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in 14 Tagen ein Putsch im rheinisch-westsälischen Industriegebiet ausbrechen werde. In einer von der Versammlung gefaßten Entschließung wird die sofortige Zurücknahme der von der Eisen- bahndirektion Essen ausgesprochenen Maßregelungen, Kündi gungen und Entlassungen gefordert. Frankfurt a. M., 9. Febr. (tu.) In einer stark be suchten Versammlung der streikenden Arbeiter in Hanau wurde beschlossen, der Weisung der Organisationsleitung entsprechend den Streik abzubrechen. Im geschlossenen Demonstrationszuge wurde nach dem Ostbahnhof marschiert, worauf die Meldung zum Dienstantritt erfolgte. Stettin, 9. Febr. (tu.) In einer um 11 Uhr vormittags zusammengetretenen Versammlung der streikenden Eisenbahner haben diese gegen die Stimmen der Kommunisten die sofortige Wiederaufnahme der Arbeit beschlossen. Politische Rundschau Deutsches Reich, Beibehaltung der Getreideumlage für 1922/23. Nach einer Mitteilung der München -- Augsburger Abendzeitung beabsichtigt die Reichsregierung, auch für das Wirtschaftsjahr 1922/23 die Getreideumlage beizubehalten. Sie hat sich mit einer Umfrage an die Nehrungen der Länder gewandt. Heiratsordnung für Reichswehrsoldaten. Eine Heiratsordnung für Angehörige der Wehrmacht ist vom Reichspräsidenten erlassen worden. Die vorge-, fchriebene Genehmigung wird in der Regel nicht vor Voll endung des 27. Lebensjahres erteilt. Gegen die Verwei gerung der Genehmigung ist die Beschwerde zulässig. Voraussetzung ist, daß der Antragsteller und seine Braut schuldenfrei sind und die Führung des Haushaltes wirt schaftlich gesichert ist. Die zukünftige Ehefrau soll einen einwandfreien Ruf genießen, selbst achtbar sein und einer achtbaren Familie angehören. Befreiungen von der Altersgrenze sind nur in besonders begründeten Fällen zulässig. Erfassung der verschobenen Vermögen? Die französischen Blätter melden, die deutsche Negie rung habe der Reparationskommission erklärt, daß sie die durch Kapitalflucht ins Ausland gelangten Vermögen durch internationale Abkommen zu erfassen suche. In dieser Richtung seien bereits Verhandlungen zwischen Deutsch land und ausländischen Banken eingeleitet worden. Das deutsche Eigentum in Eupen-Malmedy. Die belgische Regierung erläßt eine Verordnung zur Milderung der bisher angeordneten Maßnahmen. Die Bestimmungen über die Beschlagnahme deutschen Eigen tums sind dennoch nicht anwendbar in den neubelgischen, auf Grund des Versailler Vertrages abgetretenen Gebieten (Eupen-Malmedy), ebenso nicht auf die in den Gebieten von Eupen und Malmody befindlichen Güter von deut schen Staatsangehörigen, vorausgesetzt, daß sie am Tage der Abtretung in den erwähnten Gebieten ihren Wohnsitz hatten. Von der Beschlagnahme find befreit die Ver mögensinteressen von Leuten, die in Belgien oder in Neu- Delgien ihren Wohnsitz haben. Die Gchlichtungsordnung. Annahme der Regierungsvorlage im Reichsrat Gegen die Stimme Sachsens hat der Reichsrat den Entwurf einer Schlichtungsoüdnung im großen und ganzen nach der Regierungsvorlage angenommen. Danach gehen die Selbstverwaltungsorgane, also die zwischen den Orga nisationen bestimmten Instanzen, bei einem Streitfälle voran, erst bei deren Versagen kommen die behördlichen Stellen in Frage. Der Anrufungszwang kommt in Frage, wenn bei einer Gesamtstreitigkeit keine Einigung zustande kommt. Dann soll vor Verhängung von Aussperrungen oder der Vornahme der Arbeitsein stellungen die Schlichtunasstelle anaerufen werden. Aus- Die Grafen von Freydeck. 64j Roman von A. Ostiand. Uebrigens ist ja die ganze Sache mit Günther bloß eine Spielerei ge wesen. Hilda wird ihn vergessen. Er selbst will nichts mehr von ihr wissen —" „Georg?" Hermann Gerlach fragte es sehr erstaunt. „Ja, Herr Günther. Eben erst gab er mir hier diesen Ning, ein höchst bescheidenes Erinnerungszeichen aus den Lagen der Kindheit. Ich soll ihn Hilda übergeben. Dies ist wohl fast ein Beweis dafür, daß die Wege der einstigen Genossen sich nunmehr endgültig trennen. Was bliebe auch anderes übrig? Hilda Wentheim steht vollkommen allein. Wie mir mein Nechtsfreund sagt, dem ich den Fall vorgetragen habe, wird der Prozeß gegen das junge Mädchen jedenfalls angestrengt werden, aber höchstwahrscheinlich resultatlos verlaufen. Man wird Hilda Wentheim doch mangels jeglicher Beweise freisprechen.- „Und was geschieht dann mit ihr, Herr Baron?" „Dann? Hm — ich hoffe, Hilda wird dann sehr glück lich sein, wenn sich ihr eine hilfreiche Hand entgegen streckt. Ich beabsichtige mit ihr zu reisen — andere Länder, andere Menschen soll sie kennenlernen. Da wird auch sie anders denken lernen, und der kindliche Iugendtraum wird zerflattern in nichts." „Herr Baron," sagte Gerlach stehenbleibend, „sagen Sie mir einmal auf Ihr Ehrenwort: Sie wissen nicht, wer jener Unbekannte ist, mit dem Hilda im Forsthause zusammentraf?" „Mein Ehrenwort: ich habe keine Ahnung!" Hermann Gerlach sah scharf grübelnd vor sich hin. Immer und immer wieder dachte er an jene Szene, da er auf der Brücke, unter welcher Julies Leiche gelegen hatte, den fremden, schlanken Mann sah, der so eifrig alle Fußspuren untersuchte, denselben Mann, welcher am Vor mittag sich durch Käthe die zerschnittene Hand hatte ver binden lassen. Denselben Mann, der später am Nachmittag vor der kleinen Holzbank im Walde kniete, einem Schmerze hin gegeben, der ihn taub machte für alles, was um ihn her oorging. Hermann Gerlach hatte bisher diesen Mann den Gerichten gegenüber bloß flüchtig erwähnt. Aber er selbst hatte in Verbindung mit Käthe alle möglichen Nach sperrungen und Arbeitseinstellungen müssen in ge heimer Abstimmung mit mindestens Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Ein Gewerbeaufsichtsbeamter soll zur Konirolle der Abstimmung zugezogen werden. Drei Tage sollen mindestens zwischen der Zustellung eines Schieds spruchs und dem Beginn eines Kampfes liegen. Gemeinnützige Betriebe. Die gemeinnützigen Betriebe wie Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke, nehumr. eine Ausnahmestellung insoweit ein, als hier die Schlichtungsbehörden auch von Amts wegen tätig sein können; es wird eine besondere Beschleu nigung des Verfahrens vorgesehen. Die Verbindlichkeit eines Schiedsspruches kann auf Antrag der Obersten Lan desbehörde oder des Reichsministers des Innern aus gesprochen werden, und nicht nur auf Antrag der Be teiligten. Als Rechtsmittel ist lediglich Einspruch vorge sehen wegen Mängel Leim Verfahren oder wegen Gesetzes verletzung. Das Reich soll die Gesamtkosten des Verfahrens tra gen. Die Sonderschlichtungsbehörden für die Arbeiter, die in Unternehmungen und Verwaltungen des Reiches be schäftigt sind, wurden durch den Reichsrat aus dem Ent wurf beseitigt. Der Vorsitzende und die Beisitzer der Landesschlichtungsstellen sollen auf Lebenszeit bestellt wer den ohne Mitwirkung der Bezirkswirtschaftsräte. Die Re gierungsvorlage wollte die Anstellung auf unbestimmte Zeit mit einjähriger Kündigungsfrist. Gesandter Dr. Gradnauer erklärte namens der sächsi schen Regierung, daß der Entwurf für diese nicht annehm bar sei, weil eine sehr weitgehende Bindung der Arbeit nehmer vorgesehen sei, die in einen Ausstand eintreten wollten. Nah und Fern. O Brasilianische Spende für die deutsche Wissenschaft. Zur Unterstützung der notleidenden Wissenschaft Deutsch lands und Deutsch-Osterreichs hat auf Anregung des bra silianischen Schriftstellers Dr. Assis Chateaubriand ein Ausschuß unter dem Vorsitz des Chirurgen Professor Dr. Miguel Couto einen Betrag von 1^ Millionen Mark ge sammelt. Die Direktoren der Deutsch-Südamerikanischen Überseeischen Bank in Berlin haben jetzt den auf Deutsch land entfallenden Teil der Spende dem Vorstande der Not gemeinschaft der deutschen Wissenschaft überreicht, wobei Vertreter der Brasilianischen Gesandtschaft, des Auswärti gen Amtes und des Reichsministeriums des Innern zu gegen waren. O Zur Flucht des früheren Oberleutnants Dittmar aus dem Gerichtsgefängnis in Naumburg wird noch fol gendes mitgeteilt: Von der Gefängnisverwaltung sowohl wie vom Oberstaatsanwalt beim Landgericht Naumburg sind unmittelbar nach der Flucht Dittmars umfassende Er mittlungsverfahren eingeleitet worden, die unter Hinzu- ziehrmg von Berliner Kriminalbeamten mit allem Nach druck betrieben werden. Der Vorsteher des Gerichtsge fängnisses in Naumburg ist von seinen Dienstgeschäften enthoben und durch einen andern Beamten ersetzt worden. O Bankraub. Acht bewaffnete Männer drangen in Charlestown (Irland) in die Zweigstelle einer Großbank ein und raubten 5000 Pfund Sterling. Die Räuber ent kamen. D Kongreß zur Bekämpfung der Tuberkulose. Am 10. Februar findet in Petersburg ein allrussischer Kongreß zur Bekämpfung der Tuberkulose statt. An den Beratun gen des Kongresses wird auch der Generalsekretär der internationalen Liga zum Kampfe gegen die Tuberkulose, Professor Pannwitz, teilnehmen. Q Hungersnot in China. Englische Blätter melden, daß in den chinesischen Provinzen Kiangsu, Schantung, Hunau, Tschsktang, Honan eine sehr schwere Hungersnot herrscht. Tausende von Menschen gehen durch Hunger und Kälte zugrunde. O Die mitteleuropäische Zeit in Polen. Me polnischen Behörden haben beschlossen, die mitteleuropäische Zeit in Polen zum Sommer einzuführen, um den Verkehr der in ternationalen Züge durch gleiche Zeitangabe zu erleichtern. sorjchungen betrieben, um dem Fremden aus die Spur zu kommen. Es war ebenso vollkommen vergeblich gewesen, wie die Nachforschungen, welche das Gericht einleitete über den Mann, der im Forsthause zu Freydeck gewohnt hatte. Die alte Försterin, die Besitzerin des Hauses, hatte ihren Mieter bloß ein einziges Mal gesehen, und da nur flüchtig. Sie war schon am Tage nach seinem Einzuge zu ihrer Tochter abgereist und wußte von ihm nichts als einen sremdklingenden Namen — Fernando Puelo —, unter dem er auch beim Bürgermeister gemeldet war. Der Bürgermeister von Heidenheim hatte den Frem den überhaupt nicht gesehen, sondern seine Eintragungen nach den Ausschreibungen desselben gemacht. Uebrigens hatte der Fremde .der alten Försterin seine Papiere ge zeigt, und sie schwur darauf, daß sie in Ordnung ge wesen seien. Die Spur des Unbekannten verlor sich gänzlich. Und wenn man auch annehmen konnte, daß er und jener Mann, den Hilda Wentheim im Forsthause traf, dieselben Personen waren, so fehlte jedweder Anhaltspunkt dafür, wo er seit jener Nacht, da er in seinem Automobil da vonsauste, sich aufhielt. Die Herren standen schon unter dem Tore des Ge» cichtsgebüudes. Hermann Gerlach verabschiedete sich. Da fiel dem Baron noch etwas ein. „Hilda ist nun wieder besser," sagte er verbindlich, „wir hoffen, daß sie in zwei Wochen aufstehen darf Denken Sie, daß man die Untersuchung dann bald ein leitet? Ich glaube, der ganze Prozeß Günther wird noch mals ausgenommen werden!" Hermann Gerlack nickte. „Gewiß; und es ist ja immerhin möglich, daß die Sache sich für Georg zum Guten wendet. Aber für Max Günther gibt es wohl kaum mehr eine Möglichkeit, sein Schicksal zu ändern. Die Ueberzengung der Richter und der Geschworenen steht fest. Daß Max am Tatorte ge wesen ist, das ist wirklich beinahe erwiesen; denn nach ge- nauen Messungen stimmte die Größe seiner Iagdstiefel ganz genau mit der Fußspur überein, welche sich vor fand. Ein Alibi nachzuweisen, ist ihm vollkommen un möglich. Graf Hugo von Freydeck, von dem man sicher Aus kunft erhoffen konnte, ist vernehmungsfähig, wie die Aerzte des Sanatoriums bestätigen. Er scheint rettungslos dem Wahnsinn verfallen. Aber daß er ffn irgendeiner Weise an der Tat be teiligt war, das ist nicht anzunehmen. Höchstens wollte er vielleicht bei einem Streit zwischen Max Günther und Julie von Kirchbach vermittelnd einareiien." 6 Ein Ingenieur als Räuber. Auf ven Kommerzienrat Karl Hutterstrasser in Wien wurde von dem aus Australien stammenden Ingenieur Charles Stone ein räuberischer überfall verübt, wobei der überfallene schwere blutige Ver letzungen erlitt. O Ein Säurespritzer. In Paris treibt zurzeit ein Mann, der es auf die kostbaren Pelze von Damen abge sehen hat, sein Unwesen. Bei der Polizei sind über 300 Anzeigen eingclaufen, wonach auf der Straße Mäntel und Pelze von Damen mit Vitriol oder einer andern schar fen Säure bespritzt und ruiniert worden sind. Bisher ist es noch nicht gelungen, den Mann zu erwischen, da er seinem „Sport" nur im dichtesten Gedränge nachgeht. O Landrus Revision verworfen. Aus Paris wird ge meldet: Der Kassationshof hat nach kurzer Beratung die Revision, die der Frauenmörder Landru, der „Blaubart" von Paris, gegen das in Versailles gegen ihn ausge sprochene Todesurteil eingelegt hatte, verworfen. O Folgenschwere Grubencxplosion. Bei einer Explosion auf einem Bergwerk in Gates (Pennsylvanien) wurden neun Arbeiter getötet und 20 verschüttet. Man fürchtet, daß die Verschütteten ebenfalls den Tod gefunden haben. O Ein neuer Komet entdeckt. Am 26. Januar wurde von dem Astronomen Reid in Südafrika ein neuer Komet entdeckt, der beim Stern Eta im Sternbild der Luftpmnpe steht. Er wird bei uns wegen seiner südlichen Stellung kaum zu beobachten sein. Vermischtes. X Die Reichsregierung aus dem Kostümfest. Der eng lische Botschafter in Berlin, Lord L'Abernon, hatte dieser Tage die ganze diplomatische Gesellschaft der Reichshaupt- stadt zu einem Kostümfest geladen. Die Diplomaten er schienen in zum Teil sehr originellen Trachten. Vorherr schend waren neuzeitliche Nationaltrachten, aber man sah auch kostbare Trachten aus alter Zeit, und viele Herren sahen aus wie lebendig gewordene Bilder aus ihrer Ahncngalerie. Daß die Damen sich ebenso gut zu ver kleiden wußten, wie sie sich sonst zu Neiden wissen, braucht kaum besonders' hervorgehoben zu werden. In dem far benfreudigen Bilde tauchten aber — sozusagen als Schön heitsfehler — auch nüchterne schwarze Fräcke auf: ihre Träger gehörten fast durchweg der Diplomatie des Deut schen Reiches an. Der Reichskanzler Dr. Wirth, der neue Außenminister Dr. Rathenau, der Staatssekretär von Haniel — sie alle und vielen adere waren gänzlich unver mummt erschienen, und nur einige wenige Herrschaften, unter ihnen die Gattin des ehemaligen Staatsfekretärs Kühlmann, die als indische Prinzessin gekommen war, be kannten auch auf dem glatten englischen Parkett Farbe! Automobile aus Baumwolle. Richt geringes Aufsehen hat in amerikanischen Interessentenkreisen die Ankündigung des bekannten Motorindustriellen Ford gemacht, daß er in Zukunft seine Maschinen aus Baumwolle fabrizieren wolle. Die unglaubliche Nachricht wird durch Roger Bab- son, einen hervorragenden Kenner der Autoindustrie, be stätigt. Babson, der jetzt von einem Besuch der Fordschen Fabrikanlagen in Detroit zurückgekehrt ist, erklärte, daß er bei einem Rundgang durch die Anlagen einen Haufen einer steifem Glaserkitt ähnlichen Masse bemerkt habe. Auf die Frage, was das sei, antwortete Ford: „Es ist Baum woll-Formaldehyd-Schleim." — „Was wollen Sie damit machen?" fragte Babson. — „Automobile," lautete Fords Antwort. Das Material ist, wie Babson ausführt, als Cottonoid bekannt. Es ist eine dauerhafte zähe Masse, aus welcher man ganz gut Rahmenaeüelle und andere Auto mobilteile pressen kann. Was in Wien eine Bügelfalte kostet. Die Wiener Schneidermeister haben einen neuen Preistarif für Herren- kleider ausgestellt. Danach kostet von nun an ein Frack anzug 55 000, ein gewöhnlicher Sakko-Anzug 38 000, eine Hose 8000, eine Weste 7000 Kronen. Das Bügeln eines Straßenanzuges wird mit 1050 Kronen berechnet. Für die Summe, die heute eine Bügelfalte kostet, hat man vor dem Kriege in Wien zehn vollständige Anzüge bekommen können. „Bei einem Streit? So glauben auch Sie die An nahme der Gerichlspersonen?" siel der Baron ein. Dabei flog über sein sckarfes, kluges Gesicht ein flüchtiges Lächeln. Gerlach sah ausmerksam nach ihm hin. „Ich teilte diese Annahme einst nicht", sagte er zögernd. „Ich als alter Praktikus weiß genau, daß Haß und Liebe, diese beiden ungeheuren Triebfedern der Menschen, ost die ganz gleichen Wege gehen. Aber Max Günther will keine Auskunft geben. Eben war ich wieder bei ihm. Auch mir, seinem bewährten Freunde gegenüber beharrt er auf seiner Aussage, von nichts zu wissen. So bleibt uns allen nichts übrig, als anzunehmen, daß er wenigstens in diesem Punkte die Wahrheit spricht. Was damals auf der Brücke spielte, das wird vielleicht nie klar werden. Dramen des Lebens, Herr Baron. Ich habe mehr als eins vor meinen Augen sich abspielen sehen, aber keins, das mich selbst so tief erschüttert. Mit einer artigen Verbeugung lüftete er den Hut und bog in eine der vielen, schmalen Nebengassen ein, welche hier überall die Hauptverkehrsadern kreuzten. Baron von Ullmingen sah ihm eine Weile nach, dann wandte er sich der inneren Stadt zu, wo sein Palais lag. Wenn er eine kleine Weile fort war von daheim, dann zog es ihn immer wieder mächtig zurück. Wie leer war ihm früher sein schönes, reiches Haus erschienen: Wie anders erschien es ihm nun, wo er Hilda dort wußte! In diesen langen, einsamen Krankheitstagen, wo er häufig stundenlang still neben ihrem Lager gesessen hatte, in diesen Tagen war es ihm so voll und ganz klar ge worden, wie heiß sein altes, müdes Herz noch empfinden konnte, wo alle seine Gedanken und Wünsche sich nur mehr um das holde Mädchen drehten, swelches ihm durch ein seltsames Geschick fast gänzlich in die Hand gegeben war. Was machte es ihm aus, wenn die Leute ihn ver lachten und verspotteten? Er sah deutlich dort und da einen Zug von überlegenem Hohn in den Mienen seiner Bekannten, welche ihn auffallend häufig nach dem schönen, jungen Mädchen fragten, welches bei ihm eine Heimstätte s gefunden hatte. Was wußten alle diese verknöcherten, langweiligen j Menschen von dem Zauber, dem er noch einmal — er j fühlte es wohl — ein allerletztes Mal erlegen war? Mochten sie lachen und zischeln über den Mann mit grauen Haaren, der sein Herz an die blühende Jugend l hina! . (Fortsetzung folgt.)