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' ' .. von Versailles die erste entscheidende Tat seiner Politik vollbrachte von vor Zorn und Verachtung es wird war .Lieber tot als Ein« Sklav Stunde keinen Mann. Der Mann von 1919 war Unterzeichnung unter Gewalt werde keine Uw Stumme Zeugen weltgeschichtlichen Geschehens: Der Tisch, an dem der Vertrag unterzeichnet wurde Diesem Datum waren über zwanzig Mai tage und über zwanzig Junitage vorangegangen, in denen das Schicksal eines 7Ü-Millionenvolkes von uns verlangt, daß wir uns als die Alleinschuldigen am Kriege bekennen. Ein solches Bekenntnis wäre in meinem Munde eine Lüge! . . Ein Wort wenigstens in Versailles, das deutsch war! Ein anderer Schauplatz: Weimar! War es nach jenem 12. Mai erklärte der Mann, der vor- nicht hier, daß ein Franzose über einen Deutschen eilig seine Hand in die Gefahr des Verdorrens Herr namens Hirsch gewesen, der in dem gleichen Saal als Vertreter Preußens deklamiert hatte: Der deutsche Graf hatte die Worte Llsmenceaus und der Dolmetscher ge hört. Er schlug das große weiße Buch nicht auf, und er stand auch von seinem Platz nicht auf, aber seine Stimme bebte Farce! Man konnte sie sich leisten. Man hatte ja seine Demokratie und sein Parlament: Als stolzer Patriot Der tragische, historische Augenblick Hermann Müller un terzeichnet die Frie densbedingungen, hin ter ihm Dr. Bell sagte: „Voilä, un Komme!"? Ach, in jenen gebracht hatte: Das Unannehmbare gelte nicht Mai- und Junitagen fand Deutschlands schwere dem endgültigen Vertrag! Und Noske: Die Gegenspieler: die „Großen Bier" . . . Von links nach rechts: Lloyd George, Orlando, Clemenceau, Wilson antichambriert-hatte. Ein Diener schritt durch den Saal, legte vor den Platz des deutschen Grafen einen dicken, weißen Band: den „Frie den", die Abrechnung, wie wenige Minuten vor her Clemenceau das Diktat genannt hatte, Clemenceau, der einzige unter den zahllosen Abgeordneten zahlloser Länder, der aufrichtig ,Voilä, UN komme!"? „. . . und fordere die deutschen Vevollmäch- am 7. Mai die sogenannten Friedensverhand- tigten auf, die mir vorliegenden Verträge unter- lungen, nachdem die deutsche Delegation unter zeichnen zu wollen!" Führung von Graf Brockdorff-Rantzau und Unter buschigen eisgrauen Augenbrauen Simons wochenlang in Trianon und Versailles richten sich kalte Augen auf zwei Herren in Gehröcken. Eine Rokokouhr zwischen zwei hohen Spiegeln zeigt drei Uhr zwölf Minuten. Die Herren in den Gehröcken zögern ein wenig. Dann beugt sich der erste, dann der zweite Geh rock über einen kleinen Tisch aus der Zeit des Sonnenkönigs. Vielleicht bebten die Federn ein wenig, denn in diesem Augenblick sollten zwei „deutsche Staatsmänner" Geschichte machen. Aber dann knirschte die Goldfeder, und auf dem Papier standen zwei Namen: Hermann Müller , . . Dr. Bell. Das war im Spiegelsaal von Versailles am 28. Juni, und um drei Uhr zwölf dieses Tages begann eine Zeit, die als die „Zeit des Systems" ein vierzehn Jahre umfassendes, von späteren Zeiten schwarz umrändertes Kapitel der deut schen Geschichte füllen sollte. Das war vor fünfzehn Jahren . . . Wahrhaftigkeit sein! Und indessen ließ Matthias Erzberger, stellvertretender Ministerpräsident und Führer des Zentrums, alle Künste der schwarzen Magie des parlamentarischen Kuh handels spielen. Die Anti-Versailles-Kund- gebung vom 12. Mai blieb ganz ohne politisches Echo. Nicht anders war es mit der Tat von Scapa Flow — das Volk war müde und ver wirrt und erlag seinen neuen Propheten, bis zum Tag des Erwachens. Roten und Gegenvorschläge, »t« die deutsche« Delegierten in Versailles und di« Leut« von Weimar losgelassen hatten, tz»d sein Her» war ihm stillgestanden und der Atem «ar ihm geftmtt. Nein, das war bei Gott kein „Mann", der da das deutsche Volk frohnen lassen wollte, um sich „Verzeihung" zu erkaufen! Aber war da nicht die Kundgebung am 12. Mai 1919 in der Aula der Berliner Universität gewesen? War da nicht eine kaiserliche Exzellenz und ein „Grandseigneur" unter den Machthabern jener Zeit, ein Philipp Scheidemann, ausgestanden, und hatte er nicht unter dem Aulabild „Fichte predigt der deutschen Nation" erklärt: „Welch« Hand müßte nicht verdorren, die sich und uns Bor fünfzehn Jahren, im Mai und Juni, spielten sich in Versailles und in Weimar die Verhandlungen ab, an deren Ende die bedingungslose Unterzeichnung des „Friedensvertrages" von Versailles durch die damalige aus Vertretern des Zentrums und der Sozialdemokratie bestehende Regierung stand. Am 7. Mai begannen die Verhandlungen, begann vielmehr die „Abrechnung", wie Clemenceau sie richtiger und ehrlicher nannte. Am 12. Mai erwachte in Deutschland so etwas wie ein Auslehnungswillen gegen das Diktat. Es blieb jedoch bei leeren Phrasen. Roch vierzehn Jahre waren nötig, bis es einem Mit Wilsons vierzehn Punkten im Kopf waren die Deutschen nach Versailles gekommen- Wilson? Mein Gott, er hatte schon längst vor der Stimme der Rache und des Hasses kapituliert, die in den Vorverhandlungen aus dem Mund des französischen Tigers kam, kapi tuliert wie der Walliser Lloyd George, der erst vierzehn Tage vorher in einer Note an den fran- zösischen Ministerpräsidenten erklärt hatte: „Unsere Bedingungen dürfen hart und erbar mungslos, aber auch gleichzeitig so gerecht sein, daß das Land, dem sie auferlegt werden, in seinem Herzen fühlen wird: es hat lein Recht zur Klage." der schwarze Matthias, Matthias Erzberger. Und dieser Matthias fand damals, als er die rück kehrende deutsche Delegation empfing, das Wort, das man später mit dem ungerechtfertigt sach lichen Begriff „Ersüllungspolitik" umschrieb: „Wir müssen alles unterschreiben, dann werden sie uns verzeihen!" Inzwischen hatte das Volk die 449 ungeheuer lichsten Artikel kennen gelernt, die je einen „Friedensvertrag" formten, und die fünfzehn grng man aus der Vordertür, machte einen Vogen um das Haus, kletterte die Hinter treppe wieder hinauf und — schaut her! Ich bin's! Der Bode» der gegebenen Tat sachen hat mich wieder! Ganze siebzehn Tage -um wehrlosen Objekt eines Schacherhandels zwischen fremden Herrpolitikern, Großjobbern und Erpressern gemacht wurde; die Schacherer hießen Hohn und Verachtung — sie selbst nann ten sich Freiheit und Demokratie —, und die Wechsel lauteten auf Vernichtung und Not, und die Betrogenen waren die, die den vierzehn Worten eines amerikanischen Friedenslammes vertraut hatten und in die Klauen eines fran- zösischen Tigers geraten waren. Die Betrogenen waren jene, denen noch vier Jahre Trommel feuer und Giftgas in den Knochen saßen, und jene, denen der Hunger noch das Gedärm zer fraß — mitten im „Frieden", ein Dreiviertel jahr nach dem letzten Kanonenschuß. * „. . . die deutschen Bevollmächtigten haben vierzehn Tage Zeit, um in englischer und fran zösischer Sprache ihre schriftlichen Bemerkungen über den Eesamtinhalt des Vertrages zu über mitteln. Der Oberste Rat wird schriftlich ant worten und die Frist angeben, innerhalb deren die deutsche Abordnung ihre endgültige Antwort zu geben hat!" Mit diesen Worten begann der Tiger, Frank- reichs .Retter des Vaterlandes", Clemenceau, Es war um diese Zeit, daß Frankreichs Beobachter in Deutschland nach Paris tele graphieren zu können glaubte: „Nicht nach geben, Deutschland unterzeichnet bedingungslos!" Es — das heißt die damalige „deutsche Regie rung" unterzeichnete bedingt (Vorbehalt in der Kriegsschuldfrage), als das siebentägige Ulti matum Llemenceaus abgelaufen war, — und korrigierte seinen Beschluß in „Bedingungslos", als an das erste Ultimatum sich ein zweites ein tägiges knüpfte. Um Untat" auf Untat zu häufen, wurde als Tag der Unterzeichnung der fünfte Jahrestag des Mordes von Serajewo gewählt, und um zu der Untat die Schmach zu fügen, als Unterzeichnungsort der Saal, in welchem 48 Jahre zuvor das Deutsche Reich geboren wurde. In den Wochen des Mai und Juni 1919 erkaufte sich das „System" eine vierzehnjährige Existenz, schuf es für ein« kurze vernichtende Scheinblüte den Nährboden, auf dem Parasiten aller Sorten gediehen und groß wurden. Den Kaufpreis zahlte das deutsche Volk — vierzehn Jahr« lang! Und Gott sei Dank: keinen Ta- länger! Karl Fischer. ...... . V V. ' / "t