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Wilsdruffer Tageblatt : 18.01.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-01-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- Stadt Wilsdruff
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1782027106-192201181
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1782027106-19220118
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1782027106-19220118
- Sammlungen
- LDP: Bestände des Heimatmuseums der Stadt Wilsdruff und des Archivs der Stadt Wilsdruff
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Wilsdruffer Tageblatt
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-01
- Tag 1922-01-18
-
Monat
1922-01
-
Jahr
1922
- Titel
- Wilsdruffer Tageblatt : 18.01.1922
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Tugendhafte Ltnmoral. Vergnügungssucht im öffentlichen Interesse notwendig. Auf der Jagd nach neuen Steuern find in letzter Zeit viele städtische Behörden auf die sogenannte Nacht steuer verfallen. Im Volksmunde nennt man sie meist die „Hockersteuer". Wer nach 12 oder 1 Uhr noch im Wirtshause „hockt", wer nächtlicherweile das Tanzbein schwingt oder sich Kabarettvorstellungen Vorspielen läßt, zahlt zur Strafe für seine Lasterhaftigkeit eine Steuer, deren Höhe verschieden fein kann. Er soll mit seinen Sünden einen guten Zweck verbinden, und das kann ihm dann ein Trost sein. Er hat nicht nur zu seinem eigenen Vergnügen und dem des Wirtes gekneipt, sondern dabei auch den Finanzen der Stadt unter die Arme gegriffen. Folgerichtig müßte eigentlich die Stadt selbst Nachtkneipen einrichten und dafür Reklame machen, damit etwas zu sammenkommt. Nichts Neues unter der Sonne. Als vor dreißig, vier zig Jahren die Reichsfechtschulen auskamew, die aus Zi- garrenabschnitten und Stamolkapseln Waisenhäuser bauten, hatten manche Ortsgruppen diese famose Hocker steuer. Wer nach 12 Uhr noch da war, zahlte zehn Pfen nig in die Kasse als Strafe für seinen Leichtsinn. Wer aber vor 12 Uhr sittsam nach Hause ging, der zahlte auch zehn Pfennige in die Kasse, was damit begründet wurde, daß er doch infolge seiner Solidität so viel spare! Das war ein guter Witz zu gutem Zwecke. Diesmal ist es kein Witz, und der Zweck — es ist die Frage, ob er erreicht wird. In Stuttgart freilich, wird behauptet, soll die Hockersteuer schon im ersten Mo nate 100 000 Mark eingeb rächt haben. Wir wollen sehen, wie es übers Jahr ist, und ob den Stuttgartern nicht die Geduld gerissen ist. Die Thüringer wollen setzt schon nicht mehr mitmachen. Diese Steuer hat das Eigentüm liche, daß man sie nicht vorher berechnen kann. Der Herr Steuersekretär kann nicht wissen, ob ich heute um 12 Uhr heimgehe oder morgen früh um 4 Uhr. Er kann auch nicht alle Kneipen kontrollieren, also soll diese Steuer durch den Wirt eingezogen werden „an der Quelle", wie man es auch sonst liebt. Der Wirt hat also Steuerkarten in „ge nügender" Zahl auf Lager zu halten und muß dann seine besten Gasts stündlich mit drei Mark bestrafen (so will es der Entwurf für Berlin)! Die Gastwirte in Gera finden das ungerecht. Sie lehnen es ab, den Steuerbüttel des hochweisen Magistrats zu spielen; lieber wollen sie die Wirtschaft um Mitternacht schließen, dann bekommt eben der Magistrat gar nichts. Auch eine Sorte Streik. Da wird dem Geraer Magistrat wirklich nichts anderes übrig bleiben, als selbst ein Nachtkaffee aufzumachen, die Bürger freundlich einzuladen, Mufiker und Sängerinnen anzustellen und — alle, die da kommen, kräftig hochzu nehmen. Großartig durchdacht ist der Entwurf der Metropole der Intelligenz Berlin. Unter drei Mark die Stunde gibt es nichts, es kann aber auch 20 M. kosten, wenn das Ein trittsgeld des betreffenden Lokals so hoch ist. Ist es ein Tanzvergnügen oder dergleichen, für das schon Lustbar keitssteuer gezahlt wird, so macht das gar nichts, die Hockersteuer ist doch zu entrichten. Weinstuben, Likörstuben u. dgl. zahlen das Doppelte. Feuerwerke werden auch be steuert, Dampferfahrten nicht. Einige Ausnahmen sind zugelassen, auch können größere Veranstaltungen, wie Bälle, sich mit der Stadt über ein Pauschquantum einigen. Das ist die übliche Vereinfachung des Geschäftsganges, die ohne Zweifel eine Unmenge Schreibereien zur Folge haben wird. Die Fülle der Ausführungsbestimmungen und die dazu gehörige Bureaukratie frißt dann die ganze fein ausgeklügelte Steuer weg. Rechtsphilosophen sollten einmal eine moralische Be gründung für diese Sorte Steuer suchen, sie würde eigen tümliche Schlußresultate ergeben. Ll, O Die Herzogin als Armenschwester. Die frühere Groß herzogin Adelheid von Luxemburg, die in ein Karmeli- tcssenkloster eingetreten war, ist mit Genehmigung des Papstes zu dem Konvent der Armenfchwestern übergetreten, weil ihr Gesundheitszustand das Leben in dem strengen Ordenskloster nicht zuließ. Mein Kind, verstehst du es, datz ich da bin, daß ich nicht rot bin, daß ich hier vor dir stehe und —" Die Stimme versagte ihm fast vor innerer Erregung. Und er hätte auch gar nicht mehr weiter sprechen können, denn das junge Mädchen lag schon an seiner Brust, ge schüttelt von einem wilden Schluchzen, durch das immer nur ein Wort deutlich klang: „Vater! Vater!" Sie schrie es fast, und dabei hielt sie ihn umklammert, als wolle sie ihn nie, nie mehr lassen. Das war ein Sturm, der sie schüttelte, der durch ihre junge Seele brauste mit einer Gewalt, welche alles Vorhergegangene übertäubte. Sie hatte nur einen Blick auf die Papiere geworfen, welche er vor sich hingebreitet hatte; sie hatte kaum recht begriffen, was er sagte. Nur daß sie sein Kind war, daß sie einen Menschen aus Erden haben sollte, dem sie zugehörte, das begriff sie. Und doch! Als sie nun, endlich den Kops hebend, gerade in seine Augen sah, in dieses scharfe, zerrüttete Antlitz, das so viel erzählte, wovon sie noch nichts verstand, und das sie doch ahnte, da kam wieder ein Zweifel über sie, ein jähes Zurückweichen. Er fühlte es, aber er gab ihre Hände nicht frei. „Bleib bei mir!" sagte er weich. „Bleib nur! Jetzt darfst du es noch! Wenn sie es erfahren, daß ich hier bin, daß ich leb« — er wies nach dem Schlosse —, „dann, dann ist der Traum ohnehin ausgeträumt. Denn ich muß tot sein für alle, die mich einst gekannt — tot — verschollen" — er lächelte bitter —, „es ist auch am besten so! Der hier einst in diesem selben Raum die junge Luci« küßte, der arme Buchhalter Fritz Wentheim, der ist lange vergessen. Der heute hier steht, das ist ein Fremder, ein Amerikaner" —er wies nach den Papieren —, „einer, den niemand kennen darf!" Seine Stimme erstarb in einem Gemurmel. „Wenn mich jemand erkennt, so — so trennen sie uns," sagte er mühsam, „und dann ist alles wieder vorbei — alles!" Er strich sich mit der gesunden Hand über die Stirn. „Aber ich habe es nicht ausgehalten," fuhr er rascher fort und zog das Mädchen wieder an sich. „Ich konnte nicht anders, ich mußte her, als ich, der — der zufällig in der Nähe war — hörte, daß der alte Graf gestorben ist. Ich habe immer von Zeit zu Zeit dort und da nach dir geforscht; ich wußte, daß du ins Kloster solltest!" „Wußtest du auch, daß ich Georg Günther lieb- dabe?" Neueste Meldungen. Chinas Erschließung. „ Berlin. Die chinesische Gesandtschaft in Berlin Veröffenk licht ein Telegramm des neuen chinesischen Ministerpräsidenten Liang-Shih-M, in dem die chinesische Regierung um die wirt schaftliche Mitarbeit aller Völker bei der Erschließung Chinas bittet. Die Eigentümlichkeit des chinesischen Volkes, befestigt durch eine vielhundertjähnge Erfahrung, wird sich, wie in der Vergangenheit, als fähig erweisen, alle Schwierigkeiten zu überwinden, und ein starkes, vereinigtes China wird nicht nur sich, sondern auch der Welt von Nutzen sein. Um die Angestelltenversicherung. Berlin. Die Vereinigung der Angestelltenversicheruny mit der Invalidenversicherung war das Ziel des Afabundes bei den soeben stattgefundenen Wahlen der Angestellten. Für Erhal tung der besonderen Stellung der Angestelltenversicherung traten die anderen Angestelltmorganisationen ein. Die 171 Be zirke, die bisher gewählt haben, beauftragten 406 Vertrauens- und 764 Ersatzmänner des Hauptansschusses der Angestellten verbände gegen 110 (274) der Asa. Der znm Hauptausschuß gehörige DeMschnationale HaudlungsgehilfenverbanL erhielt 224 (379) Sitze. Der Völkerbund in Geldnöten. DL Gens. Der Völkerbund befindet sich in einer sehr prekären Finanzlage, weil die Zahlungen, die von den einzelnen Staaten an ihn zu entrichten sind, noch in keiner Weise eine Regelung erfahren haben. Achtzehn Nationen haben die letzte Jahres rate noch nicht bezahlt, England ist mit 10 000 Pfund Sterling im Rückstand. Argentinien und San Salvador haben über haupt noch nie einen Centimes eingesaNdt. Französische Mavineprojekte. DL Paris. Der Seehafen Lorient soll mit großen Werften ausgestattet werden und zugleich ein Mittelpunkt der Bildung und Erziehung der französischen Marine werden. Der Platz soll wieder Sitz einer Murinepräfektur mit einem Militärprä- sekten als Kommandeur und einem Gouverneur werden. Eine russische Universität in Prag. v/. Prag. Das tschechische Unterrichtsministerium hat auf An suchen der in Prag weilenden russischen Professoren hier die Errichtung einer freien russischen Universität genehmigt. Die von ihr auszugehenden Diplome sollen aber nur für Rußland < Geltung haben. Dies ist die dritte slawische Universität in Prag. Französische Lastwagen für Polen. ^Karschau. In der nächsten' Zeit wird zwischen Polen und Frankreich ein Vertrag abgeschlossen werden, nach welchem Polen von Frankreich 15 000 Lastwagen erhalten Wird.' Eröffnung in Genua am 8. März? Rom. Nach hiesigen Informationen äußerte Lloyd George in Cannes gegenüber dem italienischen Ministerpräsidenten Bonomi den Wunsch, daß die Konferenz in Genua am 8. März stattfinden solle. Die Donau zugefroren. Bukarest. Infolge der großen Kälte der letzten Tage ist die Donau abermals zugefroren. Die Hungernden in Rußland. Moskau. Der Moskauer Sowjet hat beschlossen, für die Hungernden Rußlands eine Woche hindurch für Theater- und Lichtspielkarten u. dergl. eine Steuer in Höhe von 10 Prozent einzuheben. Während dieser Zeit werden Straßenbahnkarten mit einer Steuer von 2000 Rubel für jede Karte belegt. Freigabe des Handels mit landwirtschstl. Maschinen in Rußland. DL Moskau. Das Regierungsmonopol für den Handel mit landwirtschaftlichen Maschinen und Werkzeugen ist aufgehoben worden, wie soeben das Volkskommissariat für Landwirtschaft mitteilt. Die Kosten des Weltkrieges. DL. Washington. Ein Professor der Nationalökonomie an der Universität von Illinois schützt die Kosten des Weltkrieges aus 208 805 851 222 Dollar. Deutschland soll davon 40,15 Milliar^ den Dollar ausgegeben haben, Frankreich 26 812 782000, Eng land 44 Milliarden, die Vereinigten Staaten 32 «-Milliarden Dollar. ' Amerikanische Bedenken. Washington. In politischen Kreisen Washingtons wird erklärt, daß die Einladung, die Konferenz von Genua zu be schicken, von" den Vereinigten Staaten bisher noch nicht ange nommen worden sei. Amerika wolle erst abwarten, wie sich die Dinge in Frankreich nach dem Sturz des Kabinetts Briand Weiter entwickeln werden. Hilda Wentheim fragte es dicht an seinem Ohr, und dabei sahen ihre Augen groß, in heißem Flehen in die jeinigen. Er blickte sie verständnislos an. „Georg Günther? Denselben, der beschuldigt wird, ven Tod des alten Herrn veranlaßt zu haben?" Sie nickte nur, und dann begann sie ihm alles zu erzählen, die ganze kurze und doch so inhaltreiche Ge schichte ihrer jungen Liebe, die Geschichte dieser letzten Tage. „Und — und eine Frau — wo ist sie hingekommen? Hat man je früher von ihr gehört?" fragte er endlich stockend, als sie geendet hatte. Sie schüttelte leicht den Kopf. „Nein; aber ich — ich meine immer — daß es diese da war — diese Grete Wentheim — deine — deine Schwester!" Sie begann zu stottern; immer noch erschien es ihr so völlig unglaublich, daß der Mann da vor ihr wirklich ihr Vater war. Sie hatte aus der Tasche des Kleides das alte, ver blaßte Bild gezogen, von dem sie sich nicht mehr trennte, seit es Hugo entfiel. Eine sonderbare Zuneigung hielt sie daran gefesselt. Sie sah es fast mit Eifersucht, wie Fritz Wentheim nun das kleine Bild in seiner unsicheren Hand hielt und lange, lange betrachtete. Labei trat ein Zug von Trauer in sein Gesicht, der sich verschärfte, je länger er niedersah auf das kleine, alte Blättchen. — „Grete ist tot," sagte er hastig, wie abwehrend; „längst, längst! Laß die Toten ruhen! Und laß alles Ver gangene ruhen! Alles! Erzähle mir lieber von dir, Kind, von deinen Zukunftsplänen, von deiner Liebe!" Ein bitteres Lächeln irrte um ihren weichen Kinder mund. Eine halbe Stunde späteMwußte er alles, alle ihre Sorgen und Befürchtungen, die Anklagen, die gegen sie und Georg erhoben worden waren, ihre Angst vor dem Kloster und ihre Abneigung gegen Bodo von Ullmingen. Sie überstürzte sich fast, sie verwirrte sich. Nur ein Wunsch war in ihr: ihm alles zu sagen, alles, datnit er ihr helfe. Der Mann hatte zugehört, ohne sie zu unterbrechen. Endlich, als sie schwieg, sagte er beschwichtigend: „Ich denke, ich kam zur rechten Zeit. Freilich — niemand, auch Georg Günther nicht, darf wissen, daß ich lebe, daß ich in deiner Nähe bin. Du aber, du sollst ruhig jein und an mich glauben» und mir vertrauen. Wenn alles dich verläßt, ich stehe zu dir. Letzte Drahtberichte des „Wilsdruffer Tageblattes". Einer der gefährlichsten Einbrecher Sachsens entwichen. Dresden, 17. Ian. (tu.) In der vergangenen Nacht ist einer der schwersten und gefährlichsten Verbrecher Sachsens, der Arbeiter Willy Hugo Engelhardt, aus dem Untersuchungsgefäng nis am Münchner Platz entwichen. Die Angelegenheit erregte größtes Aufsehen. Die Zelle war doppelt gesichert, der Ver brecher ist nur mit einem Hemd bekleidet entkommen. Wegen Totschlagsversuch und schweren Diebstahl im Rückfalle ist Engel hardt vor kurzer Zeit zu 14 Jahren Zuchthaus verurteilt. Deutscher Fleiß und deutsche Kraft. Hamburg, 17. Ian. (tu.) Der von Bloom u. Boß auf Grund des Ablieferungsvertrages für die White Star Line fertig gestellte Dampfer „Homerick" (Exkolumbus) hat seine Prvbe- sahrt, an der Direktoren der Bauwerft und Direktoren der eng lischen Reedereien teilnahmen, glänzend bestanden. Der 35 000 Tonnen große Doppeljchraubendampser hat über 21Mei- len Fahrt gemacht und dabei mehr geleistet, als in der Beivor schrift vorgesehen war. Die prunkvolle Inneneinrichtung, die deutschen Gewerbefleiß und deutsche Kunst in höchstem Lich-e erstrahlen läßt, sand Bewunderung und Anerkennung. Ans Stadl und Land. Mittet ^noev Nir diel« «udrik nehmen wir immer dankdnr entaeaen. Wilsdruss, am 17. Januar. kü Lebensweisheit. Die Verhältnisse um ^ms können vor läufig nicht zur Ruhe kommen, und es hat keinen Zweck, auf diese Beruhigung zu warten. Wir müssen jedoch versuchen, wenigstens für «uns selbst einen festen Standpunkt zu gewinnen. Dies kann nur aus uns heraus geschehen. Wer früher nicht das Bedürfnis empfand, brauchte weder über sich selbst, noch über seine Umgebung und über die sozialen Verhältnisse nach zudenken, obgleich es immer nützlich war, sich über seine Be ziehungen zur Volksgemeinschaft klar zu sein. Notfalls ge nügt es aber, datz man feine Verpflichtungen erfüllt, dann er- lsdigte sich alles übrige von selbst, denn es gab für alle Vor gänge des bürgerlichen Lebens feste Regeln. Das ist nun alles anders geworden, und wir müssen Wohl oder übel unter die Philosophen gehen, um uns zurecht zu finden und einen er träglichen Standpunkt gegenüber unserer Umgebung zu ge winnen. Was wir zunächst gebrauchen, ist ein gefestigter innerer Zustand, datz wir in uns beruhigt werden. So ein fach dies klingt, es erfordert Willenskraft und Denkarbeit. Die aufregenden Vorgänge der letzten Jahre und schlechte Beispiele Haden viele Menschen aus ihrer festen Bahn herausgeschleudert. Sie mögen ansaugen, was sie wollen, so lange sie versäumen, die verlorene Harmonie zwischen ihrem Innen- und Außen leben wieder herzustellen, werden sie nicht zu innerem Frieden gelangen. Wir haben die Kräfte unserer Seele nach außen zersplittert, weil wir den Wert des Äußerlichen überschätzen, nun sind sie schwach und unwirksam geworden. Wir haben uns aber auch von unseren Mitmenschen entfernt Wie nie zu vor. Die Herzen können sich nicht zusammenfinden, weil zwischen ihnen Las Mißtrauen steht. Wie läßt sich dieses nach so bitteren Erfahrungen überwinden? Durch die Grundlage aller Lebensweisheit: „Erkenne dich selbst." — Die erfolglosen Steuerreklamationen kosten Geld! Das Finanzamt teilt uns folgendes mit: „Den. Steuerpflichtigen sind in der letzten Zeit die Einkvmmensteuerbescheide sür das Rech nungsjohr 1920 zugegangen oder sie gehen jetzt noch zu. Viel- sach ist noch nicht bekannt, daß seit dem Inkrafttreten der Reichs abgabenordnung bei allen Reichssteuern die Kosten eines erfolg losen Rechtsmittels den Steuerpflichtigen treffen. Gegen die Veranlagung zur sächsischen Staatseinkommensteuer konnte der Steuerpflichtige reklamieren, ohne daß ihm im Falle der Ab weisung Kosten trasen. Jetzt wird sich jeder, der ein Rechtsmittel einzulegen beabsichtigt, über die Aussichten des Rechtsmittels Rechenschaft ablegen müssen. Die Kosten im Falle der Ab weisung betragen — von den Auslagen, wie Zeugen- und Sach verständigengebühren, die gegebenenfalls auch vom Steuer pflichtigen zu erstatten sind, ganz abgesehen — im Einspruchs verfahren beispielsweise bei einem Streitwerte von 100 11,50 von 500 57,50 von 1000 -F 80,50 -E, von Wirst du daran denken und es mir glauben, Kind? Und wirst du nicht nach den Gründen fragen, die mich zwingen, so zu handeln, mich zu verstecken und zu ver bergen ? Niemand darf auch nur ahnen, daß ich lebe — ver stehe mich wohl, sonst ist meine Macht vollkommen ge brochen! So aber sind wir immerhin zwei gegen die anderen. Du bist nicht mehr allein, Kind, du kannst dich flüchten zu mir!" „Aber wie? Wenn doch niemand dich hier vermuten sollte?" fragte Hilda ängstlich. Das ganze Gebaren Went- Heims erschien ihr so seltsam, so eigentümlich, sie verstand so vieles nicht, was er wollte und begehrte. Er sah still vor sich hin. „Ich wohne dort drüben" — seine Hand wies in der Richtung gegen den Wald, dessen hohe Bäume über die Mauer nickten — „im alten Forsthause. Die Försterin hat keine Ahnung, wer ich bin. Der engltsierte Name täuscht alle. Und wer sollte mich sonst erkennen? Jener Fritz Wentheim, der einst hier den kurzen, heißen Traum seiner Jugend träumte, der sah so ganz anders aus, als ich jetzt aussehe. Er war blond — mein Haar ist grau. Er war jung, frisch, lebenstrotzig — ich — ich bin ein gebrochener Mann. Und alle glauben ja, daß ich tot bin!" „Aber Onkel Hugo? Hat er nicht vorhin „Fritz" ge rufen ?" " Hilda sagte es sehr zaghaft. Der Ausdruck in seinem Gesicht ängstigte sie. »Ich habe nichts gehört," entgegnete Wentheim ge lassen. „Ich sah nur dich, und die grenzenlose Angst um dich machte mich unachtsam. So warf ich mich ihm entgegen. Er strauchelte und fiel. Weiter weiß ich nichts. Aber wenn — wenn das Ge schick es gewollt hat und mir Lie Rache an diesem nin in dis Hand legte, dann will ich an eine Gerechtigkeit auf Erden glauben! Er — er war es, der mich und Lucie verriet!" „Meine — meine Mutter?" Hilda sah ihn flehend an. „Wirst du mir viel von ihr erzählen? Du hast sie doch so sehr geliebt!" Er sah still vor sich hin ins Leere. Dachte er an jenes holde, heißblütige Kind, welches dereinst hier in diesem selben Raume lachend und weinend in seinen Armen gelegen? Erstand Lucie noch einmal vor ihm in ewig frischer Schönheit, jene Zeit, welche so lange vorüber?
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