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Wilsdruffer Tageblatt : 21.02.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-02-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192202214
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220221
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220221
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-02
- Tag 1922-02-21
-
Monat
1922-02
-
Jahr
1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 21.02.1922
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ttti« jährliche Wirtschastsbeihilse von 250 Mar! SegeVea werden soll. Beispielsweise würde somit Vie Wirtschafts« dethttfe in einem Orte, an dem die Arbeiter einen über- teuerungSzuschuß von einer Mark pro Stunde erhalten, Mtf 10 mal SSO Mark, also 2S00 Mark bemessen werden. Italien. Bonomi abermals gestürzt. Bet der Abstimmung in der italienischen Kammer ist das Kabinett Bonomi, wie nach der Debatte zu erwarten war, in der Minderheit ge blieben. Für das Vertrauensvotum stimmten nur 107 Abgeordnete, gegen das Kabinett stimmten 295. Bonomi hat darauf dem König abermals die Demission des Kabi netts überreicht. Falls Kammerpräsident Denicola eine Berufung zur Kabinettsbildung abermals ablehnen sollte, wäre jedoch ein neues Kabinett Bonomi, allerdings ohne den Außenminister della Torretta nicht ausgeschlossen. Türkei. X Ein interessanter internationaler Zwischenfall ereignete sich in Konstantinopel bet der Gedächtnisfeier für den ver storbenen Papst Benedikt XV. Der englische und italienische Oberkommissar von Konstantinopel weigerten sich, an dieser Trauerfeier teilzunehmen, um nicht das Vortritts- recht des französischen Oberkommissars anerkennen zu müssen. Zwischen den beteiligten Regierungen findet ge genwärtig ein Meinungsaustausch über den Vorfall statt. Aus In- und Ausland. Berlin. Die neuen deutschen Konsularbehörden in den Vereinigten Staaten von Amerika, die Generalkonsulate Newvork, Chikago, San Franzisko und die Konsulate St. Louis und New-Orleans sind im Lauf« des Monats Januar eröffnet worden. Genf. Die deutschen Gewerkschaftsführer Gr-aßmann, zwei ter Vorsitzender deS Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbun- deS, und Kaiser sind in Genf zur Teilnahme an den Verhandlungen über dte Arbeitgeber- und Arbeiterverbände in Oberschlesien eingetroffen. Paris. Die Interalliierte Kabelkonferenz von Washing ton wird demnächst erneut zusammentreten. Diese Konferenz befaßt sich damit, di« Deutschland geraubten Kabel unter den Ententektaaten aufzuteilen. Deutscher Reichstag. <173. Sitzung.) ^2. Berlin. 18. Februar. In der heutigen Sitzung wurden zuerst kleinere Vorlagen erledigt. Ein Gesetzentwurf über vorübergehende Nechts- blleaemaßnabmen im Linblick au? daS Saaraebiet wurde tn allen drei Lesungen angenommen, ebenso ein Gesetz über di« weitere Zulassung von Hilfmitgliedern im Reichspatentamt. Ferner wurde eine Gesetzentwurf über die Ablieferung von AuslandSdevisen unter Anführung des Londoner Zahlungsplanes dem Reparationsausschuß überwiesen. Die Abstimmungen über die einzelnen Paragraphen des Gesetzes über Erhebung einer Abgabe zur Förderung deS Wohnungs baues sollen in einer späteren Sitzung vorgenommen werden, PaHverkehr mit Österreich. Dl« Interpellation der Demokraten über Paßerleich- ttrungen im Verkehr mit Deutsch-Österreich wurde begrün det vom Abg. Heile (Dem.). Der Paßsivang im Verkehr mit Österreich würde nur al» Schikane empfunden. Durch den Sichtvermerk würde die Kapitalvttschiebung nicht verhindert. Dabei trifft die Schikane doch nur die ehrlichen Kaufleute, das lichtscheue Schiebervolk kümmert sich nicht um Paß und Visumzwang. Reichsminister de» Innern Dr. Köster beantwortete die Interpellation und führte dabei aus, d«r Paßzwang wird vom Finanzministerium als beste» und wirksamstes Mittel zur Be- kampfting der Kapital- und Steuerflucht angesehen. Durch den Zwang, sich diese Bescheinigung der Unbedenklichkeit vom zuständigen Finanzamt zu holen, ist es vielfach gelungen, Leute festzustellen, die sich bisher ihren steuerlichen Pflichten überhaupt entzogen hatten. Wenn es zunächst noch notwendig ist, aus finanziellen Rücksichten das Paßvisum überhaupt auf recht zu erhalten, so kann man dann nicht ein einziges Nach barland ausnehmen, denn der ganze Strom des abwandern den Kapitals würde sich alsdann d"rch dieses eine Land be- Die Grafen von Freydeck. 73f Roman von A. Ostiand. Di sprach ganz knapp, ganz sachlich, und doch merkt« man es der Stimme an, daß dieser äußerlich so gefaßte Mann mit einer großen inneren Erregung rang. „Bitte, dann sprechen Sie, Herr Doktor!" sagte Gerlack. Auch seine Stimme zitterte ein wenig. Und jeder der Versammelten verspürte es, daß Hans Aufen» bach keine gute Nachricht bringe. „Ich glaube, ick kann beinahe sagen, ich bin über zeugt, die klein« Hilda Wentheim vor kurzem gesehen zu haben," sprach er endlich. -Hilda? Du hast Hilda gesehen?" Der alte Freiherr konnte seine Erregung kaum mehr bemeistern. Er stieß di« wenigen Worte fast unverständlich hervor. Ausenbach nickte. „Ja, ich war heute nachmittag am Kahlenberg. Eine Partie mit ein paar lustigen Freunden. Aber mir war nicht heiter zumute. Weiß Gott, seit du mir vorgestern abend sagtest, daß dein — dein Schützling — plötzlich ver schwunden sei, seitdem hat mich eine ganz seltsame, unbe stimmte Angst gequält. Und Angst trieb mick auch heute aus dem Kreise meiner ausgelassenen Genossen fort. Ich stieg allein talwärts." Er schwieg ein paar Sekunden. Dann, als niemand sprach, fuhr er fort: „Draußen liegt ein dichter Nebel. Als ich aus dem Kahlenberger Hotel heraustrat, war es noch lichter, aber bei jedem Schritt bergab wurde der weiße Schleier un durchsichtiger. Ich war froh, als ich auf den Dammweg kam, der neben der Großen Donau hinführt. Da plötzlich vernaym ich hinter mir einen leickten Schritt. Ich wandte mich um und sah undeutlich die Um risse einer schlanken, mädchenhaften Gestalt, welche rasch näher kam. Ich dachte augenblicklich an Hilda. Irgend etwa» in der Kopfhaltung des jugendlichen Geschöpfes erinnerte mich stark an die Verschwundene, Da rief ich laut ihren Namen, gerade, als sie an mir oorübergehen wollte, und streckte meine Hand nach ihr aus. Ein Schrei klang durck den Nebel, und die Gestalt begann zu laufen. Ich setzte ihr nach l" „Sahen Sie das Gesicht der Flüchtenden?" unter brach Gerlach den Erzähler erregt. „Nein. Sie hatte ein Häubchen mit dunklem Schleier, welcher das Antlitz verhüllte. Aber ich sah eine Sekunde lang schönes, blondes Haar." „Rotblondes?" Doktor Aufenbach zögerte. „Ich glaube wohl; aber es war nur eine Sekunde lang, daß ich überhaupt etwas sah. Der Nebel stand wie eine dicke, weiße Mauer. Ick riek nock einmal, und ivtgen. Die Reichsregierung ist daher'vorläufig nicht Bi der Lage, die geforderte radikale Aufhebung de» Paßvimms für die nächst« Zeit tn Aussicht zu stellen. Die Meinung der Parteien. Bei der sich anschließenden Besprechung der Interpellation betonte der Abg. Simon-Schwaben (Soz.), daß möglichste Er leichterung des Grenzverkehrs notwendig sei. Schikanen müß ten verschwinden. Abg. Dr. Schreiber (Zenir.) sprach seine Genugtuung dar über aus, daß Erleichterungen im Grenzverkehr eintreten sol len. Vorsicht sei aber geboten, damit nicht über Österreich An gehörige der Balkanlänoer in Massen zu uns kommen. Abg. Körner (Deutschn.) bemerkte, daß besonders für den Sommer- und Touristenverkehr möglichst Erleichterungen not wendig seien. Man kann den Paßzwang zwar nicht völlig be seitigen, aber die Erleichterung müsse bis zur äußersten Grenze gehen. Abg. v. Kemnitz (D. Volksp.) erklärte, die Beziehungen zu Deutsch-Osterreich müßten aufS innigste geknüpft werden. Nicht der Paßzwang erregt so sehr Unwillen, sondern seine Hand habung. Die Zugverbindung Berlin-Wien muß verbessert und beschleunigt werden. Die VerkehrSerschwerung hindert den Anschlußgedanken. Abg. Dr. Breitscheid (U.-Soz.) verlangte, daß die Paß schwierigkeiten im Verkehr mit Österreich sobald wie möglich beseitigt oder erheblich gemildert werden müßten. Abg. Schwarzer (Bayer. VolkSP.) betonte u. a., was wir an Schikanen erleben, wenn wir beruflich oder zum Vergnügen oder zur Erholung über die Grenze gehen müssen, ist gerade zu aufreizend. Das Paßwesen wird wegen der Hohen Geld einnahmen aufrecht erhalten, der Kontrollapparat an der Grenze kostet aber mindestens das Zehnfache von dem, was an Kapitalverschiebungen mit Beschlag belegt wird. Abg. Könen (Komm.) wandte sich ebenfalls gegen die Paß- schwierigkeiten und bemerkte, wegen 4 bis 5 Prozent der Be völkerung, die überhaupt Gelder verschieben können, würden diese Grenzschwierigkeiten aufrecht erhalten. Reichsminister des Innern Dr. Köster erklärte, daß der Wohnungsnot und der Arbeitslosigkeit wegen ein ungehemm ter Zustrom aus Österreich nicht zugelaffen werden könne. Damit schloß die Besprechung der Interpellation und die Sitzung. Betriebsräte zur Aot -er presse. Das bedroht eZeitungsgewerbe. Die Betriebsräte der Tageszeitungen in Frankfurt am Main ersuchen die Reichsregierung in einer Entschlie ßung, der Lage im Zeittmgsgowerbe erhöhte Aufmerksam keit zuzuwenden. Im besonderen haben die hohen Papier preise bereits zum Untergang von Tageszeitungen geführt und gefährden auch weiter aufs höchste den Bestand vieler, selbst bedeutenderer Tageszeitungen. Geeignete Maß nahmen, die bestehende Notlage zu bessern, sehen die Frankfurter Betriebsräte in folgendem: 1. Sperrung der Ausfuhr von Zellstoff und maschinen glattem Druckpapier soweit wie nötig, umdenJnlandSbe^ darf sicherzustcllen. Erfassung der AuSfuhrgewinne der noch notwendigen Ausfuhr zur Senkung der Preise im Inland. 2. Freigabe der erforderlichen Menge Papierholz zu mäßi gen Preisen durch staatliche Forstverwaltungen. 3. Kontrolle der Herstellung und des Verkaufs der aus dem freigegebencn Holz erzeugten Papiere. 4. Versetzung des maschinenglatten Druckpapiers in die Tarifklaffe k des Gütertarifs, bevorzugte Wagengestellung und Beförderung. 5. Verzicht auf jede Sonder st euer, insbe» sondere die Anzeigen sie »er. 6. Unterlassung weiterer Belastungen durch behördliche und gesetzgebrifche Maßnahmen, insbesondere der Erhöhung der Postzeitungsgebühren. * Wieder erhöhte Preise für Druckpapier. Die Verhandlungen über den Druckpapierpreis für Monat Februar sind einer Mitteilung des Reichswirb- schaftsministeriums zufolge abgeschlossen. Im Einver nehmen mit der Zellstoff- und Druckpapierindusirie ist die jetzige abermalige Preissteigerung auf 30 Pfennig für das Kilogrannn beinessru worden. Die Disziplinierung der Eisenbahner. Gewerkschaftsvertreter beim Kanzler. Der Vorstand der NeichSgewerkschast deutscher Eisen bahner ist der Meinung, daß die Maßnahmen der Regie rung in der Disziplinarftag« im Widerspruch stehen zu den Versprechungen, die der Reichskanzler gegeben hat und die mit zu dem sofortigen Abbruch des Streiks beigetragen haben. Eine zur Klärung der Sachlage entsandte Abord nung wurde vom Reichskanzler empfangen und erhielt Zusicherungen, die der erweiterte Vorstand der Neichsgewerkschaft für ausreichend erachtete. Der Reichskanzler erklärte u. a., daß er der Einhaltung der Richtlinien seine Aufmerksamkeit zuwenden werde. Jeden einzelnen Fall persönlich nachzuprüfen, sei weder technisch möglich, noch seines Amtes. Er sei aber bereit, wenn ihm von der Organisation bestimmte Fälle mit dem nötigen Materiel vorgelegt würden, diese zu prüfen und sich mit dem Reichsverkehrsminister in Verbindung zu fetzen, über den Begriff der Urheberschaft würde innerhalb des Kabinetts beraten werden. Die Zahl der Streikenden wird aus etwa 130000 bis 150 000 Eisenbahnbeamte geschätzt. Von diesen sind gegen unkündbare Beamte ungefähr 500 bis 600 Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Man kann einer vorläufigen Schätzung nach ungefähr damit rechnen, daß etwa 200 Beamte auf Grund des Ergebnisses tatsächlich bestraft werden. Nach weiteren Schätzungen dürsten etwa 10 000 bis 15 000 Entlassungen gegen kündbare Be amte ausgesprochen worden sein, die jedoch wieder in ihre früheren Dienststellen eingestellt werden sollen, sofern sie nicht Streikurheber oder Saboteure sind. Auch hier dürfte alko der Kreis der „Gemaßregelten" sehr klein sein. Wett- un- Volkswirischast. Was kosten fremde Werte? DI« nachstehende Tabelle besagt, wieviel Mark für 102 Gulde«, 10b dänische, schwedische, norwegische, österreichische, ungarische oder tschechische Kronen, 100 schweizerische, belgische und französisch« Frank, 100 italienische Lire, sowie für 1 Dollar und 1 Pfund Stettin« gezahlt wurden. („Brief" — angeboten; „Geld" — gesucht.) Börsenplätze 18. S. Geld > Brief 17. Geld s. Bries Stand 1.8. 14 Dollond. . . Guld. 7892,10 7907,90 7682,40 7597,60 170 Mk. Dänemark. . Kron. 4325,05 4 3 34,35 4225,75 4234,25 112 . Schweden. . Kron. 5525,65 5540,55 5354,60 6835,40 112 . Norwegen . Kron. 3596,49 3603,60 3481,50 8488,60 112 . Schwei, . . . Frank 4095,90 4164,10 4005,95 4614,05 72 . Amerika. . . Doll. 209,29 209,71 204,29 204,71 4,40. England. .. Vfd. 912,08 913,95 886,80 888,49 20,20. Frankreich. . Frank 1853,10 1858,90 1793,20 1796,80 80 , Belgien .. . Frank 1763,20 1766,80 1698,30 1701,70 80 . Italien . . . Lire 102 l,45 1028,55 992,00 994,00 80 . Dt.-Osterr. . Kron. 5,48 8,52 6,58 5,62 85 „ Ungarn .. . Kron. 32,56 32,64 81,16 31,24 85 , Tschechien .. Kron. 396,60! 397,40 382,66 883,40 Berlin, 18. Februar. (Stand der polnischen Mark.) Polenmark an der beutigen Börse mit 6,00 Pf. bewertet. 4- Billigere Kartoffeln für Minderbemittelte in Bayern. DaS bayerische Landwirtschastsministettum hat dem Landtage eine Vorlage auf Bewilligung von W Millionen Mark zu gehen lassen zur verbilligten Abgabe von Kartoffeln an die minderbemittelte Bevölkerung. 4- Polnische Wirtschaft auf der Weichsel. Seit der Übergabe der Verwaltung des größten Teils der für Danzig in Betracht kommenden Wasserstraßen an Polen ist die Bedeutung des Binnenschiffahrtsverkehrs im Verhältnis zum entsprechenden Seeverkehr von 52 Prozent in der Vorkrieg*! zeit auf 5 Prozent, d. h. noch etwas weniger als den zehn ten Teil zurückgegangen. Als Gesamtergebnis der nunmehr dreijährigen polnischen Verwaltung der Weichsel und der mit ihr in Verbindung stellenden Wasserstraßen muß ver bucht werden, daß die Berwilderuna der Weichsel deute bann setzte ich ihr nach in großen Sprüngen. Mir fiel ein, daß die Straße links gegen den Strom zu kein Ge länder hat. Man läuft da direkt in die Donau hinein —" Er atmete schwer. Und wieder schwieg er, und das Schweigen lag wie ein schwerer Alp über allen. Ullmingen hielt es endlich nicht mehr aus. „Nun — und?" fragte er zitternd. „Ich bitte dich, sprich! Ich — ertrage es nicht mehr lange." Doktor Hans Aufenbach strich sich mit der Hand über die hohe Stirn, auf welcher trotz der Kälte große Schweißtropfen perlten. „Da ist kaum mehr viel zu erzählen", sagte er tonlos. Ich jagte dem Mädchen nach, und sie verdoppelte ihre Eile, „da sie mich hörte. Ich schrie ihr zu, der Strom sei nahe. Man vernahm schon sein dumpfes Brausen. Aber sie schien mich nicht zu hören oder hören zu wollen. Sie lief vorwärts wie ein gehetztes Wild. Der Nebel verschlang die zarte Gestalt vollständig, dann hörte ich noch etwas: einen wilden furchtbaren Schrei, welcher hinhallte durch die trostlose Oede ringsum — und nun ein Gurgeln, ein Austauschen der Wogen —" „Sie ist — sie ist hineingesprungen?" schrie Käthe entsetzt auf. „Gesehen habe ich es nicht; aber — es kann wohl kaum anders sein; denn es blieb alle» stumm und leer. Ich lief nach der nächsten Rettungszille, aber der Nebel lag so dicht über der Gegend und dem Wasser, daß man kaum eine Hand vor den Augen sah. Als ich mit dem Bootsführer ungefähr bei der Stell« war, wo ich glaubte, daß das Mädchen in den Strom gelaufen ist, da lag das Wasser so ruhig und glatt da, wie nur je. Kein Laut war mehr hörbar. Wenn da ein letzter Kampf gekämpft worden ist, dann war er längst vorüber." Erich Günther stöhnte laut auf. „Hilda, liebe, kleine Hilda I" Blitzschnell zogen sonnige Iugendtage an ihm vor über. Er sah im Parke von Freydeck Hildas reizende Gestalt dahinhuschen, er sah ihr goldenes Haar ausschim mern zwischen dunklem Gebüsch und hörte ihr Helles Lachen, das durch die Stille klang. Und dann vernahm er grell und laut den Schrei, der hinhallte über die wintererstarrten Donau-Auen, und sah aus kalten, dunklen Wogen noch einmal ein süßes Mädchenantlitz auftauchen. „Hilda! Hilda!" Er schrie den Namen fast heraus. Er schrie ihn dem alten Manne ins Gesicht, welcher wie gelähmt von einem ungeheuren Entsetzen dasaß; er rief ihn der Frau mit dem starren Gesicht entgegen wie eine furchtbare, unbarm herzige Anklage. Aus jeder Silbe klang die feste Ueber- zeugung: „Ihr seid schuld daran, wenn sie dieses Leben weg geworfen hat! Ihr — ihr!" Käthe weinte laut auf. „Sei barmherzig, Erich! Sei barmherzig I" „vrrm I Wer yar Mll uns, wer hat mit Hilda Er barmen gehabt? Niemand! Wer die Schuld hat, der soll sie tragen!" Die Baronin von Berghau» stand mühsam auf. „Wir haben getan, war wir für dar Rechte hielten," sagte sie laut und fest, „ich kann nicht» bereuen, die Ge schicke der Menschen lenken nicht wir, sondern ein Höherer. Er hat entschieden!" Eine unsägliche Bitterkeit quoll in Erich empor, al» sie nun an ihm vorüberschritt, aufrecht, mit unbewegtem Antlitz. Sie neigte kurz den Kopf gegen die Anwesenden. „Meine Mission ist vermutlich hier zu Ende. Gut« Nacht I" „Frau Baronin," sagte Ullmingen, rasch oortretend; „bedenken Sie doch, wir wissen nicht« Bestimmtes! Mein Nesse hat jene» unglückselige Mädchen doch nur so ganz flüchtig gesehen." „Ich nehme aber an, daß e» Hilda war — bis — bi» ich da» bestimmt« Gegenteil erfahre", sagte die alte Frau starrsinnig. „Und da» Gegenteil dürfte sich eben schwer erweisen lassen. Wie viele verschlingt die Donau, und sie kommen nie wieder an» Land I E« kann auch hier so sein." „Frau Baronin," rief Ullmingen entsetzt, „Sie sprechen so, als ob — als ob Ihnen die Möglichkeit, daß Hilda Wentheim auf so grauenvolle Art geendet habe, fast lieb sei?" — Sie schüttelt« den Kopf. „Ich hätte ihr ein anderer Geschick gewünscht," sagte sie eisig, „aber der Wahrheit die Ehre: wenn Hilda Wentheim tot ist, so ist die» da» beste für sie selbst und für uns Freydeck«!" E» lag ein« so unglaubliche Härte in ihrem Tone, daß Ullmingen wortlos ihr den Weg freigab. Mit dieser Frau konnte man nicht rechten. Der Baron sah ihr nach wie erstarrt; aber er tat keinen Schritt, ihr zu folgen. Erst al» man von der Straße her das dumpfe Rollen ihre» Wagen» vernahm, griff auch er nach seinem Hut. Aber schon an der Türe angelangt, wendete er sich noch einmal zurück: „Und Georg? Was wird Georg Günther sagen? Er kann dock nicht aus den Morgenblättern erfahren, daß — daß —" „Daß Hilda lieber in die Donau sprang, als ein Leben annahm, das man ihr aufdrängen wollte", er gänzte Erich hart. — Der alte Mann knickte förmlich zusammen. „Ich habe sie liebgehabt", sagte er dann in einem Ton, welcher wie eine Entschuldigung klang. Er stand ganz regungslos und sah still vor sich hin in das Däm merlicht des Zimmers. Und dann trat er mit einer jähen Bewegung an Erich heran. (Fortsetzung folgt.)
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