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Wilsdruffer Tageblatt : 24.02.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-02-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192202246
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220224
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220224
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-02
- Tag 1922-02-24
-
Monat
1922-02
-
Jahr
1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 24.02.1922
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Btrellavbruch mitbesttmmend gewesenen Grnarungen des Herrn Reichskanzlers hinsichtlich der Maßregelungen auch heute noch allein ausschlaggebend. Nur die Zurücknahme dieser Erklärung durch den Kanzler selbst hätte die Frage einer Wiederaufnahme des Streiks in den Bereich der Er örterungen rücken können. Es liegt der Reichsgewerkschast gänzlich fern, sich durch den Erlaß des VerkehrsminifterS etwa zur Betätigung eines irrtümlicherweise bei ihr ver muteten gewerkschaftlichen Militarismus verleiten zu lassen." Ter neue Zwischenfall in Gleiwitz-Petersdors. über den letzten Zusammenstoß, bei dem ein deutscher Polizeibeamter getötet wurde, erläßt der im Gleiwitzer Gebiet kommandierende General eine Veröffentlichung folgenden Inhalts: „Am 19. Februar entstand zwischen betrunkenen Zivilisten und französischen Soldaten, die ebenfalls in betrunkenem Zustande waren, eine Ausein andersetzung. Im Laufe des Wirrwarrs wurde ein Poli zist, der die Ordnung wiederherstellen wollte, von einem Soldaten durch einen Revolverschuß tödlich verletzt. Der Schuldige ist sofort verhaftet worden und wird dem Kriegsgericht überliefert." Dem Vernehmen nach hat sich die deutsche Negierung mit der Interalliierten Kommission in Oberschlesien in Verbindung gefetzt, um zur Aufklärung der Angelegenheit die geeigneten Schritte zu unternehmen. 187 Milliarden Reparationslast für 1922. Dem Reichstag ist ein Überblick über den Entwurf des Reichshaushaltsplans für 1922 zugegangen, in dem auch die Veranschlagung der Summen zur Ausführung des Friedens Vertrages für dieses Rechnungsjahr ent halten ist. Die Kosten, die wir zu erstatten haben, werden für das Jahr 1922 auf 187 531696 076 Mark veranschlagt gegen 112 429185 779 Mark im Vorjahre. Von den Aus gaben des ordentlichen Haushalts können nur 16,5 Milli arden Mark aus ordentlichen Reichseinnahmen gedeckt werden. Wenn wir also im kommenden Rechnungsjahr nicht weniger als 171 Milliarden der Reparationskosten aufAnleihe entnehmen müssen, so beweist das, daß eine vernünftige Finanzgebarung des Reiches absolut unmög lich bleibt, so lange unser Haushalt mit solchen laufenden Ausgaben aus den Reparationsverpflichiungrn belastet ist. Neuwahl der braunschweigischen Regierung. Im braunschweigischen Landtag wurde die Wahl der neuen Regierung vollzogen. Es wurden mittels Stimm zettels gewählt die Minister Antrick (Mehrheitssozialist), Grotewohl (Unabhängig), Steinbrecher (Mehrheitssozia list) und Wesemeier (Unabhängig) mit je 28 Stimmen und August Junke (Unabhängig) mit 2 Stimmen. Die rechts stehenden Parteien hatten 26 unbeschriebene Zettel abge geben. Bis auf Wesemeier gehörten alle Minister der bisherigen Regierung an. Die Einführung der neuen Handelsflagge. Entgegen den Gerüchten, daß die Handelsschisfohrt und ihre Kapitäne die Flagge der Republik ablehnen und der Durchführung der gesetzlichen Maßnahmen große Schwierigkeiten bereiten, heißt es in dem Bericht eines deutschen Generalkonsulats in einem der größeren Mittel meerhäfen: Sämtliche Kapitäne, die dem Konsulat ihren Besuch abstatteten, lehnen den Streit über die neue deutsche Handelsflagge als zwecklos und untunlich aufge- bauscht ab. Diese Ansicht wird von ihnen weniger mit politischen Gründen motiviert, als mit der Tatsache, daß zwischen der alten und der neuen Handelsflagge kaum ein wahrnehmbarer Unterschied festzustellen ist. Frankreich. X Freilassung angeblicher „Verräter". Die An klagebehörde hat beschlossen, den seit zwei Jahren verhafteten Abgeordneten Paul Meunier und die mit ihm beschuldigte Frau de Ravisi, die wegen Einver ständnisses mit dem Feind unter dem Ministerium Cle menceau in Haft genommen worden waren, außer Ver folgung und in Freiheit zu setzen. Es wurde jedoch be schlossen, die Anklage wegen Einverständnis mit dem Feinde aufrecht zu erhalten gegen den früheren Heraus geber des „Eclair", Ernest Judet und den Schweizer Maler Jean Bossard, die beide geflüchtet sind. Die Grafen von Freydeck. 76j Roman von A. Ostiand. So war die Zahl derZeugen sehr zusammengeschrumpft, und die Wiederholung de» Prozesses hatte gar keine neuen Punkte zutage gefördert. Und nun nabte das Ende dieses aufregenden Schau spieles. Nach Wochen voll qualvollen Harrens, voll auf reibender Anstrengung kam nun endlich, endlich das letzte. „Das letzte!" Das Wort hatte sich im Kopfe des großen, schönen Mannes festgebohrt, der dort neben seinem Sohne so still dasaß, als dächte er kaum an die Vorgänge ringsum. Er konnte immer nur dieses eine kleine Wort denken: „Das letzte! Das letzte!" Er fühlte es kaum, daß Georgs Finger nach seiner Hand tasteten. Erst als der Verteidiger zu sprechen auf- hörte, kam ihm die nun plötzlich eintretende Stille zum klaren Bewußtsein. Aber da sprach schon wieder jemand anders — Max Günther fühlte, wie die Hand seines Sohnes zitterte. Fast unwillkürlich schloß er diese bebende Hand fest und innig zwischen seine Hände. „Mut, Georg," sagte er leise; „sei ein Mann!" Die blendenden Sonnenstrahlen tanzten weiter und weiter und spannen über den Saal ein Netz von goldenen Fäden. Georg Günther schloß die Augen wie in einem jähen Schwindel. Konnte das möglich sein 7 Nun sprach der Vorsitzende schon die letzten, abschließenden Worte — und dann? Dann würden sich jene fremden, gleichgültigen Männer dort zurückziehen und würden da» Urteil sprechen Ein Urteil? Um Gottes willen, worüber denn eigentlich? Georg Günther hatte in diesen letzten Monaten so vieles erlebt, daß es ihm fast unmöglich war, heute noch klar zu denken. Und plötzlich kam ihm alles da», was da eben gesagt worden war, so ganz unglaublich vor, so einfach lächerlich. Man behauptete, er, Georg Günther, habe den alten Grafen von Freydeck um Geld gebeten. Der Graf sei wahrscheinlich infolge der Erregung vom Schlage gerührt worden, und Georg hätte dann eine größere Summe aus dem Schreibtisch genommen. Diese Summe habe er Hilda Wentheim heimlich zuge- steckt, und diese hätte ihm da» Geld dann am nächsten Morgen nach der Fabrik gebracht. Das lag alles so klar! Konnte iraend iemapd klauben, dab es nickt wahr iei? Deutscher Reichstag. <178. kitzun«.) es. Berlin. 22. Februar. Mehrere dritte Beratungen bilden den Beginn der Tages ordnung der heutigen Sitzung. Zuerst kam die dritte Beratung des Reichimietengesetzes. Aba. Becker-Arnsberg (Zentrum) beantragte die Absetzung dieser Sache von der Tagesordnung bis zur nächsten Wachs. Abg. Tchutz-Bromberg (Deutschnat.) widersprach diesem Anträge. Der Antrag wurde aber angenommen. — Es folgte die dritte Beratung eines Gesetzentwurfs über die Erhebung einer Abgabe zur Förderung des Wohnungsbaues. Hier erklärte der Abg. Maretzky (Deutsche Vp.), daß ein Teil seiner Parteifreunde das Gesetz annehmc, ein anderer Teil es ablehnen werde. Die Vorlage wurde darauf ange nommen. Nunmehr kam man zur dritten Beratrmg eines Ge setzentwurfs über vorübergehende Rechtspflegematznahmen im Hinblick auf das Saargebiet. Diese Beratung wurde zu rückgestellt, da Bedenken Vorlagen, ob etwa eine Zweidrittel mehrheit zur Annahme nötig sei, und diese Zweidrittelmehr- heit nach ver heutigen Besetzung des Hauses nicht zu erzielen gewesen wäre. Hierauf setzte man die zweite Beratung des Reichshaushalts für 1922 fort, und zwar bei dem Haus halt des Reichspräsidenten. Abg. Hergt (Deutschnat.) be sprach hier die Frage der Neuwahl des Reichspräsidenten, wobei er bemerkte, daß die Person des gegenwärtigen Präsi denten dabei völlig ausscheide. Nach der Verfassung, betonte der Redner, gehört die Wahl des Reichspräsidenten zu den unveräutzerlichen Rechten des Volkes. Es ist fraglich, ob es recht sei, daß heute, anderthalb Jahre nach Zusammentritt des Reichstages, noch immer der alte Nationalverfammlungs- Neichsprästdent im Amte ist. Der Herr Reichspräsident selbst dürfte der Ansicht sein, daß auch der Schein vermieden werden müsse, daß ein Recht des Volkes geschmälert werde. Der Neu wahl hinderlich waren besonders die Abtretungsgebiete, beson ders Obcrschlcsien mit ihren ungeklärren Grenzen. Das ist jetzt beseitigt, die Regierung hat sich aber merkwürdig zurück haltend gezeigt. Die Wahl des Reichspräsidenten darf nicht Hals über Kopf angesetzt werden. Reichsjustizminister Dr. Nadbruch erwiderte, daß die Reichsregierung es ablehnen müsse, bei diesem Haushaltstitel Stellung zu der berührten Frage zu nehmen. Abg. Fröhlich (Komm.) betonte, weil der Reichspräsident in Deutschland mehr Machtbefugnisse hat als sonst Präsidenten in Republiken und als Monarchen in Monarchien, Machtbe fugnisse, die aus der Zeit der schlimmsten Reaktion von 1851 stammen, lehnen wir den Titel ab. Abg. Dr. Kahl (Deutsche Vp.) erklärte, wir wünschen, daß eine Bestimmung der Verfassung endlich erfüllt werde und wollen wissen, ob die Regierung sich über diesen Punkt über haupt schon Gedanken gemacht hat. Abg. Adolf Hoffmann (komm. Arbeitsgemeinschaft) be merkte dazu: „Tun Sie doch nicht so, als ob Sie sich so nach der Neuwahl drängen. Ebert ist Loch bloß Platzhalter für Ihren künmaen Monarchen. Der jetzige Präsident paßt ganz genau zu Ihren Plänen. Abg. Scholtz-Bromberg (Deutschnat.) beantragte, den Titel „Haushalt des Reichspräsidenten" von der Tagesordnung ab- zrrsetzen, weil die Regierung es abgelehnt habe, die Frage der Neuwahl hier zu beantworten. Darauf wurde die Abstimmung ausgesetzt. Zum Haushalt des Reichskanzlers' ergriff der Kanzler Dr. Wirth selbst das Wort und erklärte: Vielleicht ist es künftig besser, an erster Stelle den Titel „Haus halt des Äeichskanzles" zu beraten. Bon einer Beunruhigung im Volke wegen der Neuwahl des Reichspräsidenten ist kein« Rede. Vor völliger Erledigung der oberschlestschen Dinge konnte in dieser Frage nichts ge schehen. Jetzt aber können wir mit den Parteiführern in Vor besprechungen eintreten, und das hohe Haus wird bald Ge legenheit bekommen, zu der Frage Stellung zu nehmen, denn die Frage ist dringlich. Der Haushalt des Reichskanzlers tMrde darauf angenom men, ebenso der Haushalt Les ReichspWsidenten. Damit war die Tagesordnung erschöpft und die -Sitzung wurde aelcklosien. Luftschiffkatastrophe. 85 Personen in der L uft v e r b r a nsi t. Das Halbstarre Militärluftschiff „Roma", das Ame rika vor wenigen Wochen von Italien gekauft hatte, das größte Luftschiff seines Systems, ist, wie aus London ae- weorg suyr mit oer Hand nach seiner heißen Stirn. War das nicht alles, um verrückt zu werden? Er — er sollte ein Dieb sein, und sein Vater — sein Vater sollte schuldig sein am Tode Julie von Kirch, bachs, jenes Mädchens, das er geliebt hatte? Georg zweifelte nicht mehr daran, daß sein Vater eine tiefe Neigung zu Julie empfunden habe, aber konnte man dann annehmen, daß er sie über die Brücke stürzte? Allerdings: die Fußspuren paßten, und daß er um die kritische Zeit im Forst gewesen war, das war un leugbar. Auch daß er die Nachricht von Julie» Tode schon gewußt hatte, als Erich sie brachte, auch das war bestimmt richtig. Und doch konnte alles dies nicht wahr sein. Es war einfach eins Unmöglichkeit — es war ganz unfaßbar! Ebenso unfaßbar, als die Annahme, Hilda Wentdeim lei bet Julies Sturz zugegen gewesen l Wie tonnte man das glauben? Nur weil sich zwischen Julies Fingern ein langes, rotes Haar fand? Und weil Ab drücke eines kleinen, schmalen Frauenfußes sich gefunden hatten? Aber alles das war ja, ebenso wie die Erscheinung ver seltsamen Frauengestalt und das Auftauchen des ge heimnisvollen Fremden, nur gestreift worden. Hilda Wentheim hatte sich aller irdischen Gerechtigkeit entzogen. Von jener schattenhaften Gestalt war jede Spur verloren, und der Fremde war verschwunden. War es wirklich Hildas Vater gewesen? Hatte er vielleicht auch damals den Tod gesucht und gefunden? Weshalb es nur plötzlich so schrecklich still wurde! Cs hatte doch eben noch jemand gesprochen! Georg Günther sah durch eine Wolke hüpfender Staubteilchen, die lange Streifen im Hellen Sonnenschein bildeten, undeutlich die Gesichter der Geschworenen, die sich nun erhoben. Langsam schritten sie einer der Neben türen zu. Jetzt war auch der letzte hinter ihr ver schwunden. Was würde nun geschehen? Georg sah sich um. Das Gesicht seines Vaters in seiner verschlossenen, leidvollen Härte schien ihm beinahe fremd. Und dort — jene in sich zusammengesunkene Ge stalt — das wyr sein Großvater — dort tauckte Onkel Gerlachs Gesicht auf — dort in der ersten Reihe saß Erich neben Käthe. Und neben, zwischen allen diesen lieben, vertrauten Gesichtern die fremden Menschen, welche nur aus Neugierde gekommen waren, aus reiner Lust an der Aufregung. Und alle diese Menschen konnten, wenn sie da» Zimmer verließen, hinaustreten in die frei« Luft. Er aber und sein Vater, sie hingen von dem Urteil ab, über welche» jene fremden Männer jetzt dort hinter jen-r Tür berieten. — meidet wird, bei einer Probefahrt zwischen Nsrsolk und Newport News (Virginia, südlich Baltimore) verunglückt. Es geriet in einer Höhe von über 300 Metern in Brand und stürzte in Flammen mit der ganzen Besatzung voll 50 Mann ab. Aus den Trümmern des Wracks sollen nur 15 überlebende geborgen worden sein, so daß 35 Todesopfer zu beklagen sind. Die „Roma" faßte über eine Million Kubikfuß Gas. Sie war mit neu eingebaute» amerikanischen Motoren zu der Versuchsfahrt aufgestiegen. Das Unglück ereignete sich über dem Hampton Rood-Kanal, Cheasayeakebay, um zwei Uhr nachmittags. Die englischen Blätter erinnern an das Unglück, das vor wenigen Monaten dem gleichfalls von Amerika ange kauften englischen Luftschiff zustirß. Dieses Luftschiff sollte mit eigener Kraft nach Amerika fahren, stürzte aber un mittelbar nach dem Aufstieg über England ab und wurde restlos vernichtet, wobei gleichfalls viele Todesopfer zu beklagen waren. Amerika hat also bei seinen Luftschiff käufen kein Glück, es muß sich aber damit trösten, daß andere Länder noch viel größere Verluste bei Versuchs fahrten von Luftschiffen erlitten haben. Llnsere Kinder, unsere Zukunft. Professor Czerny über die Folgen der Kriegsernährung. Der jüngst verstorbene große Hygieniker Adolf Czerny hat kurz vor seinem Tode noch seine Ansicht über die er kennbaren Folgen niedergelegt, welche dis leidige Kriegs ernährung auf den leiblichen Zustand unserer jungen Ge neration gehabt hat. Während des Krieges selbst waren die Mitteilungen über die Ernährungsverhältnisse wenig zuverlässig, in der ersten Zeit übertrieben günstig, gegen Ende übertrieben ungünstig. Das Richtige zu treffen, war nit tmmere leicht, auch unterschieden sich Lie Verhältnisse nach Ländern und Provinzen. Im allgemeinen hat sich der Staat hauptsächlich um di« ganz jungen Kinder bis zum zweiten Lebensjahre be müht; sie erhielten Milch, täglich 1 Liter, oder Liter. Freilich kam es vor, daß die Milch schon etwas sauer war, aber das schadete nicht so sehr, als man dachte. Wenn Säuglinge, auch Brustkinder, weniger gut gediehen, so lag es oft daran, daß die Milch, sowohl Frauenmilch wie Kuhmilch, fettarm war. Das kleiehaltige Brot, das die Kleinen ab und zu zwischendurch bekamen, hat ihnen nicht geschadet. Von dem Mangel an frischen Gemüsen fürchtete man Erkrankungen an Skorbut, doch scheint dem die Nübenernährung entgegengewirkt zu haben. Dagegen zeigte sich oft die sogenannte englische Krankheit mit starker Knochenbrüchigkeit, vielleicht eine Folge des Obst- und Ge müsemangels. Für die älteren Kinder gab es keine Milch, die Folgen waren: Fettmanael, Eiweißmangel, Kalk mangel. Der Fettmangel, der durch Verabreichung anderer Kohlehydrate nur sehr schwach überwunden werden kann, äußerte sich in Stillstand des Wachstums, in Gewichtab nahme. Wo man der Nahrung wieder mehr Fett zusetzen konnte, trat eine rapide Besserung ein. Das Fett spielt auch im Stoffwechsel sowie in der Ausbildung des Gehirns eine starke Nolle. Dem Fettmangel schreibt man zu, daß die natürliche Widerstandskraft gegen Skrofulose und Tuberkulose abnahm. Der Eiweißmangel konnte meist durch Aufnahme pflanzlicher Eiweißstoffe ausgeglichen werden. Der Kalkmangel machte sich leider in der Ent wicklung der Gehirne und des Nervensystems bemerkbar. Die Eintönigkeit der Ernährung hatte weitere schädliche Folgen auf die Nerven. Manche Verdauungsstörungen entstanden durch die schlechte Beschaffenheit des Brotes, worüber oft geklagt wurde. Zur Abmagerung der Kinder trug ferner der Ersatz des Zuckers durch Süßstoff bei. Betrachten wir nun, wie sich die Dinge nach Kriegs ende gestaltet haben. Im allgemeinen ist zu sagen, daß die meisten Kriegsschäden an Kindern vorübergehender Natur war. Das ist eine trostreiche Feststellung, wenn sie sich in allen Punkten bewahrheitet, Die zunächst ins Auge fallenden Mängel behoben sich in der Tat leicht. Wenn unterernährte Kinder, die durch Mangel irgend eines Nahrungsbestandteils zurückgekommen waren, nur Halbwegs normale Nahrung erhielten, etwa bei irgend welchen Woblfabrlseinrichtunaen. io alichen sie das vor- War denn das alle» überhaupt möglich und wahr? Konnte e» sein? Georg Günther sah jetzt unverwandt auf die beiden Zeiger d«r große* Wanduhr, w«lche ihm gerade geg-nflber hing. Die Zeiger liefen nun plötzlich so unheimlich schnell, sie rannten förmlich! Und die Zeit verging! Gleich würde jene Türe dort sich öffnen, gleich würden die Geschworenen erscheinen! Als jetzt die Flügel der Tür wirklich langsam zurack geschlagen wurden, da schrie Georg Günther plötzlich und unvermittelt laut auf. Doktor Gerlach trat an die andere Seite des jungen Mannes. Aber Max Günther hatte schon nach dem Arme seines Sohnes gegriffen, welcher sich nun taumelnd erhob und so, auf oen stolz aufgerichteten Vater-gestutzt, vor den Richtern stand, welche langsam und feierlich ihre Plätze einnahmen, Georg Günther sah das alle», aber er sah es nur wie durch einen Nebel. Und wie aus weiter Ferne ver nahm er Worte, welche an sein Ohr schlugen. AVer es ge lang ihm nicht, den Inhalt vollkommen zu fassen. Er hörte nur seine» eigenen Namen, und dann nach einer I langen Zeit noch etwas: „Ist für nichtschuldig befunden i" Für nichtschuldig! Das hieß also für ihn: frei sein! Nicht mehr ein Geächteter, ein Ausgeschlossener; nein, ein Mensch wie andere Menschen, Verden Kopf hoch tragen durfte und frei um sich sehen! Nichtschuldig! Er war zurückgesunken auf die Bank und horchte nun wieder sichtlich mit aller Anstrengung auf das, was dort drüben an dem grünen Tisch weiter gesprochen wurde. Und dabei blickte er immerfort angestrengt aus die schöne Gestalt des Vaters, welcher knapp vor ihm stand. „Im Namen de» Gesetzes " In Max Günthers blassem Gesicht zuckte keine Muskel. Ruhig stand er vor seinen Richtern. Nur noch bleicher war er geworden, und der Leidenszug um den Mund wurde noch tiefer. Georg sah unausgesetzt in das Antlitz seines Vaters. Und fast ohne zu wissen, was er tat, erhob er sich neuer- lich und trat an seineSeite. Droben auf der Galerie wurde eine Kwegung laut. Auch Erich war aufgesprungen und beugte sich nun weit vor über die Brüstung. Dicht neben ihm stand Kätöe Gerlach. Sie hatte trotz all der neugierigen Blicke seine Hände erfaßt und hielt si« fest in den ihrigen, als könne Mut und Kraft au« idr«, Finp«ri« l« bi« leinen über, strömen.
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