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Ietty hatte sich gefaßt und stand wieder aufrecht. „Wollen Majestät Platz nehmen —" „Ja — danke. Sie wissen, Demoiselle Treffz, warum ich diesen ungewöhnlichen Schritt gewagt habe?" „Ich weiß wirklich nicht, Majestät —" „Wirklich nicht?" Ietty log nicht. Sie dachte in dieser Stunde wahrhaftig nicht an ihren hohen jugendlichen Verehrer, den Franz Josef. „Es ist wegen des Franzl —" Groß und forschend ruhte der Kaiserin Blick auf dem Gesicht der Schauspielerin, als wolle er ihr bis in die Seele Hineindringen. „Ah — Seine Hoheit," sagte Ietty und lächelte steif. „Ich habe lange überlegt, was ich tun sollte, Demoiselle Treffz, bevor ich mich entschloß, zu Ihnen zu kommen. Der Franzl will Sie doch heiraten —" „Gott beschütz mich!" entfuhr es Ietty, und schnell hielt sie sich die Hand vor dem Mund. Aber das Wort war nicht mehr zurückzuholen. Na, da hab ich was Schönes angerichtet, dachte sie. Was fällt aber auch Seiner Hoheit ein! Mich heiraten wollen! Na — das wär' schon was! „Verzeihen's — Majestät —" Karolina Pia lachte leise auf. „Na — da muß ich schon sagen, das kam fein frei heraus und ich könnt' mich dafür bedanken. Ein Stein fällt mir vom Herzen." „Ja — was denn? Ich versteh' noch immer nicht recht, Kaiserliche Hoheit —" „Nun setzen Sie sich nur, Kinder!. Ich glaub, jetzt kann ich besser und leichter mit Ihnen reden, und der Metternich hat mit seinem Rat wieder einmal ins Schwarze getroffen. Also — hören S' zu." Sie begann leise, mit gedämpfter Stimme zu erzählen. Nicht Kaiserin — nur Frau. Und es mochte wohl kaum eine andere Stadt in der Welt geben, wo so etwas möglich war, als Wien, wo die Herrscher von jeher mit den großen Künst lern aus den gleichen Höhen gewandelt waren. Ietty hatte die Hände im Schoß gefaltet. Das Blut stieg ihr ins Gesicht, aber sie saß sehr ruhig und scheinbar gefaßt. Nun war die Kaiserin am Ende. „Demoiselle Treffz — Sie müssen mich recht verstehen — ich schätze Sie als Mensch — als Künstlerin — ich begreife vollkommen, daß die Männer Ihnen zu Füßen liegen —" Ietty lächelte sanft. Hob abwehrend die schmale Hand. „Majestät sind sehr gütig —" Und dachte dabei: Ach, wenn Sie wissen würden, Hoheit, was ich heut erlebt habe! „Mein Verhältnis zu Seiner Hoheit, dem Erzherzog, war stets rein freundschaftlicher Natur. Ich gebe gern zu, daß seine frische, frohe Natürlichkeit und seine Jugend mir im mer sehr gefallen haben. Und eine Schauspielerin kann die Bewunderung eines jungen Erzherzogs nicht gut schroff ab lehnen —" „Aber nein, nein —" „Hoheit dürfen überzeugt sein, daß ich stets imstande war, allzu überschäumende Huldigung in Grenzen zu hal ten. Eine Ietty Treffz läßt sich nicht so leicht fallen. Es g-bt Grundsätze — auch bei Schauspielerinnen — und auch einer kaiserlichen Hoheit gegenüber, glauben Sie mir —" Ein kurzes Schweigen. Dann: „Ich bin bereit, wenn Majestät cs wünschen, jeden wei teren Besuch des Erzherzogs oder jede weitere Einladung abzulehnen —" Sie lehnte sich im Stuhl zurück. Ein bißchen tat es doch weh. Nicht des „Franzl" wegen — aber da war etwas, was ihr Frauentum irgendwie verletzt hatte, ihren Stand. Schau spielerin! Man traute ihr immer etwas Abenteuerlichkeit zu. Hatte.sie nicht darum auch — wenn auch unbewußt — Johann Strauß verschwiegen, wer sie in Wirklichkeit war? Man sprach anders zu einer Schauspielerin als zu einer gewöhnlichen Sterblichen — o ja. Die Kaiserin stand auf. Doll ernster Güte, hinter der Bewunderung und eine ungewisse Zärtlichkeit sich gleicher maßen verbarg, sprach sie: „Nein, nicht so, Ietty Treffz! Es soll kein Stachel blei ben. Sie sind ein kluges Menschenkind, das weiß ich. Sie wissen genau, daß eine solche Heirat aus dynastischen Grün den unmöglich gewesen wäre. Das allein ist es, nichts an deres —" „Gewiß —" „Und — und ich möcht wahrhaftig nicht, daß der Franzl aUch vor Hen KM Maßes wir^ Zgt mir leid um den l Fratz. Er ist ein Hitzkopf, net wahr? Nein, nein, Demoiselle Treffz — ich bin nun schon ganz beruhigt. Bleiben S' ihm die gute Freundin, die Sie ihm waren — sonst explodiert er ganz und gar, und bringen Sie ihm so allmählich bei, daß er ein bisserl zuviel von Ihnen verlangen Lät, wenn er Sie partout als sein ehelich Weiberl haben möcht! Ich hab Vertrauen zu Ihnen, gelt? Und sagen Sie ihm, daß es auch noch mehr Dinge auf der Erde gibt als die Lieb', mit denen sich der Erzherzog beschäftigen könnt! Ihnen glaubt er mehr als mir." Sie lächelte mütterlich. „Schaun S', man muß ja net gleich aus einem ungebär digen Neveu eine Staatsaktion machen, wie das so ein Preu ßenkönig einmal mit seinem Söhneri tat, der nachher der große Friedericus wurde. Wir in Oesterreich sind ja fried licher und gemütlicher, gelt?" Ietty mußte lachen. Die Art der Kaiserin, der sichtbar ein Stein vom Herzen gefallen war und die nun, froh, daß alles nur halb so schlimm schien, als es zuerst ausgesehen, schon wieder ein bißchen ins Wienerische verfiel, machte ihr ein heimliches Vergnügen und stimmte sie wieder versöhn lich. „Also — nix für ungut? Kein Wörtl zu dem Fran»!, net wahr? Und alles bleibt, wie es war. Sie werden ihn mit Ihren zarten Händen schon zur Vernunft führen und — ihm ein bisserl ins Gewissen reden. Später wird er's Ihnen gewiß selber danken." Die beiden Frauen standen sich einander gegenüber. „Geben S' mir Ihre Hand darauf, Ietty Treffz —" „Ja — gern, Majestät!" Ietty gab sich einen Ruck. Ihr war wohl und gut zu mute. „Es soll alles so geschehen, wie Majestät es wünschen." „Ich dank Ihnen, Kind. Und ich wünsch Ihnen von Her- zen alles Glück, das Sie verdienen — und weiterhin Erfolg und Ruhm." Ietty geleitete die Kaiserin selbst aus dem Haus. Als sie dann wieder allein war, lächelte sie heiter vor sich hin. Sie erinnerte sich, wie sie vor zwei Jahren dem Kaiser paar in einer Theaterloge nach der Vorstellung vorgestellt worden war. Damals war auch der Erzherzog mit dÄbei gewesen und hatte sie mit den Augen verschlungen gehabt. Später war sie dann einmal zu Hofe geladen worden und gleich darauf auf Tournee gegangen, verfolgt von den Sehnsuchtsbriefen Franz Josefs. Und der Name Ietty Treffz war immer leuchtender am Theaterhimmel geworden. Das Lächeln erblaßte. Morgen würde sie noch längerer Pause wieder ihre erste Rolle an der Hofburg spielen. Sie freute sich darauf — schon war etwas Laznpenfieber in ihr. Aber auch Angst. Angst — daß Strauß etwas merken könnte. Freilich — sie wußte, er ging nicht viel ins Theater. Lr hatte mit seiner Musik zu tun. Hatte abends selbst viel zu dirigieren. Er hatte also keine Zeit. Dennoch — eine dunkle Unriche war trotzdem in ihr. Wovor? Was konnte geschehen, wenn er von anderer Seite er fuhr, daß die Treffz wieder in Men auf der Bühne stand und — niemand anders war als das kleine Wäschermädel, das er liebte? Was konnte geschehen? Oder wenn er sie selbst einmal im Rampenlicht erkannte? Unwillig schüttelte sie den Kopf. Unsinn — sie spielte ja nicht jeden Abend. Und wie sollte er darauf kommen, daß die große Ietty Treffz auch die kleine Ietty Challupetzki war! Nein — was konnte schon geschehen! Sie faltete die Hände über dem Heiden zusammen. Schloß die Augen wie in einer seligen Ermattung: „Liebster — ich sehe dich — ich höre dich — dein Lied — es klingt mir im Her,zen. Ich bin — so — alücklick —", Still brannten die Lichter an den Wänden und schienen auf den gesenkten, leuchtenden Nacken einer jungen, schönen Frau. — „Komische Sache — versteh' ich nicht," brummte Schani Szolnai und putzte an seinem Monokel herum. „Ich versteh's halt auch nicht," stieß Franz Josef hervor. „Da ist nun der Frühling da und — keine Ietty! Weißt — das ist schon seit Wochen so sonderbar. Die Zofe zog ein schiefes Mäulchen. „Und i weiß wirklich net, wo die Gnädigste hingegangen ist. Meiner Seel! Sie ist ganz einfach angezogen g'wesen, wie immer, wenn sie so des Abends noch für ein paar Stün- derl fortgeht." Ja, da war nix zu machen. Franz Josef und sein Intimus, Graf Szolnai, verließen wieder das Haus der Treffz und traten auf die Straße,