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Fernsprecher Wilsdruff 7lr. 6 fÜk UNd I^MgegLNd Postscheckkonto Dresden 2640 Dirses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrat» -u Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Verleger Arthur gschuuke i« WUedruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Her«««« Lässig, für de« Inseratenteil: «rthnr Zsch«n»e, »eide 1« WU,dr«ff. Nr. 16 Donnerstag den 1S. Januar 1S22. 81. Jahrgang Amtlicher Teil. Die Auszahlung der MinderbemitteHeubeihilfe auf Mouat Jauuar lS22 erfolgt Freitag den 26, d. M. vorm. 9 bis 1 Uhr in der Stadtkasse. Wilsdruff, am 17. Januar 1922. i?-i Der Stadtrat. für diejenigen Einwohner, die wochenweisen Bezug angemeldct haben, findet am 20. Januar von 8 bis 11 Uhr und 1 bis 4 Uhr in der neuen Schule statt. — Bezahlung und Bezugs- marken vorher in Zimmer 2. — Wilsdruff, am 16. Januar 1922. inr Ter Stadlrat. Kehrlöhne des Schornsteinfegers. Zu der unter dem 31. März 1921 (Tageblatt vom 21. Avril 1921) bekanntgegebenen Grundgebührenordnung ist an Stelle des bisherigen Teuerungszuschlags von 75 Prozent ein solcher von 150 Prozent festgesetzt worden. Die Erhöhung tritt vom 1. Januar 1922 ab in Kraft. Wilsdruff, den 17. Januar 1922. nir Der Vorsitzende des Kehrverbandes Wilsdruff. Meine Zeitung für eilige Leser. * Die deutsche Regierung hat eine offizielle Einladung er balten, an der am 8. März in Genua beginnenden Wirtschafts- Konferenz teilzunehmen. Deutschland wird in Genua durch fünf Delegierte vertreten sein. * Die Regierungsvorlage über die Aufbesserung der Be- amten- und Staalsangestelltenbezüge sollen den Reichstag am "20. Januar beschäftigen. * In Dublin fand die Übergabe der RegiernngSgewalt an die einstweilige Regierung des irischen Freistaates statt. * Zur Konferenz in Genua sind nach Mitteilungen der itali enischen Regierung vierzig Nattonen mit über 1000 Delegierten eingeladen. * Im italienischen Ministerrat teilte der Ministerpräsident Bonomi mit, daß das europäische Finanzkonsorttum binnen 20 Tagen in London gegründet werde. * In Amerika und England macht sich ein heftiger Unwille gegen die französische Sonderpolitik in der Wiederausbanfrage bemerkbar. * Der chinesische General Wu Pei-su richtete an die Regie rung in Peking ein Ultimatum, wonach diese innerhalb einer Woche zurücltreten solle. * An der Berliner Dienstagsbörse wurde der Dollar mit 184)4 notiert. Die Einladung. Herr Lenin hat gebeten, von Genua Abstand zu nehmen und, wenn irgend möglich, die europäische Wirt- schaftskonferenz nach London einzuberufen. Trotzdem hat die italienische Regierung nunmehr die Einladungen nach Genua verschickt, und auch dem deutschen Reichskanzler ist sie durch den Berliner italienischen Botschafter in aller Form zugestellt worden. Man darf sagen, daß sich dieses Schriftstück in Wortlaut und Sprache einigermaßen wohl tuend von den „Einladungen" unterscheidet, mit denen unsere Regierung bisher zur Teilnahme an den Verhand lungen in Spa, in London, in Cannes beehrt worden ist, wie überhaupt der Grundsatz der Gleichberechtigung aller einzuladenden Mächte offenbar gewahrt werden soll. Auch daran hat der Oberste Rat sich nicht gestoßen, daß Bürger Lenin es als zweifelhaft hinstellte, ob er persönlich, wie es gewünscht wurde, nach Genua werde kommen können, ebenso wie Poincars es zunächst offen ließ, ob er in höchst eigener Person oder ein minder hochgestellter Beamter sei nes Dienstes sich mit Lloyd George und den Hauptver tretern der Festlandsmächte in der italienischen Hafenstadt an einem gemeinsamen Beratungstische niederlassen werde. Das einmal für Genua festgelegte Programm wird ausge führt, sogar mit einer Fixigkeit, die in Anbetracht der ge- gebmen Umstände als ungewöhnlich bezeichnet werden muß. Am 8. März soll dieser neue Tanz beginnen — wenn Lis dahin nicht abermals irgendwelche unvorherge sehenen Ereignisse eintreten. Bis dahin wird Wohl die Reparationsfrage für Deutschland so oder so einen entscheidenden Schritt vor wärts getan haben. Innerhalb 14 Tagen soll die deutsche Negierung ihr Programm für die Sanierung dem Budget für die Einstellung der Notenfabrikation und für die Ab lösung der Geld- und Sachleistungen des Jahres 1922 vor gelegt haben, so daß der Reparationskommission bis zu Beginn der Tagung von Genua immer noch ein reichlicher Monat übrig bleibt, ihrerseits zu den deutschen Vorschlä gen Stellung zu nehmen. Diese Seite der Angelegenheit wird aber bekanntlich in Frankreich für ungleich dring licher gehalten als der Wiederaufbau Gesamteuropas, und so hat Herr Poincarö Zeit genug, seine aus der Vor- wie aus der Nachkriegszeit hinreichend bekannten Künste als gewissenloser Völ-Krverhetzer spielen zu lassen. Schon scheint sich der Ton der französischen Presse mehr und mehr auf die Klänge umzustimmen, die der neue Herr und Meister so über alles liebt. Und die englischen Kabinetts-- mitglieder, die im Auftrage des Premierministers Ver handlungen mit Poincars über die von Briand im Stich gelassenen Probleme aufnehmen, stoßen auf eine gelassene Art, die Dinge zu behandeln, als hätte Frankreich gar kein sonderliches Interesse daran, zu einem bestimmten Abkom men zu gelangen. In London fühlt man den Temperatur wechsel selbstverständlich deutlich genug heraus. Ein so franzosenfreundliches Blatt wie die „Times" hält es um deswillen für seine Pflicht, auf den besonderen Ernst der durch Briands Rücktritt geschaffenen Lage hinzuweisen und die Franzosen dringend zu mahnen, endlich die Augen zu öffnen vor den Gefahren, denen sie entgegentaumeln. Solange dieser Geisteszustand dauere, sei es zweifelhaft, ob die europäische Krise, sei es die politische, sei es die wirtschaftliche, erfolgreich behandelt werden könne. Schon in Washington habe die amerikanische Negierung den gan zen Einfluß aufbieten müssen, um ihre Presse zurückzu halten, sonst hätte eine so furchtbare Explosion gegen die Halsung der Franzosen stattgefunden, daß selbst den Blin desten die Augen geöffnet worden wären. So zu lesen in einem Blatte» das seit 1914 mit Frankreich durch dick und dünn gegangen ist; da kann man sich wohl denken, wie die Stimmung in denjenigen Kreisen Großbritanniens be schaffen ist, die sich von dem Alliancerausch der Kriegsjahre schon längst freigemacht haben. Aber hat PoincarS nun noch eine Wahl zwischen den Erwartungen, die feine Re gierungsübernahme Hervorrufen mutzte, und den War nungen, die von besten Freunden Frankreichs kommen? Er selbst hat nach dem Zeugnis verschiedener Politiker, mft denen er wegen Eintritts in sein Kabinett verhandelte, davon gesprochen, daß die Lage seit der Konferenz von Cannes mindestens so ernst geworden sei, wie sie im Som mer 1914 gewesen ist. Er hat gerade unter Berufung auf diese allen Nichtfranzosen vollkommen unverständliche Deutung der Zeichen Ler Zett zur Erneuerung der neu tralen Einheitsfront aufgefordert, die allein die Republik befähigen würde, sich in den Nöten der Gegenwart sieg reich zu behaupten. Unter diesen Umständen wird alles darauf ankommen, ob außerhalb Frankreichs sich eine feste Hand findet, das Steuer der Weltwirtschaft mit ruhiger Sicherheit zu füh ren. Wie die Dinge liegen, kann für diese Rolle kein ande rer Staatsmann in Frage kommen als Lloyd George, Sein Auftreten in den letzten Tagen spricht dafür, daß er sich der Wichtigkeit der Aufgabe, die ihm durch den Rück fall seiner französischen Bundesgenossen in den schlimmsten Zeiten des Chauvinismus zugefallen ist, vollauf bewußt ist. Alles wird davon abhängen, ob feine diplomatische Kunst noch ausreicht, um Herrn Poincarö die gefahrvollen Wege, die er abermals einzuschlagen gedenkt, zielbewußt Lu verlegen. Jie erste Antwort der Bereinigteil Staaten an die neue «Mariftische Regierang Frankreichs. Die Erbitterung in Amerika. Washington, 17. Ian. Der Finanzausschuß des Se nats hat den Antrag betreffend die Konsolidierung der alliierten Schulden angenommen und zahlreiche Bestimmungen ausge schieden, gegen die sich das Schatzamt wandte, namentlich die, dass der Zinsfuß nicht geringer als 5 v. H. sein dürfe. Im übrigen wurde der Gesetzentwurf in der Form genehmigt, die das Repräsentantenhaus angenommen hatte. Er sieht die Bil dung eines Ausschusses vor mit der Befugnis, die Kriegsobliga tionen zu konsolidieren oder den Verfalltag hinauszuschieben. Der Senat hat eine Resolutton Mac Cormick angenommen, in der das Staatsdepartement ersucht wird, eine Untersuchung über die europäische Finanzlage und die Wirkungen anzustellen, die die Landrüstungen der europäischen Länder auf die euro päischen Schulden an die Vereinigten Staaten haben könnten. London, 17. Ian. Daily Expreß schreibt zur Annahme der Resolution Mac Cormick durch den amerikanischen Senat, dies könne als die erste Antwort der Vereinigten Staaten an die neue militaristische Regierung Frankreichs angesehen werden. London, 17. Ian. Die Westminster Gazette meldet aus Washington: Die Aussichten auf eine wirksame Teilnahme Ame rikas in Genua oder bei anderen europäischen Verhandlungen, wie sie von Poincars gefordert werde, würden stündlich geringer. Eine führende politische Persönlichkeit in Washington erklärte, Amerika werde nichts ungeschehen lassen, um die Verantwor tung für die Folgen der chauvinistischen Tätigkeit von sich ab zuwenden, die die französische Politik für die nächsten Monate bezeichnen werde. Der Washingtoner Berichterstatter der Times schreibt: In Amerika sei man der Ansicht, daß die Widerstände Frankreichs ernstlich, wenn nicht unheilbar, die Aussichten auf den Wieder aufbau Europas auf liberaler Grundlage gefährdeten. Man be fürchte, daß die französischen Militaristen es dahin treiben würden, durch Europa Amok zu laufen. Es heiße, die sranzö- fische Politik werde derart sein, daß darauf Unordnung entstehen könne und Harding sofort die amerikanischen Besatzungstruppen vom Rhein zurückziehen werde. Es könne nicht gezweifelt werden, daß die amerikanische Regierung gegebenenfalls sich in diesem Sinne entscheiden und das letzte Symbol der Teilnahme Ameri kas am großen Kriege und damit jede Aussicht auf unmittelbare Mitwirkung der Vereinigten Staaten bei den wirtschaftlichen Aufgaben des Friedens verschwinden lassen werde. Oie Grenzen unserer Leistungsfähigkeit. Die Rede Dr. Nathenaus in Cannes. Die große dreistündige Rede, die Dr. Rathenau am 12. Januar vor dem Obersten Rat in Cannes gehalten hat, wird erst jetzt in einem amtlichen Bericht bekanntgegeben. Dr. Rathenau hat darin in tiefgreifender, überzeugender Form dargelegt, wie sich unter Len Nachwirkungen des Krieges die wirtschaftlichen Verhältnisse in Deutschland ge wandelt haben, nnd wo infolgedessen heute Lie Grenzen der deutschen Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Re parationszahlungen und den Wiederaufbau Europas zu ziehen sind. Als einen der ersten entscheidenden Faktoren führte Dr. Rathenau unsere passive Handelsbilanz an. Er sagte: Deutschland hat für alles, was es kaust, in bar zu bezahlen. Es kann nur zahlen durch seine Hand arbeit. Es ist deshalb notwendig, daß Deutschland eine aktive Handels- und Zahlungsbilanz hat. Unsere Zah lungsbilanz aber ist vorbelastet mit einem Einfuhrbedarf von 2)4 Milliarden Lebensmitteln und 2)4 Milliarden Rohstoffen. Die Pafsivfeite der Zahlungsbilanz beträgt mit anderem etwa 5)4 Milliarden Goldmark, denen eine Ausfuhr von nur bis 4 Milliarden gegenübersteht. Es besteht somit eine Passivität der Zahlungsbilanz im Saldo 2 Milliarden schon vor Zahlung irgendwelcher Reparation. Um das Defizit zu decken, bestehen nur drei Möglichkei ten: Verkauft der Substanz des Landes, große aus wärtige Anleihen oder Verkauf der Landeswäh rung. Den Ausverkauf von Landessubstanz konnten wir leider nicht hindern. Die Durchführung einer auswär tigen Anleihe haben wir versucht. Sie war un möglich, da nach Meinung der City die Deutschland auferlegten Lasten zu schwer waren. Unter diesen Um ständen war es unmöglich, den Verkauf von Umlaufs- Mitteln zu vermeiden, obwohl unfer Geld hierdurch ein Gegenstand der internationalen Spekulation wurde. Zu dem augenblicklich ins Gleichgewicht gebrachten Budget für 1922 kommen jedoch 135)4 Milliarden Papiermark für die Entente hinzu in Barleistung, Sachleistung und inneren Kosten aus dem Friedensvertrag. Das Budget würde dadurch etwa 150 Prozent neue Belastung erfahren und sich damit auf 218,5 Milliarden Papiermark belaufen. Um die Bilanz herzustellen, gibt es nur zwei Mittel: eine Verdoppelung oder Verdreifachung der Steuern oder eine Riesenanleihe. Beides ist unmöglich, wohl aber wird der Gedanke einer inneren Anleihe erwogen. Deutsch land hat keine Ersparnisse, sondern schwere Verluste, be sonders an Land und Bevölkerung durch den Krieg. Auf Grund dieser Verluste besteht an Stelle eines Überschusses, einer nationalen Ersparnis von 6 Milliarden Goldmark vor dem Kriege, jetzt ein Defizit von 1 bis 2 Milliarden Goldmark jährlich. So zehrt das Land sich allmählich aus. Es lebt von seiner eigenen Substanz. Es hat weder die Mittel für Erneuerungen noch für die wirtschaftliche Aus stattung seines Bevölkerungszuwachses. Hinzu kommt, daß jetzt viele Arbeiten zu leisten sind, die vor dem Kriege nicht ersorderlich waren, und die sich erst aus dem Frie densvertrag ergaben. Wenn man von einer arbeitenden Bevölkerung von 21 Millionen ausgeht und pro Kopf 2400 Arbeitsstunden im Jahre rechnet, so beträgt der Gesamt wert der von Deutschland aufgewandten Arbeitsstunden nicht mehr als 50 Milliarden. Hiervon sind mehr als 9 für Arbeit aufgewandt, die wir vor dem Kriege nicht auf zuwenden brauchten, d. h. fast ein Fünftel der gesamten Arbeitsstunden. Daraus ergibt sich bei uns eine ver steckte Arbeitslosigkeit von nahezu 4 Mil lionen Menschen, d. h. 4 Millionen Menschen müssen Arbeit leisten, die früher nicht notwendig war. Fer ner ist zu beachten, daß wir außer den angenommenen .500 Millionen Goldmark in bar noch 340 bis 400 Millionen für das Clearing-Verfahren und weitere Millionen für die zu den Sachleistungen benötigten Rohstoffe aufwenden müssen. Wir würden sür 1922 auf eine Goldleistung von mehr als 1 Milliarde Goldmark kommen, wenn es sich scheinbar nur um eine Goldzahluna