Volltext Seite (XML)
Sie werden verstehen, verehrtes gnädiges Fräulein, Satz «uh eine Unterredung daran nichts ändern könnte. Ich wünsche Ihnen für Ihren Europaaufenthalt recht er freuliche Einbrüche über Land und Menschen, und bin mit dem Ausdruck größter Ehrerbietung Ihr ergebener.Wolf Dienhoff. Er überflog rasch den Bries. Ein Wort noch von Franz Draake? Nein. Reinerz ging in gehobener Stimmung durch das Haus. Zm Ostflügel, der unbenützt laa, stieg er über Treppen z» den Gemächern hinauf, Die einst der Gräfin Toska zu eigen waren. Niemand durfte diese Zimmer betreten, die von .Reinerz gehalten wurden, als würden sie bewohnt. Wenn die Mädchen mit ihren Eimern und Putztüchern kamen, wich er nicht vom Platze und duldete kein lautes Wort in diesen Räumen. Streng verbot er, in Hof und Stall darüber zu sprechen, wie prachtvoll, ja fürstlich dieser Klügel auSgestattet war. Wenn Arnim von Dienhoff oft stundenlang durch diese Räume geschritten war, hatte Reinerz traurig auf einer Treppenstufe gesessen und ge wacht. Niemand sollte den unglücklichen Herrn in seinem ewigen Schmerz stören. Wenn er dann die schweren Schritte hörte, die in den Alltag zurücktappten, verschwand er lautlos. Oh, er kannte die Dienhoffs. Sie hatten nicht viel übrig für leichtlebige Frauen, Flirt und galante Abenteuer — aber wenn die Liebe über sie kam, dann gaben sie ungeteilt und einmalig Seele und Herz. Und immer hatten sie schöne, edle Frauen, die dieser Liebe würdig Warrn ... Für seinen Baron Wolf aber war die Lichte, Gütige «kommen — übers Meer, wie einst Gräfin Toska mit ihrer dunklen, klastischen Schönheit aus dem fernen Süden. Prüfend ging er umher, nickte zufrieden. Hier war alles bereit, heute, wie in Monaten. — Plötzlich besann er sich der nächsten Pflicht: .Reinerz, heute abend meinen Freun den einen festlichen Tisch unfeinen guten Tropfen." Der Alte war sofort im Bilde gewesen. Nette Tafel, ohne Prunk, dafür gut und reichlich besetzt. Vergnügt eilte er zur Küche. Im eifrigen Hantieren fragte die Züllichen leise: .'S iS gewi^ daß *r scho gschrieben hat, der Herr Baron?" .Furt iS »r scho -, der Brief, da fehlt sich nix", wis pert Reinerz zurück. Sofort zog er das Gesicht wieder in streng« Falten, sonst fanden die Vertraulichkeiten der Zül- llch kein Ende. — 14. Als die Lichter auf dem Tisch standen und nach kräf- ^m Mahl die Zigarren brannten, wandte sich Harat an .Bitte, sieb er Dienhoff, unterrichten Sie uns einmal Über die Lage hier im Weiseritztal. Ich stieß bei Herrn Wiebusch auf sichtliche Befangenheit, als ich ihn danach fragte. Er meinte, wenn ich noch nichts wüßte, wolle er Ihnen nicht vorgreifen. Zweifellos kann es doch für uns von Bedeutung sein, Anschluß an diese Bauerei zu be kommen .. Wolf hielt es für richtig, nunmehr die Freunde völlig etnzuweihen. Ihr Rat konnte ihm nur nützen, an ihrer Kritik aber wollte er seine Haltung messen. Er sprach mit leiser Stimme und empfand das Schweigen der Zuhörer al- achtungsvolle Teilnahme. Da riß er, vollem Ver ständnisses gewiß, noch eine Schranke nieder und erzählte offen von seiner freudlosen Jugend, von Franz Draake dem Weltläufer, und vergaß auch nicht die Enkelin Evelyn. Ls war leicht zu erkennen, wie sie in Wolfs Zufunstsbilder hineinspielte. Dann folgten Schlag auf Schlag die Ereig nisse. Und nun blieb das Tal, die Amerikaner und ihr Werk . . . Harat aber wußte mit einem Male, was die kleine Traube Rüland von ihm gewollt hatte und warum Wolf plötzlich abgereist war. Nun, man würde auch dar auf zu sprechen kommen, zunächst stand das Werk im Vordergrund. Er tauschte einen schnellen Blick mit Nau roth. Dieser nickte unmerklich. Wolf trat an ein Fenster, die Jager folgten ihm. .Ja — und so ist das nun . . ." sagte er mit ge preßter Stimme, von den Erinnerungen an den Abend seiner Heimkehr gepackt. — Mondlicht lag im Tal — aus den Baracken klotzte Acht. Wie jeden Abend wehten die Klänge der Harmonika heraus, rauhe Männerstimmen sangen. .Lieber Dienhoff", Nauroth gab seiner harten Stimme warmen Klang, „soweit das alles Sie und den Frieden dieses TaleS betrifft, ist es eine verdammte Geschichte. Aber davon später. Für die Leute da unten aber ist es ein Gwa: Daß Arbeit GILS sein kann, daß Arbeit eine vor nehme Sache ist, die Selbstachtung und Rückgrat gibt — das wissen Millionen erst seit einigen Jahren. Vorher war Arbeit Lohnslaberei, Ausbeuterei, Schinderei. Diese Arbeit besonders — hat vor dem Krieg kaum ein deutscher Ar beiter verrichtet! Wo immer Erde gewälzt wurde, ging es um Eisenbahnen oder Kanäle — da waren Fremdstäm mige: Tschechen, Polen, Slowaken. Heute sind das große Herren geworden, nicht wahr? Sie haben es nicht mehr nötig. . ." die Stimme schnappte hoch in Bitterkeit. Er schwieg einen Augenblick, „dafür schreit seit Jahren unser Volk nach Arbeit! Wer welche zu vergeben hat und tut es nicht — der ist ein Unwürdiger! In meinen Augen noch mehr! Gehen Sie einmal durch die Arbeitsloscn-Viertel, ob jemand ein deutsches Lied singt! Nein, Flüche hören Sie — und bittere Wahrheiten . . . Aber hier. . . kennen Sie das? Ein altes deutsches Volkslied — und vorhin, das waren Soldatenlieder! „Dott auf jener Straßen, schwur ich Mädchen dir Und du tatst desgleichen — einen Schwur zu mir . . Man muß sich freimachen von allen Fragen und Zweifeln persönlicher Natur. Sie, Tienhoff, sind befangen, müssen befangen sein — verübeln Sie mir diese Feststel lung nicht. Beherzigen Sie meinen Vorschlag: hadern Sie nicht mehr mit sich und dem verstorbenen Herrn Draake, sondern nehmen Sie Abstand von den Ereignissen. Be- oenken Sie auch, daß Franz Draake sicher ein guter Deutscher war. Wer immer für sein Vaterland die Klinge gezogen hat, muß als solcher geachtet werden er lächelt Wolf zu, der ohne Einspruch seinen Ausführungen folgte und fuhr fort: „Diese Leute dort unten werden sagen, daß der alte Draake ein ganzer Kerl gewesen ist! Arbeit für Jahre! Die Bewohner des Winkels werden es bald in Ordnung finden, daß eine Eisenbahn durch ihre Wälder schneidet, wie in anderen Gegenden auch! Sie werden wissen, daß sie früher benachteiligt waren! Wer wird in den Werken und Fabriken im Tal arbeiten? Leute aus der Gegend. Sie verdienen und der Bauer verdient auch. Tann — dieses Tal wird keine Ueberschwemmung mehr haben, es gewinn! mit einem Schlag an Wert — die Talsperre gibt Strom und das Wasser treibt Turbinen mit hoher Leistungs fähigkeit. Ihnen aber, Dienhoff, wird die Bahnstation vor die Nase gesetzt... ist das für die Zukunft nichts? Geraubt wurde Ihnen nichts als eine geruhsame Aussicht auf ein idyllisches Tal. Hand aufs Herz, vielleicht hätten auch Sie ein Leben lang die alte Mühle stehen lassen — wäre Ihren Nachkommen gedient, wenn die neue Zeil noch Jahrzehnte an Frankenhof vorübergezogen wäre? So sehe ich das alles, als Fremder, der nicht mrt Jugend- erinnerungcn belastet ist, dessen Gefühle nicht beteilig sind. Auch Sie werden es früher oder später so sehe« können. Wenn Sie der Spektakel vor Ihren Fenster« mißmutig machen will, denken Sie auch daran: Wo solle« denn die deutschen Menschen alle hin, die in kümmerliche« Großstadtquartieren schlecht und bitter werden müssew Heraus mit ihnen, so schnell wie möglich . ° Wiedei lächelt Nauroth dem jungen Baron zu, „Sie haben st dieses Hilfswerk selbst schon begonnen und wenn es Ihne« Freude macht, selbst mir, der ich aus wirtschaftlich bessere« Verhältnissen komme, haben Sie das Leben wieder wen gemacht — wie viel mehr noch wird es unseren Leuten sein, in Licht, Luft und Sonne ihre Heimat bauen zu dürfen.' Wolf nahm die Hand Nauroths mit festem Druck. „Nauroth, ich danke Ihnen, Ihre Worte sollen nicht umsonst gesprochen sein!" „Bravo", siel Harat ein, „darauf wollen wir an stoßen." Freudig gab Wolf Bescheid, Reß von Reinerz neue Flaschen bringen. „Morgen ist Sonntag, da können wir ausschlafen." Reinerz schloß die Vorhänge, ließ sich von den Jägern necken. Ja — das war eher etwas für den jungen Herrn, als die grüblerischen Abende am Schreibtisch! Befriedigt tappte er zur, Küche, — (Fortsetzung folgt.) Wußten Zie schon, daß... Tie populärste Redensart „einen beim SchlaffitchM kriegen", für „einen zu fassen kriegen, einen am Kragen packen" ist ent standen aus „einen am Schilagfittich an den Schwungfedern (beim Vogel) packen". Halloren heitzen die Bergarbeiter in den Satzbergwerken bei Halle an der Saale. In Japan wird sehr gern ei» Gericht aus Meeratzen aegesse».