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LD« dem drei Wen rangen Schreiner Veit Gstettenbäuer, -er größte Raufbold Wiens, oder dem kleinen, allzu kugel rund gebauten Stasi Lämmlein, ehrbarem Weißwarenhänd- ler am Kärntnerrina. Und selbst der Aloisl Guglhupfer, der Wirt, band hinter der Theke nebenan die adrette weiße Schankschürze ab, nahm seine beleibte Eheliebste, die gerade einen neuen, goldgelben Schmarren für den Herrn Romrius Gustl Meselchen auf dem Feuer buk, unter den Arm und stürmte schnaufend in den Saal. Johann Strauß fiedelte, als lag sein Leiben, seine Seele in den Saiten. Oh, du verliMes, oh, du gesegnetes, kindliches Wien! Johann Strauß tat einige Schritte die Stufen des Po diums hinab. Sin lachender Hexenmeister auf der Gei«, der feine Töne jedem vorbeitanzenden Paar dicht in di« Ohren, ta die berauschten Sinne warf. „Oh, chr süßen MSberln alle, ihr jungen, hitzköpfigen Barsch«^ ihr lieben, fröhlichen Wiener Leut' — wie lieb Üb euch alle!' so sang sein Herz innig mit. Musik machen für euch, daß ihr di« Sorgen vergeßt, immer neue Walzer euch ins Blut gießen — was könnr es Schöneres geben? Ich dank dir, Herrgott, daß du mir die Kraft gegeben hast, dies Können, diese innerliche Sehnsucht und Fröhlich keit. Ich dank dir aus Herzensgrund!" Den Josef hinter ihm hielrs nun auch nicht mehr. Er Hand auf, legt« die Geige auf den Stuhl — bei der Musik fiedel ein anderer, wenn er's aushalten kann! Lächelnd sah ihm Johann nach, wie er, nicht viel kleiner al» « selbst, schlank und rank und nur etwas jünglings hafter noch, sich schnell ein Mädel griff und mit zu walzen Ach ja, so genau nahm man's bei der Straußschen Ka- pelle nicht. Wer Lust zu tanzen hatte, nahm sich selber fünf, zehn Mmuten Urlaub — aber er kam wieder. „Ah — das also ist der Strauß —?" Am offenen Daaleingana standen zwei Mädchen in Be gleitung zweier vornehmer Kavaliere. Die kleine Gesellschaft mnßte eben gekommen sein. Die Mädchen waren einfach, aber mit sichtlichem Geschmack «LeibÄ. Die braunlockige, die eben gesprochen hatte, blickte fiaoend ihren Begleiter an. Er hatte ein hübsches, etwas leichtsinniges Gesicht. Sein Freund klemmte das Einglas Hfiek ins Auge, beide schmunzelten. La — das ist der Strauß —" »Ich hl»' ihn nie gesehen, Franzl —" „Ra — da schaust chn Haft — den Walzerkvnig von Wien. Pöh — «ine verflixt dicke Lust hier —" Franzl, d« junge Elegant mit dem leichtsinnigen Ge sicht, d« ganz gewiß «in k. und k. Offizier in Zivil war, auch wenn ihn dte schnarrende Aussprache nicht verraten hätte, -og dte Rase kraus. Do» Lächeln in dem wundervoll zarten und Ebenmäßigen Gesicht -es Mädchens — ein Gesicht von seltener und ver- Ltr»«der Schönheit — schien zu verblassen. Die blauen Augen Harrten wie gefangen über di« Köpfe der Tanzenden htnw« M Strauß hinüber. " Leise lachend stieß die Freundin neben ihr sie schnell in bk Das Mädchen bewegte flch Plötzlich nach vorn. „Vv willst du hin,^tty —?" Ein km^os guriickwsnben des Kopfes auf dem schlanken Hals». MÜH — „Ad«r das ist doch unmöglich — hier in diesem Saal -—bttksihön, das^ist doch — i werd' dich begleiten — so »tmHte — was sogst nun? Vorwurfsvoll sahen die Herren das andere Mädchen an, Sas qus blanken Schwarzbeerenmigeu lustig, lachte. LtrvrH Haft naher anftHen wollen —" rssrn Sie mich —" . das war nun schon etwas Sonderbares. Strauß hatte isellschost an der Tür bemerkt. Reue Gesichter, die er och nie gesehen hatte. Aber nun starrte er, auf den t des Podiums stehend, mit großen Augen auf das ,Nl, und es war, als hätten sich beider Blicke ineinan- d« auf eine magische Art verfangen. »Ein entzückender Künstlerkvpf," fügte sie hinzu. „Wie? Se spielt wundervoll —* Lächelnd blickten sich die beiden Herren an, wohl im jWl« etwas neidvoll belustigt von dem Eindruck, den Strauß ans Hk« Begleiterinnen machte. Teufel, ja — der Kerl war ja noch immer ein verflixt hübscher Bursche. .Ader Jetty —!" „Ichsas aver stvwüs NSMe der Herr mit dem Monokel, „also Neen habt ihr — Ideen — richtige, kleine Frauenzimmerchenideen — Hetze —" Johann Strauß stand ganz still. Langsam sank ihm die Geige vom Kinn, während die Kapelle weiterspielte. Wie müde hing ihm der Bogen in der Hand. So blickte er der NLHerkommenden entgegen, die mit einer berückenden Anmut sich durch das Gewimmel der Tan- zenüen hindurchwand, das weitgeoauschte Kleid graziös an sich ziehend. Strauß lächelte. Es war das Lächeln eines Kindes, wie er es hatte, wenn ihm sonst «in neuer, Muer musikalischer Einfall kam. Mt einer plötzlichen Bewegung legte er Geige und Bo gen beiseite. Nickte flüchtig einem der Violinisten zu, der so fort aufstand und das Dmgentenpult cnmahm. — 2. Kapitel. Es war alles wie selbstverständlich. „Ha — also, «in Mäderl — das keinen Tänzer hat, wenn der Strauß spielt? So ein hergeflogenes Frühlingswölklein aus dam Wiener Wald? Ja — wie ist denn das? Das kann i nit dulden, Mäderl —" Er streckte die Arme leicht wie fragend aus. Neigte den Kopf ein wenig mit einer ergebenen, nicht unstolzen Be- rosgung. Das Mädchen nickte kaum merklich. Und mit einem sanf ten Lächeln sagte sie: „Da kann man wohl nicht nein sagen, wenn der Herr Strauß selber um einen Tanz bittet —" Leicht und anmutig schmiegt« sie sich in seinen Arm, und gewandt und sicher, mit der tänzerischen Einfühlsamkeit des großen Musikanten, führte er sie durch den Strom der Tan zenden. Sie sahen einander an und lächelten. Johann Strauß, sonst gewiß nicht auf den Mund gefallen, brachte kein Wort heraus. Eine wunderbare und seltsame Beklemmung hatte ihn ergriffen und ließ ihn stumm diese kurz« Derbunden- tzeit mit der Fremden im Tanz genießen. Sie hatte die Augen geschlossen und sich so ganz wie träumend der Sicher heit seiner Führung hingegeben. Wie ist das möglich, dachte er dunkel, ich holte ein Mäd chen im Arm, das ich nie gesehen, und ich bin wie verzau bert. Ich bin ein Jüngling mit meinen dreißig Jahren. Wie ist denn das möglich? Dieser Walzer dürfte nie enden. „Wer sind Sie —?" stieß er plötzlich und ungestüm her vor. Sein Arm legt« sich fester um sie. Sie schlug die Augen auf. In einer unwahrscheinlich leuchtenden Bläue blickten sie ihn an. Rot und heiß froh lockte ihr Mund. Ihr ganzes Wesen atmete geheimnisvollen Zauber aus. „^„Wer ich bin? — Oh —" Sie verzog den Mund in einer reizend-schelmischen Weise 'und legte den Kopf ein wenig schief. „Herrgott — Mädel —" Etwas sinnend — verträumtes, war in ihren Zügen, da sie ihn so anblickte. „Und wenn Sie es wüßten, Meister Strauß? Was dann?" „Oh — dann — dann wüßt' ich, daß ich Sie wiedersehe, Mäderl." „Wünschen Sie das?" Sie bog sich leicht in seinem Arm zurück. Schlank und geschmeidig, voll elastischer Kraft. „Von Herzen —", brach es über Strauß' Lippen. „So haben Sie es schon — wievielen gesagt, Strauß?" „Alle Mäderln aus Wien sind füß," bekannte er frei mütig. „Aber die eine — die einzige —" „Ich weiß schon, die einzige, die Sie brauchten fürs Le ben — die ist halt nimmer darunter gewesen, gelt? Und wievielen haben's schon das gesagt, lieber Meister Mu sikus?" Er wehrte ab und sah sie ernst, fast zornig an. „Keiner!" stieß er hervor. „Glauben's, daß der Johann Strauß ein immer verliebter Narr und Hanswurst ist? I bitt'schön—" Sein Arm drückte sie fast schmerzhaft. Schnell sagte sie mit weicher Zärtlichkeit: „Nein — das glaub' ich wirklich nicht. Verzeihen Sie. Sie können sehr böse werden, ja?" Er lachte leise auf. „Nur, wenn man nit glauben will, daß ich jemanden zum Zerdrücken gern hab'." Meder schloß sie die Augen wie im Traum. »Ich heiße Jetts —murmelte sie.