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Frankenberger Erzähler ««terhaltungsbeilage,«» Kra«k«»^»r»er m.» Mt«, d« S7. MI ' «« Ein Walzer ans Wie« 12 Roman von Paul Hain/ > -> Nachdruck verboten. Schon flog ein Diener mit einigen Bouteillen Wein hin, obwohl die Kapelle sich schon selbst hinreichend versehen hatte. Di« wilden Takte des Lzarba's brausten durch den Saal, ver Fürst sprang auf, griff irgendeine der Frauen um die Hüften und stampfte als erster davon. Andere Paare dlgten. Der Lärm schwoll an. Eine Orgie toller Lebenslust ent faltete sich. Der Geiger tanzte förmlich mit allen Gliedern mit, die ganz« Kapell« schien wie aufgelöst zu sein, obwohl i« den straffen Rhythmus innehielt. Immer schneller, wirbelnder raste die Musik — wer nicht mittanzte, klatschte wie besessen in die Hände, zuckte in den Hüften, stampfte die Füße auf. Der Boden dröhnte. Die Oellampen zitterten. Frauen kreischten auf, besessen von der Lust dieser Stunde. Ueber den Tisch rann der Min aus umgestürzten Gläsern und malte rote Lachen auf den weißen Damast. Johann Strauß saß inmitten dieses Wirrsals, den Stiel des Weinglases in der Hand. Ex hatte keine Gedanken mehr, so schien ihm. Auf seinem Schoß saß die junge Schöne und trank mit ihm aus ihrem Glase. »Ist Rußland nicht herrlich —?" flüsterte sie. „Herrlich ehrlich," erwiderte er dumpf. „Man gibt sich wie man ist —" ' „Ja — wir lügen uns nichts vor, Brüderlein Strauß. Wir trinken — wir lieben — wir hassen — ohne Umwege. Trink, Brüderlein, trink! Ich liebe dich! Ich liebe deine Kunst —" Sie schmiegte sich fester an ihn. Mit einem schmetternden Nachhall endete der wilde Keuchende Atemstöße. Gelächter zerflatterte. Gläser klirr ten. Mensche» taumelten sinnlos beseligt, große, betrunkene Kinder, durcheinander und küßten sich. Fürst Georgewitsch griff nach einer der leeren Flaschen und schleudert« sie lachend gegen die Wand. Patjamkin folgte d«m althergebrachten Beispiel. Pie Scherben sprangen Frauen klatschten begeistert in die Hände. Scherben bringen Glück. Im beseligenden Rauschzustand dieser Stunde durfte sie nicht fehlen — das war alter, russischer Aberglaube. Krachend flogen neue Flaschen an die Wand. Es machte nichts, wenn darunter noch volle waren — di« Keller des Palais Georgewitsch hatten einen reichen Bestand. „Brüderlein Strauß," lallte der Fürst und torkelte auf ihn zu, „ist Rußland schön?" „Rußland ist Mn —" „Schön — wie wie ein wildes Tier — he? Alle wilden Pier« , find Mn. Er lachte sinnlos. ' " . . > „Aber das Tierchen da — haha—er wies auf die junge Schauspielerin auf Johann Strauß' Schoß, „ist — noch schöner — hahaha —" Er tastete nach irgendeinem Glas, trank es aus und sank torkelnd in einen Sessel. Es ging ihm wie den meisten anderen — sie konnten nicht mehr recht stehen. Si« konn- ten nur noch trinken und lärmen und sinnws sein. /' Georgewitsch murmelte: „Brüderchen Strauß — spiel' uns was! Was anderes! Brüderchen aus Oesterreich — spiel' —* Die anderen hatten es nicht gehört, nur Strauß. Das Mädchen auf seinen Knien bat: „Ja — spiü' — spiel' was anderes! Keinen Ezardas —" Strauß nickte. Des Fürsten Wunsch war Befehl, auch wenn der Fürst Er stand auf, taumelt« und riß sich zusammen. Gr fühlt« seine Schritte kaum, als er durch die lärmende, singend« GSsteschar zur Kapelle hinschritt. Der Geiger reichte ihm seine Geige. Die schwarz« Haar- Mähne hing ihm strähnig in die Stirn. Er trat torkelnd beseite. Johann Strauß setzte die Geige an. Spielen? Ms denn? Alles schwankt« noch leis« vor seinen Augen hin und h«. Verschwommen sah er die vielen Gesichter, in denen M Trunkenheit glühte. Dann nickte er dem Klavierspieler zu, der geschM g«M war, auch zu einer ihm fremden Melodie untermaleude M' aleitakkorde zu finden. Und dann geschah jenes Seltsame, das nachher wie ein Wunder und Damier über allen hing, die da trunken und lärmvoll und glerig und sinnlos Wen. Johann Strauß spielte. Weich und zärtlich gM der Bo gen über die Saiten in kunstvollen Läufen -- Töne «uch- sen auf, als blühten mit vinemmal Sterne durch den Dunst und Rauch und das GISsergeklirr. Eine Melodie löste sich — wiegend — zaHaft — innig — wie von selbst spielte der Bogen — Achann Stroi» stand immer ruhiger — das Schwanken des Saales Äst nach, seine Sinne wurden klarer, je reicher und zärtlich« die Töne sich von den Saiten lösten — die Melodie war nicht mehr aufzuhalten — sie strömte aus dem geheimsten Din kel seines Herzens, unvergessen — ewig unvergessen — jm» einzige Melodie, deven Worte er selbst einmal geformt hatte als innigstes Geschenk für die einzige Gekebt«. „Du braunes Mä-del vom Douaufdoand, Daß ich dich finden mußte, Mir ist, als käme aus fremdem Land ... Ein Märchen, schön und unbekannt, Von dem ich niemals Mißte. Nun klingt dein goldenes Lachen in mir, Nun träumt meine Getze immer von dir, Braunlockiges Donaukiadl" M« Köpfe der Trunkenen richteten sich auf. Tkr Ar« verschwamm. Die zerrissenen Mienen schienen sich auf et» sonderbare, magische Art zu glätten. Was war denn? * Mr spielte da? Ms war das für eine Zaubevgkig«? Johann Strauß hielt die Augen geschlossen. Ietty — Ietty! — klang es in seinem Herze«. Lttber Gott! Wo bist du, braunes Mädchen vom Donaustvand? Ein Märchen — ein unvergeßliches! Immer würde setae Geige davon träumen, auch wenn er selber noch so viel Wein und Sekt in die Kchle gösse, um zu vergessen! E» aiW nicht! Dies goldene Lachen würde niemals in seiner Erinnerung auszulöschen sein. Ietty — lieb, kleine Ietty —! Der Klavierspieler fand wie von sÄbst die Begleitung. Und weiter träumte die Geige ihr Zauberlied. Einsam und zärtlich über die Menschen im Saale hm, die immer stiller und verwunschener saßen. „Mir ist, als wäre 8er Wiener Wald Voll süßester Liebeslieder Als schwebe deine liebe Gestalt Im Walzertakt über Wolken und Wald -- Wann seh «h dich einmal wieder? Du bist wie ein Traum aus Blütendust, Dm: wie Nebelgespinst zerrinnt in der Luft, Braunlockiges Donaukind!" Keine Stimme mehr im Saal. Nur das Flüster« der Geige. Ob die alle den Sinn des Liedes verstanden? 2s «ußt« wohl so sein. i - "V'4 i Ietty — Traum aus Wien —! Johann Strauß spielte aus tiefster Jnbnmsi fei«, SZle, aus der tiefste» Foende und dem Hetzten Schmerz.