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WM—WWWWW * * Tie beiden Mütter Leute hatten vollkommen recht, wenn sie sagten, die Ehe des jungen Paares sei so harmonisch, wie es nur eben eine Ehe sein konnte. Markus übte seine Praxis in der Heimatstadt aus, und zwar in der Stadtwohnung der beiden Frauen, wo er zwei Zimmer für sich zur Verfügung hatte. Als Heim aber diente ihm und Rosmarie das große graue Haus, in dem Christine als helfende Kraft waltete. Schon nach Jahresfrist kam das erste Kind, ein Mädchen. Sie nannten es nach der Urgroßmutter Gertraude. Die junge Mutter sah fragend zu ihrem Manne auf, der sich über seine kleine Tochter neigte. „Mach es dir nicht so schwer", tröstete er gütig. „Ich bin zufrieden. Was sollten wir Männer, wenn Ihr uns keine Mädchen mehr schenken wolltet?" Da war sie beruhigt. Das Kind gedieh. Ein Jahr darauf folgte die zweite Tochter. Rosmaries Augen waren noch scheuer. „Ich hätte es so gerne anders gehabt. Sei nicht böse, Markus. Viel leicht das nächstemal!" Er lachte befreit. Kaum war das eine Kind dem Leben geboren, dachte sie schon wieder an ein weiteres. Das dritte aber war endlich ein Sohn! Rosmarie strahlte. Es strahl ten aber auch Großmutter und Urgroßmutter Lente! Mar kus trug seine dreifache Vaterwürde erhobenen Hauptes. Der Himmel ihrer Ehe blaute ohne jede Wolke. Markus kam, seit er den Sokm zu Hause wußte, immer sehr pünktlich aus der Stadt zurück. Wenn er nach aus wärts mußte, meldete er dies fkiner Frau am Telephon, damit sie sich nicht um ihn ängstigte Rosmarie war glück lich. Immer seltener wurden die Stunden, wo die Ver gangenheit mahnte. Gott war großmütig in seiner Güte und Gerechtigkeit. Sie hatte keinen Teil an der Schuld, die der Mann in Holland auf sich geladen hatte. Ihre Kinder ge diehen. Die Praxis ihres Mannes vergrößerte sich von Tag zu Tag. Selbst der Fluch, der über dem Geschick der Lentes hing, schien ausgeschaltet zu sein. Die beiden kleinen Töch ter versprachen Schönheiten ZU werden. Wie der Junge aut. West ur« bestimmt gesprochen. „Ja, hauchte ihre Stämme nach dem Ohr des Geistlichen hin. Wenn doch das Jauchzen vom Chore her endlich schweigen wolltet Es riß ihr noch das Herz entzwei. „Ich Hosse auf dich denn du verlassest mich nicht. Nachschleichen wird mein Fuß die Wege, die du gehst. Denn du und ich sind sinsl" Markus sah erschrocken, wie Rosmarie taumelte. Es war Zeit, daß die Feier zu Ende ging. Als der letzte Ton ver- ' klang, schwankte sie an seinem Arm. Von ihm gestützt, schritt . sie das Schiff hinunter. Sabin« hatte Schreck in den Augen, lind Großmutter Leute drückte das Gesicht in das Spitzen taschentuch aus feiner Brüsseler Arbeit „Wie bleich du bist, mein Süßes!" Markus half der schlanken Gestalt in den Wagen und schlug den Schleier zur Seite,' damit er nicht eingeklemmt werde. Dann nahm er Neben seiner jungen Frau Platz. Er streifte die Handschuhe ah und bog ihr Gesicht zu sich herauf. Ihr Mund bebte unter der Leidenschaft seines Kusses. Sie wagte die Lider nicht zu heben. Willenlos tag sie gegen seine Schulter und hörte, was er zu ihr sprach. „Ith schwöre dir, daß ich mich nie wieder schuldig machen werde. In der Stund«, in der du mich einer Untreue zu zechen hast, darfst du mich verlassen." „Ich verlasse dich nicht! Verlaß auch du mich nicht, Martast" „Met" gelobte es so feierlich, wie es ihm in diesem Nuaenbkck zumute war. Ihre Hand an die Wange hebend, Khke er, wie kalt und leblos sie war. „Was fürchtest du?" Die Erregung seiner Stimme brach sich in der Enge des Wagens. „Ich werde als dein Mann nicht anders sein, als wie ich als Verlobter war. Nur treuer, Rosmarie," setzte er ihrem Gesicht kam und ging ein schwaches Rot. Dann hielt der Wagen. Wie Stimmen der Gäste schwirrten durcheinander, als das Brautpaar den Salon betrat. Aus der Fensternische löste sich nu Herr in schwarzem Anzug und kam auf Rosmarie zu. „Gestatten Sie, gnädige Frau Flensen. Ich komme als Vertreter Ihres Vaters. Er bittet Sie, dieses Brautgeschenk aus meiner Hand annehmen zu wollen." Rosmaries Finger, die an der weichen Seide des Kleides lagen, regten sich nicht. Dafür griff Markus nach dem Etui - lwd ließ es ausspringen. „Ich hatte schon gefürchtet, es wären Perlen," sagte er verbindlich. „Nun sind es Rubine. Sieh, Liebes, sie schimmern wie Blut!" Rosmarie streifte den kostbaren Armreif mit flüchtigem Blick. Rubine! Als ob sie auch ohne dieses Mahnen . ^vergäße, daß ein Schwert über ihrem Leben hing. Sie wur- :den von Gästen umdrängt. Als Markus etwas später Um schau nach dem Gesandten von Rosmaries Vater hielt, war dieser verschwunden. Vielleicht hatte er eine Aufforderung zum Bleiben er wartet. Aber das wäre doch selbstverständlich gewesen. Man , hatte den Kopf so voll, daß man sich unmöglich jedem ein zelnen widmen konnte. Rosmarie würde sich wohl in einem . . Briefe entschuldigen müssen. Markus selbst hatte seit jenem ersten Schreiben keine weitere Zeile mehr mit Holland ge wechselt. Im Grunde genommen war es ihm eigentlich recht, daß er seine Frau für sich allein hatte, obwohl sich Väter viel weniger oder meist gar nicht in die Ehen ihrer Kinder mischen, als dies bei Müttern der Fall ist. Er sah nach den beiden Frauen hinüber, die ihm Vater und Mutter zugleich gewesen waren, und wurde jungenhaft froh. Sie würden niemals einen Keil Mischen ihn und Ros marie treiben. Die drei Frauen verstanden sich gottlob. Es würde ein schönes, harmonisches Zusammenleben sein. Sein Glas hebend, tauchte er die Augen in di« seiner Frau und ließ sie darin ruhen. Toaste gingen über sie hin. Als man sich zum Tanz anfchickte, verschwand das jung« Paar. Im Garten sang ein Vogel sein Abendlied, als sie Hand in Hand durch die kleine Pforte schritten, vor welcher der Wagen wartete. Markus half Rosmari« beim Einsteigen, sprang in den , Fond, klappte den Schlag zu und drückte sich neben ihr in die Kissen. Durch die herabgelassenen Fenster kam herber Duft von Erde und quellender Feuchtigkeit. Als smaragdenes Gewölbe blaute der Himmel über der Ebene und trug an den Rändern ein sanftes, verlöschendes Rot, während die Anemonen und Silberglöckchen, die am Wiesenrand standen, die Köpfe vor ihnen neigten. Rosmarie fühlte den Arm ihres Mannes unter den Rücken geschoben und die Kraft, mit der er sie an sich preßte. Die : weiche süße Stimme in der Kirch« drängte sich in ihr Er innern: „Siehe, es liegt mein Herz vor dw, wie eine Schale lauter«» GÄdes" 2dr Kopf Mt.m.qjWOer Hingabe gegen seine Schulter. „Ich Höffe auf dich, denn du verlaffest mich nicht." Glocken läuteten durch den Abend und verebbten in zeitlos sehnsüchtigem Schwingen. Di« Tür zum Garten, der das alte graue Haus umschloß, stand weit geöffnet. Christines schwarzes Seidenkleid, das sie ein ganzes Menschenalter nicht mehr getragen hatte, zeigte blendend weihe Spitzen um den Hals. Das junge Paar sollte nicht erschrecken, wenn sie ihm als verwelkter Schatten den Willkomm bot. Es war alles bereit. In dem grohen, nach Westen gehen den Zimmer brannte der mächtige Kronleuchter. Sie traten in ein Meer von Licht, aßen eine Kleinigkeit und gingen noch ein Stück durch den Garten. „Gute Nacht!" flüsterte Christin«, als das Paar an ihr vorüber die Treppe Hinaufstieg, den gleichen Weg, den der arme Irre so oft gegangen war. „Gute Nacht!" Die beiden jungen Menschen blickten zurück und nickten ihr zu. Auf der obersten Stufe angekommen, hob Markus die geliebte Frau in seine Arme. So schritt er mit ihr durch die offene Tür, die ein Luftzug hinter ihnen schloß. Durch das Fenster irrte ein Nachtfalter und streifte mit unsicherem Flügelschlag die Stukkatur der Decke, daß feiner Staub auf den glänzenden Spiegel des Parketts rieselte. Feindselig kalt funkelten die Sterne über dem grauen Haufe. Vom Garten herauf rauschte es geheimnisvoll. Ein Vogel piepste traumverloren und rückte sich im Geäst zu recht. — „Markus!" Mit einem leisen Schrei war Rosmarie aus den Kissen hochgefahren und ließ sich wieder zurücksinken. Sein Haupt lag gegen ihre Schulter gelehnt. Die tiefen Atemzüge verrieten, wie fest er schlief. Ihre Finger preßten sich in die Handrücken. Einem Menschen verbunden und doch allein! Allein mit dieser fürchterlichen Not und Qual verheimlichter Schuld. Sie hatte sich selbst betrogen, als sie damals zu ihrem Later sagte: „Ich habe keinen Teil an deiner Schuld." Heute und in alle Ewigkeit konnte sie sich nicht freimachen von dem Manne, dessen Blutes sie war. Tränen rieselten ihr über die Wangen herab m die Spitzen ihres weißen Nachthemdes. „Ich vertraue auf dich, denn du verläßt mich nicht." Unh er hatte sie schon in dieser . Stunde verlassen, denn sie war allen Trostes bar. Markus regte sich. Da verhielt sie den Atem. Was sollte sie ihm sagen, wenn er fragte? Erst nach Stunden kam wieder Schlaf in ihre Augen und in das Gewirr ihrer Träume schimmerten die Rubine, die ihr der Vater gesandt hatte, wie rieselndes Blut.