 Millionen Goldmark, die das sogenannte Moratorium für 1922 vor sieht, bedingen eine Papiergeldausgabe von rund 152 Mil liarden und damit keine Verminderung, sondern eine Er höhung der bisher in den Etat eingestellten Ausgaben um 17 Milliarden. Weitere 10 Milliarden für Nebenausgaben zu Neparationszwecken kommen hinzu, so daß sich schon hiernach eine Erhöhung des Gesamifehlbetrages von 192'4 auf 21914 Milliarden ergibt. Nimmt man alle Deckunas mittel zusammen, die uns auch nach Annahme der neuen Steuervorlagen zur Verfügung stehen, so bleibt die unge deckte Kleinigkeit von rund 203 Milliarden übrig. Dabei ist allerdings der Ertrag der in Aussicht genommenen Zwangsanleihe noch nicht berücksichtigt. Stellt man ihn mit 70 Milliarden Papiermark in die Rechnung ein, so bleiben immer noch 134 Milliarden für die Ausführung des Friedensvertrages zu decken, und die Regierung muß eingestehen, daß danach also nicht einmal für 1922 eine Gesundung unserer Finanzlage durch den radikalen Eingriff der Zwangsanleihe ermöglicht wird. Und neh men Wir selbst an, was kein Mensch in Deutschland für ausführbar bält, daß dem Verlangen der Reparattonskom- mission gemäß noch darüber hinaus weitere 60 Milliarden an neuen Steuern aus unserem Volk herausgepreßt wer den können, so würden auch danach noch rund 73 Milliar den Fehlbetrag übrig bleiben. Danach kann jeder, der sehen will, sich selber die Frage beantworten, ob die neuen Bedingungen der Entente von uns angenommen werden können oder nicht — und ob, wenn sie angenommen werden, wir in der Lage sein würden, sie zu erfüllen. Deuifche Gegenvorschläge? Regierungserklärung am DtenStag. Das Reichskabinett hat in einer Reihe Be sprechungen, teils in Anwesenheit des Reichspräsidenten, die Beratung der neuen Reparationsnote fortge setzt. Unklarheit besteht noch über die Frage, ob die For derung nach 60 Milliarden neuer Steuern über die Zwangsanleihe hinausgeht oder die Zwangsanleihe in sich schließt. Wahrscheinlich trifft das erstere zu. Am Montag werden auch die M i n ist e r p r ä s i d e nt e n der deutschen Länder in Berlin mit der Neichsregierung eine Besprechung abhalten und am Dienstag wird der Kanz, ler im Reichstag die Stellungnahme der Regierung b«- kannigeben. Die Rede soll insbesondere auf den Willen zu neuen Verhandlungen eingestellt sein. Amtlich wird daher vorläufig Stillschwei gen bewahrt. Doch wird auf anderem Wege bekannt, daß die Regierung keine Möglichkeit sieht, innerhalb der vorgeschriebenen kurzen Frist neue Steuervorlagen von sechzig Milliarden Papiermark parlamentarisch durchzu bringen. Die Regierung ist aber bereit, noch deutlichere Zeichen ihres guten Willens zu geben, und wird der Repa rationskommission Vorschläge machen, die zu Ver einbarungen auf einer anderen Grundlage führen können. Parteien und Wirtschaftsverbände betrachten die Lage nach wie vor als außerordentlich ernst. Dr. Schiffer über Oberschlesien. Die Polen wollen nur Recht für sich. In der von dem Vorsitzenden Dr. Calonder in Gens anberaumten öffentlickM Sitzung der deutsch-polni schen Konferenz über die Frage des von Polen beanspruch ten Liquidationsrechtes in Oberschlcsien gab der deutsche Vertreter, Minister a. D. Dr. Schisser, in tief angelegter Rede einen Umriß des deutschen Standpunktes, dem der polnische Delegierte Olszewski nur schwache Ausführungen entgegenstellen konnte. Er berief sich ständig auf den Ver sailler Vertrag, bestritt dem Präsident«»Calonder das Recht, anders als im polnischen Sinne zu entscheiden, und schien anzudeuten, daß Polen sich gegen eine den Deutschen ge recht werdende Entscheidung Caloniders bei der Pariser Botschasterkonserenz wehren werde. Reichsminister a. D. Dr. Schisser fragt« in seiner Rede, was die Polen unter Liquidation verständen? Gis wollten damit das Recht erwerben, jeden Deutschen von Haus und Hof zu verjagen. Dieser Anspruch stützt sich auf zweierlei Gründe, einmal den materiellen, um sich schadlos zu halten, und zweitens den ideellen, nämlich um solche, die angeblich künstlich ins Land gebracht wurden, zum Zwecke der Germanisierung, wieder hinauszutreiben. Der erste ist der Standpunkt Eng lands, Frankreichs usw., der hier ganz außer Betracht fällt, und der zweite könnte allenfalls für Posen und West- preuß-en gelten, wo Ansiedlungspoltik von Deutschland be trieben wurde, niemals aber für Oberschlesien. Die Liqui dation widerspricht nicht nur dem Geist, sondern auch dem eigentlichen Zwecke der Entscheidung der Botschafterkonfe- renz. Dieser Zweck ist, dem Lande den Frieden zu geben und ihm seinen Wohlstand zu erhalten. Als Deutscher wirke er, so schloß Schiffer, an diesem Werk guten Herzens mit, und er hoffe, daß der Präsident sein Urteil fällen werde durchdrungen von der Heiligkeit des Rechtes und von dem Bewußtsein, daß das Schicksal eines arbeitsstar ken Volles in seine Hand gelegt sei. Blutige Zwischenfälle in Hamborn. Verschärfter Belagerungszustand. In einer der letzten Nächte fuhr der 25 Jahre alte belgische Oberleutnant Graf, der Sohn eines belgischen Generals, von Ruhrort nach Hamborn. An einer Halte stelle der Straßenbahn stiegen vier gutgekleidete junge Leute auf den Straßenbahnwagen. Einer feuerte plötzlich auf den belgischen Offizier zwei Schüsse ab. Hierauf sprangen die vier jungen Leute aus dem Wagen. Der Täter gab von der Straße aus noch weitere drei Schüsse auf den Belgier ab, der so schwer verletzt wurde, daß er unmittelbar daraus starb. Die Besatzungsbehörde hat aus Anlaß dieses Vorfalls den verschärften Bela gerungszustand über Hamborn verhängt. Bisher fehlt von -den Tätern jede Spur. Wie unerhört lügenhaft der belgische Bericht über den anderen Zwischenfall in Hamborn war, der einem Leut- Wen Polizisten das Leben kostete, geht aus folgendem Bericht hervor: Zwei Beamte der Schutzpolizei, die sich auf Patrouille befanden, wurden auf der Straßenbahn von zwei belgischen Kriminalbeamten nach einem Ausweis gefragt. Der eine Deutsche erwiderte: „Weshalb? Wir sind im Dienst." Daraus packte der eine Belgier den deutschen Beamten an der Brust und zog die Waffe. Als der Wagen zum Halten gebracht war, rissen die beiden Belgier den deutschen Beamten heraus auf -die Straße und erschossen ihn sofort. Ein Kampf hatte nicht statt gesunden. Die belgischen Kriminalisten wurden verhaftet. poliiische Run-sHaa, Deutsches Reich. Anpassung der Strafgesetze an die Verfassung Ein Gesetzentwurf zur Anpassung des Strafgesetz buches an die Verfassung sieht den Schutz des Reichspräsi denten, der an der Gesetzgebung beteiligten Körperschaften, des Reichsrats, des Neichswirtschaftsrats, der Reichs- rcgierung und den Regierungen der Länder vor, ferner den Schutz der Mitglieder der Regierungen von Reich und Län dern bei der Vornahme von Regierungshandlungen sowie der Staatsform und der Farben von Reich und Ländern gegen Beschimpfung. Von der beantragten Immunität der Staatsratsmitglieder ist Abstand genommen worden, eben so von der Ausdehnung des Schutzes auf die Staatspräsi denten der Länder. Unter Ablehnung verschiedener Ab- änderungsanträge wurde der Entwurf im Reichsrat ange nommen. Die bedrohten Weichseldörfer, Der Reichskanzler empfing eine Deputation der Be völkerung der Weichselniederung. Die Abordnung teilte dem Reichskanzler mit, daß sich der Bevölkerung der Weichselniederung eine ungeheure Empörung bemächtigt habe wegen des Beschlusses der Grenzfestsetzungskom- Mission, der eine Reihe reind-eutscher Ortschaften zu Polen schlägt. Der Reichskanzler versicherte der Abordnung, daß die Neichsregierung alles tun werde, was in ihren Kräf ten steht, um die bedrohten Ortschaften Deutschland zu er halten. Die Abordnung wurde ebenfalls von dem Mini ster des Auswärtigen Dr. Rathenau, dem preußischen Mi nisterpräsidenten Braun und dem Minister des Innern, ebenso im Reichsrat und preußischen Staatsrat empfangen. Es ist geplant, einen Teil der Delegierten nach Paris zu entsenden, um dort noch einmal Einspruch zu erheben. Aufklärung eines politischen Attentats. In Zusmarshausen in Schwaben wurde der frühere Oberleutnant und jetzige Arzt Dr. Josef Berger ver haftet. Die großes Aufsehen erregende Verhaftung steht im Zusammenhang mit der im Vorjahre erfolgten Ermor dung des Kellners Hans Hartung, der durch 11 Schüsse ge tötet und dessen Leiche dann ins Wasser geworfen wurde. Als Grund dieser Tat wird von der Unabhängigen Mor genpost in München Verrat von Waffen au die Entente angegeben. Aus In- und Ausland. Berlin. Der Reichspräsident empfing Leu außerordent liche» Gesandten Mexikos, Dr. Alfredo Caturegli, der den Dank der mexikanischen Regierung für die Teilnahme an der Hundertjahrfeier überbrachte.