Volltext Seite (XML)
Nr. Ivo M4 Sonntag dm 18. Dezember Vvr AsrM io ül8 LoLollll Oriskual-R»«a« von Otto Hawraneck Copyright by: Lari Duncker Brrlag, Bettin W 6» IS Nachdruck verboten. Dl. Tkymoll unterdrückte ein Lächeln.'„Nein, gnädige Frau, ein Leutnant Nauroth geht diese Wege nicht. Da liegt es näher, an einen Scherz z« glauben! Wer an ehemalige Kameraden von ihr müßte man sich wenden?" Sie dachte nach. „Einen Herrn Dr. Harat kenne ich flüchtig. Wenn ich nicht irre, wohnte er in Leipzig . . „Ich kümmere mich einmal darum, ja?" fragte er und nickte ihr aufmunterud zu. Sie widersprach nicht und reichte ihm dankend die Hand. — avrate, dehauptete sie, er wolle ein spießbürgeMches'Weseo aus ihr machen . . . , An anderer Stelle schrieb er: „Es ist wirklich schade, daß du meinen Namen trägst. Du bist innerlich immer eine Edith Sandrock geblieben. Wenn du dir einmal die Muhe machst, diese Zeilen zu lesen, wirst du wisien, wie die Edith von Nauroth gedacht hat! Du hast schöne Beine und eine hübsche Figur. Dafür kannst du deinem Schöpfer danken. Das ist für eine Frau eine willkommene Beigabe, die auch aller Beachtung wert ist. Wer hast du wirklich darüber hinaus nichts aufzuweisen? Ich will ei immer noch nicht glauben! Bist du wirklich nur eine kokette Wasserstoff-Blondine mit Sphinraugen und ewigem Ber- heißunaslacheln? Ist das nicht em bißchen wenig? lieber« lege einmal — diese ungeheure Konkurrenz! Hübsche Puppen gibt es in unheimlicher Masse. Nur — Girls sind nicht mehr stark gefragt. Selbst die Lebemänner beginnen sich umzustellen und schielen nach Extravaganzen. Es ist auch noch Zett zur Umkehr — e» gibt auch grauen, die keinen Preis haben. Schöne, deutsche, an» nutige Frauen, vor denen man gern das Knie beugt — >eren Segen man wünscht, wenn es in den Kampf gehe« soll. . . Ich will dir sagen, was mich vom ersten Blick tu zu dir zog. Es war die Erinnerung an eine schöne Frau, die ich tief verehrt habe. Lie Frau eines jungen Hauptmanns! Nicht nur ich, wir alle haben sie verehrt, dabei hatte sie nichts zu verschenken, als eine herzliche Freundschaft. Wir dursten ihr den Hof machen und über boten uns in Ritterlichkeit. Meine wunderlich alten Lieder gefielen ihr sehr. Wenn sie in Gesellschaft sagt«: Lunge, laßt mich mal mit dem Spielmann Nauroth rede»', so gingen die anderen. Dann wollte sie wisse«, warum meine Lieder fröhlicher oder warum sie traurig seien. Ich er zählte ihr listige Lügen, um ihr klingendes Lach« zu hören. Meine Augen schworen zu all den Lüge«: „Ich bin so fröhlich, weil ich dich sehe, bin traurig, weil du eine Frau Hauptmann bist und dein Herz schon verschenkt hast. Sie wußte das genau und lacht« mich gut und lieb an. Ich durste sie nach Herzenslust betrachten. Wenn sie einmal ihre Hand aus meinen Arm legte, hielt ich an- i dächtig still und wir lachten herzlich darüber. Sie strich ! mir auch hier und da über das Haar, ich stand still und Dann sank sie schluchzend auf ihre Couch. Dietrich! Sie hatte nicht gewagt, an ihn zu denken, sq, unsäglich brannte die Scham in ihr. Nichts durste es für sie geben auf der Wett, als seine Verzeihung zu erlangen. Wenn sie an die vergangenen Wochen dachte: Tie Freunde der letzten Jahre waren alles andere als Freunde gewesen! Die beste Freundin, Suse Bachmann, die junge Frau des . alternden Konsuls, hatte mit Wahrheiten nicht hinter dem Berg gehalten. Seit Jahren hätte sich ganz Halle ge wundert, daß Papa Sandrock den tüchtigen, ernsten Schwiegersohn nicht ans Ruder gelassen hätte. Bei den Banken waren in letzter Zeit Wechsel aufgetaucht, wo jeder Bankier wußte, daß Sandrock niemals Wechsel gab! , Na ja, Lux L Möllmann! Warum hat es denn niemand meinem Vater gesagt? ! Dein Mann als Freund und Bankier wäre doch der nächste ! gewesen?' „Meine Liebe — Dein Gatte hat sich doch drei Jahre bemüht, es ihm beizubringen! Niemand verdenkt es ihm, daß er einfach gegangen ist. Das sah man schon lange kommen!' Edith hatte genau gefühlt: Die Frau Konsul Bachmann nahm Rache für diesen und jenen, der ihrem Salon entführt worden war . . . Ja, es waren schreckliche Wochen gewesen! Edith Nauroth rang in vernichtender Reue. Sie hatte eine mondäne Frau sein wollen, Mittelpunkt eines mo dernen Gesellschaftskreises . . . Nun war sie ein ver lassener, hilfloser Mensch! Wohl existierten noch Sandrock menschen, Onkel und Tanten — aber das waren klein- Leute im Hessischen, die in ihrem Leben keine größere Freuds empfunden hatten, als daß der „große Sandrock" in Halle pleite gegangen und sozusagen zwischen Defrau danten gestorben war . . . Nie würde sie zu ihnen gehen! Und Dietrich? Wirf er ihr glauben — wird er Vertrauen zu ihr Habes? Nett Wie konnte er auch nach all--" "mkte schreiben! Ja — sie wollte eine rücksichtslose Beichte ablegen . . . Sie wühlte in ihrem Schreibtisch. Die Mappe mit Dietrichs Briefen fiel ihr in die Hand. Sie öffnete. Was Var das? Da lagen beschriebene, lose Blätter, mit Daten versehen. An einsamen Menden hatte er seine Gedanken nieder- gelegt — sicher in der Hoffnung, daß sie einmal nach den Briefen greifen würde. Sie hatte es nicht getan, und er war gegangen. Sie las und las. Gepeinigt preßte sie den Kopf in die Hände. In einem seiner Briefe hatte einst gestanden: „Ein Spiegel ist nichts, er hat keine Worte. Wenn du wissen willst, wer du bist und wie du aussiehst, so mußt du den Geliebten fragen." Diese losen Blätter waren eine gnadenlose Fortsetzung! Spottumrankt zeichnete er ihr Leben nach, ihr Tun und Lassen, ihre Lebensäußerungen, ihre Welt und ihre Umgebung... Sie ersah aus den Aufzeichnungen, daß er sich eine Frist gesetzt hatte, ihre seelische Rückkehr abzuwarten. Es Ware fruchtlos, noch mit ihr über das alles zu sprechen, sie erfasse ja nicht einmal den Sinn UM MAe, WM» ex ihx von GesäumuflaLakeU empfing ein Geschenk. Warum? ES gab Kamerad«, die behaupteten, in eine Eisregion zu geraten, wenn sie vor der Frau Hauptmann standen. Sie hatte ein feines Gefühl, für die Lauterkeit des Herzens! Man hätte diese Frau dem Hauptmann neiden können, wenn er sie nicht hundertmal verdient hätte. Ich bin um dieser Frau will« bessere Wege gegangen, als ich ohne sie gegangen wäre. Ihr Duft, ihr reiner Lebensodem war für mich die Atmosphäre einer tiefen, wunschlosen Sehnsucht. Dieser Frau aber, Edith, sahst du so ähnlich, daß ich ihre Qualitäten in dich hineingedichtet habe . . .' Edith weinte bitterlich. Aus manchen Setten sprangen Hohn und Zorn so spontan, daß sie fühlte, er schlug damit seine schmerzende Enttäuschung nieder. Dieser Mann neben ihr hatte Helden taten an Schweigen und Gewährenlassen, vollbracht. Ein unbändiger Glaube aber mußte in ihm gewesen sein: viel leicht kommt doch die Stunde ihrer Umkehr . . . Auf einer Sette standen wenige Worte und ein Lied. „Vielleicht kommt einmal der Tag, wo du fühlst, welch :in tiefer Sinn und wieviel Seele in unseren Volksliedern reckt, die dir nur „verstaubte Gesänge' scheinen . . . Die Rosen und die Nellen, der Flieder und Jasmin, die müssen all verwelken, die müssen all verblüh'» . . . Die Rosen und der Flieder, die Netten und Jasmin die kommen alle wieder, die werden wieder grün . . . Nur nicht die Lieb' und Treue, wenn sie gestorben ist, ihr keimt kein Herz aufs neue, das schon gebrochen ist." Dieser Tag war für Edith Nauroth gekommen. Mr äß bis in die tiefe Nacht und füllte Seite um Sette . . . 38. Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberger Tageblatt