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Wilsdruffer Tageblatt : 21.01.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-01-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192201213
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220121
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220121
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-01
- Tag 1922-01-21
-
Monat
1922-01
-
Jahr
1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 21.01.1922
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volle Entschüvigung. Vor allem müßten die Schöffen und Ge schworenen vom deutschen Volke gewählt werden. Reichsjustizminister Dr. Radbruch erklärte dazu, eine starke Erhöhung der Bezüge der Schöffen und Geschworenen sehe ich auch als dringend und drängende Aufgäbe an. Die Einzelstaa ten verhandeln gegenwärtig über diese Frage. Gleichzeitig wird die Frage geprüft, ob man das bisherige System der Tage gelder durch das System der Entschädigung ersehen soll. Die Umgestaltung der Auswahl der Schöffen und Geschworenen wird einer der Hauptpunkte des Gesetzes zur Neuordnung des Strafgcrichtswesens sein. Dieses Gesetz wird gegenwärtig von den Einzelstaaten geprüft. Das Verfahren im Vertrauensaus schuß wird voraussichtlich beibehalten, aber durchgreifend um gestaltet werden. Der Entwurf wird wahrscheinlich im März im Kabinett eingebracht werden können. Alsdann wurde der Gesetzentwurf in allen drei Lesunacn unverändert angenommen. Die Finanznot der Gemeinden. Es folgte eine demokratische Interpellation Wegen der finanziellen Not der Gemeinden. Die Interpellation wies dar auf hin, daß die Gemeinden infolge der Verzögerung der Überweisungen aus der Reichseinkommensteuer völlig außer stande sind, die Mehrlasten aufzubringen, die ihnen durch die Erhöhung der Bezüge der Beamten, Angestellten und Arbeiter auferlegt werden. Die Reichsregierung wird aufgesordert, den Gemeinden schleunige Deckung für die neuen Aufgaben zu ge währen. Gleichzeitig wird der Versuch, eine Beschränkung der Selbstverwaltung der Gemeinden herbeizufiihren, entschieden znrückgewicsen. Reichsfinanzminister Dr. Hermes erwiderte auf die Be gründung durch den Abg. Dr. Külz (Dem.), es sei nicht zweck mäßig, die Schuld an den mißlichen Verhältnissen lediglich dem Reiche zuzuschieben. In der Durchführung der seit der Re volution erlassenen Bestimmungen sind eben Schwierigkeiten entstanden, die sich nicht vorhersehen ließen. Sobald über die Steuerfrage Entscheidung getroffen ist, wird eine Aussprache mit den Ländern und Gemeinden herbeigesührt werden. Das Reich beabsichtigt aber nicht, in direkte Beziehungen zu den Ge meinden zu treten. Vorschüsse können nur an die Länder ge zahlt Werden, weil aus Einnahmen der Umsatzsteuer nur den Ländern, nicht aber den Gemeinden ein unmittelbarer An spruch gegen das Reich zusteht. In allen deutschen Einzcl- Vaaten haben die Länder das Aufsichtsrecht über die Gemein- ven. Wenn die Reichsregieruna also eine Prüfung der Ab gaben der Gemeinden fordert, so hält sie sich im Rahmen der Bisherigen Verfassung. In der Besprechung -er Interpellation nahm der MA Heimann (Soz.) das Wort. Er wies darauf hin, daß die Ge- meinden kaum noch in der Lage sind, die allcrwichtigsten Vcr- pflitungen aus eigenen Mitteln zu erfüllen. Dasselbe machte Ler Abg. Herschel (Zentr.) geltend. Hierauf sprach der Abg. Berndt (Deutschnal.), der für die Not der Gemeinden die Erzbergersche Steuergesetzgebung ver antwortlich machte. Die weitere Diskussion über die Interpellation füllte den Rest -er Sitzung aus. Graf und Verbrecher. '1r Sensationen des Schlieffen-Prozesses. 8 Görlitz, 19. Januar. Das Geständnis des Grafen Hans Heinrich von Schliessen hat wie eine Bombe eingeschlagen. Der junge Graf, der mit seiner Mutter, der Gräfin Eleonore von Schlieffen, mit der Gesellschafterin dieser Dame, einem Fräulein Rumpf, mit einem wegen Diebstahls, Unterschla gung, Urkundenfälschung und Schleichhandels vielfach vorbe straften Handelsmann namens Rössel und mit einem Schlosser Stenschke, der sich Student nannte, weil er ein mal die Baugewerks-schule besuchen — wollte, aus der Anklage bank sitzt, ist unter der Wucht des Kreuzverhörs, dem er unter worfen wurde, zusammengebrochen und hat freimütig bekannt, daß er, um in den Besitz eines großen Vermögens zu gelangen, den Plan gefaßt hatte, seinen Vetter, den Majoratserbcn Grafen Georg Wilhelm von Schliessen >rus Schlieffenberg in Mecklenburg, beiseite zu schaffen, und daß ei Rössel und Stenschke mit der Ausführung des Mordplanes betraut Hatte. Dies ist der nackte Tatbestand, der selbst in unserer an „großzügige" Verbrechen aller Art gewöhnten Zeit nicht geringes Aufsehen erregen dürste. Die armen und die reichen Schliessen. Die Vorgeschichte des Prozesses ist rasch erzählt. Sie liest sich wie ein Kapitel aus dem Roman vom verarmten Edel mann, der ohne Ar und Halm, und daher von Neid gegen die reiche Verwandtschaft erfüllt ist, und erinnert in mancher Beziehung an den jetzt schon halb verstaubten Prozeß der Gräfin Kwilecki, in dem auch mit nicht aanz einwandfreien Die Grafen von Freydeck. 46j Roman von A. Oftlanv. irr jragie es ganz von oven hin, als sei ihm die Sache völlig gleichgültig, und der alte Diener lieh sich auch täuschen. „Die Schuhe hatte der gnädige Herr beim Polterabend fest an," sagte der alte Diener, „sie waren ganz neu. Aber während Fräulein Julis fortging — Gott mag wissen, was das arme Fräulein mitten in der Nacht in ihrer leichten Kleidung Hinaustrieb in den Forst — war der Herr ja doch im Park. Er sagte, er sei auf einer Bank ein wenig einge schlafen — ja — und da muß er die Schuhe so zuge richtet haben. Es fehlte auch ein Teilchen vom Absatz. Ich fand sie in der Frühe, während der Herr noch ganz apathisch im Salon saß, in seinem Schlafzimmer. Und weil das Instandhalten von meines Herrn Garderobe zu meinen Obliegenheiten gehört, ließ ich den kleinen Schaden gleich Herrichten." Der Alte nahm seinen Schuh und ging schwerfällig hinaus. Hermann Gerlach und seine Tochter sahen sich an. Lange sprachen sie nicht. Dann sagte Gerlach: „Nun, Kind, was denkst du? Ist das eine Lösung?" Käthe schüttelte den Kopf. „Nein; nur eine weitere Verwirrung. Denn wenn Graf Hugo der Besitzer eines feinen, gespitzten Schuhes ist, dem ein Absatzteilchen fehlte, dann — dann —" „Dann befand Graf Hugo von Freydeck sich fast un zweifelhaft am Tatorte. Nicht, Kind?" Sie blickte ihn verwirrt an. „Und — was weiter?" „Und da war ein Mann in schweren Iagdstiefeln; di« Kommission nimmt doch an, es sei Max gewesen. Dieser selbe Mann sandte seit langer Zeit seine selbstgezogenen Hyazinthen an Julie, oder er gab sie ihr selbst, obgleich sie gerade diese Blumen gar nicht mochte. Und sie hob, trotz ihrer starken Abneigung, alle diese Blüten sorgsam auf. Was ist daraus zu schließen, Käthe, was?" „Daß — daß Max und Julie" — sie stotterte ein wenig. Gerlach nahm ihre beiden kalten Hände in die seinigen. „Ja, daß sie sich sehr lieb hatten, nicht wahr? Lieber, als Schwager und Schwägerin gewöhnlich. Daß da etwas gespielt hat, wovon wir alle und wahrscheinlich auch die nächste Umaebuno Julies kaum eine Abnuna batten. Minern, wenn aucy nicht gerade mit Dynamit und Revolvern, um ein Majorat gekämpft wur-e. Hans Heinrich von Schliessen ist der zweite Sohn -es im August 1921 in Bückeburg verstor benen früheren Riftmeisters und Kammerherrn Friedrich Franz von Schliessen^ -er von seiner ersten Frau, der jetzt angeklagten Gräfin Eleonore von Schlieffen, einer Tochter des Kammerherrn von Sprenger auf Malitsch in der Lausitz, geschieden und in zweiter Ehe mit einer Holländerin verheiratet war. Dieser Zweig der Familie Schliessen war verarmt, und die Gräfin geriet mit ihren drei Söhnen (der älteste ist im Weltkriege gefallen) nach -er Scheidung der durch ihre Schul aus den Fugen gegangenen Ehe wiederholt in finanzielle Nöte. Von dem Bruder ihres Mannes, dem Grafen Martin Ern st von Schliessen, Majoratsherrn auf Schlieffenbcrg in Mecklenburg-Schwerin, erhielt sie als „Erziehungsbeitrag" die fürstliche — oder sagt man hier gräfliche? — Summe von jähr lich 600 Mark! Es sei beiläufig bemerkt, daß Schliefsenberg mehr als 3000 Hektar groß ist und einen Wert von vielen Mil lionen hat. Um aus den Schwulitäten herauszukommen, satzte die Gräfin den Entschluß, ihren Hans Heinrich, der einmal von seinem eigenen Bruder dem reichen Oheim gegenüber als e>n gefährlicher Taugenichts bezeichnet worden war, „standes gemäß", -. h. mit so und so vielen Millionen zu verheiraten. Der Mordplan. Die Heiratspläne zerschlugen sich, und so kam Hans Heinrich unter den Einflüsterungen der Mutter — so behauptet wenigstens die Anklage — allmählich auf den Gedanken, sich auf eine etwas summarischere Weise zu rangieren und sich um jeden Preis, auch nm den eines Mordes, in den Besitz des mecklenburgischen Majorats zu setzen. Als Helfer gewann er den dunklen Ehrenmann Rössel, mit dem er durch gemein same Schiebergeschäste bekannt geworden war. Rössel sollte die ganze Schlieffensche Familie auf Schlieffenberg nieder- tnallen uNd nach -er Ausführung -es Mordplanes eine riesige Belohnung, bis zu einer Million, wie er sagt, erhalten. Er ließ sich zunächst einmal einen Vorschuß in Höhe des ganzen etwa LS 000 Mark betragenden Vermögens seiner Auftraggeber aus zahlen, machte mit dem Gelds einen Lebensmittelladen auf, sah sich Schloß Schliefsenberg wiederholt an und will im übrigen gar nicht die Absicht gehabt haben, die Tat auch wirk lich auszuführen; er habe es vielmehr nur auf Prellerei ab gesehen gehabt. Was ihm aber nicht hinderte, sich in Berlin in der Person des Stenschke einen Helfershelfer für das Schlieffenberger Attentat zu suchen. Dieser Stenschke ist eine Nummer für sich Er war ursprünglich Schlosserlehrling, diente ein paar Monate bei der Reichswehr, spielte in Nachtcafös Klavier und machte sich schließlich aus eigener Machtvollkom menheit zum Studenten. Rössel hatte ihm erzählt, -aß in Mecklenbmg eine Persönlichkeit, die „ganz rechts" stünde, im Auftrage eines geheimen Klubs beseitigt werden müsse, und Stenschke war sofort bei der Sache. Die beiden Kumpane fuhren mit falschen Bärten und Perücken nach Schlieifenberz, fanden aber keine Gelegenheit, ihr angeblich „politisches" Attentat auszuführen. Stenschke reiste nun nach Schönberg bei Görlitz, woLie armen Schliessens hausten, erstattete der Gräfin Rapport, wurde gut verpflegt und bekam vom Grafen Haus Heinrich wertvolle Weisungen über alle Möglichkeiten der Ausführung des Verbrechens. Außerdem aber erhielt er eine Parabellumpistole, mit der er sich „einschoß". Und nun iuhr der treue Mann, reichlich mit Proviant versehen, noch einmal nach Schlieffenberg, verriet gegen 2000 Mark in bar und etliche Versprechungen den ganzen Mordplan an die Ge genpartei, verhandelte auf der Heimfahrt die Parabellum- pisiote an den gräflichen Kutscher, der ihn zur Bahn führ, und tauchte schließlich von neuem in Schönberg aus, um sich noch einmal mit Geld versehen zu lassen. Hier war aber nichts mehr zu holen. Sein Verrat hat den Stein ins Rollen ge bracht, und cs ward ihm die Genugtuung, daß der als Zeuge vernommene Majoraisherr von Schliefsenberg seine Angaben über seinen folgenschweren Besuch auf dem Schlosse — führte er doch zur Verhaftung der ganzen Mordge sellschaft — als „im ganzen richtig" bestätigte. Der alte Graf erklärte im übrigen, daß die Gräfin Eleonore in -er Familie den maßgebenden Einfluß ausgeübt habe. Die Zeugen. Es wurden dann mehrere Berliner Detektive, Hauptmann a. D. Holtz und seine Angestellten vernommen. Sie waren von dem Grafen Schliessen auf Schliefsenberg mit den Ermitt lungen in der Sache betraut worden, und suchen vor allem den Nachweis zu führen, daß Rössel den Mor-Plan tatsäch lich ausführen wollte und sich mit großen Mengen Spreng stoff versehen hatte. Ein weiterer Zeuge, Kriminalkommissar Liebe, erzählt von der Verhaftung der Gräfin. Er kam als angeblicher Komplice Rössels. Die Gräfin habe feine An spielungen auf die Benutzung des Dynamits sofort verstanden. Die Gräfin bestreitet jedoch, daß sie gewußt habe, daß Rössel sich Dynamit besorat habe. Uno was muß man weiter folgern? Daß Graf Hugo durch irgend einen Zufall von dieser Neigung er fuhr, daß er deshalb die Nähe Max Günthers mied, daß er ihn deshalb haßte, wie nur ein leidenschaftlicher, eifer süchtiger Mann hassen kann. Kannst du jetzt die seltsame Szene von heute nacht begreifen? Erscheint dir nicht vieles schon klarer?" „Aber weshalb spricht Günther nicht?" warf Käthe ein. — Gerlach schritt unruhig auf und nieder. „Ja — warum? Ich sehe keinen Grund, außer dem, daß er vielleicht Julie schonen will, noch im Tode. Aber setzt ein Mann dafür alles aufs Spiel: seine Ehre, seine Zu kunft, die Zukunft seiner Kinder? Ist das denkbar? Eine Pause entstand. Keins sprach mehr. Hermann Gerlach dachte zurück an die lange Reihe von Jahren, in denen Max Günther sein Freund war. Er dachte an das oft überspannte Ehrgefühl dieses eigenartigen Mannes, an seine Besonderheiten, an seine Willensstärke und Beherrschungsfähigkeit. Und immer klarer wurde in ihm die Ueberzeugung, daß hier große Leidenschaften geherrscht haben mochten, Wünsche, die vielleicht aus irgendeinem Grunde unerfüll bar waren, daß aber dieser Mann nie etwas Unedles hatte begeben können. Und Käthe dachte mit weichem Herzen an die Tote, an der sie so innig gehangen, und die ihr doch stets im innersten Wesen fremd geblieben war, an dieses selten schöne, heißempfindende Geschöpf, welches ein großes Ge heimnis mit strahlendem Lächeln hinüberrettete in den Tod. Wie war dieser Tod eingetreten? Wie hatten sich die letzten Augenblicke in jenem abgelegenen Teile des Waldes, auf der von niedrigem Geländer begrenzten Brücke gestaltet? Würde alles dies jemals klar werden? Käthe raffte den Kranz auf und schritt damit nach der nächsten Tür, welche in das allgemeine Speisezimmer führte. Aber erschrocken prallte sie zurück. Da, dicht neben der Tür stand der alte Oberst von Kirchbach, schwer auf seinen Stock gestützt. Sein vergrämtes, von tausend Falten durchzogenes Gesicht war fast grau. Aber aus den kranken Augen des alten Soldaten glänzte jetzt etwas wie Kampfesfreude, wie ein ehrlicher, ungeheurer Zorn, welcher sich Luft machen will. Gerlach übersah mit einem Blick die Situation. Und in diesem Augenblick wußte er es auch: dieser alte Mann, Ler so schwer betroffen worden war, nahm nun die Sache selbst in die Hand, er entwand ihm die Führung und würde bandeln, wie er es kür aut sand. Kranz Grillparzer. Zur 50. Wiederkehr seines Todestages. Am 21. Januar 1872 starb in Wien, 81 Jahre alt, Franz Grillparzer, einer der hervorragendsten deutschen Dramatiker der nachklassischen Zeit. Als Sohn eines ge achteten, aber armen Advokaten mußte er sich schon früh zeitig nach Erwerb umsehen und trat 1813 als Konzepts- Praktikant in den österreichischen Staatsdienst, den er auch nicht wieder verließ, als er ein berühmter Dichter gewor den war. 1856 trat er als Hoftat in den Ruhestand. Ver heiratet war er nie, obwohl er verlobt gewesen war und mit seiner Braut Kathi Fröhlich bis zum Tode befreundet blieb. Grillparzers Dramen, die Schicksalstragödie „Die Ahnfrau", das klassisch vollendete Trauerspiel „Sappho", die große Trilogie „Das goldene Vlies", das prächtige dramatische Märchen „Der Traum ein Leden", die großen historischen Tragödien „König Ottokars Glück und Ende", „Ein treuer Diener seines Herrn" und „Ein Bruderzwiste im Hause Habsburg", die weihevolle Liebestragödie „DeW Meeres und der Liebe Wellen", das geistvolle Lustspiel' „Weh' dem, der lügt", die herrlichen Dichtungen „Die Jüdin von Toledo" und „Libussa", die großartigen dra matischen Fragmente „Spartacus" und „Esther", gehören zu den bedeutsamsten Bühnenstücken, die nach der großen Blütezeit der deutschen Literatur, nach Lessing, Schiller und Goethe, erschienen sind. Der Dichter wurde in den mittleren Jahren seines Lebens vielfach verkannt und zog sich darum gänzlich von der Öffentlichkeit zurück. Spätere Auszeichnungen — er wurde 1847 Mitglied der Akademie der Wissenschaften, 1861 Mitglied des österreichischen Herrenhauses — konnten wenig an seiner Stimmung ändern, und seine Neigung zu selbstquälerischer Schwermut steigerte sich oft ins Maßlose, so daß er an sich verzweifelte und sogar Selbstmordge danken hegte. Im Mai 1889 wurde ihm im Wiener Volksgarten ein Denkmal errichtet Blüchers verschteuöeries Erbe. Von August Storm. So schwindet der Ruhm der Welt! An dieses alte ZLort wird man durch die dieser Tage bekannt gewordene Tatsache erinnert, daß das schöne, große und stolze Pa lais des Fürsten Blücher in Berlin an einen millionen schweren Letten, namens Zionding, verkauft worden ist. Die Wahl eines Ausländers, und noch dazu eines Man nes, der einem den Deutschen seindlichen Volksstamme an gehört, zum Käufer des Erbes des „Marschall Vorwärts" erklärt sich, wenn nicht völlig, so doch zum großen Teil da durch, daß von den jetzt lebenden Nachkommen des be rühmten Heerführers die meisten „verengländert" find. Die Hauptschuld daran trägt der vor einigen Jahren infolge eines Sturzes mit dem Pferde gestorbene Fürst Gebhard Blücher von Wahl st alt, der ein Ur enkel des Feldmarschalls war. Dieser Urenkel eines gro ßen und vor allem echt deutschen Mannes war kein Freund der Deutschen, besonders aber kein Freund Preu ßens. Diesen Staat, in dessen Diensten sein Urahn gestan den hatte, diesen Staat, von dem das Blüchersche Ver mögen stammte, haßte er geradezu. Dieser Haß ging so weit, daß er niemals seinen erblichen Sitz im preußischen Herrenhause einnahm, und daß er seinem zweitältesten Sohne Gustav die Mittel zum Unterhalt verweigerte, weil dieser Sohn in den preußischen Staatsdienst treten wollte. Die Gewährung dieser Mittel mußte sich der Sohn durch eine gegen den Vater gerichtete Klage erstreiten. Rechtshändel spielten im Dasein des Urenkels des Feldmarschalls überhaupt eine große Rolle. Der Fürst klagte sich mit dem Staate Preußen, mit der Stadt Berlin und verschiedenen anderen Leuten und auch mit seinen Kindern, namentlich mit denen aus seiner ersten Ehe, herum. Die Stadt Berlin verklagte er vor Jahren auf Schadenersatz, weil sie ihm durch eine Tribüne, die bei einer patriotischen Feier auf dem Pariser Platze errichtet worden war, die Aussicht aus den auf den Platz gehenden Fenstern seines Hauses versperrt hatte. Der Fürst batte Aber oh es gut und geraten war, jetzt schon eine Anklage zu erheben? Ob man nicht warten sollte und noch mehr Beweise sammeln? Gerlach faßte nach dem Arm des alten Herrn. Er wollte ihm begütigend zusprechen, wollte Bernunftgründs anführen, Vorstellungen machen. Aber er sah es an dem stahlharten Ausdruck dieser Augen, an dem entschlossenen Mund: hier war alles Neben vergeblich. Dieser Mann, dem ein höhnisches Geschick sein letztes Kind auf eine so grauenvolle und geheimnisvolle Art ge raubt hatte, war unter allen Umständen entschlossen, eine Sühne zu finden. Er kämpfte auch noch für die, welche ihm geblieben, für den Schwiegersohn, den er hochschätzte, für Georg, der von jeher sein Liebling gewesen war. Nun sah er einen Weg vor sich. Diesen Weg würde er gehen ohne jede Rücksicht. Hermann Gerlach dachte nach. Er und Käthe hatten dem alten Herrn manches verheimlicht. War es nicht nun, da er doch schon so vieles wußte, besser, ihm alles zu sagen? Eine Stunde später hatte Oberst von Kirchbach erfah ren, was überhaupt zu erfahren war. Er hatte dem Freunde kurz gedankt. Auf alle Fragen, was er nun zu tun beabsichtige, gab er nur ausweichende Antworten. „Ich bin ein alter Soldat," sagte er. „Das viele Ueberlegen ist nicht mein Fall. Handeln! Den Augen blick beim Schopfe nehmen! Und dem Schuldigen offen entgegentreten l Kein langes Versteckspielen l Zum Teufel, wenn Graf Hugo an der Unfallstelle war, dann soll er sprechen! Und all die Geschichten, die ihr euch da in den Kopf fetzt, die werden gleich zer stieben, wenn man sie klar beleuchtet! Wenn Max mein armes Mädel so sehr geliebt hätte, weshalb heiratete er sie nicht? Und weshalb nahm sie dann die Werbung Les Grafen an? Die Hyazinthen sind doch kein Beweis! Die hat er ihr oft vor meinen Augen gegeben, und ich fand nichts daran. Wenn einem jemand eine Freude machen will, dann hebt jedes sentimentale Mädchen sich gern eine Blume auf, und wenn sie ihr auch sonst nicht sympathisch ist. Das ist noch längst nichts Beweisendes. Aber das ist doch sehr sonderbar, daß der Graf heimlich in Julies Zimmer dringt und alles verbrennt? Und vieles andere ln keinem Gebaren ist auch ganz unverständlich." (Fortsetzung nächste Seite.)
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