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Wilsdruffer Tageblatt : 27.01.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-01-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192201274
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220127
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220127
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-01
- Tag 1922-01-27
-
Monat
1922-01
-
Jahr
1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 27.01.1922
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bei den Gemeinderaiswahken in Tirol fast überall gesiegt. In Bozen wurden 27 Deutschkatholiken und sechs Sozialisten gewählt. Smyrna. Da Gerüchte über Lie Anwesenheit tü Mischer Unterseeboote in der Nähe im Umlauf sind, haben die griechischen Behörden verfügt, daß alle Lichter am Eingang des Hafens gelöscht werden müssen und daß kein Schiff während der Nacht in den Hafen einlaufen darf. Deutscher Reichstag. (159. Sitzung.) LA. Berlin, 28. Januar. Präsident Loebe eröffnete die heutig« Sitzung mit der Mitteilung, daß die Beratungen baldmöglichst abgebrochen werden sollen, um den Fraktionen Gelegenheit zur Stellung-, nähme zu den wichtigen politischen Angelegenheiten zu geben. Hierauf wurde die Interpellation der Deutschnattonalen über den Wagenmangel bei der Reichseisenbahn behandelt. In der Interpellation wurde darauf hingewiesen, daß die deutsche Reichseisenbahn in keiner Weise den An sprüchen genüge. Landwirtschaft, Industrie und Handel litten infolge der unzulänglichen Wagengestellung, und daraus er geben sich verhängnisvolle Folgen für Volk und Wirtschaft. Außerdem lag ein Bericht des Ausschusses für Bildungswesen vor, in dem die Forderung gestellt wird, den Ausschuß, der die Eisenbahnpersonentarife bearbeite, zu ersuchen, daß auch die kulturellen Interessen darin vertreten sind. Weiter wird für Studenten deutscher Staatsangehörigkeit oder deutschen Stam mes für die Fahrt von und zur Hochschule die gleiche Ermötzi- gung verlangt, die für Arbeiterkarten gewährt wird. Besondere Rücksichtnahme wird auch für die Jugendpflege und Volkshoch schulen gefordert. Abg. Vogt-Hall (Deutschn.) begründete die Interpellation, wobei er vermehrten Wagenbau, raschere Ausbesserung, schnel leren Umlauf der Wagen verlangte. In die Verwaltung müsse mehr kaufmännischer Geist einziehen. Der Redner verlas zahl reiche Klagen über mangelnde Wagengestellung. In dem einen Falle sind vom Hamburger Hafen englische Kohlen in deutschen Güterwagen nach der Schweiz geschafft worden. Es müßten doch deutsche Güterwagen vorhanden sein, um der deutschen Landwirtschaft auf bedeutend kürzerem Wege Kohle» zuzuführen. Reichsverkehrsminister Gröner beantwortete die Inter pellation, wobei er hervorhob, in der Organisation der Wagen gestellung sei durch den Übergang der Eisenbahn auf das Reich keinerlei Änderung eingetreten. Seit 1911 bestehe der deutsche Wagenverband. Den gesteigerten Anforderungn von 1921 wäre die Reichseisenbahn noch nicht gewachsen. Die frühe Ernte und das völlige Versagen der Wasserstraßen brachten schon im August eine Wagennot. Es wurden 60 Prozent Wagen mehr verlangt als im Vorjahre. Im November waren es noch 40 Prozent mehr. Die Getreideeinfuhr aus dem Auslande und das Deäungsbedürfnis der Beförderung auf allen Warenge- bieten verschärfte die Lage. Im Anschluß hieran verlas der Minister die Zahlen der Wagenanforderung auf den einzelnen Gebieten. Sodann betonte er, ungeachtet aller Schwierigkeiten ist die steigende Tendenz der Wagengestellung noch im De zember 1921 beibehalten worden. Da konnte diese Besserung nicht Schritt halten mit dem Bedarf, mit der starken Entwick lung des Verkehrs und des Wirtschaftslebens, doch ist Hoff nung vorhanden, daß wir auch im neuen Jahre den Anforde rungen genügen werden. Im lausenden Wirtschaftsjahr wird die Zahl der neuen Güterwagen 70 000 erreichen. Auch für 1922 ist die Beschaffung einer beträchtlichen Zahl neuer Wagen vorgesehen. Der Reparaturstand der Güterwagen ist jetzt fast so günstig wie vor dem Kriege, bei den Lokomotiven ist der Reparaturstand einstweilen noch ungünstiger als im Frieden. Bei der Kohle sind stärkere Ausfälle nur in den ersten Tagen des Januar gewesen. Für Düngemittel sind im Januar 26 537 Wagen mehr gestellt worden als im gleichen Zeitraum des Vor jahres. Seit Oktober beträgt die Mehrgestellung an Wagen für Düngemittel 88 000. Der Bedarf der Landwirtschaft an Dünge mitteln Wird für die Frühjahrsbestellung voraussichtlich gedeckt werden. Auf Antrag des Abg. Schiele (Deutschn.) wurde hierauf in die Besprechung der Interpellation eingetreten. Aba. Dr. Quaatz (D. Volksp.) erklärte, wenn es dem Trans portwesen nicht gelingt, die außerordentlich steigende Güterpro- Luktion zu bewältigen, dann nützen uns die längsten Zahlen reihen nichts. Sondern dann stehen wir vor einem Bankrott unseres deutschen Verkehrswesens, der unsere gesamte Wirt schaft lahm legen muß. Abg. ten Hompel (Zentr.) führte ebenfalls Beispiele für mangelnde Wagengestellung an. Das Verkehrswesen ist das Nervensystem des Wirtschaftslebens, es darf nicht versagen. Hierauf wurde die Besprechung der Interpellation abge brochen. Die Vorschläge des Ausschusses auf bessere Berück- klcktiauna kultureller Interessen Lei Festsetzung der Tarife wur- Die Grafen von Freydeck. j 5If Roman von A. Ostland. Und nun saß sie und erwartete in fieberhafter Un geduld das Hereinbrechen der Nacht. Ihr war unheimlich und angstvoll zumute, wie noch nie. Es war den ganzen Tag über hier im Schlosse etwas vorgegangen, worüber sie sich nicht klar wurde. Am Morgen schon war Doktor Amberg mit zwei fremden Herren gekommen. Sie blieben sehr lange bei Hugo von Freydeck, und als sie endlich wieder sichtbar wurden, sahen sie so ernst darein und hatten eine lange Unterredung mit Baronin Berghaus und dem Freiherrn von Ullmingen. Hilda erfuhr nichts von dem Inhalt dieses Ge spräches. Sie sah nur, daß Frau von Berghaus verweinte Augen hatte und noch ernster aussah, als sonst. Auf eine schüchterne Anfrage erhielt sie keine Antwort. Aber zum ersten Male seit langer Zeit ließ man sie allein und dachte kaum daran, sie zu beaufsichtigen. Sie hatte nur den Befehl erhalten, in ihrem Zimmer zu bleiben. So saß sie denn hier, immer auch ein wenig hinaus horchend auf die Geräusche, welche von den Gängen zu ihr hereindrangen. Es schien, als ob man schwere Sachen draußen vor beitrage,- halblaute Befehle wurden erteilt, die Diener liefen geschäftig hin und her. Und jetzt klopfte jemand plötzlich auch an Hildas Tür. „Fräuleinchen, wissen Sie nicht den Schlüssel von der großen Juchten-Reisetasche?" fragte Frau Wiltens eilig den Kopf mit dem weißen Häubchen durch einen Spalt der Tür steckend. „Wir suchten ihn schon überall. Da hab' ich mich erinnert, daß Sie ja einmal die Schlüssel ver wahrten, Fräulein Hilda!" „Hier sind sie alle", sagte Hilda teilnahmslos und nahm einen Bund Schlüssel aus einem Wandschränkchen. „Hier, dieser gehört zu der Reisetasche!" Frau Wiltens zögerte noch eine Minute. „Wissen Sie denn auch, wer reist?" wisperte sie ge- yeimnisvoll. „Nein." Die Antwort klang so müde. Der gutmütigen, alten Frau tat das Herz weh, wenn sie in dieses leidvolle, junge Gesichtchen sah. Sie schlüpfte ganz ins Zimmer und zog hinter sich sacht die Tür zu. „Der Herr Graf wird fortgebracht", flüsterte sie. „Er soll ganz wirr sein im Kopfe, sagt Gottfried, der manchmal ru ibm durste außer dem fremden Wärter. Jetzt kommt den angenommen. Darauf schloß -die Sitzung. — Nächste Sitzung Donnerstag. „Entgegennahme einer Er klärung der Reichsregieruna." Nie Beisetzung -es Papstes. Neuntägige Begräbntsfeievlichkeiten. In der Krypta der Peterskirche fand am 25. Januar die Beisetzung Benedikts XV. statt. Zwischen einer Dop pelreihe von Schweizergarden, die die militärischen Ehren erwiesen, wurde die Leiche unter Fackelbegleitung in die Chorkapelle gebracht, wo der Chor das „Lliseroro" an stimmte. Drei Särge umschlossen den Leichnam: Der erste ist aus Zypressenholz und mit Seide gefüttert, der zweite besteht aus Blei, der dritte, dev Inschrift und Wappen trägt, ist aus poliertem Ulmenholz gefertigt. Nachdem die Leiche in dem ersten Sarg niedergelegt war, erfolgte die Einsegnung, worauf der Kardinal-Camortengo das Gesicht und die Hände des Papstes mit einem weißen Leinentuch bedeckte; zwei rote Samttaschen mit Gold- und Silbermünzen, die zur Zeit Benedikts geprägt worden sind, wurden ihni zu Füßen gelegt. Darauf wurde der erste Sarg geschlossen und mit violetten Bändern ver siegelt. Der zweite Sarg wurde verlötet in den mit ver goldeten Schrauben verschlossenen dritten Sarg gesenkt. Darauf geleitete man den Sarg vor den Hauptaltar, wo er in die Gruft hinabgelassen wurde. Es sei noch bemerkt, -daß mit der Beisetzung die Bs- gräbnisfeierlichkeiten noch nicht abgeschlossen sind: sie dau- ern neun Tage. Neueste Meldungen. Opfer des Mürzaufstandes. Perlin. Wie aus einer Antwort des Ministers Severing auf eine Landtagsanfrage hervorgeht, beträgt die Zahl der Opfer des mitteloeutschen Aufstandes: bei der Zivilbevölkerung 145 Tote, 51 Verwundete und 2 Vermißte, bei der Schutzpolizei 32 Tote, 67 Verwundete. 33 Millionen hungernde Russen. Berlin. Laut Nachrichten des Nansen-Hilfskomitees wer den gegenwärtig in Rußland 33 Millionen Hungernde gezählt. Die Lage in der Wolgakommune ist nach den letzten Berichten entsetzlich. Von etwa 32 000 Kindern der Stadt Rowno, in der in der Hauptsache deutsche Ansiedler wohnen, können 8500 regel mäßig Nahrung erhalten. In den Hungerbieten macht sich jetzt auch ein starker Mangel an Ärzten geltend. Durch den Ärzte« mangel vergrößert sich auch immer mehr die Seuchengefahr.'' Das Dessauer Hoftheater zerstört. Dessau. Der Brand des Friedrich-Theaters, das mit sei nem reichen Inventar als verloren gilt, brach während einer Probe durch eine Explosion auf dem Schnürboden aus. Menschen kamen nicht zu Schaden. Das Feuer hat die benach barten Kammerspiele und ein Geschäftshaus ergriffen und be droht weitere Gebäude. Franzosen beschlagnahmen deutsche Geldspenden Saarbrücken. Einer Meldung zufolge sind die durch die Sammlungen im besetzten Gebiet aufgebrachten Gelder für die Avignongefangenen, die dazu dienen sollten, den noch Inhaf tierten durch Liebesgaben das harte Los zu erleichtern, von der Interalliierten Rheinlandkommission im gesamten besetzten Ke- m«t beschlagnahmt worden. Vom Eise eingeschlossen. Riga. Sechs deutsche Dampfer sitzen im Rigaischen Meer busen in schwerem Eise fest und befinden sich in sehr gefähr licher Lage. Da die russischen Eisbrecher nicht ausfahren kön nen, ist ein deutscher Kreuzer von Kiel aus zu Hilfeleistung ab gefahren. Abänderung des Achtstundentages in Frankreich. Paris. Der Kammerausschuß für Arbeiterfragen hat be schlossen, eine durchgreifende Revision des Gesetzes über den Achtstundentag vorzuschlagen. Nach dem Vorschläge des Aus schusses soll die Arbeitsdauer sür die verschiedenen Industrie zweige durch besondere Gesetze je nach dem Bedürfnis des be- tonderen Zweiges verschieden geregelt werden. Auslieferung des Mörders Jeschke^ l)X Paris. Der seinerzeit aus dem Gefängnis in Groß- Strehlitz befreite Mörder des Majors Montalögre, Jeschke, der in Breslau wieder verhaftet werden konnte, wird der Inter alliierten Regierungskommisston in Oppeln zur weiteren Ver büßung seiner Strafe ausgeliefert werden. er in eine Heilanstalt. Aber wissen Sie, Kindchen, was die Leute alle sagen? Die Baronin will es absolut, daß er in die Anstalt kommt, ehe der Prozeß anfängt. Warum, das weiß ich nicht. Aber es ist eine Privatanstalt und weit weg. Kein Mensch darf hier ein Wort mit dem Grafen sprechen. Und dort wird er noch einsamer sein. Die Baronin fährt heute abend mit zur Bahn mit dem Grafen und den zwei fremden Herren!" „Sie fährt selbst mit? Wann?" Die Mitteilung, daß die Baronin selbst für mehrere Stunden des Abends Schloß Freydeck verlassen wolle, schien Hilda wie eine Himmelsbotschaft. Dann war doch wenigstens die strengste Hüterin entfernt. Mit dem Freiherrn würde es leichter sein. Da konnte sie sich unter dem Vorwand eines Unwohlseins vielleicht eher zurückziehen. Wenn es ihr dann noch gelang, die Hunde zu besänftigen und unbehelligt durch sie aus dem Park zu kommen — den Schlüsselbund zu dem eisernen Türchen trug sie seit langem bei sich, ohne daß jemand die leiseste Ahnung davon hatte —, dann konnte sie am Ende doch noch ihr Versprechen halten und nach der alten För sterei laufen. Ihr graute freilich, wenn sie an den einsamen Weg dachte durch den Forst. Aber ihr Vater wartete ja auf sie. Sie konnte ihm endlich einmal wieder alles erzählen, konnte vielleicht Nachricht erhalten über Georg. Er hatte ja versprochen, sich vorsichtig zu erkundigen. Alle diese Gedanken schossen ihr durch den schmerzen den Kopf, und sie sah der Antwort der alten Dienerin mit aufrichtigem Interesse entgegen. Die Frau freute sich über den belebten Ausdruck des schönen, jungen Gesichtes und über die leichte Farbe, welche in die schmalen Wangen stieg. Sie war zwar schon „am Sprunge", denn die Baronin Berghaus konnte „Trödeleien" nicht vertragen; aber sie blieb doch noch ein paar Minuten stehen. „Ja, wann sie abfahren, Fräuleinchen, das weiß ich nicht. Aber ob die Frau Baronin überhaupt heute noch wiederkommt, das ist zweifelhaft, soviel ich gehört habe. Vielleicht fährt sie auch mit nach Wien und bleibt dort über Nacht. Das wär' nicht gar so schlecht, Fräulein Hildchen, was? Wenigstens könnten Sie auch einmal ein paar Stunden aufatmen!" Die Alte nickte dem jungen Mädchen pfiffig lächelnd zu und ging hinaus. Eine Stunde später nahm die Baronin Berghaus Oie Tkoi -er presse. Betriebsräte gegen Druckpapierteuerung. . Die Betriebsräte der Leipziger ZeitungSbetriebe haben fol gende Entscheidung an die Reichsregierung gesandt: „Die Betriebsräte der Leipziger Zeitung-betriebe ersuche« die Regierung, unverzüglich alle geeigneten Maßnahmen zur Beseitigung der wirtschaftlichen Gefährdung der Tagespresse zu ergreifen. Die Leipziger ZeitungSbetriebsräte fordern die Re gierung auf, der Verteuerung des Druckpapiers entgegcnzu- wirken durch Überwachung der Holzpreispolitik der «inzelstaat- lichen Forstverwaltungen, ferner durch Überwachung der Preis politik der Papier- und Zellulosefabrikanten. Die Ausfuhr für Druckpapier ist strenger als bisher zu kontingentieren, nötigen falls gänzlich zu sperren. Jede Gefährdung -cS Jnseratenver- kehrs durch erhöhte Umsatzsteuern muß vermieden werden. Die Versorgung des Gewerbes mit dem nötigen Druckpapier ist sicherzustellen durch Einreihung des Zeitungsdruckpapiers in die Klasse der lebensnotwendigen Bedarfsgegenstände. Die Leip ziger Zeitungsbetriebsräte glauben, die Negierung darauf auf merksam machen zu müssen, daß die betroffene Arbeiterschaft dem Ruin ihres Gewerbes durch die Ausbeutungsmethoden einer Unternehmergruppe nicht tatenlos zusehen dürfte." Aus Stadt und Land. Wittel.^«»-» Mr dies« ««drill nehmen mir immer dmeildar «Uinraen. Wilsdruff, am 26. Januar. Der Dreslm EWohmOM zusmniMbttW- Nachdem sich am Dienstag die Anzeichen dafür mehrten, daß der Streik im Zusammenbrechen sei, war plötzlich in der Nacht zum Mittwoch eine arge Verschärfung der Lage einge treten, die wohl nur dadurch kommen konnte, daß die Leitungen der drei in Frage kommenden Eisenbahnergewerkschaften es nicht vermochten, auf die wilde Streikleitung einen Einfluß aus zuüben. Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, als ob die Leitungen der drei Eisenbahnerverbände (Sozialistischer Deutscher Eisenbahnerverband, Christlich-nationale Gewerk schaft deutscher Eisenbahner, Reichsgewerkschaft deutscher Eisen bahnbeamten und -Anwärter) sich gegenseitig stark mißtrauen und beargwöhnten und darüber nicht zu einer einheitlichen Stellungnahme kommen könnten. So war es möglich, daß ein 24jähriger junger Mann, der nicht einmal im Eisenbahndienst, sondern in der Eisenbahnbetriebswerkstätte beschäftigt ist, die Leitung der Streikbewegung behalten und in der Nacht zum Mittwoch den Streik noch einmal neu entfachen konnte. Als aber dann wieder im Laufe des Mittwoch sich von neuem zeigte, daß alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Durchführung des Streikes fehlten, brachte es dieser selbe junge Mann fertig, in einer von der Streikleitung am Mittwoch einberufenen Eisen bahnerversammlung so geschickt den Rückzug anzutreten, daß die Versammlung mit 2000 gegen nur 30 Stimmen beschloß, den Streik abzubrechen und am Donnerstag den Dienst wieder auf zunehmen, nachdem die Eisenbahnverwaltung die Zusage ge geben hatte, daß Maßregelungen wegen des Streikes nicht statt finden sollen. Eine zur gleichen Zeit in einem anderen großen Dresdner Saale abgehaltene Parallelversammlung endete mit dem gleichen, den Streik ablehnenden Resultate. Da in dieser Versammlung auch die Vertreter der Eisenbahner von Leipzig, Chemnitz und Zwickau anwesend waren, um nach dem Aus gange der Dresdner Abstimmung ihre Kollegen zu instruieren, dürfte wohl mit dem Streikabbruchbeschluh der Dresdner nun mehr auch ein ähnlicher Beschluß in den übrigen Städten zu erwarten sein. — Ueber den Streik und seine trotz der kurzen Dauer doch außerordentlich schweren nachteiligen Folgen sür unser Wirtschaftsleben wird noch manches zu sagen sein. Die Wiederausnahme -es Verkehrs. Dresden, 26. Ian. (tu.) Die Arbeit ist heute morgen um 8 Uhr wieder ausgenommen worden. Allerdings wird sich der Verkehr in den nächsten zwei, drei Tagen nicht so glatt ab wickeln lassen, da Stockungen im Güterverkehr wie auch im Per sonenzugverkehr jeden freien Verkehr ndch behindern. Nachdem Dresden sich zur Wiederaufnahme der Arbeit entschlossen hat, wird auch Zwickau die Arbeit wieder aufnehmen. Heute früh fand eine große Versammlung der Zwickauer Eisenbahner statt, in der entscheidende Beschlüsse gefaßt werden sollten. Auch die Leipziger Eisenbahner werden sich dem Vorgehen der Dresdner und Zwickauer Eisenbahner anschließen. hastig und kühl Abschied von dem Mädchen. Sie stand auf dem langen, dunklen Korridor. Hier und da brannte wohl ein Licht, aber trotzdem lauerte in allen Ecken und Winkeln die Finsternis Nur über Hildas Gesichtchen und den Kranz von schimmernden Flechten zuckte dann nnd wann ein hellerer Lichtstrahl. Während noch die Baronin dem jungen Mädchen eine Flut von Ermahnungen gab, öffnete sich die Tür zu den Gemächern des Grafen Hugo, und er selbst er schien auf der Schwelle, begleitet von zwei Herren und seinem Wärter. „Wo führen Sie mich hin?" fragte er laut und auf geregt. „Ich bin gar nicht krank — nur hier — mein Kopf" — er griff sich mit einer hastigen Gebärde an die Stirn — „der schmerzt manchmal. Aber sonst fehlt mir nichts — gar nichts!" Doktor Amberg, welcher etwas seitwärts gestanden hatte, trat mit begütigenden Worten auf ihn zu. Aber der Gras schien gar nicht auf ihn zu hören. An dem Arzte vorüber fiel sein Blick gerade auf Hilda Wentheim und blieb an ihr hängen. Erst glitt sein Auge unstet über ihre ganze, liebliche Erscheinung hin, dann aber schien es sich förmlich festzusaugen an dem zarten Ge sicht und dem leuchtenden Haar. Plötzlich stieß der Graf die Herren beiseite und lag tm nächsten Augenblick vor Hilda auf den Knien, in ein wildes Schluchzen ausbrechend. „Gretchen," rief er immer wieder; „Gretchen l Stoße mich nicht fort l Bleibe bei mir! Gretchen! Julie! Ver zeiht l Verzeiht!" Hilda war im ersten Augenblick entsetzt zurückgewichen. WaS wollte er wieder von ihr? Sie fürchtete sich unsäglich vor seinen heißen Augen, vor der Stimme, welche so seltsam heiser klang. Aber als sie in sein entstelltes Antlitz blickte, über welches schwere Tränen rannen, da faßte sie das Mitleid. Sanft beugte sie sich nieder und strich ihm das wirre Haar aus der Stirn. Dann fragte sie ganz leise, so daß nur er allein die Worte verstand: „Was willst du, Onkel Hugo? Meinst du Gretchen Wentheim? Bitte, sprich!" Er lag noch immer auf den Knien vor ihr, obgleich sich Doktor Amberg und die Baronin bemühten, ihn auf- zurtchten. „Was ich von ihr will?" murmelte Graf Hugo; „ja, was ich will? Sie soll mir verzeihen — endlich verzeihen. Habe ich nicht genug gebüßt? Was steht sie noch einmal auf gegen mich, und — und — «eben ihr steht Mist
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