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Verabschiedung des Steuerkompromifses wieder volle Handlungsfreiheit*. Die Vosstsche Zeitung kommentiert diese Stellung nahme der Volkspartei dahin, daß die mühsam geschaffene Mehrheit für das Steuerkompromiß in Frage gestellt erscheine, soweit die Volkspartei in Betracht kommt. Ob und inwieweit es durch Verhandlungen gelingen wird, einen Ausgleich zu schaffen, bleibe abzuwarten. Die Volk partei habe allerdings dem Kanzler, als er ihr die Absicht der Ernennung Rathsnaus vorher mitteilte, erklärt, daß sie eine solche Ernennung als einen Affront empfinden würde, wenn der Kanzler vor den eigentlichen Besprechungen über die Koalitionsbildung durch die Besetzung eines so wichtigen Portefeuilles eine vollendete Tatsache schaffen wolle. Daraus würde sich für die Deutsche Volspartei eine neue Situation ergeben. Dieser Fall ist nunmehr, da der Kanzler trotz des Anratens der Volkspartei die Ernennung unternahm, eingetreten. Im übrigen wird von der gesamten Presse, soweit sie links von der Deutschen Volkspartei steht, die Ernennung RathenauS begrüßt und als etwas Selbstverständliches und Erwartetes, jedenfalls als nichts Ueberraschendes bezeichnet. Bemerkenswert ist, daß die demokratische Börsenzeitung sagt: Es fragt sich nur, ob es klug war, die zahlenmäßig recht erhebliche Rechtsopposttion in der Deutschen Volks partei auf diese Weise zu stärken. Denn zunächst wird der Erfolg derjenige sein, daß alle Leute, die von einem Affront sprechen, sich bestätigt fühlen und demgemäß auf treten werden. Man hat das Gefühl, als ob .die Berufung Rathenaus aus einem Affekt heraus erfolgte und Empfindlichkeit oder ähnliche Dinge haben in der Politik keinen Platz. Die Börsenzeitung meint, daß Dr. Wirth gegenüber einer unzugänglich bleibenden Volkspartei den besten Stand gehabt habe, da Zentrum und Sozial demokraten geschlossen für ihn waren. Selbst die Volks partei wäre zum Teil für Rathenau gewesen und die Ernennung sei deshalb nicht so eilig gewesen. Auch die Volkspartei hätte aber nicht gerade geschickt operiert. Sie hätte die Dinge nicht so sehr an sich herankommen lasten dürfen. Auf diese Art und Weste könne man es wohl erreichen, daß die Regierung der vier Parteien der Mitte wieder einmal erst in der beliebten letzten Minute vor Genua zustande komme und wiederum nach außen den übelsten Eindruck Hervorrufen werde. Frankreich begrüßt die Ernennung Rathenans. Paris, 1. Febr. Die hiesigen Blätter begrüßen die Ernennung Rathenaus zum deutschen Minister des Aus wärtigen. „Echo de Paris* erblickt in der Ernennung den Beweis, daß Stinnes in seinem Kampf gegen Ra thenau unterlegen sei. Rathenau werde jedenfalls in erster Linie damit betraut werden, in Genua den Verzicht der Verbündeten auf die Sanktionspolitik, der durch die Haltung des Kabinetts Wirth mehr und mehr erreicht worden sei, endgültig zu machen. Frankreich habe nur den einen Wunsch, in Deutschland den guten Willen zur Erfüllung zu sehen und werde die Vertreter solchen guten Willens gern unterstützen. Nach den Erfahrungen des vergangenen Jahres müsse Frankreich aber auf Talen be stehen und dürfe sich nicht mehr mit schönen Worten ab speisen lasten. Scherfe MeWus der ZumeMleihe durch die Industrie. Berlin, 1. Febr. Dis durch das Steuerkompromiß beschlossene Zwangsanleihe findet in industriellen Kreisen nach Besprechungen, die inzwischen stattfanden, und nach - Durchprüfung aller Wahrscheinlichkeiten eine starke Ab- t lehnung. Wie wir von maßgebenden Persönlichkeiten aus « Die Grafen von Freydeck. 57j Roman von A. Ostland. „Blind? Blind soll ich glauben?" fragte er scharf. Sie senkte das Köpfchen. „Ich kann und darf nicht sprechen! Ich habe es ver sprochen, und ich breche mein Wort nicht!" „Es hat aber niemand — hören Sie wohl, Kind — niemand das Recht, ein solches Versprechen von Ihnen zu fordern oder anzunehmen", unterbrach Stegmanns Stimme die drückende Stille, welche den Worten des jungen Mädchens gefolgt war. „Sie haben weder Vater noch Mutter, noch sonstige Anverwandte, welche berechtigt wären, einen solchen Einfluß auf Ihr Leben zu nehmen. Sie sind minderjährig und dürfen nicht frei über sich verfügen. Verstehen Sie mich, Hilda?" Das Mädchen nickte. „Und dennoch muß ich schweigen!" wiederholte sie abermals. — Die Baronin erhob sich schwerfällig. „Und Sie, Herr Günther, haben sonst nichts gesehen? Wir stehen uns ja nicht freundschaftlich gegenüber. Ihre Familie und die meinige werden wohl in Zukunft ge trennte Wege gehen. Aber Hilda ist doch der eine und einzige Punkt, wo unsere Interessen sich begegnen. Und deshalb frage ich Sie und hoffe, Sie wenigstens werden nicht lügen!" Erich sah auf Hilda, und ein großer Zorn gegen sie, die er selbst in den Armen eines Mannes dort auf der Schwelle gesehen hatte, erzitternd unter seinen Küssen, stieg in ihm empor. Dieser Zorn überflutete alle anderen Gedanken. „Ich habe — ich habe einen schlanken, mittelgroßen Mann gesehen — das Gesicht blieb im Dunkel. Draußen im Schuppen stand sein Automobil. Ich — ich habe gesehen, daß er dich, Hilda, zärtlich begrüßte, als du kamst, daß er dich — dich küßte!" Seine sonst so weiche Stimme war rauh und bei nahe unverständlich. Er sah im Geiste Georgs blasses, hageres Antlitz, und er wog die Worte nicht mehr. Sein Bruder litt un schuldig — niemand war fester davon überzeugt, als Erich Günther—, und das Mädchen, welches er liebte, und das vorgab, ihn zu lieben, hatte heimliche, nächtliche Zu sammenkünfte mit einem Mann, über den sie jedwede Auskunft verweigerte. — Lilda war zurückgetaumelt. der Industrie erfahren, ist man sich in der Industrie darüber klar geworden, daß die Zwangsanleihe eine teilweise Ueber- führung der deutschen Betriebe in ausländischen Besitz und vor allem die stark bekämpfte Finanzkontrolle durch die Enrente bringen kann. ES wird mit Bestimmtheit damit gerechnet, daß die Regierung, falls sie der Entente Sicher, heilen für die zu leistende Reparation geben muß, sich nicht scheuen wird, die Zwangsanleihe den Alliierten zu verpfänden. Dadurch hätten diese sofort die Möglichkeit, die deutschen Industriebetriebe zu kontrollieren. Im übrigen nimmt man in den industriellen Kreisen an, daß der Ge danke der Zwangsanleihe nicht in Deutschland entstanden sein kann, sondern es sich hier um eine Anregung ebenfalls von Seiten der Entente handelt. Man ist in industriellen Kreisen jedenfalls entschlossen, sich mit allen Kräften gegen die Ausliefernng der Zwangsanleihe an das Ausland zu verwahren. Führende Mediziner über die Grippe. Eine Umfrage. Mit einer gewissen Plötzlichkeit ist die Grippe wieder einmal hereingebrochen und hat eine außerordentliche Häufung von Erkrankungen herbeigeführt. Das hat eine Ärztezeitung, „Die medizinische Klinik", veranlaßt, eine Umfrage nach Ursachen, Behandlung, Verhütung usw. zu veranstalten. Die Krankheit ist allmählich vom Süden und Westen aus vorgeschritten. In der Weingegend und in Süddeutschland trat sie früher auf als in Mitteldeutsch land. Freigeblieben ist bisher im allgemeinen noch der Osten, aber auch diese Landesteile werden in den nächsten Wochen vermutlich von der Krankheit erfaßt werden. Professor Moro in Heidelberg teilt mit, daß die Grippe seit Mitte Dezember in Baden einen ungeheuren Umfang angenommen hat. Sie tritt nicht schwächer auf als seinerzeit die sogenannte „Spanische Grippe". Indes zeigt die jetzige Grippe einen mehr gutartigen Verlauf. Es scheint diesem Gelehrten übrigens fraglich, ob es sich um echte Influenza handelt. Geheimrat Brandenburg in Berlin stellt fest, daß die Häufung der Fälle einsetzte mit dem Nachlassen des Frostes und dem Eintritt feuchten, kalten Wetters. Man könne auch auf die Möglichkeit Hinweisen, daß die farbigen Besatzungstruppen des Rheinlandes durch ihre Anfälligkeit den Krankheitsstoff gekräftigt haben. Bei der allgemeinen Durchseuchung dürfte eine wirksame Vorbeu gung nicht möglich sein. Geboten ist der persönliche Schutz der Umgebung des Kranken gegen Anhusten, An niesen und dergleichen mehr. Es empfiehlt sich, in dieser Hinsicht Erziehung und Belehrung des Publikums in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Schluß der Schulen hat kei nen Zweck, da die Kinder auch so genug Möglichkeiten haben, sich anzustecken. Ähnlich äußern sich zahlreiche andere Fachleute. Pro fessor Schittenheim in Kiel findet, wie andere, daß der Verlauf der Krankheit verhältnismäßig leicht ist, fügt aber hinzu: Es ist unmöglich, zu sagen, wie sie weiter ver laufen wird. Ich erinnere daran, daß auch im Jahre '1918 die Seuche zunächst scheinbar leicht austrat und erst all mählich sich ein schwererer Charakter herausstellte. Geheimrat Kuttner in Berlin betrachtet das jetzige Auftreten der Grippe geradezu als einen Nachzügler zu der großen Epidemie von 1918. Wie solche Nachzüglerseuchen überhaupt, so ist auch diese neue Seuche abhängig von Witterung und Jahreszeit. Nachzüglerseuchen kommen immer im Herbst, Frühling oder Winter. Die jetzige Epi demie war zu erwarten. Anfangs waren die Erkrankun gen leichter Natur, aber seit der schnellen Zunahme der Fälle ist auch der Charakter der Erkrankung ernster gewor den. Die Zahl der schweren Fälle wächst von Tag zu Tag. Die Erkrankung beginnt meist mit Beschwerden, die haupt sächlich Nase und Hals betreffen. Bezeichnend ist wieder die große Abgeschlagenheit und die Gliederschmerzen. Einige Male trat die Erkrankung in Form einer tiefen Ohnmacht ein, worauf erst einige Tage später Fieber folgte. Leichte Störungen in Magen und Darm sind ganz reaelmäbia. oftmals io. daß das Besteben einer Blind- „Du wirst es Georg sagen?" stammelte sie fassungs los. Sie machte auch nicht den leisesten Versuch, zu leugnen. Sie gab ihre Sache auf. „Ich werde es ihm sagen. Ich muh ihm doch die Wahrheit gestehen, auch wenn sie ihn noch so hart und schwer trifft!" Sie brach beinahe zusammen. Nur mit Mühe hielt sie sich an, Tische fest, welcher erzitterte unter dem krampfhaften Druck ihres Körpers. „Georg!" Wie ein Schrei flog der Name durch das Zimmer. Aber die drei, welche hier herumstanden, waren viel zu tief erbittert über all das Geschehene und Gehörte; sie vernahmen nicht die furchtbare Qual, welche in dem einen Worte lag; sie hielten Hilda Wentheim nur für eine sehr geschickte Schauspielerin, die unter der Maske der Unschuld ihre eigenen, sehr sonderbaren und irren Wege ging. Die Baronin tastete mit zitternder Hand nach ihrem Mantel. „Wir müssen fort," sagte sie befehlend; „ich bitte Sie, Stegmann, löschen Sie die Lampel Niemand darf auch nur die leiseste Ahnung haben, daß eine — eine Enkelin des toten Grafen Freydeck sich je soweit ver gessen hat. Wir gehen zusammen, und Sie, Herr Rat, begleiten uns bis zum Parktürchen! Hoffentlich kommen wir unge sehen ins Schloß. Von nun an werde ich ganz allein und unausgesetzt über Hilda wachen. Solange sie in unserem Hauseist, wird es ihr nicht mehr gelingen, uns einen so heimtückischen Streich zu spielen. Baron Ullmingen werde ich irgend etwas erzählen!" Die alte Frau war so erregt, daß sie kaum sprechen konnte. Der Nat wiegte bedenklich den weißen Kopf. „Die Sache wird schwer zu verheimlichen sein", sagte er mit einem bezeichnenden Blick auf Günther. Erich sah ihn ernsthaft an. „Ich werde sie sowenig als möglich an die Oeffentlicheit ziehen", sagte er einfach. Die Baronin atmete auf. Ihr graute am meisten vor der öffentlichen Schande. Alles andere ließ sich vielleicht noch gutmachen. Sie faßte Hilda am Arm. „Komm!" sagte sie streng. „Du hast hier nichts mehr zu suchen!" Hilda warf noch einen Blick auf das Zimmer, in dem sie ein paar glückliche Augenblicke, von Liebe und Zärtlich keit umkeat. verlebt batte. darmentzündung vorgekäuscht wird. Wiederholt wurden ernste Herzstörungen festgestellt, so ganz plötzlich bei einer früher ganz gesunden Krankenschwester. Die Erscheinungen waren so schwer, daß ein plötzlicher Tod zu erwarten ge wesen wäre, wenn nicht die Schwester sich gerade im Krankenhaus befunden hätte, wo sofort ärztliche Hilfe zur Stelle war. Geheimrat Kraus in Berlin neigt zu der Ansicht, daß das frühere Nachlassen der Grippe auf einen Durch seuchungsschutz zurückzuführen wäre. Die große Verbrei tung 1918 habe dazu geführt, daß die Mehrzahl der Men» scheu schon durchseucht sei, woraus sich dann ein Seltner- werden der Fälle erkläre. Allerdings fehlt jede Erklärung, wieso nun jetzt die Seuche so „explosionsartig" austreten konnte. Auch dieser Gelehrte ist der Ansicht, daß ein wirk samer Schutz wegen der starken Verbreitung praktisch un durchführbar wäre. Geheimrat Zinn in Berlin denkt daran, falls die Krankheit einen schwereren Charakter annehmen sollte, Versuche mit Serum und mit einer Impfung anzustellen. Dr. K. M. Flugzeuge ohne Motor. Weitere Fortschritte. Das kommende Frühjahr und der Sommer 1922 wer den uns auf einem Gebiete, das uns schon im vorigen Jahre überraschte, voraussichtlich weitere Fortschritte bringen, die zu einer gewissen Vervollkommnung und d amit zu einem einstweiligen Abschluß führen können. Es han delt sich um das Flugzeug ohne Motor, an dem nun schon seit zehn Jahren eine Anzahl fleißiger und selbstloser Köpfe arbeiten. Die verschiedenen Wettslüge im Rhönge birge haben bereits verschiedene Typen dieser Gleit- und Segelflieger gezeigt, Ein- und Zweidecker. Das vorge schrittenste Luftfahrzeug dieser Art scheint zurzeit der Ein decker von Friedrich Harth und Willy Messerschmitt zu sein. Die beiden hatten bereits im Jahre 1910, als man eben die Motorflugzeuge staunend kennengelernt hatte, die Überzeugung, daß ein Weiterarbeiten in anderer Richtung doch noch Erfolg verspreche. Ihr Streben ist um so mehr anzuerkennen, als sie auf materielle Unterstützung kaum rechnen konnten. Das ist nun jetzt nach dem Kriege noch schlimmer geworden. Reiche Leute, die Gelder für Zwecke hergeben, bei denen nicht ein baldiger Gewinn in Aussicht gestellt werden kann, gibt es jetzt leider in Deutschland kaum. Alle, die sich bisher an den Versuchen in der Rhön beteiligten, haben ihr eigenes Vermögen, die Früchte ihrer Arbeit und ihre Haut zu Markte getragen, verdient hat bisher keiner. Was den bisherigen Erfolgen noch eine besondere Note verleiht, ist die Aufmerksamkeit des Auslandes und die teils widerwillige Anerkennung der deutschen Leistungen in der fremden Fachpresse. Man kann sich unschwer vor stellen, was die Herrschaften an der Seine und an der Themse dabei denken. Und schon ist durchgesickert, daß auch die Franzosen diese Fliogertätigkeit aufnehmen wollen. Auch sie planen für den kommenden Sommer Probe- und Wettflüge. Der große deutsche Wettflug in der Rhön ist auf August angesetzt, doch erfolgen vorbereitende Probe flüge schon früher. Die letzten Flüge im Herbst haben Anregungen für neue Konstruktionen gegeben. Der erfolgreichste und schönste Segelslug, von dem mau bisher fast noch aar nichts gehört hat, wurde am 13. September von dem Erfinder Friedrich Harth selbst unter nommen. Er erfolgte über einem Gelände von ganz ge ringem Gefälle bei einem Südwinde von 10 bis 12 Nietern in der Sekunde, der stark mit Böen durchsetzt War. Nach einigen kurzen Probeflügen startete Harth ohne Hilfskraft. Starke Böen hoben den Eindecker vom Boden ab. Lang sam steigend flog Harth bis zur Straße Wüstensachsen- Bischossheim, beschrieb von dort aus eine Kurve, die ihn zum Start zurückbrachte, umkreiste dann in 150 Meter Höhe den Heidelstein usw. Während des ganzen Fluges lag das Flugzeug ruhig in der Lust und stellte sich saft ganz von selbst auf die Windrichtung ein; der Rumpf des Flugzeuges und damit der Führersitz verblieben in ruhiger Lage. Nach 21)4 Minuten fetzte das Flugzeug in der Nähe der Anfangsstelle sich glatt auf den Boden. Es war ein tatsächlich einwandfreier Segelflug, der das Fahrzeug Sie vermochte nichts mehr zu Senken. Nur Erichs Gesicht sah sie noch deutlich, alles andere schien ihr verschwommen und schemenhaft. Mit einem wilden Ruck riß sie sich los und lag eine Sekunde später vor dem jungen Manne auf den Knien. „Sag' ihm nichts I Um Gottes willen, Erich, sage Georg nichts! Nimm ihn mir nicht auch noch! Ich bitte dich! Ich bitte dich!" Sie hielt die gerungenen Hände empor und blickte ihn an mit einem Ausdruck wahnsinniger Verzweiflung. „Sage, wen hast du hier geküßt? Sage es mir, mir allein, Hilda!" Noch einmal hoffte er, sie zur Aufrichtigkeit zu be wegen. Aber da sah er, wie sie die Lippen aufeinander preßte, wie sie sich todmüde erhob und sich schweigend ab wandte. Und da schritt auch er mit kurzem, stummen Gruß nach der Tür. Aber der Gruß galt nur den beiden allen Leuten, lieber Hilda sah er hinweg. 13. Kapitel. Dor Gericht. Der Prozeß „Günther" hatte in Wien großes Aufsehen erregt, und zwar aus mehr als einem Grunde. Erstens war die Familie Freydeck in der ganzen aristo kratischen Welt und auch in den gebildeten Bürgerkreisen sehr bekannt. Der alte Graf, welcher auf eine so sonderbare und rätsel hafte Weise ums Leben gekommen war, hatte einst viel in den Künstler- und literarischen Zirkeln verkehrt; sein un glücklicher Sohn, Graf Hugo, welcher immer noch hoff nungslos geistig erkrankt erschien, war in der Sports- und Militärwelt vielfach befreundet. Jetzt, wo durch den Prozeß „Günther" auch der Name „Freydeck" in aller Munde war, jetzt erinnerte man sich auch wieder deutlicher an alle die tragischen Vor gänge der Vergangenheit, von welchen die gräfliche Fa milie schon betroffen worden war: an den nie völlig auf geklärten Tod Ernsts, des einstigen Majoratsherrn, in Amerika, an Lucies Flucht aus dem elterlichen Hause und ihre Heirat. Man besprach Altes und Neues; man kritisierte und flüsterte. Aber im allgemeinen hatte doch die Familie von Freydeck diesmal alle Teilnahme für sich, und gleich von allem Anfang an bildete stich eine gewisse Abneigung gegen die Familie Günther im Publikum, die auch während des Prozesses dann und wann zum Aus druck kam.