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Null bog die Kutsche um die GSe. Der gelbe Lack der Karosse leuchtete noch einmal auf. Dann war sie verschwunden. — Mutter Strauß ließ den Arm sinken. „Nun ist er weg, Iosefl —" Das klang so erschütternd weh, daß der Josef sie in die Arme nahm und schnell wieder ins HaUs zurück führte. — So fuhr der Johann Strauß, von enttäuschter Liebe ver stört, hinaus in die Welt, da er sich nicht anders zu helfen wußte, seinen Schmerz zu übertäuben. Still lehnte er in der Ecke des Wagens. Me Geige im Arm. Oh — nur erst aus Men heraus sein! Er schloß die Augen. Durch seine Seele irrte ein Traum. Ein Frühlingstraum von einem blonden Wisner Kind, das nachher eine Komö diantin war! Ein Traum von verliebten Stunden im Wie- ner Wald — die alle eine Lüge gewesen waren. Ein Traum von Glück, das nachher nur Lug und Trug gewesen. . Du lieber Gott! Und dennoch: War denn dies Gesicht jemals auszulö schen in der Seele? Diese Züge, die so rein uyd wahr und mädchenhaft treu ihn beglückt hatten? Diese Kusse, die sein Herz verbrannten und von Liebe sprachen? Diese Worte, die ihm wie ein Evangelium gewesen waren, das seine gläu bige Seele hinnahm wie eine wunderbare, unerhörte Offen barung? ? Johann Strauß senkte den Kopf. Nein — man mußte vergessen lernen! Man konnte nicht alles haben: Ruhm und Frauenliebe! Eines von beiden würbe immer zuviel sein! Man durfte nicht unbescheiden sein. — Die Kutsche ratterte dcchin. War man schon hinaus aus Wien? Die letzten Häuser tauchten auf. Johann Strauß preßte das Gesicht an die Scheibe. Da hinten winkte die Silhouette des Wiener Waldes. Da san gen und flöteten jetzt Drosseln und Amseln und fröhliche Lerchen, und dunkel und geheimnisvoll standen die Tannen, die von so viel Liebesgeheimnisfen wußten. Auch von den Geheimnissen seiner Liebe. Leb' wohl, Wiener Wald! Leb' wohl, närrische, verrückte Lieb«! Kleines Haus am Waldrand! Das alles ist vorbei — als wär's nie gewesen! Nie gewesen? Johann Strauß biß di« Zähne auf die Lippen, daß ihn: ein Blutstropfen heraussprang. Er stöhnte leise auf. Nie gewesen? Ah — er hätte lachen mögen. Lachen über sich selbst, der er der größte Narr von Wien gewesen war! — Und der Wagen holperte dahin. Längst schon war man über die Stadtgrenze hinaus. Längst schon breitete sich flaches Land aus und rechter Hand floß in der Ferne die blaue Donau. Letzter, treuer Geselle von Wien. Weiter! Weiter! Johann Strauß hob den Kopf, als er plötzlich den Wi derhall eines schmetternden Hornliedes hörte. Er lauschte. Ah — der Postillion spielte! Gemächlich trabten die Pferde durch die Dämmernis der Landschaft. Blutigrot ging am Himmel die Sonne unter. Stvauß öffnete die Augen. Er sah zum Fenster hinaus. Gleich mußte man haltma chen. Wenn der Postillion blies, dann war eine Rast in der Nähe. Er rechnete schnell nach. Wieviel Stunden war man schon unterwegs? Zwischen Wien und Preßburg? Ja, es war an der Zeit, unter Dach und Fach zu kommen. Ein behäbiges Dorf öffnete sich. Strauß steckte den Kopf zum Fenster hinaus. Kühle Abendluft wehte um sein Haar. „Halkn wir?" Der Postillion nahm das Horn vom Mund. „Jawohl, Meister Strauß, die Pferde schaffens net mehr. Hier ist Station. Morgen früh fahrt Ihr mit frischen Gäu- Kn weiter." „Du liebe Seel," dachte Strauß, „morgen bis Preßburg. Und wann hab' ich endlich mein Oesterreich hinter mir? Wann sind alle Erinnerungen stumm? Wann komm' ich Nach Rußland? Der Herrgott schütz' mich!" — 3s,-§L-«gr^KM einLLLÜLMsAeife. Tag um Tag? Woche um Woche. Eine elende Fahrt! Stationswechsel. Pfevdewechsel. And dann im Schlitten weiter, nachdem man auf russischer Erde war. Eine elende Fahrt! Gleich hinter der Grenze mußte er für einige Tage haü» machen. Denn hier wollte er, wie es mit Bruder Josef be sprochen worden war, auf die Mitglieder seiner Kapell» warten, die ihm zwei Tage nach seiner Abreise folgen woll ten. Nur der kleinere Teil seiner Musiker hatte in Wien Zurückbleiben müssen, unter Leitung von Iosefl, damit di« Wiener die Straußsche Kapelle nicht gar zu sehr ent behrten. Twei Tage später traf die Gesellschaft ein. Gin« lustige Mustkantenbande! Es gab eine stürmische Begrüßung in der Herberge des kleinen Grenzortes. . Und am Abend war das Gasthgus gerappelt voll von neugierigen Gästen, da es sich bald herumgesprochen hatte, daß der Johann Strauß aus Wien mit seiner Kapelle hier Station gemacht habe und daß er am nächsten Tage sein« Reise nach Petersburg fortsetzen würde, wo er vor hohen und höchsten Herrschaften spielen sollte. Es gab einen fioelen Abend. Der Wirt, die Gäste — sie brauchten nicht lange zu bit- ten, bald packte die Kapelle ihre Instrumente aus und spielt« den Leuten was vor, daß die Maul und Augen aufrissen. Aber da sie offenbar nicht recht wußten, was sie mit einem feschen Walzer anfangen sollten, «chob sich bald der und jener von den Musikanten, faßte eine dralle russische Ma- ruschka um die Hüften und wirbelte sie im flotten Walzer takt herum. Hallo — da begriffen sie, wie diese Musik gemeint war. Nicht lange, so wirbelten die Paare durch den kleinen Saal, als hätten sie schon immer Walzer getanzt, die Augen der Mädels und Burschen leuchteten wie in einem geheimnis vollen Zauber. Johann Strauß spielte die Geige. Fremd glitt sein Blick über die Tanzenden, während er so vor seiner Kapelle stand. * Die Hand führte mechanisch, wie von selbst, den Bogen Einmal zuckte er zusammen. Das war, als ihn der heiße Blick eines der Mädchen traf, die an ihm vorübertanzten. Iettys Augen! Ihr Gesicht! fuhr es durch seine Seele. Aber da riß er sich zusammen wie aus einem Traum. Ja — hatte er nicht wirklich eben «träumt? Hier war mch! die „Harmonie" — hier war ein schlechtes Gasthaus tn Ruß land! Und von hier aus würde er Rußland erobern. Nichts weiter! Nur daran durfte man denken — Am nächsten Morgen setzte sich eine Reihe von vier, fünf Schlitten vor der Herberge in Bewegung. Vollbepackt mit Musikanten und Instrumenten bis zmn Rand. Fast der ganze Ort war auf den Beinen und winkte den Abfahrenden zu. Es war ein glorioser Abschied. Ein paar ganz Begeisterte hatten sich auf die Kufen der Schlitten gestellt, um den Walzermusikanten noch ein Stück das Geleit zu geben. So hielt Johann Strauß seine» Einzug in das russische Reich und man konnte wohl sage», er war eines Walzer königs nicht unwürdig. — 18. Kapitel. Es blieb nichts anderes übrig — nein. Man mußte selber zum Johann hingehen. Klarheit schaffen — so oder so. Man mußte, sein Herz in beide Hände nehinen und demütig und tapfer sein. Ietty hatte manche schlaflose Nacht verbracht, bevor ihr Entschluß feststand, Strauß in seiner Wohnung aufzusuchen. Er mußte doch ihre Zeilen gelesen haben — er konnte nicht unerbittlich sein. Eine so große Liebe konnte doch nicht durch ein Mißverständnis ausgelöscht werden — so über Nacht — als wäre sie nie gewesen! Am nächsten probefreien Vormittag fuhr sie in die Alt gasse, wo Strauß wohnte. Madame Strauß öffnete und machte groß« Augen, als sie die schöne Demoiselle vor sich sah. Der Johann? — Ja — liebes Herrgöttle — der wär' nicht da. Nein. Der wäre weg. Ietty fühlte ein plötzliches Zittern im Blut. Ihr« roten Appen stanoen ein wenig geöffnet vor bangem Schrecken. „Aber er kommt doch bald wieder?" stammelte sie und blickte angstvoll. Madame Strauß glättete autzpregt an ihrer HausschüM bSSW.