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»»msscrAMM Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochenbl(l^ fÜk UNd ^MgegLNd Postscheckkonto Dresden 2640 Dieses Blatt enthält'die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Verleger und Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdrnff. N*- 67 Sonntag de» 19. März 1922. 81. Jahrgang Kleine Zeitung für eilige Leser. * Die deutsche Regierung ist den Bedenken der Kontrollkom mission in bezug auf die Entwaffnung und die Organisation der Polizei in einer ausführlichen Note entgegengetreten. * Die Gütertarife der Eisenbahn werden vom 1. April ab um weitere 40 Prozent erhöht. * In der italienischen Kammer sprach sich Außenminister Schanzer mit großer Entschiedenheit für die Einsetzung einer gesetzmäßigen Regierung in Fiume aus. * Frankreich und Japan schloffen eine Entente zur Ausbeu tung Sibiriens. * In Belfast kam es zu neuen blutigen Straßcnkämpfen. * Bis auf kleine örtliche Kämpfe ist der Ausstand in Süd- afrika durch General Smuts unterdrückt worden. * Der amerikanische Heeresausschuß hat die Kosten der Rheinlandsbesatzung im nächsten Staatshaushaltsplan ge- strichen. Noch nicht zufrieden! Sie lassen uns nicht in Ruhe, sie wollen uns nicht in Ruhe lassen. Seit vollen drei Jahren haben wir mili tärische Kontrollkommissionen der Entente über ganz Deutschland verteilt, die mit einem ungeheuren Apparat von Offizieren und Beamten, von männlichen und weib lichen Spitzeln das ganze Reich durchschnüffeln, um der veutschen Regierung bei der Ausführung der Abrüstungs vorschriften des Versailler Friedensvertrages und der un zähligen auf ihn gestützten Befehle des Generals Rollet und seiner Unterorgane auf die Finger zu sehen. Bis schließlich selbst im Londoner Unterhaus und unter der Hand sogar auch von diesem und jenen Franzosen zu gegeben werden mußte, daß Deutschland wirklich und wahrhaftig entwaffnet sei, was aber andererseits nicht verhinderte, daß, je nach den politischen Bedürfnissen des Tages, Herr Briand oder Herr Poincaro plötzlich wild auffuhr, um von fabelhaften geheimen Rüstungen in Deutschland, von hinterhältigen Widerständen seiner Macht haber zu sprechen. Jetzt erfährt man plötzlich, daß die Interalli ierte Militärkontrollkommission der Reichs regierung am 27. Februar eine Note überreicht hat, in der sie den Erlaß von Anordnungen der einzelnen deutschen Länder bis zum 15. März verlangte, durch welche die Ordnungspolizei den Forderungen der Kommission entsprechend umorganisiert werden sollte. Man muß nun wissen, daß diese Ordnungspolizet zum mindesten dreimal genau nach den Weisungen der Fremdmächte umorgani siert worden i st. So wie sie jetzt besteht, entspricht sie in Aufbau und Einrichtung genau den Vorschriften, die von Herrn Rollet und seinen Sachverständigen zum letztenmal wohl vor etwa Jahresfrist erlassen worden sind. Es hilft alles nichts, man braucht offenbar in Paris — und anders wo — wieder eine neue Aktion gegen den immer noch nicht vollkommen tot gemachten Militarismus in Deutschland, genau zu derselben Zeit, wo der französische Kriegsminister vor der Kammer die Notwendigkeit hervorhebt, statt der vorgesehenen 450 000 Mann eine Heeresstärke von 630 000 Mann bewilligt zu erhalten. Also verlangt man einmal die Beschränkung der staatlichen Polizei auf den im Jahre 1913 vorhanden gewesenen Stand; zweitens die Beseiti gung der Nachrichten- und Kraftfahrformationen, der Lustfahrtüberwachungsabteilungen und aller anderen so genannten festen Verbände — das heißt der Hundert schaften, in die bekanntlich unsere Schutzpolizei gegliedert worden ist; verlangt ferner die Überführung der dadurch frei werdenden Mannschaften in den Einzeldicnst und eine entsprechende Aufhebung der jetzt für einen Teil der Poli zei eingeführten Kasernierung. Mit anderen Worten: man verlangt die nahezu vollständige Zerschlagung der Polizeiorganrsation, die, immer wieder muß es gesagt werden, im vollen Einvernehmen mit der Entente auf die gegenwärtigen inneren Schutzbedürfnisse des Deutschen Reiches zugeschnitten war, verlangt sie ohne jede nähere Begründung, verlangt sie, weil es den fremden Befehlshabern eben Spaß macht, mit den Deutschen auch in dieser überaus kitzligen Frage Schindluder zu spielen. Als Vorwand für die Auffassungen, die dieser Note zugrunde liegen, können ihr allenfalls mancherlei Über treibungen dienen, die mitunter bei uns im Lande beliebt werden, sobald es sich um irgendwelche Vorgänge inner halb der Schutzpolizei handelt. So oft man sonst immer Rücksichtnahme auf unsere auswärtige Politik fordert, so bald es sich um den Rest der Waffengewalt handelt, der uns noch geblieben ist, werden alle Bedenken fallen ge lassen und gehen gegen Reichswehr oder Schutzpolizei zu Felde, die, vom deutschen Standpunkt aus gesehen, einer besseren Sache würdig wäre. So erhält die Entente immer wieder billiges, allzu billiges Material für die Aufstellung neuer Forderungen, dem gegenüber unserer Regierung leider die Hände nur allzu sehr gebunden sind. Am 15. März hat sie der Kontrollkommission eine Antwort note zugehen lassen, mit der sie den Standpunkt der Gegenseite mit echt deutscher Gründlichkeit zu entkräften sucht. Aber der Mann, der diese Note abzufassen hatte, wußte natürlich ganz genau, daß die Gegenseite nicht zu überzeugen war, weil sie nicht überzeugt sein wollte. Und so besteht auch hier der langen Rede kurzer Sinn wieder einmal darin, daß zum Schluß erneut der feste Wille der Reichsregierung betont wird, an der bisher von ihr gehandhabten loyalen Erfüllungspolilik festzuhalten. Die Note mündet aus in Vorschläge, die den Forderungen der Kommission sehr weit entgegenkommen, ohne dabei angeblich die Lebensnotwendigkeilen des Reiches und der Länder zu gefährden. Man will von einer weiteren Ver staatlichung der Lokalpolizei fernerhin nur in beschränk tem Umfange und nach vorheriger Verständigung mit der Kommission Gebrauch machen. Man will die Zahl der festen Verbände — also der Hundertschaften — innerhalb des Deutschen Reiches erheblich vermindern, die Kasernie rung entsprechend einschränken, sämtliche Nachrichten- und Kraftfahrformationen, sowie auch die Luftfahrtüber wachungsabteilungen auflösen, das aus. Heeresbeständen stammende oder militärischen Typen gleichstehende Nach richtengerät abgeben, die zentral geleiteten Depots der ein zelnen Länder abschaffen und schließlich die jetzige Uni form der Schutzpolizei nach Verbrauch der vorhandenen Bestände in einer Weise abändern, daß sie zur „feld mäßigen" Verwendung ungeeignet ist. Bis an die Grenze des möglichen will man damit entgegengekommen sein und hofft, zum hundertsten, nein, zum lausendstenmal, die Entente so von der loyalen Politik des Rerches überzeugen zu können. Um das Maß voll zu machen, hat sogar an dem glei- chen 15. März, an dem dieses Polizeiultimatum der Entente ablief, der französische Botschafter in Berlin eine Kollektiv note der Entente überreicht, in der uns der Abwechslung halber wieder einmal vorgeworfen wird, daß wir der Interalliierten Militärkontrollkommission — Obstruktion leisten. Unsere Negierung soll ihr in dieser und jener Be ziehung die notwendigen Mitteilungen vorenthalten haben, und so wird ihre Aufmerksamkeit „in dringender Form" auf die Lage gelenkt und sie aufgefordert, Prak tiken ein Ende zu machen, die, selbst wenn sie von unter geordneten Behörden begangen sind, doch unter die Ver antwortung der Regierung fallen. Und um zu diesem Schaden noch den Spott und den Hohn hinzuzufügen, wird bemerkt, daß'schon das finanzielle Interesse Deutsch lands erheische, die alliierten Körperschaften instand zu setzen, sich so schnell als möglich ihrer Aufgaben zu ent ledigen — als wenn diese Aufgaben nicht längst erfüllt wären, und als wenn nicht nachgerade jedes Kind in Deutschland ganz genau wüßte, warum die fremden Kommissionen aus Deutschland nicht Weichen wollen. Wer mit so riesigen Bezügen ausgestattet ist wie dieser General Rollet und alle seine Bediensteten bis herab zum letzten Autoführer, der denkt gewiß an alles andere eher als daran, diese überaus einträglichen Stellungen „vorzeitig" zu räumen. In Wahrheit gibt es auf der ganzen Welt, England und Frankreich selbstverständlich eingeschlossen, keinen mili tärischen oder polizeilichen Fachmann, der die Fortdauer der Militürkontrolle über Deutschland nach allem, was ge schehen ist, ernsthaft zu verteidigen vermöchte. Deutsch land kann tun und lassen was es will — die Tyrannen- hand, die auf ihm lastet, wird nicht zurückgezogen werden, und wenn es seine Vertragsverpflichtungen nicht einmal, sondern zehnmal erfüllt hat. Man sieht: der Geist des Herrn Poincaro beherrscht die Welt, und Lloyd George hat sich als zu schwach erwiesen, gegen ihn Vernunft und guten Willen zum Siege zu führen. Dr. Sy. Oer große Anleiheplan. Verwirklich ungderB es chlüssevonCannes? Die seinerzeit in Cannes ganz unverbindlich getroffe nen Verabredungen über die Regelung der deutsche« Zah lungsverpflichtungen haben jetzt auf der Konferenz der alliierten Finanz Minister und Finanzsachverständi gen in Paris festere Gestalt angenommen. Es wird da rüber berichtet, die in Cannes gemachten Vorschläge seien fo gutwie bestätigt worden. Der Betrag der Zah lungen in bar und in Waren, die Deutschland im Jahre 1922 zu leisten habe, fei festgesetzt worden. Auch die Verteilung des bereits von Deutschland gezahlten Geldes unter die Alliierten sei bestimmt worden. Gleichzeitig ist bei der eigentlich entscheidenden Stelle, der Reparations kommission, von dem englischen Delegierten Bradbury offiziell der Antrag gestellt worden, eine technische Kom mission, in der außer den neutralen Staaten auch Deutsch land offiziell vertreten sein soll, einzusetzen, die die Frage der Auflegung einer deutschen Anleihe auf dem Weltmärkte prüfen soll. Man hält die Zustimmung der alliierten Regierungen, einschließlich Frankreichs, zu diesem Plane bereits für gesichert. 4O°/<> Erhöhung der Gütertarife. Vom 1. April an. Der Reichsverkehrsminister hat den Negierungen der Länder mitgeteilt, daß mit Rücksicht auf die starken Er höhungen der Ausgaben der Reichsbahn am 1. April dieses Jahres eine Tariferhöhung nötig sei. Die sächlichen Mehrkosten, die der Reichsbahn durch die starke Steigerung der Kohlenpreise und aller Materialpreise erwachsen und die neuen Gehalts- und Lohnerhöhungen werden eine Ge- samtmehrbelaftung der Reichsbahn kür den kommenden Haushalt von 23 Milliarden bringen. Damit steigen die Ausgaben des ordentlichen Haushalts für 1922 von 73,8 Milliarden auf rund 97 Milliarden oder um rund 31 Prozent. Bei der Ausgleichung dieses Fehlbetrages sollen die Personen- und Gepäcktarise geschont werden. Deshalb ist es erforderlich, die Güter- und Tiertarife ent sprechend stärker heranzuziehen. Die seit dem 1. März geltenden Güter- und Tiertarife sollen vom 1. April d. Js. ab um rn,nd 40 Prozen 1 erhöht werden. Da wegen der Kürze der zur Verfügung stehen den Zeit die Form des allgemeinen Zuschlags gewählt werden muß, wird die neue Frachtberechnung in der Weise vorgenommen werden, daß die Gütertarife vom 1. Februar 1922 entsprechend erhöht werden. Eine Erhöhung der Personentarife ist nicht in Aussicht genommen. Jedoch ist es mit Rücksicht auf die Finanz lage der Reichsbahn nicht möglich, an den für Berlin und Hamburg geltenden besonders niedrigen Stadt-und Vor orttarifen festzuhalten. Die Post wartet noch ab. Das Reichspostministerium teilt mit, daß die Steigerung der Materialpreise und die Gehalts- und Lohnerhöhungen auch die Postverwaltung zu einer erneuten Tariferhöhung zwingen, über die aber erst Beschluß gefaßt werden könne, wenn sich die Wirkung der letzten Gebührenerhöhungen genauer übersehen lasse. Zum 1. Alpril stehe eine Tariferhöhung nicht bevor. Es mutz zunächst genau geprüft werden, bei welchen Versandgegenständen eine Portoerhöhung möglich und einträglich sei. Deutsche und französische Steuerlast. Ein schlagender Beweis. In den französischen Kammerdobatten und den fran zösischen Zeitungen tauchte in den letzten Wochen immer wieder die Behauptung auf, der französische Staatsan gehörige stehe unter einem höheren Steuerdruck als der deutsche. In der Tat ist die Frage der steuerlichen Belastung in Deutschland und den alliierten Ländern von weit tragender Bedeutung; rührt sie doch an dem Kernpunkt des ganzen R ep a r at i o n s p r o b l e m s: die Leistungsfähigkeit Deutschlands. Bekanntlich soll nach den Bestimmungen des Versailler Vertrages die Neparations kommission bei der Prüfung der Zahlungsfähigkeit Deutschlands darauf achten, daß das deutsche Steuersystem verhältnismäßig ebenso schwer ist wie das des stärkftbe- lasteten Landes innerhalb der Reparationskommission. Nun ist der Steuerdruck in keinem Lande so groß wie in Deutschland. Wir wollen uns nicht berufen auf das Urteil der Sachverständigen der alliierten Mächte auf der Brüsseler Konferenz im Jahre 1920, die erklärten, daß be reits die damaligen Tarife der direkten Steuern das Höchstmaß erreicht hätten, und daß später sogar, wenn die Veranlagungsbehörden sich eingearbeitet hätten, im fiskalischen mrd wirtschaftlichen Interesse eine Ermäßi gung gewisser direkter Steuern zu erwägen fei. Die deutsche Negierung hat trotz dieses Urteils und trotz der steigenden Geldentwertung, die an sich schon stärker gewirkt hat als neue Steuern, an einem starken Ausbau des gesamten Steuersystems gearbeitet. Nur die Einkommensteuer wurde, um der gegenüber der Friedens mark unendlich gesunkenen Kaufkraft der Mark in etwas gerecht zu werden, für die unteren und mittleren Ein kommen ermäßigt; eine Maßnahme, deren Berechtigung nunmehr auch im Auslände anerkannt wird. Will man zu wirklichen Vergleichen der Steuerbelastung kommen, so muß man von der inneren Kaufkraft des Geldes in den einzelnen Staaten ausgehen. Einige Beispiele mögen zeigen, zu welchen Resultaten man dann kommt. Was wirklich gezahlt wird. In Deutschland zahlt ein unverheirateter Steuerpflichtiger bei einem Arbeitseinkommen von 3V 000 Mark 7,4 Prozent seines Einkommens an Einkommen- steuer, während ein Einkommen gleicher innerer Kaufkraft in England und Frankreich steuerfrei ist. Bei einem Einkommen von 50 000 Mark sind in Deutschland 8,4, in England 4,5 und in Frankreich nur 2,75 Prozent, bei einem Einkommen von 100 000 Mark in Deutschland 15,5 in England 10,5, in Frankreich gar nur 5,5 Prozent des Einkommens zu zahlen. Diese weni gen Ziffern reden eine so eindringliche Sprache, daß sie eines Kommentars nicht bedürfen. Das gleiche Bild ergibt sich bei einer Vergleichung der Belastung des Unternehmergewinnes. Würde man zu der Einkommensteuer den ganzen Komplex der Ve sitzsteuern, der nach Verabschiedung der neuen Gesetz entwürfe eine in dieser Schwere in keinem Lande der Welt be kannte Belastung des Vermögens bedeutet, hinzurechnen, so würden die Ziffern noch ganz andere Unterschiede aufwcisen. Man hat nun auf der Gegenseite den Versuch gemacht, nachzu weisen, daß einzlene Verbrauchs st euern dort Höher sind als bei uns, ohne zu bedenken, daß auch die sog. direkten Steu ern, z. B. die Einkommensteuer, letzten Endes die Person des Verbrauchers treffen. Und wenn man ausrechnet, daß in den alliierten Ländern der Ertrag von Verbrauchssteuern Pro Kopf der Bevölkerung gößer ist als bei uns, so vergißt man die ein fache Tatsache, daß der auf den einzelnen entfallende Verbrauch in dem verarmten Deutschland bedeutend geringer ist als in den Ländern mit günstigeren Wirtschaftsverhältnissen. Die steuerliche Belastung in einem Lande kann nur dann wirklich berechnet werden, wenn man zweifelsfrei seftstellt, welches Ein kommen der einzelne im Durchschnitt bezieht und was ihm nach Abzug der Steuern zum Leben verbleibt.