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Wilsdruffer Tageblatt : 01.04.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-04-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192204013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220401
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220401
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-04
- Tag 1922-04-01
-
Monat
1922-04
-
Jahr
1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 01.04.1922
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poMsche Rundschau« Deutsches Reich. Die deutsche Delegation für Genua. Nach vorläufigen nichtamtlichen Blättermeldungen werden der deutschen Delegation in Genua voraussichtlich angehören: als Vertreter der Reichsregierung Reichs- Minister Dr. Rathenau, Neichswirtschaftsmmister Schmidt und Reichsfinanzminister Dr. Hermes. Als Vertreter der Gewerkschaften werden wahrscheinlich der demokratische Abgeordnete Erkelenz, der frühere preußische Minister präsident Stegerwald sowie der frühere deutsche Neichs- arbeitsminister Wissel mit nach Genua gehen. Alles in allem dürste die deutsche Abordnung etwa 50 Personen umfassen. Ob der Reichskanzler Dr. Wirth auch nach Genua fährt, wird wahrscheinlich davon abhängen, ob auch die Chefs der andern Regierungen an der Konferenz teilnehmen. Forderungen der Handels- und Gewerbekammern. Auf der Braunschweiger Tagung der deutschen Han dels- und Gewerbekammern wurde eine Entschlie ßung angenommen, in der die Beibehaltung der Hand werks- und Gewerbekammcrn als gesetzliche Be rufsvertretung von Handwerk und Gewerbe ge fordert wurde. Weiter wurde in der Entschließung ge fordert, daß die Handwerks- und Gewerbekammern auf der Grundlage des allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlrechts sämtlicher selbständiger Berufsangehöriger zu bilden seien. Ferner wird die alsbaldige Verleihung der öffentlichen Rechtsfähigkeit gewünscht, unbeschadet einer endgültigen Regelung auf Grund des vom Reichsverband des deutschen Handwerks vorgelegten Berufsgesetzes. Das deutsche Eigentum in Amerika. Der amerikanische Botschafter für Berlin, Houghton, wird voraussichtlich am 18. April in Berlin eintreffen. Er erklärte, eine seiner ersten Obliegenheiten in Berlin werde die Führung von Verhandlungen über die Schaf fung einer Kommission sein, welche über die deutschen und die amerikanischen Ansprüche hinsichtlich des fremdländi schen Eigentums entscheide« soll. Der Treuhänder der Bereinigten Staaten Miller ist im Einvernehmen mit Präsident Harding der Ansicht, daß die amerikanischen Ansprüche an Deutschland sich, wie es heißt, auf 415 Milli onen Dollar belaufen. Polen. X Ein stattliches Defizit. Im polnischen Reichstag gab der Finanzminister bei der Vorlage des Budgets für 1922, des ersten, das in Polen ordnungsmäßig ausgestellt und genehmigt werden soll, eine Bilanz der bisherigen Geld- Wirtschaft Polens. Abgesehen vom Budget des laufenden Jahres, das ein Defizit von rund 133 Milliarden vorsieht, betrugen die inneren Schulden am 1. Januar 251 Milli arden und die ausländischen Schulden, die zu fast 30A für Ankäufe französischer Waffen und Munition entstanden sind, 1134 Milliarden Polenmark, was in Dollar umgerechnet etwas über 283 Millionen Dollar ergibt. Frankreich. X Anleihe nicht ohne Kontrolle. Im französisischen Senat kam -die neue Neparationsnote zur Sprache, und dabei erklärte der Finanzminister, es falle den Alliierten »richt ein, in di« Verwaltung «des Reiches sich einzumischen, aber die Kontrolle, Lie man über drei oder vier weseut-- viche Punkte verlange, sei unerläßlich. Wenn diese Kon trolle funktioniere, könne man vielleicht an die inter- «ationale Anleihe denken. Poincare erklärte hierzu, die Auftimmung der anderen Nattonen dürfe man nicht um den Preis einer Verminderung der Forderung erlangen. Stus In« und Ausland. Berlin. Der Reichsanzeiger veröffentlicht in seiner Aus gabe vom 29. März den Wortlaut des kürzlich vom Reichstage verabschiedeten Reichsmietengesetzes. Braunschweig. In der Landesversammlung wurde der Antrag aus Einsetzung eines Untersuchungsausschus ses zur Prüfung der von dem ALg. Oerter gegen die Mit glieder des Staatsministeriums erhobenen Beschuldigunasn einstimmig angenommen. Die Entwicklung -es Postverkehrs. Giesberts kündigt höhere Gebühren an. Gegenüber den mancherlei Klagen Wer die Leistung gen und den Finanzbedarf der Reichspost nahm der Post- minister Giesberts im Hauptausschuß des Neichs- tag-es Gelegenheit, einen Überblick über die Entwicklung des ihm unterstellten großen Verkehrsinstituts zu geben und damit den in der Öffentlichkeit so stark unterstrichenen Schattenseiten des Postbetriebes auch die Lichtseiten und die nötigen Erklärungen für das Verständnis der augen blicklichen Lage hinzuzufügen. Er sagte u. a.: In dem vorliegenden Etat decken sich Einnahmen und Aus gaben. Die Einnahmen sind ausgebaut auf dem im Dezember verabschiedeten Gebührentarif. Inzwischen sind aber die Grundlagen für die Etatsausstellung erheblich erschüt-- 1 ert worden, besonders durch die Wirtschaftsbeihilfe, die neue Lohn- und Gehaltsregelung und die inzwischen eingetretene Preissteigerung bei allen sächlichen Ausgaben. Diese Mehr ausgaben lassen sich nicht allein durch Einschränkungen und Ersparnisse decken, wir müssen vielmehr auch an eine beträchtliche Erhöhung der Gebühren Herangehen. Das soll aber nicht rein automatisch geschehen; wir werden vielmehr prüfen, welche Gegenstände noch eine Mehrbelastung ertragen und welche aus sozialen und kultu rellen Gründen geschont werden müssen. Es steht bereits fest, daß die hohen Gebühren nicht in dem Maße verkehrshemmend wirken, wie vielfach vermutet wird. Lebhaft sind die Klagen über einen zu hohen Personal st and. Der Achtstunden tag wirkt besonders einschneidend bei einer Verwaltung, die früher 60 bis 69 Dienststunden in der Woche hatte. Die ver längerten Urlaubszeiten und die durch die Nachwirkungen des Krieges erhöhte Krankhcitsziffer erfordern viel Vertreter. Die Post- und Telegraphenverwaltung beschäftigt 57 000 Kriegs beschädigte, die nur als dreiviertel volldienstfähig ge rechnet werden können. Personalvermehrend wirkt die Papier geldwirtschaft und die neu hinzugekommenen Leistungen, wie Verkauf von Steuermarken, Auszahlung der Militärrenten, Aufnahme des Reklamewesens. Dazu tritt eine starke Aus dehnung des Postscheckverkehrs, des Telegraphen- und Fernsprechverkehrs, der Autolinien. Trotz dieser an sich gerechtfertigten Vermehrung des Personals haben wir auch jetzt noch einen Überschuß an Kräften, zu dessen Abbau beson dere Kommissionen eingesetzt sind. Im abgelaufenen Etats jahr sind etwa 20 000 Hilfskräfte entlassen worden. Die Bctriebsergebnisse stellen die der Vorkriegszeit weit in den Schatten. Der Ge samtfernsprechverkehr weist eine Mehrleistung von 35 Prozent auf. Der Vorortverkehr allein eine solche von 58 Prozent, der Telegraphenverkehr ein Mehr von 35 Prozent. Die mittlere Telegrammleistung ist um etwa 41 Prozent gegen früher ge stiegen. Die Zahl der Postscheckrunden ist von 1918 bis 1921 um 153 Prozent gestiegen. Der während des Krieges gänzlich stillgelegte Automobilverkehr mußte vollständig neu aufgebaut werden. Jetzt haben wir wieder 500 Automobillinien im Be trieb. Eine weitere Ausdehnung des Kraftwagenverkehrs ist in Aussicht genommen. Der Auslandspost Verkehr ist im großen Umfange wieder ausgenommen worden. Wir stehen jetzt mit allen europäischen und auch mit Überseestaaten wieder in Verbindung. Insgesamt hatte der Postverkehr 1921 den Umfang der Friedensverhältnisse fast völlig erreicht. Gegenüber den vielfachen Angriffen auf die Postbeamtenschaft betonte der Minister, daß diese Leistungen nur durch die treue und hingebende Ar beit aller Angestellten erreicht werden konnte. Trotz der schwie rigen Personalverhättniffe und der schlechten Finanzlage sei die Post mit allen Kräften bemüht, die mößttnöglichste Ver kehrsleistung im Interesse des deutschen Wirtschaftslebens zu erzielen. Dre belgische Gefahr am Rhein. Wünsche gegen den Friedensvertrag. Nach einer Meldung der „Agence Beige" soll die bel gische Regierung in einer Note an die Botschafterkonferenz die Behauptung ausgestellt haben, daß die Truppen in den unbesetzten Zwischenräumen zwischen den Rheinbrücken- löpfen Gefahren ausgesetzt seien, und um Erweite rung dieser Brückenköpfe ersncht haben. Eine Bestätigung dieser Nachricht liegt an Berliner zuständiger Stelle nicht vor. Die Grenzen des besetzten Gebietes und der besetzten Brückenköpfe sind im Friedens vertrag sestgelegt. Eine Abänderung dieser Grenzen hätte die Zustimmung der deutschen Regierung zur Voraus setzung. Verhaftung von 28 deutschen Polizisten. Am Mittwoch mittag wurde Lie 28 Beamte starke Ab lösung für Lie Wache der Schutzpolizei in Oberhausen-Al staden auf dem Wege zum Wachlokal von belgischen Trup pen verhaftet und in das besetzte Gebiet ge bracht. Die Verhaftung erfolgte, weil die Beamten di« für das besetzte Gebiet vorschriftsmäßige Weiße Armbinde nicht trugen. Die Verhafteten befinden sich unter belgi scher Bewachung im Polizeigefängnis von Duisburg. Unter Len belgischen Truppen im besetzten -Gebiet herrscht angeblich wegen der Ermordung des Leutnants Graf große Erregung. Es heißt, daß die belgischen Komman danten neue Befehle erhalten haben, die Wachen zu ver stärken und strenger gegen Lie Deutschen vorzug-ehen. Dis kommende Einheiiskurzschnst. Vereinigung der Hauptfysteme. Endlich, nach vielen fruchtlosen Beratungen, naht di« Zeit, da ein von vielen längst gefühltes Bedürfnis befrie digt werden kann. Dem Wirrwarr der Stenographien soll ein Ende bereitet und für alle Deutschen, auch die in Deutsch-Osterreich, eine einheitliche Schrift geschaffen wer den. Freilich werden nun viele, die bisher die schön« Kunst der Kurzschrift ausübten, umzulernen haben. Zur Beruhigung sei gesagt: nicht alle! über die Vorzüge einer Kurzschrift überhaupt zu sprechen, ist wohl überflüssig. Die vielen Stenographen vereine, die überall bestehen, die zahlreichen Angestellten in kausmännischen, technischen, wissenschaftlichen und anderen Betrieben, die Kurzschrift schreiben und zum Teil davon leben, beweisen das zur Genüge. Es ist ja an sich schon ein seltsamer Gedanke, sich vorzustellen, daß gerade die Schrift, d. h. unsere übliche Druck- und Schreibschrift, nun schon seit zweitausend Jahren eigentlich unverändert geblieben ist, während sich in der Zwischenzeit alles, aber auch alles wandelte, was die Schrift benutzt: Religion, Philosophie, Medizin, Juristerei, Technik, Musik, Literatur usw. Dabei ist die Schrift nichts weniger als vollkommen, sie paßt keiner modernen Sprache ganz, hat einige Zeichen zu wenig, während andere überflüssig sind, vor allem aber ist sie zu lang. Wir sind flottere Leistungen gewöhnt. Da her das Streben nach Kurzschrift und das Entstehen der mannigfachen Kurzschriften. Nun ist es ja im allgemeinen ziemlich gleichgültig, welche Kurzschrift man schreibt. Der Stenograph, der eine Rede aufnimmt, braucht nur nachher seine eigene Schrift selbst wiederlesen zu können, um sie in gewöhnliche Schrift zu übertragen. So kommen unsere Reichstags'wichte und dergl. zustande. Es gibt, den Systemfireitigkeiten zum Trotz, Stenographen aller Systeme, Lehmannianer und Faulmannianer so gut wie Stolzeaner, Rollersche so gut wie Gabelsbergersche, die das leisten. Selbst eine so ver zwickte und unserem Gefühl so unzweckmäßig erscheinende Kurzschrift wie die englische Shorkhänd ist praktisch ver wendbar. Freilich wollen wir nicht bloß eine praktische Banausenschrift haben, Ler deutsche Geist verlangt ideale Eigenschaften von seiner Stenographie: sie soll seicht er lernbar sein, gefällig aussehen, wissenschaftlichen An sprüchen nachkommen, z. B. sollen verwandte Laute mög lichst durck ähnliche Zeichen wiedergegeben werden, die Kürzungen sollen nicht willkürlich sein usw. Wir haben viele Kurzschriftsysteme, und jeder schwört auf das seine. Grimme Fehden sind in den Fachblätter« ausgefochten worden. Aber es ist klar, daß eine Kurz schrift erst dann die Höchstleistung bieten wird, zu der sic fähig ist, wenn sie möglichst von allen gelesen werden kann. Wenn ich nach Lem hübschen System von Brauns schreibe» so können meine Notizen, meine Postkarte, meine Nieder schrift einer Rede nur die wenigen Systemfreunde lesen, für die anderen ist es eine Geheimschrift. Der Arendsianer versteht die Stolze-Schrey-Schrift nicht, usw., man mutz es ihm erst übertragen. Stolze und Schrey waren erst zwei verschiedene Schulen, sie haben sich geeinigt, was in diesem Falle aus bestimmten Gründen nicht allzu schwer siel — da Haven wir Anfänge einer Einigungspolitik. Ähnliche Bestrebungen Ler kleineren Systeme endeten im ganzen mit einem Mißerfolg. Zurzeit sind die größten Systeme die von Gabelsber- ger (hauptsächlich in Süddeutschlandl und die von Stolze- „WM nie durch Liebe Leid geschah.. Roman von Erich Friesen. 11j (Nachdruck verboten.) „Ich glaube, ich höre Winfrieds Stimme!" rief sie plötzlich und stürzte wie der Wind zur Garderobe hinaus. Draußen ging gerade der Gesuchte vorbei. „Hier. Winfried! Hier!" Und Felicie steckte ihm hastig den Briefumschlag mit den Banknoten zu. „Vielen Dank. Licy! Muß mich eilen. Mein Stich wort kommt gleich, klebrigen? — ich spiele beute c^end doch noch einmal den „Faust". Wehlau fühlt sich noch unwohl." Fort war er. Als Felicie in Sigrids Garderobe zurückkehrte, war sic auffallend blaß. „Was gibt es?" fragte Sigrid, mit einem verwun derten Blick auf FelicieS verstörtes Gesicht. „Wehlau spielt heute abend nicht den „Faust" —" „Sondern — ?" „Winfried". Warum schlug plötzlich warme Röte in die zarten Wangen der schönen blonden Schauspielerin? Warum umspielte ein frohe?. glückverklärteS Lä cheln ihre sanftaeschwungenen Lippen? Warum er strahlten die großen grauen Augen in hellerem Glanze? Felicie sah dies alles. Sie glaubte de» Grund zu wissen und preßte die Lippen fest zusammen. Tie Eifersucht hatte ihr nicht ihr klares Urteil geraubt, sodaß sie das Ueberaewicht der älteren Kollegin auf jedem Ge biet anerkennen mußte. Wie schön diese Sigrid Arnoldsen war! Und wie gütig und hilfsbereit, wenn es nottat! . . Ha, Felicie haßte diese sieghafte Schönheit und Herzensgüte! Denn jetzt wußte sie eS bestimmt: Sigrid liebte Winfried... Und er? Wie stand es um sein Herz? Hatte er ihr, Felicie, vorhin auch nur ein einziges zärtliches Wort gesagt, als sie ihm die Banknoten gab? Er nahm sie einfach hin, als etwas Selbstverständliches! Und um welchen Preis hatte sie die Banknoten erkauft! Großer Gott — um welchen Preis! Zum erstenmal kam Felicie zum Bewußtsein, was sie getan hatte. Und sie zitterte vor den Folgen. Am Abend nach der Faustvorstellung lud Sigrid Arnoldsen Holm und seine Braut ein, in ihrer Woh nung mit ihr zu Abend zu essen. Nach einem leckeren Mahl, das Stimmung aemacht batte, nabm sie mit der jungen Kollegin die gänze Rolle Ser „Ophelia" noch einmal durch und machte sie auf allerhand kleine Tricks und Pointen aufmerksam. Erst spät in der Nacht trennte man sich. Holm wollte ein Auto herbeirufen j aber Felicie hielt ihn zurück. „Nein, Winfrieö! Laß uns zu Fuß gehen! Ich friere." Er zog ihren Arm durch den seinen, und beide schritten rasch von dannen. „Wie Du zitterst, Licy! Was beunruhigt Dich schon wieder?" „Nichts, nichts. Hast Du ihr das Geld gegeben?" „Natürlich, mein Lieb. Bist ein Hauptmäöel, daß Du mir so schön aus der Klemme geholfen hast. Du hast das Kollier hoffentlich nicht verkauft, sondern nur versetzt?" „Nein, ich habe es verkauft." „Wie? Für eine so geringe Summe?" „Ja. Ich hätte sonst das ganze Geld nicht auftrci- ben können. Sprich nicht mehr davon!" Ihr Ton klang so eigentümlich gepreßt, ihr ganzes Wesen drückte solch nervöse Spannung aus — Winfried blieb stehen und blickte seiner Braut voll ins Gesicht. „Licy, was fehlt Dir? Du umklammerst ja meinen Arm wie einen Schraubstock! Tut es Dir leid, daß Du daß Kollier verkauft hast?" „Nein!" erwiderte sie kurz und fügte ganz unvermit telt hinzu: „Wann wollen wir heiraten, Winfried?" „Wann Du willst!" „Je eher, desto besser!" „Ich werde morgen das Aufgebot bestellen. Dann bist Du m drei Wochen meine liebe, kleine Frau!" „Deine liebe, kleine Frau —I" Krampfhaft drückte sie seinen Arm. Wenn die drei Wochen doch erst vorbei wären! Was konnte in dieser Zeit nicht alles noch passieren! VI. Der nächste Abend bedeutete für Felicie einen großen Erfola. Niemand, der sie als „Ophelia" gesehen, wird sie je wieder aus dem Gedächtnis verlieren. Die schmiegsame Grazie, die Unschuld und Lieblichkeit, die Naivität, welche die Rolle verlangt — alle diese Ei genschaften besaß sie in höchstem Maße. Sie spielte kaum — sie gab sich völlig selbst und übte darum umso tiefere Wirkung ans. Der Haupterfolq des Abends aber gebührte der Wabn- sinnSszene. Wie sie, LaS aufgelöste Rabenhaar mit Blu men bekränzt, lächelnd die Bühne betrat, wie sie mit kindlicher Silberstimme sprach und sang und lachte und weinte, wie dann plötzlich ihr Blick starr und starrer wurde und sie wild Lutscht — ei» Grusel» überlief die Znyvrer, und mauwer schüttelte den Kopf über solch vollendetes Spiel bei einer so jugendlichen Künstlerin. Der Direktor schmunzelte, er wußte, er besaß von nun an eine Zugkraft mehr in seinem Theater. Die Kolle gen und Kolleginnen drückten ihr mit überschwenglichen Lobesworten die Hand, wobei nicht untersucht werden soll, ob's ihnen von Herzen kam. Nur Sigrid Arnold sen war ehrlich erfreut. Und Winfried Holm, der eine höhere Gage bei seiner Braut voraussah. Solange Felicie auf der Bühne gestanden hatte, war sie völlig im Banne der Dichtung und ihrer Rolle ge wesen. Da hatte sie an nichts anderes gedacht. Sobald der Vorhang zum letzten mal gefallen, war, klappte sie zusammen. Sie lehnte auch Sigrids Einladung zum Abendessen ab. Ja, mehr noch: sie forderte nicht einmal, wie zumeist sonst, ihren Verlobten auf, sie hinauf zur Mutter zu begleiten, als er ihr unten vor der Haustür gute Nacht sagte. Frau Giesecke, die sofort nach der Vorstellung nach Hause geeilt war, um für ihre Tochter und Winfried ein kleines Abendessen bereit zu halten, zeigte sich nicht wenig erstaunt, als Felicie allein kam. „Uebrigens — Du hast großartig gespielt, mein Herz blatt! Wirklich großartig! Ich habe geheult wie ein Kind!" schluchzte sie noch jetzt in der Erinnerung laut auf. „Nun kann die Arnoldsen vor Dir einpacken —" Müde wehrte Felicie ab. Sie hatte sich gleich nach ihrer Heimkehr aufs Sofa geworfen und starrte wi, geistesabwesend vor sich hin. „Du, Licv!" begann die brave Alte aufS neue, ohne sich durch die ersichtliche Mißstimmung ihrer Tochter beirren zu lasse«. „Weißt Du auch, daß der Vater —" Felicie flog empor. Angstvoll irrten ihre großen Augen im Zimmer umher, als fürchte sie, ein Gespenst zu sehen. „Der Vater —?" wiederholte sie angstvoll — „Großer Gott! Was? Was?" „Der Vater geht für einige Zeit fort, Licy!" „Fort?" „Nach Amerika. Er will ein halbes Jahr dort blei ben, Geschäfte halber — wie er sagt. Als ich eben aus dem Theater nach Hause kam, lag der Zettel da auf dem Tisch. Ich soll ihm alles zur Reise zurecht machen. Mor gen früh geht es schon los. Jetzt schläft er drinnen in der Kammer!" Felicie war wie erstarrt. Die freudige Nachricht raubte ihr momentan fast die Besinnung . . . Der Stiefvater fort? Ucber den Ozean? Und mor gen schon? Alles in ihrem Kopf wirbelte vor Freude. „AL wenn eS Loch erst morae» wäre! Wenn sie erst
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