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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zu« Frankenberger Tageblatt Nr. 72 Sonntag den s. September IM ' >,Hoffentlich warst du nW stecht meinte der Prinz ärgerlich. Die burschikose Art Les Freundes war ihm hinreichend bekannt. „Ich bin nie frech!" wehrte Grottkau ab und legte die Hand mit dem Hühnerteller aufs Herz. „Schöne Maske, ich kenne dich," habe ich gesagt. Ueber diese originelle Anrede ist sie erschrocken. Komisch, was?" Der Prinz antwortete nicht. Seine Augen hingen wie gebannt an Anne von Falke. „Dann habe ich sie auf die Veranda geführt und um einen Tanz gebeten," erzählte Grottkau weiter. „DerE mal, Durchlaucht, sie hat mir einen Korb gegeben." „Das ist dir recht geschehen. Geh' jetzt mit deinen Fressalien zu Fräulein Staniecki. Das Silbermädchen erregt Aufsehen." Anne von Falke bemerkte selbst, daß sie auffiel. Die Blicke der Herren wandten sich ihr zu, und die Damen tuschelten. Anne blickte verschüchtert über die bunte Menge und erkannte ihre Mutter, die sie durch das Lorgnon betrachtete. Anne fühlte, daß sie unter dem Blick errötete, tzhr nächster Gedanke war Flucht. Da stand plötzlich ein hochgewachsener Mann tn weißer Uniform vor ihr. Der Fremde verneigte sich, seine dunklen Augen blickten sie ernst an. „Gnädiges Fräulein, Sie sind allein. Ich bitte um die Ehre, Ihr Ritter,sein zu dürfen." Die warme Männerstimme tat wohl und verhieß Schutz. Fast unbewußt legte Anne die Hand auf den gebotenen Arm und ließ sich fortführen. Vera Staniecki empfing Grottkau sehr ungnädig. „Ich stelle fest, daß Ihr Freund, der Prinz, nicht die besten Manieren hat," grollte sie. „Er läßt mich hier sitzen und geht einfach mit einer fremden Dame davon. Das ist unerhört!" Hans von Grottkau legte fein blondfröhliches Gesicht in zerknirschte Falten. „Gnädiges Fräulein, der Prinz läßt sich vieltausend mal entschuldigen. Er hat diese Erfrischungen für Sie ausgesucht und bittet Sie, mich gnädigst als Stellver treter zu akzeptieren. Die Dame ist nämlich — hm „Was ist mit der Dame? Wer ist sie?" „Die hat nämlich — ist nämlich — wie soll ich mich ausdrücken — Sie verstehen —" „Ach so, ältere Verpflichtungen des Prinzen. Pah, ich begreife. Trotzdem ist sein Benehmen nicht artig." „Gnädigste, das müssen Sie doch einsehen. Wenn eine Prinzessin befiehlt, was foll Durchlaucht da machen?" log mit eherner Stirn Grottkau. „Eine Prinzessin? Was soll das heißen?" „Eine verwunschene Prinzessin — sozusagen." Grottkau war drauf und dran, sich gründlich zu ver haspeln. Vera Staniecki lachte laut auf. „Geben Sie sich keine Mühe, lieber Grottkau! Ich will Sie nicht zu Indiskretionen verleiten. Der Prinz ist entschuldigt. Setzen Sie Ihre Teller hin und lassen Sie sehen, was Sie mir gebracht haben. Hm, sehr wenig Hummersalat. Ich werde Sie noch einmal zum Büfett schicken müssen." Brr, gefräßig ist sie auch, stellte Grottkau für sich fest. „Nehmen Sie Platz und leisten Sie mir Gesellschaft. Sie müssen mir mehr von dieser geheimnisvollen Dame erzählen. Namen brauchen Sie nicht zu nennen. Ist -er Prinz mit der Dame verlobt?" Hans von Grottkau gab seiner Phantasie einen Stoß. „Nein, noch nicht," schwindelte er vergnügt darauf los. „Es gibt da gewisse Familienschwicrigkeitcn. Soll ich LÜL-LL verarmen ist?" ! „Nein, neiü, bleiben Sie hier und erzählen Eie ! weiter. Ich interessiere mich für Liebesgeschichten. ES Handelt sich doch um eine Liebesgeschichte, nicht wahr?" „Liebe auf den ersten Blick," beteuerte Grottkau eifrig , und ahnte nicht, wie sehr er ins Schwarze trgf. „Soll ich den Sekt einschenken? Eine gute Marke führt der ! Konsul." „Schenken Sie ein und bleiben Sie beim Thema. Lieb« auf den ersten Blick. Gott, wie romantisch! Wie, wann, wo ist es geschehen?" , Grottkau ergab sich mit einem innerlichen Stöhnen in sein Schicksal und begann ein Eeemannsgarn zu spinnen, an dessen Lügengewebe auch ein tn dreißig Jahren seebefahrener Matrose seine Helle Freude ge- habt hätte. Er wunderte sich darüber, daß sich die Bal ken Les Saales ob seiner Schwindeleien nicht zu Spiralen bogen. Inzwischen hatte der Prinz seine schöne Unbekannte in Lon Wintergarten geführt, der den Epeisesaal mit dem Tanzsaal verband. Die Klänge eines Boston lockten. „Wollen wir tanzen, gnädiges Fräulein?" fragte eit leise. Anne nickte stumm. Darm glitt sie in MeerSburgS Armen über das Parkett. Das Mädchen hatte noch wenig Gelegenheit zum Tan zen gehabt, aber es war musikalisch, hatte viel rhyth misches Gefühl, und der Prinz war ein fabelhafte« Tänzer. Er führte seine Partnerin sicher Wer das Parkett/ und Anne überließ sich glückselig Lieser Führung. Plötzlich sühlte sie, daß sie jung war, Laß sie Freuds entbehrt hatte und sich nach Freude und Glück sehnte, wie jedes junge Menschenkind. Sie gab sich dem Genuß- des Tanzes und den Lockungen der Musik hin. Als der- Boston in einen Walzer überging, blieb sie tn Meers burgs Armen, der die leichte Gestalt näher an sich zog, Ueber Meersburg war es wie ein Rausch gekommen. Er fühlte den zarten Körper seiner Partnerin, atmet« Len Duft ihres blonden Haares und hätte Anne für all« Zeiten so halten mögen. Mit vielen Frauen hatte Meersburg schon getanzt, aber noch nie hatte er dieses tiefe Glücksgefühl empfunden. Da schwiegen die Geigen. Anne blieb stehen und sah verwirrt zu dem Prinzen auf. Unter der Spitzenmaske glänzten Lie Blauaugett des Mädchens. „Ich habe sehr lange nicht getanzt," sagte sie. „Und ich war sehr unbescheiden, denn ich hckbe Sie - gleich für zwei Tänze mit Beschlag belegt. Sind Sie ! müde, gnädiges Fräulein?" Anne schüttelte stumm den Kopf. „Wollen wir weitertanzen?" , „Ja —gern!" Einfach und natürlich wurde das gesagt. Die Zustim- ! mung erfüllte Meersburg mit Freude. Wieder legte er den Arm um die schlanke Gestalt. In diesem Augenblick drangen lautes Gelächter, Geschrei und Hochrufe vom Speisesaal herüber. ! „Was ist das?" fragte Anne. „Lassen Sie uns nachsehen." Meersburg nahm Annes Arm und führte sie mit sich fort. Im Speisesaal fanden sie eine fröhlich erregte Menge, deren Mittelpunkt der Konsul und Frau Olga Staniecki ! bildeten. Eschental stand da und schwenkte sem Sektglas. „Meine lieben Gäste," rief er vergnügt, „die Sache § läßt sich nicht länger verheimlichen, unb ich beabsichtige auch nicht, es zu tun. Ich habe das Vergnügen, Ihnen mitzuteilen, daß ich mich mit Frau Olga Staniecki ver lobt habe und bitte um Ihre Glückwünsche!" „Ein Hoch dem Brautpaare!" Grottkau stieß diesen schmetternden Ruf auS und be nutzte gleichzeitig die Gelegenheit, Vera Staniecki und seinem eigenen Lügengewebe zu Lvüüedew. Er stürzt«