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Wilsdruffer Tageblatt : 24.01.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-01-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192201244
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220124
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220124
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-01
- Tag 1922-01-24
-
Monat
1922-01
-
Jahr
1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 24.01.1922
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wurde er Unterstaatssekretär im Staatssekretariat des Hei ligen Stuhles und galt damals als eine der stärksten Stützen des streitbaren Kardinals Rampolla. 1914 wurde er zum Kardinal gewählt, und wenige Monate später war er Papst. - Der Papst war, wie man Wertz, nur wenige Tage trank. Die erste ärztliche Untersuchung des Kranken er gab einen einfachen Bronchialkatarrh, der jedoch bald auf die Lungen Übergriff und einen raschen Kräfteverfall her beiführte. Ungeachtet der schweren Erkrankung bewahrte Benedikt XV. fast bis zuletzt volle Geistesklarheit. Deutscher Reichstag. (166. Sitzung.) OL. Berlin, 21. Januar. Heute wurde, nachdem der Entwurf über den Kassen bestand der Reichsbank an den Haushaltsausschuß verwiesen worden war, der werte Nachtragsetat beraten, der 4)4 Mil liarden z. T. für Bemntengehälter fordert. Die Tehaltssorderungen der Beamten. Abg. Morath (Deutsche VP.) betonte, daß die Erhöhung der Boamteng eh älter bei weitem nicht ausreiche, und begrün dete die neuen Forderungen der Beamten. . Ministerialdirektor von Schlieben erklärte namens der Re gierung, Laß die unveränderte Annahme des Nachtrags er forderlich sei, um die sofortige Auszahlung der Erhöhungen vornehmen zu köimen. Abg. Frau Zietz (U.-Soz.) stimmte der Vorlage als einem Notgesetz zu, vroteftierte aber gleichzeitig gegen die völlig un- genüqeuoen Sätze. Abg. Schuldt (Dem.) trat zugunsten der minderbesokdeten Beamtengruppen ein Abg. Schmidt-Stettin (Deutfchnat.) bedauerte, daß die Wünsche der Beamten zum großen Teil noch nicht befriedigt werden konnten. Abg. Koenen (Komm.) wies darauf hin, daß die Dresdner Eisenbahner eine Streikleitung gewählt haben. Wenn bis heute abend bindende Erklärungen der Regierung nicht voc- liegen, soll in den Streit eingetreten werden. Die Eisenbahner Ler Bezirke Ehemnitz, Leipzig und Lausitz haben sich ebenfalls für den Streik erklärt. Wird nicht sofort eingegriffen, so fährt heute um 12 Uhr nachts in Sachsen kein Zug mehr. Der Redner schloß mit den Worten, was der Reichstag mit den Arbeitern treibe, sei eine Schreinerei. (Präsident Loebe rief den Redner wegen dieser Äußerung zur Ordnung.) Nachdem noch der Regierungsvertreter v. Schlieben und der Abg. Bräunig (komm. Arbeitsgemeinsch.) gesprochen hatten, wurde der Nachtragsetat in erster und zweiter Losung unter Ableh nung der dazu gestellten Abänderrmgsanträge genehmigt, eben so in dritter Lesung. Nachruf Loebes auf Papst Benedikt XV. Präsident Loebe unterbrach die Tagesordnung und machte Mitteilung von dem Ableben des Papstes. Die Mitglieder des Hauses erhoben sich und der Präsident erklärte: Beim Reichspräsidenten ist soeben die Nachricht einge- lausen, daß Papst Benedikt XV. entschlafen ist. Benedikt XV. wurde am 3. September 1914, während der ersten Riescn- schlachten des Weltkrieges, zum Papst gewählt. Bevor Europa ein wirklicher Friede boschieden ist, ist er dahingegangen. In dieser Zeit hat er die moralische Macht seines Amies und alle seine Kräfte eingesetzt für die Linderung menschlicher Leiden, die Beschwichtigung des Hasses und di« Versöhnung der Völ ker. Von allen Seiten drangen die Aufgaben auf ihn ein. Es galt zunächst, das Los der Kriegsgefangenen zu lindern, cs galt Weiter, das Schicksal der Zivilgesangenen zu bessern. Immer, wo es galt, ihre materielle Lage zu sichern und Not zu lindevn, hat die Hilfe des Entschlafenen nie versagt. Es ist in den letzten Tagen noch seine tiefe Freude gewesen daß er von der französischen Regierung die Mitteilung erhalten konnte, daß die letzten unserer Kriegsgefangenen aus Frank reich nach Aachen entlassen worden sind. Seine Fkiedenstätig- keit von 1917 ist uns allen in Erinnerung. Als nun dieser Krieg durch einen Frieden der Gewalt beendet war und neue Leiden für uns begannen, hat er sich von neuem für die Völker- versöhnung eingesetzt, so zuletzt auf der Konferenz in Washing ton. überall wirkte seine notlindernde Hand, ohne dabei je konfessionelle Unterschiede erkennen zu lassen. Er war bemüht, die Hungerblockade über Deutschland schnell zu Ende zu brin gen. Viele Tausend« deutscher Kinder sind durch seine Ver mittlung in den Stand gesetzt worden, sich warm zu bekleiden und sich zu sättigen, und noch in letzter Zeit ist es seiner Ver mittlung gelungen, daß deutsche lungenkranke Studenten im Süden Heilung finden. Das deutsche Voll nimmt tiefen An teil an dem frühen Tode dieses verdienten Mannes. Förderung des Wohnungsbaues und Ostpreußen. Nach dieser Trauerkundgebung trat das Haus wieder in die Tagesordnung ein. Das Gesetz über die Erhebung einer Abgabe zur Förderung des Wohnungsbaues wurde dem Woh nungsausschuß überwiesen. Diese Vorlage und das Reichs mietengesetz sollen möglichst rasch verabschiedet werden. Hier auf kam man zur deutschnationalen Interpellation, die Maß nahmen der Regierung zur Besserung der Wirtschaftslage in Ostpreußen, vor allem auf dem Wege des Frachtenaus gleichs. Abg. Gräf von Kanitz (Deutschnat.) begründete die Inter pellation. Besonders sei der Verkehr durch den Korridor sort- tzesetzt Gegenstand ernster Sorge. Die Staffeltarife seien schon mit Rücksicht auf Ostpreußen eingesührt, und es tonune für die polnische Strecke auch nur die deutsche Berechnung in Frage. Ostpreußen stehe damit wesentlich günstiger als di« übrigen Landesteile. Die Zugbcrbindungen nach Ostpreußen sind in der letzten Zeit bedeuiend verbessert, daneben wird der Seeverkehr aufrechterhalten. Die Verhandlungen mit Polen schweben. In der sich anschließenden Besprechung eher Interpellation erklärte Abg. Cuno (Deutsche Vp.), daß die Staffeltarife viel zu schematisch seien. Alle Beamten streben fort aus Ostpreußen. Wir verlangen eine Staffelung der Personentarife. Weiter ver langte der Redner die Mittel, damit der Königsberger See hasen ausgebaut werden könn«. Abg. Gothe in (Dem.) betonte, kein Mensch verkenne die Schwierigkeiten in der Lage Ostpreußens. Der Friedensver- trag ist uns leider ein schweres Hemmnis bei Ler Gewährung billiger Tarife. Trotzdem müssen wir nach Mitteln und Wegen suchen, Ostpreußen zu helfen. Der masurische Kanal muß aus- gebaut werden. Der durch Len Vertrag von Versailles zuge sichert« Schienenweg sei höchst unzuverlässig. Ganze Züge seien verschwunden, wochenlang sei der Betrieb gesperrt, und auf dem berühmten Seewege hätten alle andern mehr zu sagen als wir. Auch seien uns die guten Schiffe fortgenommen. Die Polen erstreben die Inbesitznahme Ostpreußens, deshalb sei vor allem auch eine moralische Unterstützung Ostpreußens erforderlich. Staatssekretär Stieler betonte, daß das Reich keine Mittel unversucht lassen wolle, um dem abgeschnürten Ostpreußen das schwere Schicksal zu erleichtern. Abg. Jaecker-Ostpreußen (Sog.) warf den Deutschnationalen vor, daß sie an der Not Ostpreußens nur ihr Parteisüppchen kochen wollten. Mehr als alle anderen Stände sind die Arbei ter durch die Verhältnisse in Ostpreußen getroffen worden. Allen Abtrennungsbestrevungen werden wir aufs schärfste ent-, aegentreten. Staatssekretär Kirstein teilte mit, daß in den Masurischen Kanal der mit 15 Millionenweranschlagt ist, jetzt schon 54 Mil lionen hineingebaut worden Md. Es würden 350 Millionen aufgewcndet werden müssen, um ihn fertigzustellen. Mit aller Wahrscheinlichkeit werden wir schon in den nächsten Wochen wegen Herstellung von 7 oder 8 Kraftwerken am masurischen Kanal mit dem Ostpreußen-Werk in Verbindung treten. Wir wollen den Kanalbau fortsetzen und damit den Bau von Kraft werken verbinden. Abg. Dr. Fleischer (Zeittr.) bemerkte, er habe das Gefühl, als ob die Wichtigkeit der Ostpreußensrage weder hier noch im deutschen Volke gewürdigt wird. Der Redner ging dann aus führlich auf die Ostpreußen berührenden Kanal- und Eisen bahntariffragen ein. Wie werden wir zahlen? (Von unserem ständigen Mitarbeiter.) . Berlin, 21. Januar. Die Frage, was wir zahlen werden, ist augenblicklich nicht die einzige Sorge der NeichsregierunA Wir sollen zwar binnen wenigen Tagen der Entente einen ausführ lichen Zahlungsplan vorlegen, aber darüber besteht wohl nirgends ein Zweifel, daß ein ehrliches deutsches Angebot, v. h. ein Leistungsversprechen, dessen Erfüllung wir auch wirklich mit gutem Gewissen garantieren können, .schwer- Die Grafen von Freydeck. 48) Romaw von A. Ostland. Besinne dich, Hilda! Dort ist ein junger, unüberlegter Mensch, wahrscheinlich ein Verbrecher —" „Nein! Das ist Georg Günther nickt!" Hilda Wentheims Augen flammten. „Er ist unschuldig I In alle 'Welt will ich es hinaus schreien I Unschuldig! Hörst du mich, Tante? Und du — ihr alle — ihr alle wollt ihn nun ganz vernichten, zer treten! Ich aber — ich lasse nicht von ihm! Niel Niel" Die Baronin hatte die Achseln gezuckt und war ge gangen. Eine Stunde später hatte Käthe Gerlach einige Zeilen von ihr erhalten: „Nachdem die Frau Baronin erfahren hat, daß Doktor Gerlach und seins. Tochter bloß für die Familie Günther Spionelidienste leisteten, bitte ich Sie, Fräulein Käthe, dieses Haus sofort zu verlassen. Ihr Einfluß auf Hilda kann unmöglich ein günstiger sein " Auch darüber waren nun schon Wochen vergangen. Erich war mit Gerlach nach Wien gereist. Letzterer setzte alle Hebel in Bewegung, um Max Günther zu einer vertraulichen Aussprache zu bewegen. Aber seine Bemühungen, sein freundschaftliches Zu reden, alles blieb völlig erfolglos, prallte ab an der starren Nutze, die immer mehr und mehr von dem stillen Manne Besitz zu ergreifen schien. Allen Vermutungen Gerlachs setzte Günther ein gleich mäßiges „Nein" entgegen. Und Georg blieb fest bei seiner Aussage, mit dem Tode des alten Herrn in gar keiner Verbindung zu stehen. So standen die Dinge, und so würden sie vermutlich auch bleiben. Alle Anhaltspunkte, welche Gerlach schon so sicher in der Hand zu haben geglaubt, zerflatterten dem ruhigen Widerspruch Günthers gegenüber in nichts. Gras Hugos Geisteszustand ließ vorderhand überhaupt irgend eine Vernehmung nicht zu; über die Identität jener Frau, welche Georg und Hilda vorübergleiten sahen, fehlte jeder Anhaltspunkt. Und so schwebte über den letzten Minuten des alten Grafen von Freydeck und über dem Tode Julies von Kirch bach heute noch dasselbe Dunkel wie einst. Erich batte es plötzlich nicht mehr ausgehalten zwischen den engen Mauern der Stadt. Käthe war einstweilen bei dem alten Oberst geblieben, der sein Gichtleiden mehr als je spürte. Und Erich sehnte sich nach ihr wie nach dem Frieden, der Ruhe selbst. Sein Kopf war so wüst, sein Herz voller Sorgen. Und wie er als Knabe schon den Kopf so gern in ihren Schoß gelegt hatte, um eins seiner kleinen Kinderleiden auszu weinen, so zog es ihn auch jetzt, in dieser schwersten Zeit leines Lebens, au ihr. Er hatte ihr nicht geschrieben, daß er komme, er wußte es genau: sie freute sich. Und ihm erschien nichts natürlicher, als in trüben Stunden zu ihr zu flüchten, die stets seine beste Freundin gewesen. Und doch stand er nun schon eine ganze Weile und sah hinab auf das Vaterhaus, welches so weltverloren vor seinen Blicken lag. Zum erstenmal empfand er es recht klar und deutlich: nie mehr würde dieses Haus ihm wieder zur wahren Hei mat werden; nie würde der alte Friede hier wieder ein- ziehen. — „Erich!« Er fuhr mit einem Laut der Ueberraschung herum. Wie ein Heller Iubeiton war das Wort durch den er storbenen Wald geflogen, wie eine Botschaft von Liebe und Glück. Konnte Käthe ihn so rufen? Eine heiße Röte stieg in sein junges, feines Gesicht. Dort — dort kam sie wirklich den Waldpfad herub. Ihre kleine Gestalt flog förmlich zwischen den kahlen Gebüschen hindurch. Und als sie jetzt vor ihm stand mit hochwogender Brust, atemlos, auf den schmalen Wangen einen roten Schimmer, die Augen glänzend in einem säst überirdischen Licht, da dämmerte auch in ihm plötzlich die Erkenntnis auf, daß Käthe Gerlach, die sonst so Beherrschte, so Ruhige und Stille, ihn anders liebe als eine Schwester oder der gute und treue Kamerad, für den er sie stets ge halten. Diese Erkenntnis trat so unvermutet an ihn heran, daß er sie wohl kaum begriff. Nur eins wußte er sofort: wenn das wahr war, was ihm jetzt verworren durch den Kopf flog, dann mußte es für ihn wieder einen Verlust bedeuten und konnte kaum je ein Gewinn werden, denn er verlor seinen besten Freund. „Käthe! Käthe!" sagte er weich und faßte ihre beiden schmalen Hände in die seinen, „fast hast du mich erschreckt. War die Ueberraschung zu groß für dich ? Hast du nickt auch gedacht, daß es mich immer wieder hierher ziehen würde?" Sie batte sich schon gefaßt. Mit einer raschen Bewe- ' gung strich sie das krause Haar aus der Stirn; in ihrem Blick aber blieb der Glanz, das stille Leuchten auch dann noch, als sie anscheinend ruhig neben ihm herschritt und ihm sachlich und vernünftig Rede und Antwort stand. Es war wohl nicht viel zu berichten. Seit Max und Georg Günther fort waren und Hugo von Freydeck erkrankte, seither schien überall ein Still stand eingetreten. Neue Spuren fanden sich nirgends, und die alten ver wischten sich allmählich und bekamen sogar in den Augen der Beteiligten oder Forschenden eine andere Bedeutung. „Und Hilda?" fragte Erich Günther dazwischen. „Hörst du gar nichts von ihr ? Georg geht fast zugrunde um sie." Käthe schüttelte den Korff. liry oce vom Obersten Nat, besonders aber von Poincars erwartete Höhe erreichen kann. Nimmt man daher einmal als wahrscheinlich an, daß «ns durch einen neuen Befehl der Entente höhere Lasten, elwa im Umfang der Londoner Abmachungen im Betrage von 500 Goldmillionen in bar und 1200 Millionen in Sachleistungen auferlegt werden, so entsteht die Frage, wie wir es anfangen, um wenig stens den Versuch zu einer Erfüllung in Fortsetzung der bisherigen Regierungspolitik zu machen. Uber dieses „Wie" schweben noch die Verhandlungen zwischen Parteien und Regierung. Der sozialdemokratische Vorschlag einer „inneren Anleihe" oder auch einer „Zwangsanleihe" geht von dem Gedanken aus, daß uns nach der Abgabe aus den Exportdevisen an der ganzen Summe sicher noch eine reichliche Goldmilliarde (gleich 30 bis 40 Papiermilliarden) fehlen. Um nun zur Bezahlung der deutschen Lieferanten für die Sachleistungen nicht so viel neues Papiergeld drucken zu müssen, geht dieser Vor schlag dahin, die Bezahlung in einer neuen, aus dem Wege der Gesetzgebung festzustellenden Anleihe vorzunehmen. Diese Anleihe, deren Verzinsung zum Goldkurse garantiert und durch erhöhte Besitzsteuern aufgebracht werden müßte, soll dann auch zur Bezahlung anderer Forderungen an das Reich (Ausgleich von Auslandsschäden usw.) ver wendet werden. Sie müßte einen Zeitraum von einigen Jahren umfassen, bis eine wirtschaftliche Besserung eintritt. Sehr zweifelhaft ist noch, ab und mit welcher Mehr heit ein solcher Vorschlag vom Reichstage angenommen wird. Ob das Zentrum mit den beiden sozialdemokrati schen Fraktionen allein zusammengeht, ist wenig wahr scheinlich. Die Teilnahme der Demokraten und eventuell der Volkspariei an diesem Projekt würde jedoch davon abhängen, daß es in eine Form gebracht wird, in der es nicht eine allzu zerstörende Wirkung aus die Substanz des Nationalvermögens ausübt. Neben dem Virleiheplan gehen noch Erwägungen über höhere Vermögenssteuern und die Absicht einer Steigerung des fälligen Teils des Neichsnotopfers in seiner Höchststaffel von 40 aus 65 Prozent einher, über alle diese Fragen sind die Beratungen noch im Musse und werden auch schwerlich beendet sein, bevor die neue Diskussion zwischen Berlin, London und Paris über unsere künftigen Zahlun gen einsetzt. ' Vsto. Das Llrteil im Schlieffen-Prozeß. 8 Görlitz, 21. Januar. In dem Prozeß gegen die gräfliche Familie von Schliessen, deren Wohnsitz das Waldschloß bei Schön berg, Kreis Görlitz, ist, fällte das Gericht gestern abend das Urteil. Wegen Aufforderung zur Ermordung des Grafen Georg Wilhelm von Schlieffen auf Schlieffenberg bei Güstrow in Mecklenburg wurde die Gräfin Ella (Eleonore) von Schliessen zu zwei Jahren Gefängnis und zwei Jahren Ehrverlust, wobei die er littene Untersuchungshaft nicht angerechnet wird, verur teilt. Graf Hans Heinrich von Schliessen er hielt wegen Aufforderung zum Morde und verbotenen Waffenbesitzes ein Jahr sechs Monate Gefäng- n i s unter Anrechnung von fünf Monaten Untersuchungs haft, der Handelsmann B r uno >Ro essel aus Görlitz wegen Annahme der Aufforderung zum Morde und wegen Vergehens gegen das Sprengstoffgesetz drei Jahre Gefängnis und drei Jahre Ehrverlust unter Anrech nung von acht Monaten Untersuchungshaft, der Schlosser Herbert Stenzke aus Berlin ebenfalls wegen An nahme der Mordaufforderung und verbotenen Waffenbe sitzes ein Jahr drei Monate Gefängnis unter Anrechnung der erlittenen Untersuchungshaft und mit Strafaufschub. Die Mitangeklagte Gesellschafterin der Grä fin Schliessen Minna Rupf wurde sreigespro- chen. Der Antrag auf Haftentlassung des Grafen Hans Heinrich von Schliessen wurde abaeleünt. „Nichts. Schloß Freydeck ist wie eine uneinnehmbare Festung. Jetzt hört man, daß Graf Hugo fortkommen soll. Von Hilda weiß auch Doktor Amberg fast nichts. Er siedi sie nicht bei seinen ärztlichen Besuchen, und die Dienerschaft gibt kaum eine Auskunft. Im Schloß ist nur noch Freiherr von Ullmingen. Sonst weiß ich nichts!" „Arme, kleine Hilda!" . Er sagte es mit einem weichen, guten Ton, den er stets gegen das junge, elternlose Mädchen gehabt hatte. Wo würde das Geschick sie noch hinführen? Er wußte es ja jetzt schon wie blind es alles nieder trat, was sich ihm in den Weg stellte, wie erbarmungslos es war, und wie grausam. Und Hilda wollte sich diesem Schicksal hemmend entgegenwerfen? Er lächelte bitter und mutlos und sah mit einem zor nigen Blick hinüber zu dem Schlosse, welches mit seinen Zinnen und Türmen trotzig aus den Waldmassen empor wuchs. Und er hörte nur noch mit halbem Ohr, wie Käthe erzählte, daß auf Befehl der Baronin von Berghaus die Parkmauer ringsum ausgebessert worden sei und überall mit einem Stacheldraht versehen, so daß ein Hinüber springen nunmehr wohl zu den Unmöglichkeiten gehöre. Auch seien zwei große, sehr böse Wachhunde ange» schüfst worden, welche frei in dem winterlichen Park um herliefen. Einen Augenblick blieb Käthe stehen. „Hörst du sie beulen?" rief sie lauschend. „Es klingt fast unheimlich. Horch' nur! Sie sind ganz wild! Sie müssen einen Grund haben, etwas wittern!" Käthe faßte, beinahe ein wenig ängstlich, nach Erichs Hand. Seltsam schauerlich und wüst klang das dumpfe Ge heul der Schloßhunde durch den sonst so lautlosen Wald. Und dazwischen vernahmen die beiden, welche jetzt einen Augenblick stillstanden, nun doch auch noch ein anderes Geräusch: das herankommende Rasseln und Schnaufen eines Automobils. Der Wagen mußte hinter ihnen fein auf der Wald straße, welche gut gehalten war. Es verirrte sich so selten ein solches neumodisches Fahrzeug in diese Umgebung, daß dies immerhin erstaun lich und verwunderlich erschien, zumal zu dieser Zeit, abends, da schon kaum mehr ein leiser Lichtschimmer über der Erde lag. Ueberdies war die Straße nicht die Zufabrt- straße zu Schloß Freydeck. Diese führte viel weiter vorn direkt am Eingänge an dem großen, ersten Schloßhof vorüber. Und diese Straße, auf der jetzt eben Erich und Käthe horchend standen, führte überhaupt nicht nach bewohnten Orten, sondern zog sich über die Waldberge hin in stundenweiter Einsamkeit, nur vereinzelte Bauernaeböffe Vor»Krönt, (Fortsetzung folgt.)
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