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MlsdnOrTageblaü Wochenblatt für Wilsdruff und Umgegend Postscheckkonto Dresden 2640 Kernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts zu Wilsdruff, des Stadtrat» zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen. Verles« «»d 8sch«»ke i« Wiledrxff. V«mttw»rUicher Schrifflell«: Her«««» Lässig, für de« Inseratenteil: «rth»r Zschnnke, »eide i» Wtledrnsf. Rr. 10 Donnerstag den 12. Januar 1822. 81. Jahrgang Kleine Zeitung für eilige Leser. * Der Oberste Rat hat in Cannes die deutschen Zahlungen für 1922 auf 720 Millionen Goldmark festgesetzt. * Finanzminister Dr. Hermes hielt bei der Sitzung der vereinigten Sterierausschüfle des Reichstages eine Rede, in der er wünschte, daß der Reichstag die Änderungen und Kür zungen an den Regierungsvorlagen teilweise rückgängig machen möge. * Die für den wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas vor- gesehene international« Wirtschaftsgesellschaft soll ihren Haupt sitz in London haben. * Die russische Regierung nahm die Einladung zur Wirt- fchastskonferenz nach Genua an. * Exkaiserin Zita von Habsburg ist in Paris eingetrossen. Län-erblocks. Von einem politischen Mitarbeiter werden uns fol gende Betrachtungen zu einer neuen Erscheinung auf dem Gebiete der inneren Politik mitgeteilt: Die verschiedenen Zusammenkünfte von Minister präsidenten bestimmter Gruppen der deutschen Gliedstaaten scheinen der Anfang einer Bewegung zu sein, die man als Bildung von Länderblocks im Reiche bezeichnen kann. Zuerst waren es die von sozialistischen Regierun gen geleiteten mitteldeutschen Freistaaten Sachsen, Thürin gen und Braunschweig, die ihre führenden Männer nach Leipzig entsandten und dort untereinander Fühlung neh men ließen. Anfangs wurde die Angelegenheit noch sehr geheimnisvoll behandelt. Erst als Indiskretionen durch- zustckcrn begannen, gab man zu, daß es sich um einen näheren Zusammenschluß der drei Länder handele zu dem Zweck, in Deutschlands Mitte einen Staatenblock mit zielbewußter sozialistischer Politik zusammenzuschmieden. Wenige Wochen später wurde eine zweite Zusammenkunft abgehalten, an der diesmal auch der Freistaat Anhalt- Dessau teilgenommen haben soll. Damit ist die Aufmerk samkeit des deutschen Volkes auf diese Vorgänge gelenkt worden, bei denen sich Keime einer Entwicklung vorzube reiten scheinen, die von der bisherigen Grundlinie der deutschen Einheitsbewegung weitab führt, und die des halb genaue Beachtung verlangt. Eine ähnliche Entwicklung scheint sich auch in Süd deutschland anbahnen zu wollen. In dieser Woche treffen der württembergische und der badische Staatspräsi dent, Dr. Hieber und Dr. Hummel, in München ein, um mit dem bayerischen Ministerpräsidenten, dem Grafen Lerchenfeld, gemeinsame Besprechungen abzuhalten. Mün chener Blätter sprechen von einer Reihe von wichtigen Fragen, die die süddeutschen Länder besonders berühren, und die den Gegenstand Lieser Besprechungen bilden sollen. Mit dieser persönlichen Fühlungnahme wolle man sich aus die Zusammenkunft der Ministerpräsidenten aller deutschen Länder vorbereiten, die im Laufe des Monats Januar in Berlin geplant ist. Dort will man dann die besonderen Interessen Süddeutschlands zur Geltung bringen. Man hoffe, in den Beziehungen der größten süddeutschen Staaten zu einer Vertiefung und Festigung zu gelangen, die in Ler Vergangenheit manchmal schmerzlich vermißt wurde. Vereinzelt wird darüber hinaus schon von einem poli tischen und wirtschaftlichen Zusammen schluß Süddeutschlands gesprochen und dieser als eine Notwendigkeit gegenüber den Berliner Zentralisierungs- und Unitarisierungsbestrebungen bezeichnet. Daß damit die Spitze der in München sich vorberei tenden Bewegung gegen die Zentralinstanzen des Reiches gekehrt wird, ist bei den bekannten volkstümlichen Stim mungen in Bayern nicht gerade verwunderlich. Trotzdem wird man wohl auch einen Zusammenhang mit dem von den Mittelstaaten gegebenen Beispiel vermuten dürfen, wobei vielleicht mehr wirtschaftliche als poli- tischeAbsichten vorwalten mögen. Während Bayern auch nach dem Sturz des Herrn von Kahr einen im gan zen rechts gerichteten Kurs einhält, segelt Württemberg und Baden nach wie vor in ausgesprochen demokratischem Fahrwasser. Um so gleichartiger sind die wirtschaftlichen Interessen der drei Südstaaten; insbesondere sind sie Wohl in der Ablehnung der Zwangswirtschaft durch den Staat vollkommen einig. Die Berliner Tendenz zur Zwangs wirtschaft und zur Sozialisierung würde aber, wenn es wirklich zu einem Mitteldeutschen Länderblock unter aus geprägter sozialistischer Führung käme, von diesem aus eine erhebliche Verstärkung erfahren. Die so bewirkte Um gestaltung des Wirtschaftslebens müßte aber unfehlbar weittragende politische Folgen nach sich ziehen, in deren Ablehnung für die süddeutschen Staaten, bei aller sonstigen Verschiedenheit ihrer innerpolitischen Geschäftsführung, wohl durchaus einig wären. So könnte es kommen, daß von den hier sich zeigenden Anfängen auch das feste Reichs gefüge der Gefahr von Erschütterungen ausgesetzt wird, und unter den heutigen Verhältnissen müßte, wenn sich erst einmal partitUlaristischen Interessen Hervorivagen, mit ganz andern Gefahren gerechnet werden als in früherer Zeit. Deshalb wird man gut tun, den Vorgängen in Mittel und in Süddeutschlaud von vornherein die Aufmerksam keit zu schenken, die überall geboten erscheint, wo die Neichsiutcressen in Fraae kommen. Schwierigkeiten in Cannes. Französisch-belgische Meinungsverschiedenheiten in Cannes. Paris, 10. Ian. Der Sonderberichterstatter des „Echo de Paris" in Cannes meldet: Die Summe, die von Deutschland im Jahre 1922 in bar für die Reparationen verlangt wird, be trägt 720 Millionen Goldmark. Von dieser Summe soll Frank reich 139 Millionen erhalten. Meinungsverschiedenheiten sind gestern plötzlich über die zu verlangenden Garantien und die Be rechnung der Saarkohlengruben entstanden. Die Belgier be standen auf dem Plane des Abkommens von Spa, wodurch Frankreich zugunsten Belgiens augenblicklich 250 Millionen ver lieren würde. Die französischen Minister hätten Aufschub ver langt, um sich mit ihren Kollegen in Paris zu verständigen. Frankreichs Misstrauen gegen den Schutzvertrag. Cannes, 10. Ian. Die englische Abordnung hat der französischen die Vorschläge über den abzufchließenden Schutz vertrag schriftlich übermittelt. Die Engländer wünschen, daß dieser Vertrag alle in der Schwebe befindlichen Fragen gleich zeitig lösen solle. Die Franzosen sind aber gegenteiliger Ansicht und erklären, daß eigentlich zwei verschiedene Probleme be stünden, nämlich das der französischen Sicherheit in Europa und die Probleme des Orients und der Kolonien. Die Besprechung insbesondere der Kolonialfragen gestaltete sich außerordentlich schwierig. In der Frage von Tanger stellte sich England auf den Standpunkt Spaniens und wünschte, daß Frankreich diesen teile. Unter diesen Umständen hat sich die Lage ein wenig zugespitzt, zumal England in einem dem Vertragstext angehängten Memo randum Anspielungen aus die Unterseebvotfrage macht. Die Franzosen hegen die Befürchtung, daß die Verbindung aller dieser Fragen mit der des Schutzvertrages zu mehreren Aende- ruugen des Versailler Vertrages führen könnte. Eine internationale Wirtschaftsgefellschaft. Die alliierten Minister hÄben sich drittens mit den allgemeinen Wieder auf baufragen beschäftigt und dabei endgültig das in Paris adsgearbettete Projekt eines mit dem wirtschaftlichen Wiederaufbau Europas be auftragten Konsortiums fesigelegi. Man hat sich da bei aus einen Vorschlag Loucheurs geeinigt, der die Bil dung einer Hauptgesellschast mit einem beschränkten Kapital von nur zwei Millionen Pfund Sterling vorgeschlagen hatte, an welche in den verschiedenen interessierten Ländern Tochtergesellschaften angeschlossen werden sollten. Die Haupigesellfchaft wird ihren Sitz in Lyndon haben und den englischen Geietzen unterstehen. * Die Russen kommen nach Genua. , Der aufsehenerregenden Einladung an die Sowjetregie- rung zur Teilnahme an der Konferenz in Genua ist ebenso schnell ihre Annahme durch die Russen gefolgt. Tschitscherin hat ein Telegramm an den Obersten Rat in Cannes gerichtet, nach welchem die russische Regierung mit Befriedigung die Einladung zu der europäischen Konferenz annimmt. Eine außerordentliche Sitzung des Hauptvollzugsausschusses wird der russischen Delegation ausgedehnte Vollmachten übertragen. Auch Wenn Lenin verhindert sein sollte, Rußland zu ver lassen, so wird in jedem Falle die Delegation die selbe Autorität besitzen, als wenn Lenin an ihr teilnähme. Das Ergebnis -er Gieuerberaiung. Die Negierung wünscht Zurücknahme der Kürzungen. Nachdem die Steuerausschüsse des Reichstages die Gesetz entwürfe der Regierung in erster Lesung durchberaten und da bei mancherlei Änderungen und Abstriche an Len Vorlagen vorgenommen haben, traten beide Ausschüsse zu einer gemein samen Sitzung zu sammen, in der der Finanzmtnister Her mes sich zu dem bisherigen Ergebnis der Beratungen ein gehend äußerte. Dabei faßte er die Wünsche der Reichsregierung folgendermaßen kurz zusamen: Die Zölle aus Kaffee, Tee und Kakao, deren Erhöhung in erster Lesung adgelehnt wor den ist, müssen mindestens auf die vom Reichswirtschastsrat vorgeschlagene Höhe gebracht werden. Bei der Tabaksteuer wird die Herabsetzung der Ermäßigung der Steuersätze für Zi garetten und für Feinschnitt von 20 aus höchstens 10 Prozent notwendig sein. Bei der Biersteuer wird die Steuerbegünsti gung für Bier mit einem Stammwürzegehalt bis zu 9 Prozent beseitigt werden und im übrigen der gesamte Ertrag aus der vorgeschlagenen Biersteuer voll dem Reiche zusließen müssen. Den Gemeinden wird daneben die Befugnis zur selbständigen Erhebung eines bestimmten Zuschlages einzuräumen sein. Die Zuckersteuer, die in erster Lesung auf den Satz von nur 50 Mark für den Doppelzentner erhöht worden ist, muß auf den im Entwurf vorgeschlagenen Satz von 100 Mark aus einen Doppelzentner gebracht werden. Bei der Kohlensteucr muß der größte Wert darauf gelegt werden, Laß die vorgeschlagene Erhöhung aus 40 Prozent bewilligt wird mit der Maßgabe, daß je nach Lage der wirtschaftlichen Verhältnisse eine Er mäßigung oder Erhöhung dieses Satzes eiutreten kann. Die Umsatzsteuer soll nach den Beschlüssen in 1. Lesung nur aus 2 Prozent erhöht werden. Diese Stoner bildet wegen ihres Er trages das Rückgraldervorgeschlagenen Finanz, re form und es muß deshalb der größte Wert daraus gelegt werden, Latz der im Entwurf vorgeschlagene Satz von 21S Pro zent auch tatsächlich Gesetzeskraft erlangt. Bei den Vermögenssteuergesetzen, die in verschiedener Hinsicht den Kernpunkt der Vorlagen bilden, sind ebenfalls wesentliche Änderungen erfolgt. Der Tarif Les Dermöacnssteueraesetzes ist mil Rücksicht aus die in- znnicyen eingerretene Geldentwertung durch Auseinanver- ziehuug der Steuerstufen abgeschwächt worden. Ich möchte an erkennen, daß eine Abänderung Les Tarifes aus den ange gebenen Gründen notwendig ist, es wird aber zu prüfen sein, ob diese Abänderung in dem Umfange, wie sie in erster Lesung beschlossen ist, bestehen bleiben kann. Auch bei der Vermögens- zuwachSsteuer halte ich die weitgehende Ermäßigung des Tarifes nicht für tragbar. Will man die eingetretene Geldent wertung berücksichtigen, so würde es genügen, wenn für die erste Steuerstufe dieses Tarifes an Stelle von 100 000 Mark 200 000 Mark gesetzt werden. Durch Lie Abstriche und Abschwächungen, die in erster Lesung an Len Regierungsvorlagen gemacht worden sind, entstehen Ausfälle, die in folgender Weise zu schätzen sind: bei der Kohlensteuer auf „ „ Zuckersteuer auf „ „ Biersteuer auf „ „ Tabaksteuer auf , „ Zöllen auf , , Umsatzsteuer auf 4 bis 5 Milliarden, 5.0 0,2 , 0,4 1.5 , 0.5 , . mithin bei den Verbrauchssteuern aus rund 12 Milliar- den. Bei den drei Vermögenssteuern ist eine Schätzung des Ausfalles nicht möglich. Sie dürsten jedoch auch hier er heblich fein. Über die Abänderung der Einkommensteuer. Die im Auslande vielfach einer unzutreffenden Kritik unterzogen worden ist, sagte Ler Minister, daß diese Änderung notwendig war, weil seit der Ausstellung der Tarife der Wert der Mark ganz erheblich gesunken ist. Heute beträgt er auf dem internationalen Markt etwa 2 bis 3 Pfennige; die inländische Kaufkraft wird mit nur noch 5 Friedenspfennigen angenom men werden können. Demgemäß besitzen die Mark-Einkommen nur noch Len zwanzigsten Teil ihrer Fried ens- raus! rast. Die Ermäßigung der Einkommensteuer aus eine den Wertverhältnissen der Mark entsprechende Höhe wird nach Auffassung der Reichsfinanzverwaltung ine günstige Wir kung haben, das Bestreben der Steuerpflichtigen, das Einkorn- men aus legalem oder illegalem Wege Ler Besteuerung zu ent ziehen, einzuLämmen. Trotz der durch die Geldentwertung ge botenen Senkung des Einkommensteuertarifes ist zu erwarten, daß das im Etat für 1922 vorgesehene Auskommen an Ein kommensteuer im Betrage von 23 Milliarden Mark mindestens erreicht wird, La mit Rücksicht auf die eingetrelene Geldentwer tung auch durchweg die nominelle Höhe der Einkommen in Mark außerordentlich gestiegen ist und durch diese Steigerung der Markeinkommen Lie Ermäßigung der Steuersätze zweifel los ausgeglichen wird. Die Erhebung der Einkommensteuer soll dadurch gefördert werden, daß die Veranlagung zur Reichseinkommen- steuer für das Rechnungsjahr 1920 alsbald zum Abschluß kommt. Nach den vorliegenden Berichten der Landessinanz- ämter ist damit ^zu rechnen, daß diese Veranlagung bis Enoe dieses Monats fast überall vollendet ist. Dann wird arch die Einziehung der Einkommensteuer folgen und es wer den nach den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes auf Grund der eVranlagung für 1920 selbsttätig die Voraus zahlungen für die weiteren Rechnungsjahre eintreten, so daß auch dann diejenigen Einkommen, die nicht dem Lohn abzug unterliegen, in gleicher Weise wie diese rechtzeitig ihre Steuer leisten. Ferner soll sich unmittelbar die Veranlagung zur Einkommensteuer für 1921 anschließen, die dann spätestens bis Mitte 1922 zu Ende geführt sein muß. Die Vermögen s- steuer soll erst im Jahre 1923 erstmals erhoben werden, um im Jahre 1922 den Steuerbehörden eine Atempause zu ge währen. Wegen der Geschäftslage bet den Steuerbehörden muß ich daher die Bitte an Sie richten, von neuen steuerlichen Maßnahmen über die Vorschläge der Reichsregierung hinaus absehen zu wollen. Gegen die Erhöhung der Kartoffelpreise. Berlin, 10. Januar. Entgegen dem bekannten Gerücht, daß mit einer neuen Steigerung der Kartoffelpreise zu rechnen sei, Wendel sich das Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft vor allem gegen die Behauptung, daß in den nächsten Ta gen bereits eine Erhöhung der vom Reichsministerium festgesetzten Richtpreise für Kartoffeln um 10 Mark pro Zentner erfolgen solle. Es wird festgestellt, daß sei tens des Reichsministeriums für Ernährung rmd Land wirtschaft bisher Richtpreise nicht festgesetzt worden sind und auch in Zukunft eine solche Festsetzung nicht beabsichtigt ist. Viämehr hat das Ministe rium nur den Ländern empfohlen, örtliche Kommissionen zur Ermittlung von Angemessenheitspreisen für Kartoffeln einzusetzen. Als Schulbeispiel für die Berechnung der Kartoffelpreise wurde in diesem Rundschreiben ein Preis von 70 Mark für den Zentner empfohlen. Trotzdem haben die örtlichen Kommissionen in den meisten Bezirken diesen Preis noch erhöht. Nach Ansicht des Neichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft liegt daher zurzeit zu einer weiteren Erhöhungder Erzeugerpreise in den einzelnen Bezirken keine Veranlassung vor. In den bisher gepflo genen Verhandlungen ist stets seitens des Ministeriums der Landwirtschaft gegenüber mit Nachdruck betont wor den, daß die Preise sür die wichtigsten Lebensmittel in Grenzen gehalten werden müssen, die noch für die Konsu menten erträglich sind, und daß die Landwirtschaft mit Rücksicht auf ihren eigenen Betrieb ein In teresse daran habe, daß diese Grenze nicht überschritten wird. Eine vollständige und rücksichtslose Ausnutzung der Preiskonjunktur schädigt letzten Endes die richtig verstandenen Interessen der Landwirtschaft selbst.