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Vrklage zum Frankenberger Tageblatt Nr. 27V Freitag, de« 30. November IV34 03. Jahrgang NN« In »k Welt Immer «tever der Norbostpalt. Während man in Paris es meisterhaft Ser- standen hat, die Engländer mit dem Abrü» stungSproblem zu beschäftigen, gilt die diplo matische Arbeit des Quai d'Orsay dem Nord- ostpaktsystem. Die Arbeit ist wieder in Angriff genommen worden, und zwar möchte Herr Laval jetzt zuerst das Gespräch mit dem pol nischen Außenminister Beck wieder aufnehmen, weil von dieser Seite die heftigsten Wider stände gegen den Rordostpakt zum Ausdruck gebracht worden find. Frankreich hat ganz offenbar einige wichtige Zugeständnisse ge, Macht, aber es kommt darauf an, ob Polen Überhaupt für Zugeständnisse zu haben ist, vitb wenn ja, ob diese Zugeständnisse groß genug find. Die Polnische Außenpolitik hat den hauptsächlichsten Widerstand gegen den Nordostpakt bisher aus dem Grunde geleistet, weil dadurch ihre Großmachtstellung in Ost europa oder in Europa überhaupt vermindert Werden muß. Der zweiseitige Vertrag mit Deutschland entsprach der freien Initiative beider Staaten und ist gerade in der Methode für Polen bedeutungsvoller, als wenn es sich in einem Paktsystem mit einer Reihe von an deren Mächten, u. a. aber auch vor allem mit Sowjetrußland zusammenfindet. Man glaubt in Polen, daß es notwendig und möglich ist, die Rolle Polens im Konzert der europäischen Mächte noch weiter auszubauen. Diese Mög lichkeit will man nicht ungenutzt lassen, und erst wenn diese Möglichkeit voll ausgeschöpft ist, denkt man daran, andere Wege zu gehen. Die sachlichen Bedenken Polens sind ebenfalls nicht geringer Natur. Gewiß ist Frankreich entgegengekommen in der Frage des etwai gen Durchmarsches sowjetrussischer Truppen. Diesen roten Verbündeten könnte es eines Tages einfallen, beim Durchmarsch in dem Gebiet, durch das marschiert wurde, zu blei ben, und für solche Hilfstruppen hat man be greiflicherweise wenig übrig. Weiterhin Saarland deulsOe« Landi Die Klause im Saartal bei Serrig — einer der schönsten Punkt« de« an landschaftlichen Schön heiten so reichen deutschen Landes. pünscht man nicht, das! das polnisch-litauische Verhältnis durch diesen Pakt berührt wird, und schließlich hat Polen nicht das geringste Interesse daran, die Tschechoslowakei in den Pakt einzubeziehen. Herr Benesch, dem das zu Gemüts geführt worden ist, hat das klügste getan, was er tun konnte. Paktgenossen, die man nicht wünscht, sind keine Paktgenossen. Herr Benesch hat deshalb von sich aus erklärt, daß die Tschechoslowakei sich an dem Nordost pakt nicht beteiligen würde. Inzwischen ist nun Herr Litwinow auch wieder aktiv gewor den. Daß die Dinge, die mit dem Pakt Zu sammenhängen, sehr schnell entschieden wer den, ist kaum anzunehmen. In dem polnischen Außenministerium wird man sich mit der Prüfung der schwierigen Frage Wohl Zeit lassen. Mittelmeerpakt oder franzöfisch- tikt-kkscher Pakt? Inzwischen aber hat man in Paris ein an deres Eisen aus dem Seuer geholt. Der in Paris weilende türkische Außenminister Tewfik Rüschdi Bey hat mit Laval über den Abschluß nnes französisch-türkischen Sicherheitspaktes und Paktes für gegenseitige Hilfe verhandelt. Wie von anderer Seite verlautet, soll der tür kische Außenminister es sehr eilig haben, und der Freundschaftspakt soll den gleichen Wort laut haben wie die entsprechenden Verträge zwischen Frankreich und der Kleinen Entente. Es scheint aber so, als ob sich dieses Gespräch Über den französisch-türkischen Pakt nun doch noch erweitert hat zu einem Gespräch über den Mittelmeerpakt. Ein solches Gespräch setzt aber den großen lateinischen Ausgleich, die Verständigung zwischen Italien und Frank reich, voraus. Hier ist eine Anmerkung nötig. Es ist in der letzten Zeit Mode geworden, immer und immer wieder Deutschland als das jenige Land hinzustellen, das den wirklichen europäischen Frieden behindere. Es bedarf daher einmal der Feststellung, daß die Diffe renzen zwischen Italien und Frankreich im mer noch nicht behoben sind. Das gleiche gilt für die Differenzen zwischen Italien und Ju goslawien und gilt schließlich auch für das Verhältnis zwischen Polen und der Tschecho slowakei. Von einigen anderen Staaten soll in diesem Zusammenhang gar nicht geredet werden. Von der europäischen Befriedung, die gerade Deutschland allen Grund zu wün schen hat, ist es also noch ziemlich weit ent, fernt, und gerade diejenigen, die die Gelegen heit benutzen, immer und immer wieder Deutschland als den Friedensstörer hinzustel len, sollten doch einmal bedenken, daß es heut zutage in Europa noch Differenzen genug gibt, an denen gerade Deutschland keineswegs beteiligt ist. Danzigs neue Regierung. Die neue deutsche Regierung in Danzig hat soeben den Beweis dafür geliefert, daß es auch der neuen Regierung bitter ernst ist, das Werl der Befriedung fortzusetzen. Es handelt sich in Danzig nicht um einen Kurswechsel son dern um einen Personenwechsel. Die neue Regierung, an deren Spitze als Senatspräsi dent jetzt der frühere Vizepräsident Greiser steht, hat in ihrer Erklärung zum Ausdruck gebracht, daß sich an der Einstellung dem Nachbarlande Polen gegenüber nichts ändern würde, und daß die neue Regierung noch eine weitere Vervollkommnung und Besserung die ser wechselseitigen Beziehungen anstrebe. Man darf nun aber auch erwarten, daß von Pol Vie beiden kben » ^derkdgalstsHingel Riomau von Kurt Martin Oop^ri§stt Verlag Neues Leben, Bayr. Gmain W (Nachdruck verboten) Irene trat zu ihr und legte den Arm um ihren Nacken. „Herta, warum bist du nur so erregt? Und wie du da von deinem Mann sprichst! Das finde fch nicht richtig. Wahr scheinlich hat er eine Menge Arbeit nachträglich zu erledigen. Einmal mutz! er das doch tun." Da schob Herta rasch der Schwester Arm beiseite und sah sie ärgerlich an. „Natürlich du, du mutzt ihm bekstehen. Ihr habt euch ja schon immer bekgestanden. Tas ist aber Nicht schön von dir, als meiner Schwester, weißt du." ' Frau Möller legte sich Nun ins Mittel. Ihr gütiger, ruhiger Zuspruch wirkte am ehesten! beschwichtigend auf die Tochter. Herta sand aber trotz allem ihre sonst frohe Stimmung an diesem Nachmittag nicht wieder. Um fünf Uhr verabschiedete sie sich. „Ich mutz nach Hause, mich fürs Theater umziehen." Ms sie wieder kn ihrem Heim anlangte, fragte sie sogleich nach ihrem Mann. „Ter Herr Doktor hat vorhin Kaffee ge trunken. Er sagte, er wolle bis ^7 Uhr nicht gestört werden, er hätte noch zu arbeiten." Herta ging in ihr Ankleidezimmer, sie befahl dem Mädchen, ihr zu helfen, sobald sie den Abendbrottisch gedeckt Habs. > Um 7 Uhr betrat sie völlig fertig das Speisezimmer. Sie trug die gelbe Spitzenrobe von ihrem Berlobungstag. Hallinger war auch soeben eingetreten. Heiter ging «r «uf sie zu. „Na Herta, du b-kst als» doch erst Noch mal nach Hause gekommen." „Ich mutzte mich doch umziehen." ' „Freilich. Wie war's denn bei deiner Mutter?" Sie berichtete kurz. Sie konnte ihm sein Handeln immer noch Nicht verzechen. Auch bei Tisch war sie einsilbig. Erst später in Theater, als man- im Foyer Bekannte traf, war sie wieder gesprächig. Sie blieb es dann" auch und schmiegte sich bet der Heimfahrt innig an ihren Gatten. Sie schienen beide den Keinen Streit vergessen zu haben. Tie Tag« vergingen. Der Oktober neigte sich schon dem Ende M. Herta hatte wieder holt ihre Freundinnen geladen. Sie war mit ihrem Gatten im Theater zu treffen, öfters gingen sie auch ins Kaffee Monopol und dergleichen. Sie trafen da immer Bekannte. Hallinger satz wie bisher immer allein am Frühstückstisch. Herta hatte erklärt, um acht Uhr könnte sie ihm noch keine Gesellschaft lei sten. Er hatte sie wiederholt gebeten, es doch zu versuchen, zeitiger aufzustehen, aber ohne Erfolg. Sie ahnte nicht, wieviel er vermißte; er konnte sich mit niemand aussprechen. Es schmeckt« ihm nicht- Seine Gedanken kamen da manchmal auf recht sonderbar« Tinge. Er stellte sich oft vor, wie er sich vorher seins Ehe gedacht hatte. Und nun war alles anders. Morgens sprach er seine Gattin nicht. iMrttags sagten sie sich erst guten Morgen. Nachmittag hatte er teilweise Unterricht, in der freien Zeit mutzte er andere berufliche Arbeiten erledigen. Herta hatte sich bald daran gewöhnt, datz sie allein auSgehen mutzte. Daheim bleiben konnte sie ja nicht. Sie fühlte sich nicht wohl allein, sie langweilte sich. Selbst beim schlechtesten Wetter ging sie aus; manchmal gingen die Gatten? ja zusam men, das kam aber nur einzelne Male vor. Meistens konnte Hallinger nicht mitgehen; dann besuchte Herta ihre Mutter oder ihrs Freundinnen!, eine nach der anderen, ging mit ihnen ins Kaffee und vertrieb sich? die Zeit. lWends ging er mit ihr zusammen aus. Sie waren nur selten daheim. Herta bat immer so lange, bis er mit ihr ging. Es war eigentlich kein Streit mehr Mischen ihnen vorgekommen. Herta hatte eine andere Taktik eingeschlagen. Sie ließ, ihren Gatten in Ruhe, wenn er zu arbeiten hatte. Fetzt verstand sie ja, sich allein dis Zeit zu vertreiben. Abends ging er dann doch? stets mit ihr. So war ihre Ehe nach außen hin ein schönes, harmonisches Zusammensein. Herta empfand es wohl auch als solches, aber Hallinger nicht. M vermißte manches. Er hatte einst ge hofft, sein Heim' würde seine zweite Welt wer den. Nun mußt« er sich emgestehen, datz er sein Heim recht wenig geuotz. Er Hatte ge träumt, datz er an den langen Winterabenden mit seinem Weibe gemeinsam in den traulichen Gemächern sitzen würde, im eifrigen Geplau der über ihr« beiderseitigen Interessen, bet gegenseitigem Erzählen ihrer täglichen Erleb nisse. Nichts war von seinen Hoffnungen ge blieben. Als er Herta davon sprach!, meinte sie lachend: „Wer Liebster, das können wir doch, wenn wir alt sind; jetzt wollen wir doch das Leben genießen." Da hatte er gekränkt geschwiegen. Oft mutzte er in solcher« Momenten an Iren« den ken. Er konnte es sich selbst nicht erklär«n, aber manchmal sah er sie plötzlich vor sich, ohne datz er es eigentlich wollte. Er sah in seinen Gedanken, wie sie hier schalten und walten würde. Sie würde den Gatten früh nicht allein beim Kaffee sitzen lassen, sie würde ihr Heim nicht den Vergnü gungen hintansetzen. Sie würde ihr Heim lieben, sie würde sich wohl darin fühlen. Erschrocken fuhr er bei solchen Gedanken in die Höhe» Wozu denn das? Tas war doch eben nicht zu ändern. nischer Seite aus die Konsequenzen dieser Politik gezogen werden. Es muß in diesem Zusammenhang eigenartig berühren, wenn man in Gdingen einen Polnischen Flugplatz errichtet, obgleich der Danziger Flugplatz für den Verkehr nach Osteuropa voll genügt. Im Wege freundschaftlichen Uebereinkommens hätte sich hier Wohl eine Regelung finden las sen, von der sowohl Danzig als auch Polen Nutzen gehabt hätten. Ein Jahr Spanien. Die iberische Halbinsel hat im letzten Jahr mit sich so viel zu tun gehabt, daß zu einer aktiven Betätigung im Rahmen der großen europäischen Politik Wenig Raum geblieben ist. Es ist jetzt gerade ein Jahr her, seitdem der große Kurswechsel in Madrid begann. Die politischen Kräfte, die man früher ausgeschal tet hatte, und von denen man glaubt, datz sie endgültig beseitigt seien, zeigten, daß sie noch am Leben sind, und heute bestimmen sie wie derum den Kurs der spanischen Innenpolitik. Die Katholische Volksaktion ist wiederum maßgebend geworden. Heute entscheiden die katholischen Parteien, ob und wie lange der Regierungschef Lerroux noch am Ruder blei ben soll. Vorerst erweckt es den Anschein, als ob man daran denkt, mit Lerroux die Rück- wärtsrevidMUng der Verfassung vorzuneh men. Im gleichen Zusammenhang soll der katholischen Kirche der Einfluß garantiert werden, den sie früher besaß. Die Marxisten in Spanien haben bei einer solchen Sachlage keinen Grund, sich zu beschweren, denn ihre Politik, die ja der marxistischen Politik aller Staaten gleicht, hat dazu geführt, daß aus Spanien ein Unruheherd wurde. Als ihnen dann mit den gleichen Mitteln, die sie an wandten, begegnet wurde, war es um ihre Macht geschehen. Man kann den Spaniern, die noch schwer unter der Krise leiden, unr wün schen, daß sie eine Entwicklung erleben, die für das schwergeprüfte Land eine Besserung be deutet. 3vm 88. Geburtstag Gustav DalSns Der berühmte Ichwedische Physiker und Inge nieur Nils Gustas Dalsn, der 19l2 durch di« Verleihung des Nobelpreises für Physik ausge zeichnet wurde, vollendet am 30. November da« 65. Lebensjahr. Sein Schicksal hat sich dadurch besonders tragisch gestaltet, daß er bei einem seiner Experimente, durch die Explosion eines Gasbehälters das Augenlicht verlor. Eines Tages sagt« Herta ihm bei Tische „Tu, Irene kommt heute nachmittag. Sie war ja seit dem Wend bei unserer Ankunft Inoch nicht wieder bei uns. Sie wollte mich endlich einmal besuch,en, weil ich sie schon so ost darum bat. Ich Habe mich aber heut« vormittag mit einigen Freundinnen verabredet, ich mutz mit denen erst einmal fortgehen. Ge gen fünf Uhr bin ich sicher wieder da. Tu bist so gut und unterhältst Irene einstweilen, ja?" Er fühlte sich bei dieser Eröffnung etwas un behaglich. „Aber Herta, kannst du deinen Freundinnen nicht absagen? Deine Schwester geht doch vor." Sie schüttelte den 'Kopf. „Nein, Edgar, „Nein, Edgar, es geht nicht, tu mir nur den Gefallen." Sie kleidete sich rasch an, kam dann wieder zu ihm, küßte ihn zum Abschied und ging. Er blieb nachdenklich vor seinem Schreib tisch sitzen. Es war ihm nicht angenehm, mit Irene allein zu sein. Er nahm sich vor, von ganz Gleichgültigem zu sprechen. Sie sollte nicht von ihm hören, daß er in seiner Ehe unbefriedigt war. Das war ja seine Schuld, es ging niemand etwas an. Gegen halb vier llhr meldete das Mädchen Irene. Er bat sie zu sich in sein Zimmer. Sie trat gleich daraus ein. Ein dunkelgrünes Tuchkleid umschloß ihre schlank« Gestalt. Im Haar trug sie ein gleichfarbiges Band. Hallinger trat auf sie zu. Willkommen, Irene, du warst lange nicht bei uns. Leider mußte Herta einer Verabredung mit Freundin nen folgen. Sie kommt erst um fünf Ahr. Wenn es dir recht ist, so können wir ja einst weilen miteinander plaudern." „Wenn ich dich nicht störe." „Ganz und gar nicht. Schau her, ich habe nur die Zeitung gelesen. Komm, nimm Platz. Ich will für uns Kaffee bestellend (Fortsetzung folgt./