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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberger Tageblatt Rr. 44 Somtag deaH lS34 Ein Walzer aus Wien s len. L»—««tut msn -Mall«?, wes» u»v d Roman von Paul Hain. Nachdruck verboten. paßt, die ich sch sche Harmonie." Er reckte die Arme weit und wie in Ekstase auseinander. Blickte zu dem Spinett hinüber, das in der verdunkelten Ecke des kleinen Salons stand. Es stand noch aus der Iung- mädchenzeit der Muhme Kathrin, und es paßte sehr gut zu den zierlichen Biedermeiermöbeln des Zimmers. Er lachte jauchzend auf. „Das Lied — den Walzer. Den neuen — für dich! Eben fiel mir die große Harmonie ein, die zu den Worten paßt, die ich schon längst geformt hatte. Die letzte musikali- „Weißt, Ietty — das Dichten ist nicht grad meine starke Leit' — das Mufikmachen liegt mir besser, haha, aber ich denk, daß mir diesmal auch der Text gar net so übel aus der Feder «'flossen ist —" „Also dichten kannst auch,' lachte ihm Ietty strahlend zu und stand schon, mitgerissen von seiner schäumenden Ls- bendigkett, am Spinett, «m es - Der Johann Strauß mit seiner frohen Musikantenseel« ivar gewiß sein Lebtag kein Duckmäuser gewesen und hatte so manchem hübschen Mädel die Lippen geküßt —, aber dies hier war so anders, so sehr anders. Dieser Mund war wi« ein köstliches Heiligtum und die Inbrunst, mit der er ihn berührte, kam aus der tiefsten Innigkeit und Feierlichkeit seiner Seele. „Daß einem der Herrgott im Himmel solch ein Erleben gibt — schon das lohnt das Dasein, Ietty!" „Schwärmer, lieber, lieber Musikantenschwärmer," seufzt« Ietty unter seinen Küssen. „Gott — bin ich denn so viel, so viel für dich? Ich kleines, dummes —" „Du kluges, so kluges, schönstes, kostbarstes Gottesge schenk! Wiener Mädel! Wiener Frühling! Wiener Musik!" „Noch mehr?" „Walzermädel —!" stammelte Strauß selig. Atemlos löste sich Ietty aus seiner tollen Umarmung. Lachend stieß sie hervor: „Das fehlte natürlich noch, du Lieber!" „Nicht wahr?" jubelte er wie ein Knabe. „Du braun- haariges Walzermädel! Du — wenn es da draußen ersi grüner wird in unserm Wald, auf unsern Bergen, was wird das für ein Frühling, für ein Sommer werden! Und wir wandern beide Hand in Hand durch di« grüne Herrlich keit und alle Vögel singen Walzerlieder." Ietty blickte erschüttert und hingerissen in das leiden schaftlich bewegte Gesicht des Geliebten. In dieser Stunde war sie wirklich nichts anderes, als die Ietty Ehallupetzki, das klein«, einfache Mädchen, das sie ge wesen war, bevor man sie vor vier, fünf Jahren „entdeckte" und sie in steilem Ausstieg das wurde, was sie heute dar- stellte. All« in Jahren des Ringens und der Erfolge zurück- gedrängte Liebessehnsucht, Frauensehnsucht, fand endlich ihre Erfüllung. Es war unbeschreiblich schön und erregend und köstlich. „Am End klingt gar schön ein neuer Walzer in dir, Lieb ster?" neckte sie. Er sprang auf. „Ob er klingt! Du — er klingt mir schon seit dem Abend, da ich dich zum erstenmal sah, als dich der Zufall in die „Harmonie" trieb und unsere Blicke sich begegneten. Seit damals schon klingt es in mir —" Er stand vor ihr — mit feurigen Augen, in denen schon die Glut einer schaffenden, eben schöpferisch wirkenden Künstlerseel« brannte. Das zerzauste Haar, in denen eben noch Iettys zärtliche Finger gespielt, hing ihm knabenhaft wild in die die gewölbt« Stirn. Sein Atem ging heiß. „Liebster — wie du glühst! Was hast du?" Walzermädel, braunes. Weißt — i hab halt immer, so von Anfang an, daran gedacht, ob ich dich wirklich Wiedersehen tät und hab so gedacht, daß du — aber das ist ja dumm —" i „Red' nur, Liebster." „Daß ich dein Herz vielleicht einmal zu Tränen rühren könnt mit meiner Geigen — weil dir doch so blanke, wun- ' derbare Guckerln vom Herrgott ins Gesicht! geschenkt wor den sind. Und daß ich dich vielleicht doch nimmer wieder seh —" , „Oh — dummer, lieber Zweifler — ! „Weil du doch wie ein Märchen damals im Saal g'stan- ' den bist und mit mir getanzt hast. Und so hat da« Lied «in ! bißchen einen sentimentalischen Text bekommen, wie wir Wie» ' ner nun mal sind. Und grad so ist der Walzer geworden, , Liebstes. Und jetzt — grad jetzt spiel ich ihn brr zum ersten mal vor und du wirst mir sagen, ob «r dir «'fallen hat, gelt? Für dich ist es — und für dich spiele ich ihn —" Sie stand still mit gefalteten Händen, al» er sich nun vor das Spinett setzte. Trat ein wenig zurück zum Fenster, in einer stummen, seligen Verfunkenyeit, den Blick zu Strauß hingewendet. Die ersten Tön« flatterten wie Vogelgezwitscher durch das Zimmer. Süß und fröhlich und die Sonn« von Dien schien in den Tönen des Spinett» zu funkeln. Nun gingen sie hinüber in eine weiche, rhythmische Me- ! lodie — Walzertakte, Dreiverteltatt« — leicht und ^chmel- zend — eine Geige setzte «in — so schien e» Ietty schloß die Augen. Tin Schauer fremder, banger, unendlicher süßer Seligkeit, nie gekannt, jagte durch ihr Blut. Strauß sang. MU sanfter, zärtlicher Stimme sang er die Geigenmelooie und di« Worte, di« einmal die Geige, seine Geige, flüstern und schluchzen, jubeln und weinen würde, wenn er das Lied «inst seinen Dienern vorspielen würde. Dies Lkd — für Ietty gemacht, aus der Sehnsucht eines Herzens strömend, das endlich seine Erfüllung gefunden < hatte und um sie bangte. „Du braunes Mädel vom Donaustrand, Daß ich dich finden mußte, Mir ist, als käme aus fremdem Land Ein Märchen, schön und unbekannt, Don dem ich niemals wußte. Nun klingt dein goldenes Lachen in mir, Nun träumt meine Geige immer von dir,. Braunlockiges Donaufind l Mr ist, als wäre der Wiener Dakd Voll süßester Liebeslieder, Als schwebe deine liebe Gestalt Im Walzertakt über Wolken und Wald — Wann seh ich dich einmal wieder? Du bist wie ein Traum aus Blütendust, Der wie Nebelgespinst zerrinnt in der Lust, Braunlockiges Donaukindl Eine Geige spielt — und ein Mädel weint, Es suchen sich zitternd zwei Seelen, Vielleicht daß das Glück uns für immer vereint, Wenn strahlend die himmlische Sonne scheint, Viel Heller als Gold und Juwelen! Und das Leben ist bunt und die Liebe ist schön, Wann werden wir beide uns wiedersehn, Braunlockiges Donaukind! Strauß ließ die Hände finken. Er lauschte noch eine Weile der Melodie nach. Als er sich umdrehte, sah er Ietty am Fenster stehen, die Hände fest gegen das Herz gepreßt. Tränen standen ihr in den Augen. „Isstty —!' Er sprang auf. „Liebstes —" Sie lächelte ihm mit träneuschimmernde» Auge» zu.