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der sich ein Dietrich Nauroth legte die Laute behutsam aus Hand, sah niemanden an. „Gute Nacht", kam es leise — die Mr schloß hinter ihm. „Met« Pott", faßte sich Wolf, „Harat, er ist Künstler!* ' Harat nickkd, sagte nach kurzem Schweinen versonnen: „Und ein unglücklicher Mensch, das Leben ist ihm Hiel schuldig geblieben . . . Der verlorene Krieg, Revo- Dtzisn und Treubruch, nutzloser Existenzkampf — und dann diese^imseligen Sandrockjahre. Er ist zu feinfühlig, diese ganzen Gemeinheiten mit kaltem Hohn abzutun, wie unser einer das kann.* „Eve! Baron Dienhoff'hat dich" doch gestern abend gesehen und zu Dr. Harat gesagt, daß du seiner Jugend liebe so sehr ähnlich sähest". Da war die Reihe, zu er röten, wieder an Evelyn. Und nun war dieser Brief gekommen. Er lag auf dem Tisch, der Umschlag auf dem Teppich. Evelyn hatte wortlos das Zimmer verlassen. Sicher lag sie auf ihrem Ruhebett und weinte. Tag um Tag dieses Warten — und nun! Traudl las ihn noch dreimal durch — ein höflicher, ja ein liebenswürdiger Bries und der Kem: Ich bin ein Dienhoff — und die Dinge sind noch frisch. Hieß das nicht: ich kämpfe zwischen Liebe und Pflicht, laßt mir Zeit? Wer konnte die harte Tatsache leugnen, daß zwischen ihm und den Draakes der Tod des Vaters stand? Evelyn trat plötzlich wieder ein, sie war ganz ruhig. „Traude — ich empfinde den Brief traurig und gequält. Was ich tun konnte, „die harten Tatsachen" aus der Welt zu schaffen, habe ich getan. Eine Antwort erübrigt sich. Er weiß ja nicht, daß wir bald Nachbam sein werden. Einmal wird er mir begegnen, dann werde ich ihn ganz schlecht behandeln. . ." ein rätselhaftes Lächeln spreite um ihren Mund. 16. Den Sonntag hatten die drei auf Frankenhof mit emsten Beratungen verbracht. Dr. Harat hatte das Gerippe der Organisation geschaffen, aus der alle Entwicklungsstufen zu ersehen waren. Der Plan war auf mehrere Jahre ver teilt. Er begann mit der Aufstellung von Baracken im Siedlungsgelande und mit der Wiederinbetriebnahme der Gutsziegelei, der Steinbrüche und Sandgruben, und zeigte im Herbst schon die erste Serie fester Häuser. Das Vor werk Schwedenschanze, unfem des Siedlungsgeländes, wurde Schul- und Mustergut, sein kleines Sägewerk wurde schnellstens ausgebaut und mit den neuesten Maschinen versehen. Dort war schon der Stamm der Siedler unler gebracht, die unter dem ehemaligen Oberjäger Harms eingetroffen waren. Der Oberförster Hayler war dabei, die Holzfällerei im großen Stile zu organisieren . . . Am Nachmittag ritten sie hinaus, das neue Arbeits gebiet zu besichtigen. Nauroth freute sich über des jungen Barons Herzlichkeit, die in jedem Wort zum Ausdruck kam. Er fühlte, daß Wolf Dienhoff ihn und sein zer rissenes Wesen gut verstand. So wenig sich kraftstrotzende, gesunde Menschen im Gmnde umeinander kümmern, so leicht finden andere, die irgendein verborgenes Leid tragen, ohne Worte den Weg zu einander. Wolf Dienhofs konnte nur billigen, was die Jäger bisher unternommen hatten. Es hatte alles Hand und Fuß. Harat erklärte und erläuterte. Nauroth übernahm . den Außendienst, Harat leitete die innere Organisation, j Der Platz der Siedlung war gut gewählt. Unfern stiegen j die bewaldeten Höhen. Ein in die Hochebene vorgeschobener ! Laubwald löste sich am Südrand in lichte Baumgruppen auf, die in die Siedlung einbezogen wurden. Ein Fluß, die kleine, kräftige Fichtelnab sprang hindurch, sie würde ihre Wasserkraft zu diesem und jenem Zweck hergeben müssen. Die Siedlung bekam die Form eines Kreuzes, in dessen Mittelpunkt ein freier Platz gedacht war, den dicke Buchenstämme säumen würden. Es konnte erreicht werden, daß auch in fast allen Gärten ein oder zwei Laubbäume stehen blieben, ehrwürdige Zeichen des Ge ländes: Männer und Frauen kommt, wir haben den Boden beschützt, — euer sei nun unser Rauschen und unser Schatten! Bringt Liebe mit! — dann dürft ihr Herzen in unsere Rinde schneiden! Nauroth zeigte in Richtung des Vorwerks Schweden schanze. „Dort drüben werden wir große Wohnbaracken auf schlagen, da wird die Arbeits- und Ausbildungsabteilung, aus den Söhnen der Siedler gebildet, wohnen. . und er entwickelte seine Pläne. Wolfs Augen blitzten auf. „Gut, gut!" lobte er begeistert, „nun habe ich nur noch eine Sorge — werden wir auch immer die richtigen Menschen finden? Keine vaterlandslosen Gesellen, Gesin nungslumpen, Faulenzer und Schlingensteller darunter?" „Dafür lassen Sie mich sorgen", sagte Nauroth hart. „Ich habe einen Blick für Kreaturen. Wir werden nicht ganz verhindern können, daß sich schmutzige Elemente ein schleichen. Entweder sie reformieren sich — oder, bei Gott! — ich selber merze sie aus!" „Sie können sich auf Nauroth verlassen", lächelte Harat, „er schaut den Leuten bis in den Magen, der spielt neben dem Herzen bekanntlich eine große Rolle . . Wolf nickte zufrieden. Tann wurde er sehr ernst. „Sie wissen, daß ich das Kapital für alle Nenarün- ! düngen und Reformen dem Erbteil meiner seligen M>... . < entneüme. Jcd will ihr ein Denkmal reden Es wu vv- In der Mittagsstunde des Tages, der Woll Dienhoffs Besuch bringen sollte, erschien nicht dieser mit Blumen und Zylinder — sondern Mr. Bray bei Evelyne. Er hatte zu melden, daß man eben aus Bukarest angekommen sei, und Mr. Draake nach der Nachtfahrt etwas ruhen wollte. Seine Augen verweilten in ehrerbietiger Bewunderung aus der jungen Herrin, die ihm schöner denn je erschien. Er erhielt überhaupt keine Antwort. Evelyn sah über ihn hinweg. Als er sich fragend an Traude wandte, trat sie zurück, als hätte er silberne Löffel gestohlen. Er biß sich . ans die Lippen und verließ völlig verstört das Zimmer. Er begab sich zu Fred Hunter, der ihn gleichmütig Grüßtet „Miß Evelyn war Wohl beglückt, Sie zu sehen?" „Ja, sie war sprachlos vor Freude .. .* parierte Bray diese Impertinenz. „Sie haben immer Mück, Bray", wunderte sich Hunter und beugte sich wieder über seine Arbeit. — „Er kommt nicht", sagte Evelyn leise. „ES scheint mir jetzt auch so", gab Traude kleinlaut zu, denn ihre Uhr zeigte das Ende jeder Besuchszeit. Zweimal sprach sie dann mit der Portierloge: Wolf Dien hoff war abgereist und würde nicht zurückkommen. Sie wunte das einfach nicht fassen!^ „Evelyn— da stimmt irgend etwas nicht! Aus welchem Grund wäre er sonst aus Frankenhof hierhergekommen?" Aber sie erhielt keine Antwort, die Freundin hatte schweigend das Zimmer verlassen. Traude setzte sich traurig auf einen Hocker und kam sich ganz grundlos sehr schuldig vor. Ms sie am Wend den Pagen zu Dr. Harat schickte, war es ein« Verzweiflungstat. Evelyn hatte sich in sich selbst zurückgezogen, schwieg beharrlich, verbarg ihre Ent täuschung auch vor ihr. Henry Draake hatte sich gewundert, keinerlei Vorwürfe zu erhalten — nahm im übrigen die uninteressante Haltung der Tochter für eine Laune, die ihm sehr gelegen kam, denn er hatte viel zu tun. — Traude hatte schon allerlei Pläne gewälzt in den Nachmittags stunden, wollte an den Baron schreiben, selbst nach Fran- kenhof fahren, ohne Evelyns Wissen — und nun diese ein- lack« Lösuna! Mit der Freudennachncht kam sie wieder ins Zimmer «wirbelt, das sie unter einem Vorwand nochmals ver lassen hatte, und berichtete mit fliegendem Atem: Die Karte ruhe noch in Meister Reinerz' Händen, die Herren wären aus Berlin gekommen und reisten erst nach Franken- Hof — jetzt würde alles noch gut! Evelyn barg ihr Gesicht an Traudes Schulter, schluchzte ganz leise. . „Du — immer sehe ich sein schönes, dunkles Gesicht und die schwermütigen Augen . . . Wenn man weiß, daß er außerdem edel und gut ist . . ." Traude strich ihr zärtlich über das seidige Haar, war froh und glücklich, den großen Doktor interviewt zu haben. „Du, Eve, er hat riesige Hände!" Evelyn sah entsetzt auf. „Ich meine den Doktor Harat!" beruhigte sie Traude. Evelyn lachte. „Wie ist er sonst?" „Ach — ich war so aufgeregt! Ich glaube, er hat sich erst ein wenig über mich lustig gemacht, — sicher, er war frech, hat mir auf den Mund gesehen . . ." „Siehst du!" lachte die Freundin. „Wer zum Schluß war er sehr nett", nahm ihn Traude in Schutz, „mir tut die Hand — noch ein wenig Weh . . dabei betrachtete sie ihre Finger. „Das muß eiß herzlicher Händedruck gewesen sein", neckte Evelyn, „dem Doktor dürste es übrigens keine Mühe machen, dich auf den Armen zu tragen — und so groß ist er auch!" sie zeigte lachend die Höhe. Da wurde Traude sehr rot und erinnerte sich ihrer leichtsinnigen Bemer kungen. Plötzlich griff sie sich an die Stirn, wie ein Mensch, der etwas ungeheuer WiLtiaes veraeiien bat.